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Vollständig überarbeitet und aktualisiert
Per Definition ist die bipolare Störung ein dynamischer Vorgang. Neben der leicht erkennbaren Dynamik von Höhen und Tiefen gibt es eine nicht so offensichtliche Dynamik von Innen und Außen. Das Erkennen der Kluft zwischen der inneren Realität der Betroffenen und der äußeren Realität der Angehörigen öffnet eine neue Perspektive, die ein besseres Verständnis und einen leichteren Umgang miteinander ermöglicht.
Ein Perspektivenwechsel ist oft alles, was nötig ist, um Wege für grundlegende Veränderungen zu eröffnen. Um einen Perspektivwechsel zu erlangen, muss man oft nur irreführende Begriffe und überholte Konzepte umdefinieren. Diese überarbeitete Neuauflage tut beides:
Der bipolare Spagat verkündet Gutes: Es gibt viel mehr, was Betroffene und Angehörige verbindet, als was sie trennt. Keine ist ein machtloses Opfer. Beide haben immer die Wahl, wie sie auf die Situation und auf einander reagieren wollen. Und heute gibt es viel mehr Wahlmöglichkeiten als je zuvor!
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Seitenzahl: 134
Donna Reynolds
2., überarbeitete Auflage 2022
Seit dem ersten Erscheinen dieses Buches gab es bahnbrechende Erkenntnisse über das Wesen und die Behandlung der bipolaren Störung. Damals wurde behauptet, sie sei eine genetisch bedingte, unheilbare Krankheit. Heute kann diese Behauptung nicht mehr aufrechterhalten werden.
Die zweite Auflage berücksichtigt die Ergebnisse neuester Studien, teilweise aus dem Jahr 2021. Da es durchschnittlich 17 Jahre dauert, bis neue medizinische Erkenntnisse in die Praxis umgesetzt werden, kann ich nur dringend empfehlen, selbst zu recherchieren. Das neu hinzugefügte Glossar kann dabei als Ausgangspunkt dienen. Ich hoffe, dass Betroffene ihr Verständnis der Erkrankung überdenken und einen Weg finden, ihre Sensibilität zu ehren und zu schützen, ihre intensiven Gefühle kreativ auszudrücken und ihre starken Energien zu kanalisieren. Dies ist der Weg, nicht zur „Normalität“, sondern zu anhaltender Gesundheit und Wohlergehen.
Wenn während eines Notfalls im Flugzeug die Sauerstoffmasken herunterfallen, wird man angewiesen, zuerst sich selbst eine Maske anzulegen, bevor man anderen hilft. So is es auch in unserem Fall. Erst, wenn deine eigenen Bedürfnisse erfüllt sind, wirst du in der Lage sein, mir zu helfen.
Passe die Erwartungen, die du an dich selbst hast, den Umständen an. Das heißt, schraube sie sowohl in praktischer als auch physischer Hinsicht auf ein vernünftiges Maß herunter.
Bitte um Hilfe und nimm sie auch an. Sag den bereitwilligen Helfern, was sie tun können.
Sei dir deiner Grenzen bewusst. Schätze realistisch ein, wie weit du wirklich gehen willst und kannst.
Finde ein Ventil für deinen Frust, und sei es nur Tagebuch scheiben.
Richte dir zur Unterstützung einen geregelten Tagesablauf ein.
Unternimm weiterhin das, was dir Freude macht.
Erhalte deine Verbindungen zu anderen aufrecht. Lasse sie dir beistehen, genauso wie du mir beistehst
Bedenke, dass negative Situationen auch Positives hervorbringen können.
Zoll dir Anerkennung dafür, dass du dich um mich sogst und für mich sorgst.
Denke daran, dass du die Wahl hast.
Obwohl du dich vielleicht machtlos fühlst, wenn du den Herausforderungen der bipolaren Störungen gegebnüberstehst, bist du es nicht. Du kannst sehr viel tun, um die Auswirkungen der Krankheit auf uns beide abzuschwächen. Bewusste Maßnahmen, nicht Spontanreaktionen, sind das Entscheidende.
Erkenne die Gegebnheit meiner Diagnose mit all Ihren Folgen an
Informiere dich über die Krankheit und ihre Behandlung.
Unterstütze mich beim Befolgen meines Behandlungsplans.
Entwickle Strategien für die Zeit vor, während und nach Episoden.
Begreife den Konflikt zwischen innerer und äußerer Realität.
Finde heraus, welche Probleme real sind und welche meiner Fantasie entspringen.
Ermahne mich nicht, mich zusammenzureißen, mich zu beruhigen, dankbar zu sein, für das, was ich habe. Vermeide Anspielungen, dass ich in der Lage sein sollte, meine Gefühle frei zu wählen und unter Kontrolle zu halten.
Gestehe mir meine Grenzen zu, ohne zu werten. Schätze mich für das, was ich bin, nicht das, was ich tue.
Habe einen Krisenplan für den Umgang mit Notsituationen parat.
Wenn alles andere keinen Erfolg hat, sage: "Ich habe nicht einmal ansatzweise einen Begriff davon, was du durchlebst, aber ich sehe dass du leidest, und ich nehme es wichtig."
Bei meinen eigenen Bemühungen, trotz bipolarer Störung ein befriedigendes Leben zu führen, bin ich im Bereich persönlicher Beziehungen auf die größten Schwierigkeiten gestoßen. Ungenügende Informationen über die Krankheit und ein Mangel an Wissen, wie sie sich äußert, bringen mich und die mir nahestehenden Menschen in extrem frustrierende Situationen. »Der bipolare Spagat« soll dir helfen, nicht nur die innere bipolare Lücke, sondern auch äußere Verbindungslücken zu überbrücken.
Angehörige und Freunde werden es nicht immer einfach finden, die enthaltenen Vorschläge umzusetzen. So ist es ihnen gegenüber nur fair, dass du selbst die größtmögliche Anstrengung unternimmst. Es ist zwingend erforderlich, dass du integer bleibst und die Erkrankung nicht als Ausrede für jede Tat oder Unterlassung benutzt, und dass du bereit bist, Eigenverantwortung zu übernehmen und alles zu tun, was notwendig ist, um dauerhaftes Wohlbefinden zu erlangen.
Denke daran, dass der Umgang mit der bipolaren Störung ein gemeinsames Bemühen ist, auch wenn du dich vielleicht von anderen entfremdet fühlst. Lass die Hilfe anderer zu und schließe dich ihren Bemühungen an. Zusammen ist die Chance am größten, die bipolare Störung zu überwinden.
Der bipolare Spagat führt ideal und auf besondere Weise ins Krankheitsbild ein, bietet aber auch aufschlussreiche und befreiende Erkenntnisse für jene, die schon viel zum Thema gelesen haben. Freunde und Familie sind oft hilflos und verstehen nicht, womit sie es zu tun haben. Hier hören sie direkt aus dem Mund einer Betroffenen, was sie tun, bzw. lassen sollen, um eine Hilfe zu sein oder Hilfe zu erfahren. Durch die konkreten Anregungen werden alle Beteiligten sich besser gerüstet fühlen, um erfolgreiche Bewältigungsstrategien zu entwickeln und kontraproduktive Reaktionen durch wirksame Maßnahmen zu ersetzen.
Die übliche Darstellung der bipolaren Störung als seelische Auf-und-Ab-Problematik übersieht eine zusätzliche Dynamik, die für die problematische Interaktion zwischen Betroffenen und ihren Freunden und Familienangehörigen verantwortlich ist. Der bipolare Spagat ist das erste Buch, das sich mit diesem Schlüsselfaktor auseinander setzt.
Sowohl im manischen als auch im depressiven Zustand sind die Betroffenen in ihrer eigenen inneren Welt gefangen, die mit der äußeren Realität, wie sie von Anderen wahrgenommen wird, nicht übereinstimmt. Das Problem besteht häufig nicht im Hoch und Runter, sondern im Innen und Außen. Dieses Konzept macht einen ganz neuen Zugang des Verstehens und des Umgangs mit der Störung möglich, besonders was die persönlichen Beziehungen angeht.
Der Eine oder die Andere mag sich erst daran gewöhnen müssen, dass dieses Buch durch die Unmittelbarkeit des Gebrauches von »ich« und »du« eine sehr persönliche, direkte Note bekommt. Auch ich war anfänglich etwas irritiert darüber, wie nahe das Buch mir auf die Seele gerückt ist. Diese Form, den Leser ganz mitzunehmen, ihn unmittelbar anzusprechen, dabei aber im Wechsel zwei verschiedene Perspektiven einzunehmen, ist das Außergewöhnliche und Besondere an diesem Buch, es liest sich »vertraut«.
Auch die Zeichnungen im Buch, die zentrale und typische Situationen des Verlaufs herausarbeiten und wie bildliche Merksätze imponieren, dem Leser sozusagen den Text im wahrsten Sinne des Wortes vor sein Auge führen, untermalen das Anliegen und die Botschaften der Autorin in gelungener Weise. Betroffene wie auch die oftmals geplagten und so oft ratlosen Angehörigen werden gleichermaßen von der Lektüre dieses Buches profitieren: es ist ein Wegweiser ohne erhobenen Zeigefinger, ohne Betroffenen- Sentimentalität, ohne Helfer-Aufopferung. Es ist ein authentisches, ehrliches und pragmatisches Buch, das ich auch den professionellen Helfern empfehlen kann.
Prof. Dr. Isabella Heuser, Charité Berlin
Titelei
Donna Reynolds
Vorwort zur 2. Auflage
Was dir helfen kann
Was mir helfen kann
Von der Autorin an die Betroffenen
Vorwort Prof. Dr. Heuser
Die Dynamik der bipolaren Störung
Für den, der helfen will
Nicht nur im Kopf
Immer mehr Betroffene
Zwei Pole
Schwierige Diagnose
Unberechenbar
Der Zeitfaktor
Zumutbare Hochs und Tiefs
Extrem hoch: Die explosive Manie
Unangemessenes Verhalten
Extrem gut drauf: Die täuschende Hypomanie
Extrem tief: Die verzehrende Depression
Der Zusammenbruch
Innen und Außen: Die bisher unerkannte Dynamik
Erstrebenswerte Ausgeglichenheit
Die Lücke
Die Überbrückung
Die Maskerade
Der bipolare Spagat
Immer verzweifelter
Der Sturz
Durchhalten
Rückzug
Gefangen
Die Gefahr
Hilfe unmöglich
Die Lücke schließen
Die Rückkehr
Die Wiedereingliederung
Die weitere Vorgehensweise
Auswirkungen auf mich und dich
Wie bin ich betroffen?
Die Tiefs einer Depression
Das Innen und Außen einer Depression
Die halben Hochs einer Hypomanie
Das Innen und Außen einer Hypomanie
Die Hochs einer Manie
Das Innen und Außen einer Manie
Episoden mit gemischten Merkmalen
Mannigfaltige Symptome
Wie bist du betroffen?
Deine Gefühle
Abscheu bis Zuneigung
Vereinsamung
Entfremdung
Verärgerung
Furcht
Reue
Deine Gedanken
Verleugnung
Verwirrung
Besessenheit
Deine Grenzen
Geduld
Zuversicht
Durchhaltevermögen
Entschlossenheit
Deine Stärken
Selbstsicherheit
Selbstverantwortung
Selbsterkenntnis
Selbstvertrauen
Selbstwertgefühl
Deine Kontaktbereitschaft
Verbundenheit
Mitgefühl
Offenheit
Deine Reaktionen
Was hilft dir? Was hilft mir?
Wie du dir selbst helfen kannst
Andere einbeziehen
Die eigenen Grenzen kennen
Deine Bedürfnisse vorrangig behandeln
Selbstbestimmt agieren
Wie du mir helfen kannst, Hilfe anzunehmen
Den Tatsachen ins Auge sehen
Notwendigkeit
Aufgeschlossenheit
Ursachen>
Dich informieren
Behandlungsmöglichkeiten abwägen
Neue Erkenntnisse
Umfassendes Konzept
Behandler finden
Hilfestellung
Beharrlichkeit
Mitwirkung
Fürsprache
Behandlungsplan einhalten
Absetzen von Psychopharmaka
Gedächtnisstützen
Nebenwirkungen
Durchhaltevermögen fördern
Schriftliches Protokoll
Behandlungstermine
Wie du mir helfen kannst, Beziehungen zu bewahren
Den engsten Kreis einbinden
Alltag>
Familienforum
Die Partnerschaft anpassen
Rückzug
Freiraum
Respekt
Keine Nötigung
Sex
Den Umgang mit anderen erleichtern
Überforderung
Sozialkontakt
Warnsignale
Kommunikationswege offen halten
Gewaltfreie Kommunikation
Wiederholung
Perspektive
Wie du mir helfen kannst, mit Einschränkungen umzugehen
Probleme angemessen angehen
Authentizität
Ernsthaftigkeit
Zuständigkeit
Dringlichkeit
Wichtigkeit
Meine Arbeitsfähigkeit einschätzen
Entgegenkommen
Zugeständnisse
Erwerbsminderung
Mentale Beeinträchtigungen anerkennen
Entscheidungsvermögen
Erinnerungsvermögen
Mich weniger tun lassen
Plan B
Aufgaben
Mich, so wie ich bin, wertschätzen
Feste Eigenschaften
Veränderbare Gewohnheiten
Wie du mir helfen kannst, mit Gefühlen umzugehen
Gefühle zugestehen
Weinerlichkeit
Trostlosigkeit
Gefühllosigkeit
Einzigartigkeit
Verantwortung
Ermahnungen unterlassen
Keine Verurteilung
Keine Banalitäten
Keine Predigten
Eine positive Einstellung bewahren
Blickwinkel
Ausdauer
Wie du mir helfen kannst, Notsituationen zu entschärfen
Auf Extreme gefasst sein
Erschreckende Verwandlung
Unakzeptables Verhalten
Verschwenderisches Geldausgeben
Unbewusste Leichtsinnigkeit
Erhöhte Suchtanfälligkeit
Kriminelles Verhalten
Drohende Gewalttätigkeit
Wahrnehmungsanomalien
Notfälle
Suizidgefahr erkennen
Irrationale Rationalität
Verräterische Vorbereitungen
Keine Schuldzuweisungen
Wie es weitergeht
Maßnahmen im Voraus planen
Schriftliche Vereinbarung
Stressverminderung
Tagesrituale
Friedliche Umgebung
Erwartungshaltung
Besondere Anlässe bedenken
Feiertage
Urlaub
Traumatische Jahrestage
Strategien bewerten
Flexible Anpassung
Verleugnung
Das Nichtstun
Entwarnung geben
Besserungsanzeichen
Langmut
Folgen verantworten und Versöhnung ermöglichen
Partnerschaft
Andere Beziehungen
Zurück- und Vorausblicken
Glossar
Endnoten
Autorenvorstellung
Impressum
Die bipolare Störung dürfte wohl die verschiedenartigsten und widersprüchlichsten Symptome von allen Erkrankungen haben. Ihre Dynamik zu verstehen mag fordernd und frustrierend sein, ist aber unabdingbar.
Ich gebe dir dieses Buch, weil du von meiner bipolaren Störung direkt betroffen bist. Wenn ich leide, leiden auch die, die mir nahe stehen. Es ist äußerst wichtig, die Erkrankung und ihre Wirkung auf uns zu verstehen. Wir werden in sehr unterschiedliche Situationen geraten. Wir müssen beide lernen, welche Reaktionen dann hinderlich und welche Handlungen hilfreich sind.
Die bipolare Störung zeigt sich bei jedem Betroffenen anders; was auf andere zutrifft, trifft nicht unbedingt auf mich zu. Nach der Lektüre dieser Seiten sollten wir besprechen, welche Aussagen in unserem speziellen Fall zutreffen, welche Maßnahmen Erfolg versprechend sein könnten und unsere eigenen Umgangsstrategien entwickeln.
Es wurde lange vermutet, dass der bipolaren Störung eine biochemische Unausgewogenheit im Gehirn zugrunde liegt. Dennoch konnte bisher, trotz beobachtbaren strukturellen und funktionalen Hirnabweichungen, kein einzelnes Gen, keine einzige Nervenbahn oder Hirnanomalie eindeutig als Ursache nachgewiesen werden.
Aufgrund des unbestreitbaren Zusammenhangs zwischen Darmfunktionsstörungen und dem Gehirn wird nun untersucht, ob eine gestörte Darmflora nicht eine wahrscheinlichere Ursache wäre.
Obwohl sich immer mehr Menschen behandeln lassen und mehr Medikamente einnehmen als je zuvor, steigt die Zahl der Betroffenen mit alarmierender Geschwindigkeit. Laut der Deutschen Gesellschaft für bipolare Störungen e. V. (DGBS) leiden 1,5 bis 3 Prozent der deutschen Bevölkerung an einer bipolaren Störung.
Die einander gegenüberstehenden Extreme bei der bipolaren Störung sind Manie und Depression, wobei »extrem« das Schlüsselwort ist. Der Schmerz der bipolaren Depression ist so intensiv, dass ich oft lieber tot wäre. Die bipolare Manie geht weit über ein gelegentliches Aufgedrehtsein hinaus und äußert sich durch absolut unangemessenes Verhalten, manchmal sogar durch Halluzinationen oder Wahnvorstellungen. Schwankungen zwischen den Polen erleben wir alle, aber die gesteigerte Wahrnehmung hochsensibler Betroffener bedeutet, dass sie mehr Reize aufnehmen, Unstimmigkeiten deutlicher spüren und zwangsläufig ein erweitertes Leidenspotential entwickeln.
Einen physischen Test zum Feststellen der bipolaren Störung gibt es nicht. Es handelt sich um ein Syndrom, einen Symptom-Komplex, bei dem viele biologische, psychologische, soziologische und seelische Faktoren zusammentreffen.
Dass Betroffene über Jahre an den Symptomen leiden, bevor sie professionelle Hilfe in Anspruch nehmen, ist nicht ungewöhnlich. Viele weitere Jahre können bis zur Diagnose vergehen. Danach ist wiederum Zeit nötig, um eine effektive Behandlung zu finden.
Das launenhafte Wesen der bipolaren Störung macht es besonders schwer, sie zu erkennen, zu behandeln und mit ihr zu leben. Die Erkrankung zeigt sich in verschiedenen Formen, vielfachen Kombinationen und wechselnder Intensität für unterschiedliche Zeiträume.
Das Muster variiert von Mensch zu Mensch, von Episode zu Episode. Stimmungswechsel können durch Stress ausgelöst werden. Es kann aber vorkommen, dass die Gefühle mit der aktuellen Situation scheinbar in keinerlei Zusammenhang stehen.
Eine Episode kann Tage, Wochen oder sogar Monate andauern. Wenn ich vier oder mehr Episoden im Jahr erlebe, habe ich das sogenannte »Rapid Cycling«. »Ultra rapid Cycling« bezeichnet einen oder mehr Stimmungswechsel pro Monat. Schwankungen von ein oder mehreren Malen am Tag können auftreten. Es ist sogar möglich, an fortwährenden Umschwüngen ohne Symptomfreiheit zwischendurch zu leiden. Glücklicherweise kennen die meisten Betroffenen ausgedehnte Stabilitätsphasen zwischen den Episoden.
Ein gesunder Mensch reagiert auf die Höhen und Tiefen des Lebens mit einem Gefühlsspektrum, das von tiefer Trauer bis ekstatischer Freude reicht. Diese Gefühle, egal wie ausgeprägt sie sind, gehören ins Reich üblicher menschlicher Empfindungen. Sie werden von allen Menschen in relativ ähnlicher Weise empfunden und ausgedrückt und stellen vorhersehbare Reaktionen auf äußere Gegebenheiten dar.
Diese Gefühle kann man mit den überschwänglichen, sprunghaften Seelenregungen, die ein Mensch mit bipolarer Störung erlebt, nicht vergleichen!
Bipolare Manie ist exzessiv, hemmungslos, maßlos und oft zerstörerisch. Die ab ▶ hier aufgeführten Symptome lassen ihre vielen Gesichter erkennen. Außer durch die geistigen und seelischen Anzeichen äußert sich die Manie auch körperlich. Eine Art aufgewühlter Strudel im Solarplexus dreht sich immer schneller. Er produziert dabei einen Energieüberschuss, der kein Ventil hat. Der aufgestaute Druck steigert sich schmerzhaft, und ich fühle mich, als würde ich gleich explodieren. Alles in mir drückt und drängt nach vorne, um sich Platz zu verschaffen. Vielleicht rede ich deshalb so viel. Vielleicht brauche ich deshalb schöpferische Ventile. Die Worte und die Gefühle müssen raus! Ich versuche, mich von der Energie zu befreien, die mich aufdreht, mich am Schlafen hindert und letztendlich zu vollständiger nervlicher Erschöpfung führt.
Eine voll ausgeprägte Manie ist verheerend. Ich bin leicht erregbar und aggressiv. Ich gebe bei Weitem zu viel Geld aus. Mein Urteilsvermögen ist außerordentlich schwach. Mein Benehmen ist unangemessen. Ich nehme mehr auf mich, als ich bewältigen kann; mit dem Ergebnis, dass ich beim »Jonglieren« manches fallen lasse. Meine Gedanken rasen meinen Worten voraus, meine Handlungen schließen vernünftige Überlegungen aus. Ich habe vielleicht Schwierigkeiten, dich zu verstehen, und du mich. Ich kann den Bezug zur Realität so weit verlieren, dass ich nicht mehr für mich selbst sorgen kann.