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Buch 1 in der Serie - Die Spürnasen Als wertvolle Kunstwerke aus einer beliebten Galerie in New Orleans gestohlen werden, wollen der NOPD Lead Detective Montgomery "Beau" Bissonet und sein Partner den Fall lösen. Als Tollison Cruz von der Versicherungsgesellschaft der Galerie zum Big Easy geschickt wird, um unabhängige Ermittlungen durchzuführen, prallen Persönlichkeiten aufeinander und Fronten tun sich auf. Der Einbruch wird schnell zu einem politisch hochkarätigen Fall und Detective Bissonet rast vor Wut, als ihm befohlen wird, mit Ermittler Cruz zusammenzuarbeiten, um eine zügige Verhaftung zu erreichen. Die Temperatur zwischen ihnen erreicht neue Höhen, als die beiden erkennen, dass sie mehr gemeinsam haben, als ursprünglich angenommen. Nachdem die Spannung zwischen ihnen für den Moment gelöst ist, können Bissonet und Cruz endlich zusammenarbeiten, auf mehr als nur einem professionellen Level. Aber alles kommt zum Stillstand, als Beau herausfindet, dass sein zeitweiliger Partner Informationen zurückhält, die den Fall betreffen, und eine sehr zweifelhafte Vergangenheit verschwiegen hat. Was als Nächstes passiert, stellt selbst die sengende Sommerhitze in den Schatten.
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Seitenzahl: 315
Veröffentlichungsjahr: 2017
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Von Scotty Cade
Bissonet & Cruz Investigations: Buch Eins
Als wertvolle Kunstwerke aus einer beliebten Galerie in New Orleans gestohlen werden, wollen der NOPD Lead Detective Montgomery „Beau“ Bissonet und sein Partner den Fall lösen. Als Tollison Cruz von der Versicherungsgesellschaft der Galerie zum Big Easy geschickt wird, um unabhängige Ermittlungen durchzuführen, prallen Persönlichkeiten aufeinander und Fronten tun sich auf.
Der Einbruch wird schnell zu einem politisch hochkarätigen Fall und Detective Bissonet rast vor Wut, als ihm befohlen wird, mit Ermittler Cruz zusammenzuarbeiten, um eine zügige Verhaftung zu erreichen. Die Temperatur zwischen ihnen erreicht neue Höhen, als die beiden erkennen, dass sie mehr gemeinsam haben, als ursprünglich angenommen.
Nachdem die Spannung zwischen ihnen für den Moment gelöst ist, können Bissonet und Cruz endlich zusammenarbeiten, auf mehr als nur einem professionellen Level. Aber alles kommt zum Stillstand, als Beau herausfindet, dass sein zeitweiliger Partner Informationen zurückhält, die den Fall betreffen, und eine sehr zweifelhafte Vergangenheit verschwiegen hat. Was als Nächstes passiert, stellt selbst die sengende Sommerhitze in den Schatten.
Inhalt
Zusammenfassung
Widmung
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
Epilog
Biographie
Von Scotty Cade
Besuchen Sie Dreamspinner Press
Copyright
Für Kell, meinen Ehemann und Lebenspartner, mit dem ich seit siebzehn Jahren zusammen bin, und der mir jeden einzelnen Morgen sagt, wie gut ich aussehe. Seine Liebe und Unterstützung machten mich zu dem Menschen, der ich heute bin, und ohne ihn wäre ich verloren. Ich liebe dich, Skeeter!
Und für meine Nichte Jane Harper Hicklin-Dollason, die Managerin der Charleston Renaissance Gallery in Charleston, South Carolina. Danke, dass du meine endlosen und manchmal dummen Fragen über die Welt der Südstaatenkunst beantwortet hast. Dein Wissen und deine Expertise haben diese Geschichte so echt und realitätsnah wie möglich gemacht. Kell und ich lieben dich sehr.
CRYMES VILLERIE stand neben seinem Chevrolet Suburban im Garden District von New Orleans und betrachtete die große, aber kränklich aussehende Villa in der St. Charles Avenue. Er kniff im hellen Schein der Julisonne die Augen zusammen und versuchte, die Hausnummer über der Tür zu erkennen, aber er musste sich abwenden, als seine Augen begannen zu tränen.
Still verfluchte er die Sonne und die erdrückende Mittsommerhitze, während er ein weißes Baumwolltaschentuch aus der Manteltasche holte und das ordentliche Quadrat auf seine Augen presste. Er schüttelte das Taschentuch aus, wischte sich den Schweiß von den Augenbrauen und tupfte sein Gesicht und seinen Nacken ab, bevor er es wieder einsteckte.
Crymes hob die Hand, um die Sonnenstrahlen abzuschirmen, und machte einen letzten Versuch, dabei schaffte er es, die ersten drei Ziffern der Hausnummer zu lesen, bevor ihm wieder Tränen in die Augen traten. Er schaute auf die handgeschriebenen Ziffern auf der Rückseite einer seiner Visitenkarten und stellte zufrieden fest, dass er richtig war. Er glättete die Vorderseite seines marineblauen Jacketts und öffnete das schmiedeeiserne Tor. Der kreischende Klang von Metall auf Metall erfüllte seine Ohren. Crymes zuckte zusammen, als das Tor hinter ihm zuschlug.
Am Vortag hatte er einen anonymen Anruf bekommen von jemandem, der eine Haushaltsauflösung organisierte. Man hatte ihn eingeladen, die Kunstwerke zu begutachten, bevor der Verkauf offiziell begann. Da er selbst Kunsthändler und Besitzer einer eigenen Galerie in der Royal Street im Herzen des French Quarter war, konnte er sich die Gelegenheit, möglicherweise ein seltenes Stück zu finden oder wenigstens seine Kollektion zu vergrößern, nicht entgehen lassen. Die Royal Renaissance Galerie war auf historische Kunst aus den Südstaaten spezialisiert, die größtenteils den Bürgerkrieg zum Thema hatte, und dank vierzig Jahren Berufserfahrung wusste Crymes sehr genau, wo er am ehesten etwas finden würde, das dem entsprach.
Crymes ging zum Haus, stieg die vier Stufen hinauf auf die Veranda und klopfte an die Tür. Sie öffnete sich und ein korpulenter Mann erschien, der Mitte sechzig zu sein schien und ihm die Hand entgegenstreckte.
„Guten Tag. Ich bin Dudley Robinette. Sie sind Mr. Villerie?“
„Ja. Bitte nennen Sie mich Crymes“, antwortete er und schüttelte die Hand des Mannes.
Dudley nickte. „Bitte kommen Sie herein, Crymes“, sagte er mit einem schweren Südstaatenakzent.
Aus Gewohnheit trat Crymes sich die Schuhe ab und ging durch die Eingangstür. Die unverwechselbare Atmosphäre von altem Geld erfüllte seine Sinne und sein Herzschlag raste vor Aufregung. Bleib ruhig, Crymes. Lass dir deine Aufregung nicht anmerken.
Er schaute sich ruhig um, während seine Augen sich an das Licht in dem schwach erleuchteten Foyer gewöhnten. Dabei musste er ein Keuchen unterdrücken, als er Ölgemälde dicht an dicht wie in einer Galerie entdeckte, auch an den Wänden der Treppe hinauf in den ersten Stock. Entschlossen, sich zusammenzureißen und nonchalant zu bleiben, räusperte Crymes sich und schaute nach rechts und links. Zu seiner Überraschung sahen die angrenzenden Räume genauso aus.
Er bemerkte andere Leute, die herumgingen und sich die ausgestellten Kunstwerke ansahen. Plötzlich hatte er es eilig, zur Sache zu kommen.
„Alle Stücke haben einen Preis, aber der ist natürlich verhandelbar“, sagte Dudley. „Bitte schauen Sie sich um und wenden Sie sich an mich, wenn Sie Fragen haben.“ Dudley schaute auf seine Uhr. „Oh. Ich habe mit vier Kunsthändlern Termine ausgemacht und Sie haben vierzig Minuten, bis die nächsten ankommen.“
„Vielen Dank“, sagte Crymes und Dudley drehte sich um und verschwand in den hinteren Bereich des Hauses.
Er fühlte sich wie ein Kind im Süßigkeitenladen, während er die Wände der Galerie betrachtete, jedes Gemälde eingehend studierte, den Künstler bestimmte, ebenso wie die Qualität der Arbeit und der Rahmen. Obwohl er exzellente Kunstwerke entdeckte, war er enttäuscht, dass keines der Stücke zu seinem Stil passte.
Ein anderer Händler bewunderte das Bild, das Crymes gerade studierte. „Sehr schön“, sagte er.
„In der Tat“, stimmte Crymes zu, dann ging der Mann weiter.
Schließlich war Crymes wieder im Foyer und beschloss, nach oben zu gehen und sich dort umzusehen, bevor er das Erdgeschoss in Angriff nahm. Er erklomm die Treppe und blieb mitten in der Bewegung wie erstarrt stehen. Vor ihm hing ein Bild, das er schon einmal gesehen hatte, entweder in einem Kunstmagazin oder irgendwo im Internet. Er meinte, es hieß The Tiny Soldier oder so in der Art. Auf dem Preisschild stand 71 500 $.
Crymes holte sein Handy hervor und rief in der Galerie an.
„Royal Renaissance.“
„Harper! Du musst für mich etwas über ein Gemälde herausfinden.“
Harper Villerie Hayes war Crymes’ Galeriemanagerin und außerdem sein einziges Kind. Sie hatte an der Tulane University einen Abschluss in Kunstgeschichte gemacht und anschließend eine Weile in der Kunstszene von New York verbracht. Sie hatte die Liebe ihres Vaters für die Kunst geerbt und war nach ihrem kurzen Aufenthalt in New York nach New Orleans zurückgekommen, um in seine Fußstapfen zu treten.
„Hey Crymes“, sagte sie. „Einen Moment. Ich brauche etwas zu schreiben.“
Crymes runzelte die Stirn, als sie ihn beim Vornamen nannte. Kurz nachdem Harper begonnen hatte, für ihn zu arbeiten, hatte sie aufgehört, ihn Daddy zu nennen, und angefangen, ihn mit Vornamen anzureden. Damit wollte sie zeigen, dass sie ihren eigenen Weg ging und nicht nur „Daddys kleines Mädchen“ oder „die Tochter des Besitzers“ war. Er hatte sich immer noch nicht daran gewöhnt, aber er verstand ihre Beweggründe und akzeptierte sie.
„Okay. Da bin ich wieder“, sagte Harper. „Schieß los.“
„Sieh mal, was du über ein Bild von Eastman Johnson herausfinden kannst. Ich glaube, es heißt The Tiny Soldier. Es ist mit E. Johnson signiert und in der linken, unteren Ecke steht 1864.“
„Wie groß ist es in etwa?“, fragte Harper.
„Warte kurz“, erwiderte er und holte ein kleines Maßband aus seiner Tasche, das er immer bei sich trug. Er maß den sichtbaren Teil des Gemäldes nach und die gesamte Größe inklusive des Rahmens. „Das Gemälde selbst ist etwa siebenunddreißig mal neunundzwanzig Zentimeter groß. Mit Rahmen sind es dreiundfünfzig mal fünfundvierzig Zentimeter.“
„Alles klar. Ich kümmere mich darum.“
„Oh, und Harper. Ich habe nur etwa fünfunddreißig Minuten, bevor die nächsten Kunsthändler eintreffen, also ruf mich an, sobald du etwas herausfindest.“
„Mache ich.“
Crymes ging weiter die Treppe hinauf und schlenderte durch jeden Raum im ersten Stock. Die Sammlung war ebenso beeindruckend wie im Erdgeschoss, aber er fand nichts, das in seine Galerie passte. Er kehrte ins Erdgeschoss zurück und betrat das Speisezimmer. Dort waren Werke von drei oder vier Künstlern, die er kannte, außerdem ein paar Szenen aus New Orleans und der Canal Street, aber nichts, das er für besonders wertvoll hielt.
Crymes hörte Schritte und hin und wieder ein Flüstern von anderen Kunsthändlern, die sich im Erdgeschoss befanden. Er trat durch eine Schwingtür in die Küche und fand Dudley, der an einem kleinen Tisch saß und durch ein Magazin blätterte. Als er Crymes sah, schloss er es sofort und sprang auf.
„Oh, Mr. Villerie“, sagte er nervös. „Kann ich Ihnen helfen?“
„Oh nein, nicht direkt“, antwortete Crymes. „Aber ich habe etwas gesehen, an dem ich eventuell interessiert bin. Meine Galeriemanagerin überprüft gerade seine Herkunft.“
„Oh? Um welches Stück handelt es sich?“, wollte Dudley wissen.
Crymes deutete über seine Schulter. „Der Eastman Johnson an der Treppe.“
Dudley lächelte. „Oh ja, das ist eine wunderschöne Reproduktion. Eine von nur wenigen, wie mir gesagt wurde.“
Crymes räusperte sich. „Ja, aber es muss restauriert werden, bevor man es weiterverkaufen kann“, meinte er. Er gab sein Bestes, ruhig zu bleiben, und schaute sich nach einem Weg aus der Küche um.
„Hier entlang“, sagte Dudley und deutete auf eine weitere Tür. „Durch diese Tür gelangen Sie in die Bedienstetenkammer“, fügte er hinzu und schaute über seine Schulter, „aber sie ist leer. Von dort aus kommen Sie in das Arbeitszimmer, den Musikraum und den Salon, dann sind Sie wieder im Foyer.“
„Danke“, sagte Crymes. „Ich rufe Sie, wenn ich weitere Fragen habe.“
Dudley lächelte erneut. „Aber gern.“
Crymes ging durch das Arbeitszimmer und studierte jedes Kunstwerk und jeden Rahmen, aber auch dieses Mal sah er nichts, was sein Interesse weckte. Er dachte darüber nach, ein paar Stücke zu erwerben, um sie an andere Händler weiterzuverkaufen, was ihm einen kleinen Profit einbringen würde, aber er wollte sein Geld nicht in Stücke investieren, die nicht seinem Stil entsprachen und die er nicht so schnell würde verkaufen können.
Er ging weiter ins Musikzimmer und sah, dass es mit den Werken verschiedener Künstler geschmückt war, die den Mardi Gras um die Jahrhundertwende darstellten. Es waren farbenfrohe Bilder von Festwagen, die von Pferden gezogen wurden, des Krewes of Rex, des Momus und des Proteus, alle mit verschiedenen Themen, wie Robin Hood, Pinocchio und der Welt der Magie. Doch das imposanteste Stück, das er sah, war eine exzellente Reproduktion von Le Bal Masqué oder Der Maskenball des peruanischen Künstlers Albert Lynch. Er blieb stehen und betrachtete es eine Weile.
„Wundervoll, nicht wahr?“, sagte ein Gentleman, der neben ihn getreten war und die Arme vor der Brust verschränkte.
„Das ist wahr“, antwortete Crymes. „Nicht mein Spezialgebiet, aber ich denke darüber nach, den Preis herunterzuhandeln und es schnell weiterzuverkaufen.“
„Ich bin übrigens Emanuel Della Penna“, sagte der Mann und reichte ihm die Hand. „Sind Sie Kunsthändler?“
„Crymes Villerie“, antwortete Crymes. „Ich besitze die Royal Renaissance Galerie in der Royal Street.“
„Ah ja. Die kenne ich gut“, sagte Mr. Della Penna. „Eine sehr schöne Galerie.“
„Vielen Dank“, sagte Crymes und wandte sich wieder dem Gemälde zu. „Dann wissen Sie auch, dass es nicht in mein Spezialgebiet fällt“, fügte er hinzu.
„Ihr Schwerpunkt liegt auf Kunst aus den Südstaaten und der Zeit des Bürgerkrieges, wenn ich mich nicht irre.“
Crymes nickte. „Sehr gut. Sind Sie auch Kunsthändler?“
„Nicht wirklich“, antwortete Della Penna. „Aber hin und wieder erwerbe ich eine Kleinigkeit.“
„Ich verstehe“, gab Crymes zurück und reichte ihm eine Visitenkarte. „Wenn Sie etwas sehen, an dem ich interessiert sein könnte, lassen Sie es mich bitte wissen.“
Della Penna nickte. „Das werde ich.“
„Es war nett, mich mit Ihnen zu unterhalten, aber wenn Sie mich nun entschuldigen. Ich würde mir gern den Rest der Sammlung ansehen, bevor die anderen Händler eintreffen.“
„Das verstehe ich. Einen guten Tag, Mr. Villerie“, sagte Della Penna und ging in die andere Richtung davon.
Crymes betrat den Salon und musste sich am Türrahmen abstützen, als er sah, was über dem Kaminsims hing. Es war ein sehr altes Gemälde von Robert E. Lee bei der Schlacht von Chancellorville. Er wusste, dass ein französischer Maler namens Louis Mathieu Didier Guillaume das Original gemalt hatte, und hielt den Atem an, als er versuchte, die Signatur am unteren Rand des Gemäldes zu erkennen. Guillaume signierte seine Werke immer mit L.M.D. Guillaume. Crymes fuhr vorsichtig mit dem Finger über die Ölfarbe, die ein wenig abblätterte, und kniff die Augen zusammen, um besser zu erkennen, was er für ein L und ein M hielt. Sein Herz begann zu klopfen, als er ein D erkannte und etwas, das er für ein G hielt, doch es war schwer zu beurteilen, denn das Bild war stark restaurierungsbedürftig.
„Oh mein Gott“, flüsterte Crymes. „Das ist doch nicht etwa das Original. Oder doch?“
Sein Telefon klingelte und riss ihn aus seinen Gedanken. Er schaute auf das Display und sah, dass es Harper war. „Harper! Du wirst es nicht glauben“, sagte Crymes mit zittriger Stimme und legte die Hand über den Mund.
„Was?“, wollte sie wissen.
„Ich glaube, ich sehe hier das Original von General Robert E. Lee and the Battle of Chancellorville von Guillaume.“
„Unmöglich“, erwiderte Harper.
Crymes hörte, wie Finger hastig auf einer Tastatur klickten. „Kannst du die Originalmaße nachsehen und herausfinden, ob es Berichte über das Original und seinen Verbleib gibt?“
„Bin schon dabei“, murmelte Harper, während sie las.
Crymes holte erneut sein Maßband hervor.
„Crymes“, sagte Harper.
„Ich bin noch dran.“
„Das Original ist einhundertsechs mal sechsundachtzig Zentimeter groß.“
Harper murmelte vor sich hin, während sie weiter in ihrem Dokument las.
Crymes stieg auf einen Stuhl und hielt das Maßband horizontal an die Leinwand. Plötzlich bekam er Gänsehaut. Oh mein Gott! Dann stellte er sich auf die Zehenspitzen und maß vertikal nach, dabei wurden seine Knie weich.
Die Leinwand war einen Tick kleiner als die Maße, die Harper ihm genannt hatte, doch er wusste nicht, wie viel von der Leinwand unter dem Rahmen verborgen war. Der Rahmen mit goldenen Blättern im Rokoko-Stil war mindestens dreißig Zentimeter breit und in besserem Zustand als das Bild selbst.
Er kletterte mit zittrigen Beinen von dem Stuhl herunter und nannte Harper die Details. Der Preis, der an dem Gemälde stand, lautete 195.000 $. Crymes wusste, dass dieses Bild deutlich mehr wert war als zweihunderttausend, selbst wenn es nicht das Original war.
„Crymes“, sagte Harper erneut.
„Ja?“
„Laut diesem Dokument vom Museum of The Confederacy ist das Original angeblich kurz vor Kriegsende von Soldaten der Union gestohlen und Grant als Geschenk übergeben worden. Seitdem wurde es nicht mehr gesehen.“
„Bis jetzt“, flüsterte Crymes in sein Telefon.
„Oh mein Gott“, sagte Harper. „Wie viel?“
Crymes schaute erneut auf das Preisschild. „Zweihunderttausend.“
„Das ist ein Schnäppchen“, meinte Harper. „Oh, fast hätte ich’s vergessen. Das Gemälde, wegen dem du vorhin angerufen hast, heißt The Little Soldier. Der letzte bestätigte Verkauf war 1903 für siebentausendfünfhundert Dollar. Derzeit wird es auf sechs- bis achthundertfünfzigtausend Dollar gehandelt.“
„Mehr muss ich nicht wissen“, erwiderte Crymes. „Ich rufe dich nachher an.“
Erneut wischte Crymes sich mit seinem Taschentuch den Schweiß von der Stirn und versuchte, sein Pokerface aufzusetzen, bevor er sich auf die Suche nach Dudley machte.
Als er wieder in die Küche kam, war Dudley noch dort, wo er ihn zurückgelassen hatte, und blätterte in demselben Magazin. „Mr. Robinette?“, sagte Crymes.
Dudley zuckte hoch. „Ja, Sir?“
„Ich denke, ich bin an dem Eastman Johnson an der Treppe und dem Robert E. Lee im Salon interessiert.“
„Ich verstehe“, erwiderte Dudley.
„Ich gebe Ihnen zweihunderttausend für beide“, sagte Crymes so ruhig, wie er konnte.
„Einen Moment“, sagte Dudley, nahm seinen Taschenrechner und tippte die Zahlen ein. „Ich glaube, der Johnson ist mit 71.500 $ ausgezeichnet und der Lee mit 195.000 $. Das sind zusammen 266.500 $.“
Crymes runzelte die Stirn. „Ich fürchte, so hoch kann ich nicht gehen.“
Dudley tippte erneut in seinen Taschenrechner. „Und ich kann nicht unter 247.500 $ gehen.“
„Dann kommen wir wohl nicht ins Geschäft“, sagte Crymes. „Der Lee muss restauriert werden und auch an dem Johnson muss gearbeitet werden. 210.000 $ ist mein bestes Angebot.“
„Es tut mir leid, Mr. Villerie. Ich bin nicht autorisiert, noch tiefer zu gehen. Außerdem erwarte ich noch acht weitere Kunsthändler.“ Dudley schaute auf die Uhr. „Vier in etwa zehn Minuten, um es genau zu nehmen, und vier weitere circa fünfundvierzig Minuten später.“
„Erwarten Sie wirklich, dass Ihnen acht Händler all diese Kunstwerke abkaufen?“, fragte Crymes. „Das halte ich für sehr kurzsichtig. Tatsächlich“, fügte Crymes hinzu, „kaufen sie vielleicht ein paar Stücke, aber Sie werden Kompromisse eingehen müssen, wenn Sie sich darauf verlassen wollen, dass die Leute von der Straße diese Sachen kaufen.“
Dudley kaute auf seiner Unterlippe und Crymes sah seine Chance. „Guten Tag, Mr. Robinette. Und vielen Dank für Ihre Einladung.“
Crymes drehte sich auf dem Absatz herum und war schon im Foyer, als er hörte, wie Dudley seinen Namen rief. „Mr. Villerie. Warten Sie! Geben Sie mir fünf Minuten, um einen Anruf zu machen.“
Ein paar Minuten später erschien Dudley wieder im Foyer und lächelte strahlend. „Wir nehmen Ihr Angebot an, Mr. Villerie.“
„Wunderbar“, sagte Crymes. „Ich wusste, dass Sie ein schlauer Mann sind.“
Crymes ließ sich die Bankverbindung geben, rief Harper an und ließ sie das Geld direkt an die Anwaltskanzlei, die den Verkauf organisierte, überweisen, bevor irgendjemand seine Meinung ändern konnte.
„Ich warte, bis Sie die Überweisung bestätigt haben, dann nehme ich beide Gemälde mit“, meinte Crymes.
„Sind Sie sicher?“, fragte Dudley. „Ich kann sie später am Tag oder morgen liefern lassen.“
„Das wird nicht nötig sein“, sagte Crymes. „Ich bringe sie direkt zu meinem Restaurationsexperten, das erspart mir einen Weg.“
Der Eastman Johnson war leicht zu transportieren, aber sie schafften es nur zu zweit, den Lee von der Wand über dem Kamin zu nehmen. Als Crymes die Hintertür seines Suburban schloss, atmeten beide Männer schwer und schwitzten. Crymes streckte die Hand aus. „Vielen Dank, Mr. Robinette. Bitte behalten Sie meine Nummer, wenn bei zukünftigen Haushaltsauflösungen wieder Kunstwerke angeboten werden.“
„Das werde ich“, antwortete Dudley. „Und vielen Dank.“
Crymes stieg in sein Auto und fuhr los. Er fühlte sich ein wenig schuldig, aber der Besitzer hatte in etwa den Preis bekommen, den er gefordert hatte, auch wenn er nicht wirklich gewusst hatte, was er da hatte. „So ist das Kunstgeschäft“, sagte er laut.
Außerdem wusste er nicht mit Sicherheit, dass der Lee ein Original war. Wenn nicht, dann würde er wahrscheinlich noch einen Verlust machen, nachdem er restauriert war. Aber der Eastman Johnson war eine sichere Sache.
ETWAS ÜBER sechs Monate später hatten Crymes und seine Frau Charmaine sich schick gemacht, um an der Eröffnung der neuesten Ausstellung der Royal Renaissance Galerie teilzunehmen, in der das vollständig restaurierte Original General Robert E. Lee and the Battle of Chancellorsville von Louis Mathieu Didier Guillaume und The Little Soldier von Eastman Johnson gezeigt wurden.
Als Crymes und Charmaine die beiden Gemälde betrachteten, die stolz den Hauptausstellungsraum der Galerie zierten, gesellten sich Harper und ihr Ehemann Jamie zu ihnen.
Crymes schmunzelte, als Harper ihre Mutter von oben bis unten betrachtete und lächelte. Charmaine trug ein platinfarben schimmerndes, bodenlanges Kleid, das ihre Kurven perfekt umschmeichelte.
„Ihr zwei seht fantastisch aus. Mom, ist das ein St. John?“, fragte Harper und umarmte ihre Mutter.
„Du hast ein gutes Auge“, antwortete Charmaine lächelnd.
„Hey Crymes“, sagte Harper über die Schulter ihrer Mutter hinweg. „Wow, du hast sogar einen Smoking an.“
Crymes lächelte und zwinkerte Harper zu, dann wandte er sich zu seinem Schwiegersohn. „Jamison“, sagte er und benutzte dessen vollen Namen, während er seine Hand schüttelte.
„Schön, dich zu sehen, Crymes“, sagte Jamie und gab Charmaine einen Kuss auf die Wange. „Harper hat recht, Char. Du siehst atemberaubend aus.“
„Du Schmeichler“, sagte Charmaine und klimperte mit den Augen.
„Was seht ihr euch da an?“, fragte Harper scherzhaft.
„Sie sind wunderschön, nicht wahr?“, meinte Charmaine und wandte sich zu den Gemälden.
„Crymes, ich muss sagen“, stellte Harper fest und verschränkte die Arme vor der Brust und klopfte mit dem Fuß, während sie sich umsah, „du hast mit der Beleuchtung und dem Hintergrund ganze Arbeit geleistet. Die Bilder sehen umwerfend aus.“
Crymes nickte.
„Ja, nicht wahr?“, stimmte Charmaine zu.
Jamie beugte sich vor und pfiff leise, als er die golden umrahmten Preisschilder an den Gemälden sah. „Wow“, sagte er. Der komplett restaurierte Guillaume war auf etwas unter eine Million geschätzt worden und der Eastman auf 850.000 $.
„Crymes“, sagte Jamie. „Da hast du den Vorbesitzer wirklich übers Ohr gehauen. Harper hat mir erzählt, was du dafür bezahlt hast.“
Crymes lächelte. „Ja, ja, ich würde sagen, die beiden waren ein Schnäppchen.“
Harper kicherte. „Das ist eine Untertreibung“, sagte sie leise.
Ein Kellner trat mit einem Tablett voller Champagnergläser aus Kristall heran. „Champagner?“
Crymes reichte seiner Frau ein Glas und nahm sich ebenfalls eins, dann schaute er auf die Uhr. „Es wird Zeit“, sagte er, küsste Charmaine auf die Wange und schaute sich um, um sicherzugehen, dass alles bereit war.
Jamie nahm ein Glas vom Tablett und reichte es Harper. „Auf The Little Soldier und Robert E. Lee“, sagte er und hob sein Glas. Sie stießen an und drehten sich gleichzeitig um, als die kleine Türglocke die Ankunft ihrer ersten Gäste verkündete.
Crymes blieb in einer Ecke stehen, wie meistens, und versuchte, die Mimik der Gäste, die die ausgestellten Stücke betrachteten, zu interpretieren. Dabei entdeckte er Charmaine, die sich unter die Gäste mischte, und musste lächeln. Sie ging von Gast zu Gast, warf ihr silbern schimmerndes Haar zurück, während sie sich unterhielt, und ging dann weiter. Ihre große, schlanke Gestalt bewegte sich leichtfüßig durch die Menge, und wenn sie lächelte, glitzerten ihre blaugrauen Augen. Ihre hohen Wangenknochen und ihre feinen Züge verlangten Aufmerksamkeit. Mensch, ich habe wirklich Glück.
Harper kam zu ihm und hakte sich unter. „Sie ist toll, nicht wahr?“
„Das ist sie“, stimmte Crymes zu und drückte Harpers Arm. „Ich weiß nicht, womit ich so viel Glück verdient habe. Das trifft auf euch alle zu“, fügte er hinzu. „Weißt du, ich sage es dir wahrscheinlich nicht oft genug, aber du leistest großartige Arbeit in der Galerie.“
„Ich danke dir ‒“ Sie hielt inne, stellte sich auf die Zehenspitzen und flüsterte in sein Ohr „‒ Daddy.“
Crymes lächelte und küsste ihre Wange. Dann hörte man das Schlagen einer Tür und es wurde still in der Galerie. Ein Mann in einem zerknitterten Anzug stand in der Tür und schwankte vor und zurück.
„Wo ist Crymes Villerie?“, brüllte er.
Crymes ließ Harper los und ging zu dem Mann. „Ich bin Crymes Villerie. Ich glaube, wir hatten noch nicht das Vergnügen.“
„Ich bin Anthony Le Moyne“, lallte der Mann.
„Kennen wir uns?“, fragte Crymes und überlegte fieberhaft, wo er den aufgewühlten Mann hinstecken sollte. Gleichzeitig versuchte er, das lauter werdende Summen im Raum zu ignorieren.
„Das tun wir nicht.“ Le Moyne schnappte sich ein Champagnerglas, als ein Kellner vorbeiging und ging zu dem Guillaume und dem Johnson. „Sie meinen, Sie erkennen meinen Namen nicht?“
Le Moyne? Crymes dachte erneut nach, aber es fiel ihm einfach nicht ein. Er ging ebenfalls zu den Gemälden. „Nein, es tut mir leid. Ich kann Sie nicht zuordnen.“
„Also ist das nicht zauberhaft“, sagte Le Moyne und schwenkte sein Glas herum, dabei schwappte der Champagner über und kam dem Robert E. Lee gefährlich nah. „Ich bin der Mann, dem Sie diese beiden Gemälde gestohlen haben.“
„Warum gehen wir nicht in mein Büro?“, schlug Crymes vor, denn er wollte den Mann so weit wie möglich von den Gemälden weg wissen.
„Das glaube ich nicht“, lallte Le Moyne. „Ich bleibe lieber hier.“ Dann drehte er sich zu den Gästen. „Ich bitte um Ihre Aufmerksamkeit“, rief er. „Sehen Sie diese beiden Gemälde?“ Er hielt kurz inne, als die Menge erneut verstummte. „Ihr großzügiger Gastgeber hat sie aus dem Haus meiner Familie gestohlen.“
„Das ist absurd“, sagte Crymes und sah, dass Jamie hinter den Mann getreten war. Jamie war schmal gebaut und Crymes war bewusst, dass der Mann Jamie mit einem Schlag aus dem Weg räumen konnte, deshalb hob er die Hand, um ihn zu stoppen. „Ich habe eine Rechnung, die belegt, dass ich diese Gemälde rechtmäßig bei einer Haushaltsauflösung in der St. Charles Avenue erworben habe.“
„Oh!“, sagte der Mann kaum hörbar. „Sicher haben Sie sie aus dem Anwesen meiner Mutter gekauft. Aber bei dem, was Sie dafür bezahlt haben, kann man es durchaus als Diebstahl bezeichnen.“
Bevor Crymes antworten konnte, öffnete sich die Eingangstür und zwei uniformierte Polizeibeamte betraten die Galerie. Oh, Gott sei Dank! Er schaute sich um und entdeckte Harper, die ihm zunickte. Da wusste er, dass sie es war, die die Polizei gerufen hatte.
„Hier entlang, Officers.“ Crymes winkte sie heran. „Dieser Gentleman ist betrunken und verstört. Ich würde es zu schätzen wissen, wenn Sie ihn aus meiner Galerie begleiten.“
Die Officer packten Le Moyne an den Armen und eskortierten ihn zur Tür. Aber bevor sie ihn hinausschaffen konnten, brüllte er über seine Schulter hinweg. „Es ist noch nicht vorbei, Villerie. Sie werden noch von mir hören. Ich bekomme diese Gemälde zurück. Sie gehören meiner Familie!“
Bevor der Mann noch mehr sagen konnte, zogen die Polizisten ihn auf die Royal Street und außer Sichtweite.
„Bitte entschuldigen Sie diese Unterbrechung“, sagte Crymes und hob die Hände. „Nehmen Sie sich Champagner und genießen den Abend.“
Charmaine und Harper traten zu ihm und Jamie folgte ihnen auf dem Fuße. „Wer war dieser Mann, Crymes?“, wollte Charmaine wissen.
„Anscheinend hat das Anwesen, von dem ich diese Gemälde gekauft habe, seiner Mutter gehört“, sagte er und deutete hinter sich auf den Johnson und den Guillaume. „Ich schätze, es hat ihn verärgert, dass ich so wenig dafür bezahlt habe. Aber das muss er mit dem Verwalter des Anwesens ausmachen. Ich habe ihnen ein Angebot gemacht und sie haben es akzeptiert. So ist das Geschäft.“
„Entschuldigen Sie, Mr. Villerie?“
Crymes drehte sich um und entdeckte einen Mann in dunklem Anzug. „Ja?“
„Können wir uns privat unterhalten?“
„Aber sicher“, sagte Crymes und hoffte, dass er an einem der beiden Gemälde interessiert war. „Hier entlang.“
„Bitte entschuldigt mich“, sagte Crymes mit einem Zwinkern zu seiner Familie. „Ich bin gleich zurück.“
Charmaine, Harper und Jamie nickten, als die beiden Männer davongingen.
„Bitte setzen Sie sich“, meinte Crymes, als sie in seinem Büro waren. „Was kann ich für Sie tun?“
„Ich bin Robert Boudreaux, Seniorvizepräsident der First Citizens Bank of New Orleans.“
Crymes fühlte, wie ihm alles Blut aus dem Gesicht wich. Er räusperte sich. „Ah ja, Mr. Boudreaux. Ich weiß, dass Sie mir mehrere Nachrichten hinterlassen haben. Ich hatte vor, Sie anzurufen.“
„Da bin ich mir sicher. Bitte nennen Sie mich Bob“, erwiderte Mr. Boudreaux. „Ich versuche schon seit drei Wochen, Sie telefonisch zu erreichen. Ich war sogar mehrmals in der Galerie, aber Sie waren nicht anzutreffen.“
„Ja“, sagte Crymes. „Das tut mir leid. Ich war in letzter Zeit sehr damit beschäftigt, neue Stücke für die Galerie zu finden.“
„Unglücklicherweise, Mr. Villerie, bin ich der Überbringer schlechter Nachrichten“, sagte Bob, „denn ich bin hier, um Sie zu informieren, dass Sie morgen die offiziellen Benachrichtigungen zur Zwangsvollstreckung dieser Galerie, Ihres Anwesens in der Esplanade Avenue und Ihres Besitzes auf Sullivan’s Island in Charleston, South Carolina erhalten.“
„Aber“, setzte Crymes an, „wo ist John Jacobs? Ich arbeite schon seit Jahren mit ihm zusammen. Warum ist er nicht hier?“
„Es tut mir leid, Mr. Villerie, aber Mr. Jacobs hat darum gebeten, dass ich mich um die Angelegenheit kümmere. Aber glauben Sie mir, er hat sich sehr für Sie eingesetzt. Tatsächlich ist er der Grund, warum es nicht schon früher so weit gekommen ist. Und da Sie beide auch privat befreundet sind, habe ich ihm versichert, dass ich so behutsam wie möglich vorgehen werde.“
„Ich mache schon seit über zwanzig Jahren Geschäfte mit Ihrer Bank. Ihre Bank und ich … wir konnten uns immer einigen und ich habe immer meine Schulden bezahlt.“
Bob nickte. „Das ist uns bewusst, Mr. Villerie, aber Ihre Schulden sind im Verlauf des letzten Jahres kontinuierlich gestiegen und mit dem gestrigen Tag sind Sie mit den Hypothekenzahlungen für Ihre beiden Hypotheken in New Orleans sieben Monate im Rückstand und sechs Monate bei Ihrem Anwesen in Charleston. Außerdem haben Sie all Ihre Kreditlimits und Ihr Eigenkapital ausgereizt. Es tut mir leid, aber Sie lassen uns keine andere Wahl.“
Crymes lehnte sich in seinem Stuhl zurück und schloss die Augen. Er hatte gehofft, dass seine letzten beiden Anschaffungen ihm etwas Zeit verschaffen würden, bevor alles außer Kontrolle geriet, aber die Restaurierungen hatten viel länger gedauert, als angenommen, und nun war es anscheinend zu spät.
„Bob“, sagte er ruhig. „Wir beide sind vernünftige Männer. Ich habe im Moment zwei Gemälde in der Galerie, für die ich nur etwas über zweihunderttausend Dollar bezahlte. Inklusive Restaurierung habe ich weniger als eine halbe Million investiert. Beide sind Originale und haben zusammen einen Wert von knapp zwei Millionen Dollar. Wenn diese Gemälde verkauft sind, habe ich genug, um all meine Schulden zu bezahlen und habe immer noch etwas übrig. Bitte! Können Sie mir noch dreißig Tage geben?“
„Es tut mir leid, Mr. Villerie, aber der Prozess ist bereits in Gang gesetzt. Weil wir schon so lange zusammenarbeiten, habe ich versucht, mich mit Ihnen in Verbindung zu setzen und Sie persönlich über die Zwangsvollstreckungen zu informieren, bevor Sie die Papiere erhalten. Heute Abend war mein letzter Versuch.“
Geschlagen und erschöpft sagte Crymes: „Ich weiß die Geste zu schätzen. Ich hatte bloß gehofft, dass ich die Gemälde verkaufen könnte, bevor es dazu kommt. Wie viel Zeit habe ich?“
„Sie erhalten morgen die formellen Benachrichtigungen für alle drei Immobilien. Da die Gesetze sich von Staat zu Staat unterscheiden, erhalten Sie als Nächstes ein Vollstreckungsurteil für den Besitz in Charleston und eine Pfändungsbenachrichtigung für die Immobilien in Louisiana. Nachdem Sie diese erhalten haben, haben Sie zehn bis dreißig Tage Zeit, die Anwesen zu räumen.“
„Ich verstehe“, sagte Crymes. „Ist es möglich, die Schreiben meinem Anwalt zu übergeben, statt an meinen Wohnsitz und meine Geschäftsadresse? Ich habe meine Familie noch nicht darüber informiert.“
„Leider ist das nicht möglich. Von Rechts wegen müssen wir sie an die Kontaktadressen auf den Hypotheken schicken.“
„Wie wäre es, wenn ich morgen zu Ihnen in die Bank komme und sie entgegennehme?“, frage Crymes. „Ginge das?“
„Ich denke, das lässt sich machen, solange Sie eine Quittung unterschreiben.“
„Das werde ich“, versicherte Crymes. „Sagen wir zehn Uhr?“
„Das ist in Ordnung.“
Crymes stand auf und streckte die Hand aus. „Danke, dass Sie hergekommen sind.“
„Gern geschehen“, antwortete Mr. Boudreaux. „Ich wünschte, es wäre unter angenehmeren Umständen geschehen. Übrigens spricht John in den höchsten Tönen von Ihnen.“
„John ist ein guter Mann.“ Crymes kam um seinen Schreibtisch herum. „Ich begleite Sie zur Tür, Bob.“
Crymes streckte die Hand aus und Bob ging zur Tür hinaus, dabei stieß er mit Charmaine zusammen. „Oh Gott“, sagte er. „Das tut mir so leid.“
„Oh, Charmaine“, sagte Crymes. „Bob, das ist meine Frau Charmaine. Charmaine, das ist Bob Boudreaux.“
„Es tut mir leid, Mrs. Villerie.“
Charmaine winkte ab. „Unsinn. Es war meine Schuld. Es freut mich, Sie kennenzulernen, Mr. Boudreaux.“
Sie wandte sich an Crymes. „Es tut mir leid, dich zu stören, Liebling, aber ich wollte fragen, ob ich euch etwas von der Bar bringen kann.“
„Nicht nötig, Char“, erwiderte Crymes. „Ich wollte Bob gerade hinausbegleiten.“
„Oh!“, machte Charmaine. „Dann war es mir eine Freude, Mr. Boudreaux.“
Bob nickte und trat durch die Tür.
„Wir sehen uns in der Galerie, Char“, sagte Crymes.
ALS CRYMES später am Abend in sein Bett kroch, war er körperlich und geistig erschöpft. Er seufzte schwer und Charmaine schaute von ihrem Buch auf. „Ist alles in Ordnung, Crymes?“
Er legte sich auf den Rücken und verschränkte die Finger auf der Brust. Er grübelte, ob er ihr sagen sollte, dass sie ihr Zuhause und ihr Geschäft verlieren würden.
„Crymes?“, fragte sie erneut.
Er drehte sich zu ihr. „Ja, Schatz?“
„Ich wollte wissen, ob alles in Ordnung ist.“
„Tut mir leid, ich habe dich nicht gehört. Ich muss eingenickt sein“, log er.
„Also?“, fragte sie noch einmal.
Er glaubte, dass die Wahrheit sie bloß die ganze Nacht wachhalten würde, und er wollte, dass sie noch einmal eine Nacht gut schlafen konnte, bevor er ihr die schlechten Nachrichten überbrachte. Er beschloss, morgen wäre früh genug. „Es ist alles in Ordnung, Char. Warum fragst du?“
„Du schienst nach deinem Gespräch mit Mr. Boudreaux heute Abend nicht mehr bei der Sache zu sein.“
Crymes wollte seine Frau nicht direkt anlügen, also musste er schnell nachdenken. „Ich war einfach enttäuscht. Ich dachte, ich könnte heute Abend vielleicht eines der Gemälde verkaufen oder sogar beide.“ Bitte sehr. Das war keine Lüge.
„Was ist passiert?“, fragte sie.
„Wir konnten uns einfach nicht einigen.“
„War es wegen dieses Mannes, der behauptet hat, du hättest seiner Familie die Bilder gestohlen?“
„Ich habe keine Ahnung“, antwortete Crymes und gab ihr einen Kuss auf die Wange. „Gute Nacht, Char. Ich bin wirklich erschöpft.“
„Gute Nacht, Liebling. Morgen ist auch noch ein Tag.“
Erinner mich nicht daran.
CRYMES SCHAUTE wohl zum hundertsten Mal auf die Uhr, seit er zu Bett gegangen war. Er beschloss, dass er sich nicht die ganze Nacht hin und her wälzen konnte, deshalb glitt er leise aus dem Bett, damit er Charmaine nicht weckte, ging nach unten und machte sich einen Kaffee. Mit einer vollen Tasse in der Hand ging er in das dunkle Wohnzimmer ihres Heims in der Esplanade Avenue aus dem achtzehnten Jahrhundert und lächelte schwach, als er sich die vielen Fotos anschaute, die im Laufe der Jahre entstanden waren. Jedes Bild erinnerte ihn schmerzlich an das Leben, das er mit Charmaine, Harper und mittlerweile auch Jamison geteilt hatte. Wie soll ich ihnen bloß sagen, dass wir alles verlieren werden?
Er hatte bereits auf der Heimfahrt beschlossen, dass sie auf das Anwesen in Charleston verzichten konnten. Das Strandhaus auf Sullivan’s Island hatte er Charmaine vor zwanzig Jahren geschenkt, und auch wenn sie es früher, als Harper noch jünger gewesen war, oft genutzt hatten, stand es nun leer, abgesehen von einer oder zwei Wochen im Sommer, wenn Harper und Jamie mit Freunden ein langes Wochenende dort verbrachten.
Aber wie sollten sie es verkraften, dieses Haus und die Galerie in der Royal Street zu verlieren? Sie hatten das Haus gekauft, als Harper noch ein Baby gewesen war, und hatten jeden Geburtstag und jeden Feiertag in eben diesem Raum gefeiert. Charmaine und er hatten ihr Zuhause im French Quarter sorgfältig von Grund auf renoviert, außerdem hatte Charmaine es im Laufe der Jahre mindestens zehn Mal neu dekoriert, dabei hatte sie sich immer große Mühe gegeben. Und die Galerie? Sie war neben Harper und Charmaine sein größter Stolz. Er hatte das historische Gebäude entkernt und es in enger Zusammenarbeit mit der Vieux Carré Commission anhand von Fotos wieder aufgebaut, damit es aussah wie eine exakte Kopie seiner selbst, als es errichtet worden war.
Crymes blinzelte ein paar Mal, um die Tränen zurückzuhalten, die in seinen Augen prickelten. „Ich kann es ihnen nicht einfach sagen. Es wird ihnen das Herz brechen“, sagte er zu sich selbst. „Ich muss einen anderen Weg finden.“
Crymes setzte sich mit seiner halb vollen Tasse kalten Kaffees in den Ohrensessel vor dem Fenster und beobachtete, wie eine hoffnungslose Nacht zu einem noch hoffnungsloseren Morgen wurde. Er zuckte zusammen, als Charmaine eine Hand auf seine Schulter legte. „Wie lange bist du schon wach?“, fragte sie.
„Ein paar Stunden“, antwortete er und legte die Hand auf ihre.
„Crymes, ich mache mir Sorgen um dich“, sagte Charmaine und setzte sich auf die Ottomane gegenüber von ihm, dabei nahm sie seine Hand. „Du hast seit Monaten schlecht geschlafen.“
„Es geht mir gut, Schatz“, erwiderte Crymes und küsste sie auf den Scheitel. „Denk nicht weiter darüber nach. Ich würde gern mit dir hier sitzen und eine Tasse Kaffee trinken, aber ich habe einen Termin in der Stadt, deshalb muss ich duschen und mich fertig machen.“
CHARMAINE BENOIT Villerie lächelte ihren Ehemann schwach an. Nach siebenunddreißig Jahren Ehe kannte sie ihn sehr gut und wusste, dass er sie nie mit dem belasten würde, was ihm Sorgen machte, doch es war nicht zu übersehen, dass er ein Problem hatte. Sie blieb sitzen, nachdem er den Raum verlassen hatte, und ließ frustriert den Kopf hängen. Sie wollte verzweifelt ihre Familie beschützen und würde nicht danebenstehen und zusehen, wie einer ihrer Lieben leiden musste.
Charmaine stand auf und ging zum Kamin. Sie strich mit der Hand über den Rahmen der Fotografie eines jungen Paares an seinem Hochzeitstag, das sein ganzes Leben noch vor sich hatte und voller Hoffnung war. Sie in ihrem weißen Hochzeitskleid und Crymes, der unglaublich gut aussehende Mann, in einem schwarzen Smoking vor der St. Louis Kathedrale, flankiert von ihren Eltern.
Wo sind bloß die Jahre hin, fragte sie sich still. Da ihre Eltern verstorben waren, hatte Charmaine, die ein Einzelkind war, nur Crymes, Harper und Jamie, um die sie sich kümmern konnte. Wie die meisten Frauen aus den Südstaaten war sie entschlossen, alles zu tun, um sie zu beschützen. Sie straffte entschlossen die Schultern und ging in die Küche. Nachdem sie sich eine Tasse Kaffee eingegossen hatte, traf sie ihren Mann am Fuß der Treppe, der bereit zum Ausgehen war.
Er gab ihr einen Kuss auf die Wange. „Ich rufe dich nachher an, Schatz“, sagte er. „Genieß deinen Tag.“
Charmaine lächelte. „Ich habe heute Morgen ein paar Erledigungen zu machen, aber ich komme später in der Galerie vorbei“, sagte sie und ging die Treppe hinauf, dabei flatterte ihr seidener Morgenmantel hinter ihr her.
CRYMES HOLTE
