Der entmündigte Gott - Reinhard Stransfeld - E-Book

Der entmündigte Gott E-Book

Reinhard Stransfeld

0,0

Beschreibung

Gäbe es einen Urheberschutz für Religionen, könnte Gott - wenn er es denn wollte - den Islam wegen Namensmissbrauch belangen! Seit mehr als einem Jahrtausend wird im Islam das wahre Wort Gottes im Koran verschwiegen oder missdeutet. Enorme mentale und kulturelle Energien wurden und werden verzehrt, um die daraus resultierende Geltung und Macht aufrechtzuerhalten und die Entlarvung des "hadithischen" Islams als eine entfremdete Religion zu unterdrücken. Nicht zuletzt haben diese Verhältnisse dazu geführt, dass die arabischen Kulturen nach einem frühen Entwicklungsschub seit langem stagnieren und zunehmend in destabilisierende, rückwärtsgewandte Dynamiken geraten. Der Koran bietet hingegen ein pragmatisches Verständnis zum Verhältnis von sakraler und weltlicher Sphäre. Darüber hinaus weist er den Pfad einer spirituellen Evolution. In seiner gedanklichen Fülle und visionären Kraft könnte er daher nicht nur den islamischen, sondern auch den orientierungslos taumelnden und sich selbst verzehrenden westlichen Kulturen wichtige Impulse für eine neu zu findende Balance rationalen und spirituellen Strebens verleihen. In diesem Licht sind die deutschen Koranwissenschaften bis heute die Erfüllung ihres Auftrages der Aufklärung schuldig geblieben. Das Buch führt diese Behauptungen aus und untersetzt sie mit Belegen, die das Unvermögen des heutigen Islams zur Klarheit und Wahrheit aufzeigen und den Koran in ein neues Licht stellen.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 666

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



„Gäbe es einen Urheberschutz für Religionen, könnte Gott - wenn er es denn wollte - den Islam wegen Namensmissbrauch belangen!”

Seit mehr als einem Jahrtausend wird im Islam das wahre Wort Gottes im Koran verschwiegen oder missdeutet. Enorme mentale und kulturelle Energien wurden und werden verzehrt, um die daraus resultierende Geltung und Macht aufrechtzuerhalten und die Entlarvung des herrschenden „hadithischen” Islams als eine entfremdete Religion zu unterdrücken.

Nicht zuletzt haben diese Verhältnisse dazu geführt, dass die arabischen Kulturen nach einem frühen Entwicklungsschub seit langem stagnieren und zunehmend in destabilisierende, rückwärtsgewandte Dynamiken geraten.

Der Koran bietet hingegen ein pragmatisches Verständnis zum Verhältnis von sakraler und weltlicher Sphäre. Darüber hinaus weist er einen Pfad spiritueller Evolution. In seiner gedanklichen Fülle und visionären Kraft könnte er daher nicht nur den islamischen, sondern auch den orientierungslos taumelnden und sich selbst verzehrenden westlichen Kulturen Impulse für eine neu zu findende Balance rationalen und spirituellen Strebens geben.

In diesem Licht sind die deutschen Wissenschaften zum Koran bis heute die Erfüllung ihres Auftrages der Aufklärung schuldig geblieben. "Interpretationsvielfalt" und "Kontextbezug" sind Chiffren, mittels derer man sich gegen die verstörende Wahrheit einer text- und sinntreuen Sicht des Koran immunisiert.

Das Buch führt diese Behauptungen aus und untersetzt sie mit Belegen, die das Unvermögen des heutigen Islams zur Klarheit und Wahrheit aufzeigen und den Koran in ein neues Licht stellen.

Inhalt

Einführung

Der entseelte Koran

Was will Gott?

Koranischer versus hadithischer Islam

(

25 Thesen)

1.

Wie den Koran erschließen?

1.1 Die "Axiome"

1.2 Mittel der Untersuchung

Übersetzungen und Wörterbücher

Umstrittene Verse

1.3 Zeit im Koran

1.4 Das Phänomen „Sprache”

FAZIT

2.

Der Ritus

Das Gebet

Ramadan

Die Armensteuer

FAZIT

3.

Gebote

Bekleidung

Essen

Trinken

Kampf und Tod

Strafe

Verantwortung

Geltung

Frauen

"Nicht-Gebote"

FAZIT

4.

Der Glauben

4.1 Der Allmächtige

Der erste Grund

Gottes Allmacht

Prädestination

4.2 Das Jenseits

1.

Paradies und Hölle

2.

Der Zugang zum Jenseits

3.

Die drei Arten

4.

Die Architektur des Jenseits

5.

Warum Jesus nicht sterben durfte

6.

Die Märtyrer

FAZIT

4.3 Finale:

Eine künftige Welt?

5.

Des Menschen Fügung

5.1 Die Frist der Schöpfung

5.2 Der letzte Gang

5.3 Der Erbe

5.4 Der Weg des Geistes

Wer ist oder was der Geist?

Der Geist und die Weisheit

Die Botschaften Gottes

Was Gott vom Menschen will

FAZIT

6.

Resümee: Der gewaltige Plan

7.

Herrschaft und Staat

8.

Gottes Entmündigung

8.1 Die Größe des Koran – und ein grauer Fleck

8.2 Erfolg und Dilemma – eine Quelle islamischer Willkür

8.3 Gebeugte Wissenschaft

8.4 Die politische Dimension

8.5 Warum die Wahrheit des Koran wichtig ist

8.6 Der Schlüssel zum Koran

A.

Weitere Themen

1.

Verirrte Interpretierer

2.

Mehrdeutig? Doppeldeutig!

3.

Abrogation

4.

Das „Federkleid”

5.

Das Verborgene

6.

Die koranische „Erbsünde”

7.

Kein Zwang in der Religion?

8.

Gott veranlasst

9.

Hadithe

10.

Die Scharia

11.

Die Zwecklüge des „Ränkeschmiedes”

12.

Der bedeutendste Prophet des Koran ist Jesus!

13.

Weintrauben im Paradies?

14.

Präexistenz

B.

Vertiefungen

1.

Die Hierarchie der Gärten

2.

Das verwirrende Paradies

3.

Zeugen im Koran

4.

Auswanderer und Helfer

5.

Der „Falter”

6.

Jenseitiger Schatten

7.

Die „Schar”

8.

Der „Spalter”

9.

Die Mahlzeit

10.

Der Geist ist nicht Gabriel – aber wer oder was dann?

11.

Der Begriff wa

ammā”

12.

„Euresgleichen”

13.

Das doppelte

ašyāa

14.

Der Nachfolger

15.

Sure 1: Die drei Gruppen

16.

Allmacht

17.

„Imâm”

18.

„ Mühsal” oder „Mitte”?

19.

Satans Verse?

20.

Hände „abhacken”?

21.

Von Dr. Jekyll zu Mr. Hyde - Gottesfurcht im Islam

22.

Ambiguitätstoleranz?

C.

Irritationen und Widersprüche

D.

Erweiterte Thesen

Konkordanz der Transliterationsalphabete

Übersetzungen, Fachbücher, Literatur

Vers- und Namenverzeichnisse

Danksagung

Einführung

Der „Heilige Qurān” – ohne rituelle Waschung darf er nicht berührt und er darf auch nicht auf den Boden gelegt werden, so will es die islamische Kultur. Wer ihn ehrt, wird nie etwas darauf stellen, und er wird ihn küssen, wenn er ihn in die Hand nimmt. Schließlich soll man einen unlesbar gewordenen arabischen Koran in ein Tuch legen und beisetzen und diesen Ort nicht mehr betreten. Die weihevollen Gesten und Handhabungen dienen dem einem Zweck: das Wort Gottes würdigen. Und so soll der Koran stets mit beiden Händen getragen werden, um einer hohen Wertschätzung Ausdruck zu verleihen. Eine verdiente Ehrung, ist doch der Koran zweifellos eines der bedeutendsten Werke menschlicher Kultur.

Der entseelte Koran

Wer einmal einer Urnenbeisetzung beigewohnt hat, kennt die Geste: Gemessen schreitet der Träger voran, die Urne mit beiden Händen umfassend, gefolgt von der Trauergemeinde, die dem Verblichenen auf dem Weg zur Stätte der letzten Ruhe Geleit gibt.

Die äußerliche Gleichheit der Gestik erinnert daran, dass vor mehr als tausend Jahren dem Koran sinnbildlich ein vergleichbares Geschick widerfahren war. Der Vorgang hatte allerdings nichts Feierliches an sich. Er vollzog sich vielmehr schleichend und hinter dem Rücken der Betroffenen, in gewisser Weise sogar der Beteiligten. Und so wirken die Würdigungen des Buches im Islam allzu oft wie ein hintergründiger Abgesang.

Angelehnt an das Buch, das gern Gleichnisse verwendet, lässt sich der Koran mit einem (Tür-)Schloss vergleichen. Mit dem geeigneten Schlüssel öffnen sich nicht erahnte, faszinierende Gedankenräume mit kühnen Pfaden und schimmernden Höhen, aber auch verstörenden Wahrheiten. Der Name lautet „Sinntreue”.

Warum misslingt fast überall im Islam der Zugang zum Koran? Al-Ghazali kolportierte den Propheten Mohammed mit den Worten, dass die Mehrzahl der Paradiesbewohner „Einfaltspinsel” wären1, wohl eine sarkastische Anmerkung zu den illusionären Gewissheiten der Gläubigen im Hinblick auf das Jenseits. Wie schwer mag es dann für die meisten Muslime in ihren tradierten Kulturen sein, sich den unbequemen Wahrheiten des Koran zu stellen?

Anderen, die könnten, wird es versagt. Und manche wiederum wollen die Wahrheit nicht wissen. Denn blicken wir auf den Islam, finden wir ein Gebilde vor, in dem Abertausende von Mythen und Hadithen über dem spirituellen Leib des Koran aufgehäuft wurden, bis dieser schließlich unter dem Wust der Worte nicht mehr atmen konnte, gewissermaßen seine spirituelle Vitalität aushauchte. Fundamentalisten wiederum entreißen dem komplexen Werk ihnen genehme Bruchstücke und verbacken sie zu kruden Ideologien. Das alles, so die These, geschieht nicht ohne Absicht. Und die Wirkungen sind immens. Bis heute ist den meisten Muslimen nicht bewusst, dass der dem Koran innewohnende Geist längst in den Tiefenschichten ihrer Kultur sedimentiert ist. Und wie sollte sich daran etwas ändern, wenn mit der

„Behauptung, dass nur einige wenige von Gott zu einer Auslegung des Textes inspiriert wurden oder werden, [...] den gewöhnlichen Sterblichen die Befugnis zur Interpretation” (entzogen wird)?2

Der Sachverhalt ist dramatisch, denn mehr noch als die Tora der Juden oder die Bibel der Christen steht der Koran im Zentrum der religiösen Identität des Islams, gilt doch,

„dass der Koran Sprache von Allah ist, die in ihrer genauen Bedeutung und Wortwahl über den Engel Gabriel offenbart wurde, durch viele unabhängige Überliefererketten übermittelt, unnachahmlich und einzigartig und geschützt durch Allah selbst gegen jedwede Verfälschung”.3

So wird die Ehrerbietung verstehbar, die dem Werk entgegengebracht wird. Es verkörpert im Sinne des Wortes die Religion „Islam”. Umso mehr sollte sein Gehalt gewissenhaft angenommen und umgesetzt werden. Wäre es so, gäbe es dieses Buch nicht.

Was macht das Wesen einer Religion aus und woraus wächst ihr die Bedeutung zu, die sie für die Menschen gewinnen kann? Im Duden ist „Religion” definiert als

„die gläubig verehrende Anerkennung einer alles Sein bestimmenden göttlichen Macht und eine damit einhergehende Weltanschauung, in größeren Gemeinschaften gewöhnlich untermauert durch Satzung und Bekenntnis sowie die Lehre. Der Zugang zur Religion erfolgt nicht durch Erkenntnis, sondern im Wege individueller, intuitiv gewonnener Gewissheit.”

In kodifizierter Form werden Aussagen über die Elemente des eigentlichen Glaubens dargelegt, zu den Ritualen, die der Kommunikation mit dem höchsten Wesen dienen, sowie zu den Geboten und Verboten, die den Gläubigen auferlegt sind. Im Vordergrund stehen gewöhnlich die das Erscheinungsbild der Religion prägenden Handlungsmuster, aus dem lateinischen Wort Religio, „die gewissenhafte Sorgfalt in der Beachtung von Vorzeichen und Vorschriften”4, hergeleitet.

Der Wesenskern einer Religion ist jedoch durch den Glauben bestimmt; ohne Glauben wäre Religion kaum mehr als ein Auslöser kollektiven Zwangsverhaltens. Hingegen ist Glauben auch ohne Religion möglich. So gilt Abraham im Koran als ein Hanif, ein Gläubiger, den Gott als seinen Freund bezeichnet. Erst im hohen Alter, nach der Errichtung der Kaba gemeinsam mit seinem Sohn Ismael, bittet er um die Riten. Darin lässt sich ein erster Schritt hin zu einer Religion mit dem ihr eigenen Regelwerk sehen.

Nunmehr zeigt sich die Janusköpfigkeit von Religion. In ihren Riten und Regeln ist sie dem Diesseits verhaftet. Die Bereitschaft, sich deren Zwängen zu fügen, wird durch ihre spirituelle Seite, die das Hier und Jetzt transzendiert, erzeugt: Glaubensgewissheit, die sich dem rationalen Zugriff entzieht, da sie in der Vorstellung einer Ordnung jenseits der zugänglichen Welt wurzelt.

Was veranlasst Menschen zur Hinwendung zu Religionen? Ihren Ausgang nahm dieses Bedürfnis wohl im erwachenden Bewusstsein. Irgendwann im Zuge der Evolution des Menschen überstieg mit wachsendem Gehirnvolumen dessen Vermögen, lediglich reflexhaft auf gegebene Verhältnisse zu reagieren. Ein gedankliches Vorauseilen wurde möglich, das mehr war als die hormongesteuerte Aktivität des Vogels beim Nestbau. Allmählich wurde das Erkennen des Ausgesetzt seins gegenüber den Naturgewalten möglich sowie die bewusste Erfahrung der eigenen Ohnmacht. Dramatischer noch musste das Verstehen der eigenen Sterblichkeit gewesen sein, die letztlich unabwendbare Teilnahme an einem allgegenwärtigen Geschehen. Begräbnisrituale, auf annähernd 4 Mio. Jahren zurückdatiert, lassen darauf schließen, dass dieses Verstehen schon in einer frühen Phase der Menschwerdung Platz gegriffen hatte. Zuvor war der Tod anderer Wesen hingenommen worden, ohne es auf die eigene Existenz zu beziehen.

Angesichts der Unabwendbarkeit aus eigenem Vermögen galt es, den "Verursacher" zu bewegen, die Dinge zugunsten des Menschen zu wenden. In den frühen Religionen wurde oft jedem der die Menschen bedrohenden aber auch den wunscherfüllenden Naturerscheinungen eine Gottheit zugewiesen. Jedem dieser Götter war zu huldigen, um sie den Anliegen der Menschen geneigt zu machen. Zudem erwuchs in der Zuweisung menschlicher Gepflogenheiten die Vorstellung, dass die Götter einander freundlich oder feindlich begegnen. So konnte also die Huldigung des einen Gottes den Unmut eines anderen hervorrufen, und der Mensch befand sich in der undankbaren Situation, mit der Zuneigung der einen womöglich den Zorn einer anderen Gottheit auf sich zu ziehen.

Somit war der Schritt zum Monotheismus folgerichtig: Der eine Gott trägt alle Macht und Verantwortung für und in der Schöpfung – eine im doppelten Sinn elegante Verehrungsökonomik: Man spart Aufwand und Zeit für die Verehrung einer Vielzahl von Göttern und vermeidet Beziehungskonflikte zur Götterwelt.

Umso stärker war damit allerdings auch die Abhängigkeit von dem einen Gott und umso größer die Sorge, seine Zuneigung durch Fehlverhalten einzubüßen. So galt es, Gottes Forderungen - Rituale und Gebote - sorgsam einzuhalten, um nicht in Ungnade zu fallen, oft mit dem Hintersinn, Gott in eine Verpflichtung für Gegenleistungen zu stellen.5

Jedoch woher wussten die Menschen, wie sie sich zu verhalten hatten? Sie waren darin auf die Verkünder von Offenbarungen angewiesen, die als Propheten zu überzeugen wussten. All das konnte nur auf der Basis großartiger Verheißungen fruchtbar werden. Nur dann, wenn irdischer Nutzen erfahren und jenseitige Fortexistenz als Gewissheit vermittelt werden konnten, war das Konstrukt durchsetzbar. Die Glaubwürdigkeit von Botschaft und Überbringer war daher Schlüssel zur Durchsetzung religiöser Normative. Es durfte kein Zweifel daran bleiben, dass, hatte der Mensch sich gewissenhaft bemüht, die Verheißung wahr wird: dass Gott den, der stirbt, [...] auferwecken wird. [...] ein Versprechen, an das er, als Wahrheit, gebunden ist. (Sure 16, Vers 38 [16:38])

Waren die Verkünder aus dem Leben geschieden, oblag diese Aufgabe deren Epigonen und im Weiteren dem Klerus und den Gelehrten, die der Schriften kundig waren und die zuweilen sibyllinischen Mitteilungen zu interpretieren verstanden – oder diese als sibyllinisch deklarierten, um die Interpretationsmacht zu erlangen und zu bewahren. Zahllose Abspaltungen im Christentum belegen die Reichweite der Interpretationsspielräume, die sich auftaten, wenn Gottes Wort nicht eindeutig war (oder so nicht wahrgenommen wurde) und wenn zudem unklar blieb, ob es sich überhaupt um Gottes Wort handelte.

In dieser Hinsicht unterscheidet sich der Islam gravierend vom Juden- und Christentum. Zwar gelten die zehn Gebote als von Gott an Moses ausgehändigt und damit als authentisch. Überdies mag Gott auch mit diesem oder jenem Propheten kommuniziert haben. Es herrscht aber Einvernehmen darüber, dass die heiligen Bücher im Wesentlichen von Menschenhand stammen.

Im Islam ist man hingegen von der Gewissheit geleitet, der Koran sei Gottes Wort, wie - in dieser Sicht - auch Tora und Evangelium. Jedoch hätten die „Buchbesitzer” (Juden) und „Beigeseller” (Christen) ihre Bücher verfälscht. Dies insbesondere mit der Absicht, das angekündigte Prophetentum Mohammeds zu verschweigen oder um Jesus Christus über die Rolle des Propheten hinaus zu Gottes Sohn zu erhöhen.

Anders der Koran. Er sei „frei von Unvollkommenheit und die Religion als offenbarte Botschaft irrtumslos”. „In der wundersamen Unnachahmlichkeit des heiligen Buches”6 verkörpere es das über alle Umstände und Zeiten hinweg gesicherte authentische Wort Gottes, welches Mohammed im Verlauf von annähernd 23 Jahren durch den Engel Gabriel offenbart worden war. Diese Gewissheit wird auch in Abspaltungen des Islams geteilt.

Somit kommt dem Koran eine unvergleichlich bedeutendere Rolle als Quelle der Religion zu als den Büchern der anderen Religionen. Zudem: Gottes Worte waren bereits zuvor an verschiedene Propheten, beginnend mit Noah, herabgesandt worden. Mohammed, Siegel der Propheten [33:40], wurde nun mit der Verkündigung der finalen, vollkommenen Ausgabe betraut, die Vorhandenes bestätigt, aber auch ändert und ergänzt. Tora und Evangelium werden ebenfalls als bedeutsame Schriften gewürdigt.

Doch nur, was das Sieb des Koran passiert7, kann als letztgültiger Wille Gottes gelten, denn er betont die singuläre Stellung der Offenbarung:

Gott hat euch von der Religion nur das verordnet8, was er Noah geboten hatte und was wir dir eingaben und was wir Abraham und Mose und Jesus geboten hatten. [42:13]

Und weiter: Folgt dem, was euch von eurem Herrn herabgesandt, und folgt nicht - außer ihm - anderen Freunden. [7:3];[2:41]

Was immer muslimische Autoritäten zu dieser Frage äußern – niemand, der dem Glauben ernsthaft folgt, kann und darf diese eindeutigen Aussagen ignorieren. Eine Klarheit, die den Koran im Ganzen adelt, was durch gelegentliche Unklarheiten nicht aufgehoben wird.

Ernste Widersprüche treten vielmehr zwischen den klaren Aussagen des Buches und den Dogmen des Islams auf. Damit leben zu können, verdankt der Islam einem besonderen Merkmal. Es hat sich im Verlauf der Interpretationsgeschichte herausgebildet und gewissermaßen kulturbildend gewirkt: die „Kunst des Ungefähren”9. Sie erlaubt, vielfältige Meinungen zur Bedeutung einzelner Passagen und des gesamten Koran herauszubilden. Über eigentlich klare Worte setzt man sich mit pathetisch-schwärmerischen Sentenzen, die vom Wesentlichen wegführen, hinweg, ohne auf qualifizierten Widerspruch zu stoßen. Überdies wurden und werden Tafsir, Sunna und Hadith als Quellen des Islams10 ausgewiesen, ergänzt durch die Lesarten des Koran.11 Mehr noch: Einige Hadithe werden als „außerkoranisches Gotteswort” (hadith qudsî) deklariert12 und gelten somit als legitimiert, an die Stelle des Koran zu treten.

All das waren Dinge, wozu er (Gott) keine Vollmacht herniedersandte [3:151], und forderte seinen Preis. Mit dem Sieg des "Ungefähren" ging im Islam der Niedergang des "Gefähren" einher: des Sachlichen, Klaren, Präzisen – wie es einst Alhazen (Ibn al-Heithem) als genialer Vorreiter der optischen Wissenschaft und (Ibn Sina) als einer der bedeutendsten Mediziner der Geschichte gepflegt hatten und damit Eingang in das Pantheon der größten Köpfe der Menschheit fanden.

Wenn sich heute arabische Muslime etwa in der Entwicklung, Fertigung und selbst in der Anwendung moderner, komplexer Technologien nicht selten schwertun, liegt wohl darin ein wesentlicher Grund: im Hang zum Ungefähren, das sich etwa über die Eigengesetzlichkeit von Technik, ihre Exaktheit und Eindeutigkeit, hinwegsetzt. Das wird aber nicht wahrgenommen. Stattdessen unterstellt Samir Kassir, ein unerschrockener Kritiker des Islams, der für seine offene Rede mit dem Leben zahlen musste, dass etwa in Saudi-Arabien „die buchstabengläubige Koranauslegung der alltägliche ideologische Bezugspunkt ist”13.

Das mag im Einzelfall stimmen. Nun umfasst das Buch allerdings um 150.000 Wörter mit annähernd 600.000 Zeichen14. Wenn man sich die „buchstabengläubige Koranauslegung” näher betrachtet, wird man feststellen, dass sich diese "Lesart" auf eine überschaubare Anzahl an Zeichen kapriziert, im Besonderen auf jene, die für repressive Zwecke tauglich sind oder entsprechend interpretiert werden. Für den großen Rest - sagen wir, 97 Prozent der religionsprägenden Worte des Koran - aber scheint es, als habe sich der Islam das Buch gewissermaßen neu geschrieben. Eine Verblendung, die Gott bereits in der ersten offenbarten Sure15 geißelt:

Aufsässig ist der Mensch [...] /dass er meint, er kann sich selbst genügen. [96:6f.]

In der früheren ungarischen Bürokratie galt bei berechtigten, aber lästigen Einlassungen der Bürger die Regel „mit Respekt zu den Akten”. Im Islam ist ein vergleichbarer Vorgang als mentaler Akt bereits vor mehr als 1000 Jahren erfolgt: Der Koran wurde mit allen Respekt zur Seite gelegt. Seitdem harrt der echte Islam - der Islam des Koran - unter dem zähen Schlick falscher Gewissheiten seiner Befreiung und Inkraftsetzung.

Der reale Islam bietet ein verzerrtes Bild der echten Religion, dies in jeder Hinsicht: in Bezug auf das Ritual und auf die Gebote, vor allem aber im Hinblick auf den Glauben in den essentiellen Elementen – nämlich Gott als erster Grund und als Allmächtiger, die Prädestinationslehre, die Beschaffenheit des Jenseits und die Vorstellung einer ewigen Existenz in einer zukünftigen Welt.

Viele Muslime gerade auch im Klerus mögen sich dessen nicht bewusst sein und handeln im guten Glauben, das Richtige zu tun. Die vielen aber, deren Glauben brüchig geworden - wie Gläubige sagen und Befragungen bestätigen, sind dies Mehrheiten in vielen muslimischen Gesellschaften - haben nichtsdestoweniger die vorgefundene islamische Kultur als Lebenswelt und Obrigkeitsorganisation internalisiert und sind deshalb zur freimütigen Kritik selten imstande, geschweige denn zur Erhebung.16 Andere haben sich der dunklen Seite des herrschenden Islams verschrieben und fechten gegen die Welt und letztlich gegen ihren eigenen Gott, unfähig, sich über ihre Taten Rechenschaft im Geiste des Koran abzulegen.

Im Westen müht man sich, den „guten” und den „bösen” Islam voneinander zu scheiden. Dieser Versuch muss scheitern, ist doch die dunkle Seite unvermeidlicher Ausfluss des realen Islams, der in seiner Lehre ein entfremdeter, ein falscher Islam ist. Wird also „der Islam” in seiner dominanten falschen Gestalt akzeptiert, ist zwangsläufig die „dunkle Seite” eingeladen. Deshalb ist es von eminenter Bedeutung, sich der Natur des eigentlichen, des „koranischen” Islams zu versichern. Erst dann kann der reale Islam mit seinen Wurzeln im Fehlglauben und in seinen zur Ideologie geronnenen, oft anmaßenden Haltungen erkannt und abgelöst werden17.

Was will Gott?

Heute habe ich euch eure Religion vollständig gemacht und meine Gnade an euch vollendet und habe daran Gefallen, dass der Islam eure Religion ist. [5:3]

Mit der letzten großen Sure 5 sind die Offenbarungen abgeschlossen18, deren Niederschrift als Koran in ihrer Gesamtheit die Religion enthalten. Damit ist der Prozess der monotheistischen Religionsstiftung vollendet, der sich, folgt man dem Koran, über viele Jahrhunderte erstreckt hat. Der Koran wäre somit summum bonum dieses Geschehens, Mohammed Siegel der Propheten. [33:40]

Die kritische Bedeutung erschließt sich angesichts des tatsächlichen Umgangs mit dem Buch im Islam. Es sei „ungemein schwer, den Koran zu verstehen”, so Jasar Nuri Öztürk, „wenn man die Hadithe [...] ausschließt.”19 Hadithe sind Mohammed zugewiesene Äußerungen. Allerdings „glauben manche, dass lediglich zwei oder gar nur ein einziger Hadith authentisch überliefert ist.”20 Wie sollten da wohl mehr als 6.200 Verse des Koran angemessen interpretiert werden, wenn der Fundus der Hadithe derart unzureichend ist? Wäre es anders, verböte der Koran dennoch einen solchen Weg: Nichts ließen wir im Buch unbeachtet. [6:38] Daher gibt es keine Rechtfertigung, anders zu verfahren, als ausschließlich den Koran als Quelle heranzuziehen. Nicht zuletzt deshalb soll Mohammed es untersagt haben, seine eigenen Äußerungen festzuhalten. Ihn trieb die Sorge um, dass sie mit den Worten des Koran vermischt werden könnten21.

Gott selbst hat eine klare Haltung zu Versuchen eingenommen, den Koran - damit die Religion des Islams - "nachzubessern":

An welchen Bericht, nach diesem, wollen sie denn noch glauben? [77:50];[7:185] [...] nach Gott und seinen Zeichen? [45:6]

In islamwissenschaftlichen Diskussionen werden solche Hinweise gern damit abgewehrt, dass man das in seiner historischen Situation werten müsse, die sich im Laufe der Verkündungen oft geändert habe. Diese drei Verse verteilen sich nun aber über die gesamte mekkanische Periode, die 60 Prozent der Offenbarungsepoche umfasst. „Welchen anderen Vorstellungen wollen sie denn noch folgen”, möchte man paraphrasierend erwidern.

Gott will es anders – und dennoch drängen sich den Muslimen heute einige hunderttausend Hadithe auf, um den vermeintlich schwierigen Koran verständlich zu machen. Der Koran entziehe sich einer klaren Auslegung, wird gesagt, dies unter Berufung auf [3:7]. Dort sei einem Teil der Verse attestiert, dass sie mehrdeutig seien. Gewöhnlich wird dabei unterschlagen, dass es zunächst heißt: Darin sind eindeutige Verse – sie sind der Kern des Buches22.

Die zentralen, die Religion definierenden Aussagen sind somit sehr wohl eindeutig23. So wird es auch in den Übersetzungen ausgeführt, Ahmad ausgenommen24. Er interpretiert: [...] darin sind Verse von entscheidender Bedeutung - sie sind die Grundlage des Buches - und andere, die unterschiedlich gedeutet werden können („mehrdeutig sind“ in anderen Übersetzungen). Abgesehen von der Banalität der Aussage - enthielte der Koran keine Verse von entscheidender Bedeutung, wäre er nicht der Koran - erfolgt eine Verfälschung, deren Zweck naheliegt. Ein eindeutiger Text eröffnet keine Interpretationsspielräume. Das ist unerwünscht. Derartige Manipulationen finden sich auch bei anderen Autoren. Im Übrigen ist damit ein unstimmiges Konstrukt erzeugt. „Eindeutig” verhält sich zu „mehrdeutig” disjunkt, es gibt keine gemeinsamen Elemente. Eine Gegenüberstellung von „bedeutungsvoll” und „mehrdeutig” ist jedoch unsinnig. Es handelt sich nicht um einander ausschließende Modi, sondern um sich überdeckende Aussagen => A-2 Mehrdeutig? Doppeldeutig!]

Im Widerspruch zur im Islam und auch in den westlichen Islamwissenschaften verbreiteten Meinung von den vielfältigen Deutungsmöglichkeiten des Koran spricht Gott vom klaren Buch25 und nochmals von klärenden Versen [24:34] — verständlich für den, der verstehen will.

Immerhin folgt „der Aufbau (des Koran) denselben linguistischen Regeln wie andere, von Menschen verfasste Texte.”26 Was sollte dann im Wege stehen, das Buch zu verstehen wie andere Bücher? Das Zitat ist allerdings noch nicht vollständig: Der Unterschied läge in der Vollkommenheit, die der Koran „im Umgang mit diesen Regeln erreicht.” Also wird das Vollkommene vom Unvollkommenen geschieden. Und da das Unvollkommene das Vollkommene niemals erreichen kann - der Mensch an sich und in seinen Lebensverhältnissen - müsste er in der direkten Konfrontation mit dem Vollkommenen angesichts seines unvermeidlichen Scheiterns verzweifeln. Somit bedarf es Zwischenebenen der Vermittlung, auf denen das Vollkommene auf ein Maß profaner Verträglichkeit herab transformiert wird. Der Autor, Al-Djurdjãni, entfaltet hier eine Rabulistik, die an den sarkastischen Sprachgebrauch eines George Orwell erinnert27 und selbst Comic-Possen in Erinnerung ruft28.

Der Koran wird derart hochgelobt, dass er auf einem Sockel zur Bewunderung enthoben verbleibt. In der Alltagswelt der Menschen soll eine derartige Vollkommenheit nicht als nutzbar gelten. Angesichts der vollständige Durchdringung der islamischen Lebenswelt mit den Lehren eines sekundären Gedankenguts drängt sich als bedrückende Wahrheit auf, dass das Unvollkommene über das Vollkommene gesiegt hat.

Was kann dazu bewegen, gleichsam vor sich selbst Hemmnisse auf dem Pfad zum Verstehen des Buches aufzutürmen? Die Antwort ist irritierend klar: Fast alle Dogmen und Regularien des traditionellen Islams befinden sich nicht im Einklang mit dem Koran, häufig stehen sie im Gegensatz zum Buch. Angesichts der ausschließlichen Geltung, die Gott dem Koran als Quelle der Religion zugewiesen hat, ist daher der Schluss zwingend: Der Islam ist nicht der Islam. Denn was der Islam ist, steht im Koran. Da aber dessen äußerliche Lobpreisung nicht in der tatsächlichen Aneignung Niederschlag findet, kann dieser Islam nicht die Religion sein, die Gott im Koran gemeint und vollständig offenbart hat. Das aber erwartet Gott von den Arabern – dass sie seine Religion im Ganzen annehmen.

Koranischer versus hadithischer Islam

Im Weiteren wird der Islam als ein normatives System verstanden, gemessen am Koran schon immer fragwürdig und in dominierenden Strömungen der Sunniten und Schiiten in den letzten Jahrzehnten dogmatisch verhärtet. Daher ist den verschiedenen Varianten des herrschenden „hadithischen” Islam der originäre „koranische” Islam entgegenzusetzen.29

Muslime sind als Individuen zunächst einmal nicht anders als andere Menschen herzlich, aufrichtig und gastfreundlich. Oder auch nicht. Hier geht es jedenfalls im Kern nicht um Personen und deren Verhältnisse. Vielmehr beschäftigt sich die Schrift mit der Quelle der Religion, mit dem Koran und dessen vielfach eigenwillige Ausdeutung und Entwertung im hadithischen Islam. Im Folgenden wird in „27 Thesen” skizziert, worin sich der Islam zur Referenz, zum Koran, im Widerspruch befindet.

Gott ist nicht „erster Grund”, vielmehr Komplement zur Urmaterie.

Gott ist (noch) nicht allmächtig.

Der Koran kennt keine individuelle Prädestination. Fast alles wird aufgeschrieben, wenn es geschieht bzw. geschehen ist.

Eine innerkoranische Abrogation existiert nicht. Der Koran ist vielmehr Korrektur der früheren Bücher, Tora und Evangelium.

Das fünfmalige Gebet ist nicht durch Gott geboten. „Beten” und „preisen” werden fälschlich gleichgesetzt.

Der Koran gewährt im Rahmen elementarer Sittlichkeit und bei Wahrung des Glaubens weitreichende Freiheiten in der Bekleidung sowie im Essen und Trinken und in den weiteren Verhältnissen des weltlichen Lebens.

Das Verhüllen gilt vor Gott als Abwehr des rechten Glaubens. Als Schutz vor Belästigungen empfohlen, ist es jedoch nicht religiöse Verpflichtung.

Die Scharia des Koran ist keine Strafordnung für Pflichtverletzungen, sondern bietet Schutz und Belohnung auf Gottes Weg im Kontext der religiösen Ordnung. Stärkung, nicht Unterwerfung prägt ihren Geist.

Das vermeintliche Paradies, in das weit mehr als 99 Prozent der Gläubigen

getrieben

werden, ist nicht der Garten der Verheißung, sondern entpuppt sich als eine „NICHT-HÖLLE”.

In den Epochen nach Mohammed gelangte und gelangt kein Gläubiger - selbst kein "Märtyrer" - ins „wahre” Paradies.

Der Koran kennt den Begriff des Märtyrers nicht.

Von den annähernd 150 Bewohnern des „wahren” Paradieses werden gut ein Viertel Muslime sein.

Gabriel ist nicht der „Geist”. Zudem lassen frühe Dokumente darauf schließen, dass er nicht den Koran herabgebracht hat. Der Name ist in Vers [2:97] offenbar erst später anstelle von „Gott” eingefügt worden.

Es gibt keine Fortexistenz irgendeines Menschen in eier künftigen Welt.

Im Koran ist Jesus der bedeutendste Prophet, einzig ihm hat Gott Vollmacht zur Schöpfung verliehen.

Der Koran, Sammlung der Lesungen, ist Gottes „Erläuterung” des bei ihm liegenden Urbuches und bedarf keiner weiteren Interpretation.

Der Koran ist somit das „klare Buch”. Ihn als mehrdeutig und schwierig zu bezeichnen, dient als Vorwand für eine außerkoranische Religionserzeugung und führt zur Entwertung Gottes.

Der Koran vertritt gegenüber Tora und Evangelium eine „Evolution des Glaubens” – die Entwicklung des Menschen von der Außenlenkung der Tora durch Regeln sowie über die Innenlenkung des Evangeliums aufgrund von Einsicht und Gewissen in einem letzten Schritt der Reife zur Hingabe an Gott zu dessen Vollendung.

Der Islam ist die Religion Gottes und es ist sein Wille, dass der Koran einzige Quelle dieser Religion sei. Hadithe, Sunna, Scharia und weitere Artefakte - Überlieferungen, Lehrmeinungen und Lesarten - verstoßen gegen diese Weisung und sind daher unislamisch.

Gott hat den Islam für Mekka und seine aride Umgebung bestimmt. Jegliche Expansion ist geltungsgetrieben und somit unislamisch.

Gott hat viele Gemeinschaften geschaffen, um zu prüfen, welche am besten handelt. Eine selbsterklärte einzig gültige Religion stört seinen Plan.

Die Kinder muslimischer Eltern sind nicht durch Geburt Muslime.

Große Kinderzahlen entsprechen nicht dem Willen Gottes.

Satan ist der von Gott erwählte Kontrahent in der Rolle des „bad guy”.

Es gibt keine „satanischen Verse”. Vielmehr fordert der Prophet in diesen Versen mit Gottes Worten die Geltung seiner Religion in Mekka ein.

Aus Gottes Worten ist nach der Epoche der Propheten kein Herrschaftsanspruch von Imâmen oder sonstigen islamischen Eliten herleitbar.

Der Islam führt nach Mohammeds Tod aufgrund seiner Spaltung den Na men zu Unrecht. Mit der Spaltung ist zudem den Spaltern ein Geschick gleich den Ungläubigen bestimmt.

Der reale Islam stimmt mit dem Koran darin überein, dass Gott der alleinige Gott ist. Im allem Übrigen hat er sich in den drei zentralen Dimensionen - Riten, Gebote, Glaubenskern - von der im Buch entfalteten Religion Gottes entfremdet. Er ist eine Nachbildung von Menschenhand, als spiritueller Homunculus30 in Vielem zur unduldsamen Doktrin geraten.

All das steht im Gegensatz zum tradierten islamischen Dogma, ist aber mit wacher Vernunft nachzulesen. Im Christentum waren es anfänglich den Worten Jesus entsprungene urchristliche Motive, die kulturprägend wirkten. Erst im Zuge der Institutionalisierung wurden sie ihrer spirituellen Sendung entkleidet. Viel später wurden im Zuge der voranschreitenden Aufklärung Macht und Dogmen der religiösen Institutionen zurückgedrängt.

Im Islam nahm die Entwicklung einen anderen Weg. Der Bruch mit der Verkündigung des Propheten - dem Wort Gottes - erfolgte bald nach dessen Tod. Der Koran existierte noch nicht als Schrift, als bereits Auseinandersetzungen um die Nachfolge tobten. In Konsequenz führten sie zur Aufspaltung in Sunniten und Schiiten. Noch vor der Entfaltung des Glaubens auf der Basis des Buches besetzten also weltliche Interessen spirituelle Räume. Der reale Islam drängte sich zwischen Mensch und Gott, um Willfährigkeit im Diesseits für die Verheißungen im Jenseits einzufordern. Die faktische Entmündigung Gottes hatte begonnen. Seine Autorität blieb gegenüber den Menschen nützlich, doch sein Wort nahm und nimmt man nicht ernst.

Jedoch lässt sich dem Koran nicht nehmen, was ihm eigen ist. Er verkörpert eine faszinierende wie verstörende Entwicklungsperspektive in der Religion – für den Einzelnen und die gesamte Schöpfung. Um zu diesem Kern vorzustoßen, gilt es gegenüber allem, was hadithischer oder fundamentalistischer Islam hervorgebracht haben, einer Maxime zu folgen: Fast nichts ist, wie es scheint! Dann wird erkennbar, wie sich die Aussagen des Buches in ihrer Vielfalt weitgehend widerspruchsfrei zum „koranischen Islam” fügen. Was nunmehr zu belegen ist.

1 in: Aziz al-Azmeh, Rhetoric for the Senses - A Consideration of Muslim Paradise Narratives: 230f. Dasselbe lässt sich wohl auch von den Christen vor der Reformation sagen.

2 Farid Esack; in Rachid Benzine, Islam und Moderne - Die neuen Denker:239.

3 Ahmad von Denffer: Einführung in die Islamwissenschaften. Deutscher Informationsdienst über den Islam, (DIdI) e.V., Karlsruhe 2005:16,26.

4 Wikipedia: Religion.

5 Wenn die damit einhergehenden Triebhemmungen nicht sozialpathologisches Verhalten hervorrufen (Inquisition), sondern im Sinne von Sublimierung Kulturleistung anstoßen, bewirken Religionen fruchtbare kulturelle und gesellschaftliche Entwicklungsschübe.

6 Abdolkarim Soroush, in: Rachid Benzine Islam und Moderne - Die neuen Denker:69 sowie :138 (Al-Durdjãnî).

7 „Wir müssen [...] die authentischen Überlieferungen durch das Sieb des Koran gießen.” Yasar Nuri Öztürk: 400 Fragen zum Islam - 400 Antworten:40.

8 => A-10 Die Scharia:211f.]

9 „Alles Verhalten ist mehrfach determiniert (überdeterminiert)” lautet ein psychoanalytisches Theorem. (David Rapaport, 1973 (1960):44. Daher ist es in seiner Veranlassung nicht ohne weiteres eindeutig bestimmbar. Im Islam wird das Prinzip der Überdeterminierung gewissermaßen invertiert. Eindeutige Begriffe werden mit zusätzlichen Bedeutungen aufgeladen, damit einer Interpretationsvielfalt Raum gegeben. Unerwünschte Bedeutungen lassen sich auf diese Weise umgehen.

10http://www.islam-pedia.de/index.php5?title=Hauptseite.

11 Samuel Green, The different arabic versions of the Qurān.

12 Abdullah Takim, Das Menschenbild im Islam.(S.8), s. a. www.Wikipedia / hadith_qudsi.

13 Samir Kassir, Das arabische Unglück:31.

14 in der deutschen Übersetzung.

15 nach Nöldeke. A. Neuwirth platziert sie in der chronologischen Folge an 21. Stelle und setzt Sure 93 auf den chronologisch ersten Platz.

16 Das Scheitern fast aller „Arabellion”-Bewegungen und die nachfolgenden verstärkten Repressionen sind ein Indiz für unzureichende endogene Entwicklungsfähigkeit islamischer Gesellschaften.

17 Jene in den Hierarchien des Islams gebären sich, als wollten sie sagen: «Seid meine, nicht nur Gottes Knechte» [3:79] Und sie vermitteln den Eindruck: «Wir sind es doch, die Heil bewirken!» Doch sind nicht sie die Unheilstifter, ohne es zu merken? [2:11f.] „Allah aber wollte die Wahrheit seiner Worte bestätigen und die Wurzel der Ungläubigen abschneiden. [8:7] (Ü' Henning)

18 M. Asad sieht Sure 110 als letzte. Sie umfasst lediglich drei Verse ohne Religionsrelevanz.

19 Öztürk, a.a.O.:19.

20 a.a.O.:120.

21 Birgit Krawietz, Hierarchie der Rechtsquellen im tradierten sunnitischen Islam:57.

22 [...]minhu āyātun mukamātun hunna ummu (die Mutter) l-kitābi; Ü' Paret/ Bobzin.

24 Hadhrat Mirza Masroor Ahmad: Der heilige Qur-ân:48.

25 u.a. in [12:1];[27:1];[6:59];[10:61];[11:6].

26 Al-Djurdjãni, in Rachid Benzine, a.a.O.:138.

27 in „Farm der Tiere.”

28 In einer Comic-Geschichte rechtfertigt ein Lieferant das Pantschen der Milch mit Wasser mit dem Argument, dass man den Fettgehalt auf Trinkstärke herabsetzen müsse.

29 siehe Öztürk;a.a.O.:106:„Ob die (Religion) die Ideale des Korans widerspiegelt oder nicht…ist eine Frage, die vollkommen offen zur Diskussion steht.”

30 siehe [13:16]: Der Vers handelt von dem Versuch, Gottes Schöpfung doppeldeutig zu machen, indem etwas zum Verwechseln daneben gestellt wird.

1 Wie den Koran erschließen?

Die Relevanz einer Aussage zum Koran wird wesentlich über die Kompetenz des Autors wahrgenommen. Fachlich etablierte Autorität kann der Überzeugungskraft des Statements vertrauen. Anderenfalls muss die Glaubwürdigkeit insbesondere durch eine hohe Güte objektiver Methodik und die Tiefe des Eindringens in die Materie erarbeitet werden. So ist der Autor gefordert, sein Anliegen in großer Detailliertheit darzulegen. Um dennoch einen vernünftigen Lesefluss zu bewahren, wird ein Stufensystem vorgelegt: 1. Thesen (S.17ff) / 2. Erweiterte Thesen (D) / 3. Themen: Kap. 2 bis 6 / 4. Ergänzungen (A), Vertiefungen (B), Irritationen und Widersprüche (C).

In Kapitel 2 bis 6 werden die Analysen und Argumente dargestellt. Allerdings lassen sich auf dieser Ebene nicht alle Inhalte in der notwendigen Ausdifferenzierung erschließen. Daher werden in den Abschnitten A und B themenspezifische Analysen ausgeführt, die Nachweise mit hohem Aufwand bis in die Tiefen des heutigen arabischen (kairinischen) Textes hinein leisten. Die methodischen Ansätze werden im Folgenden ausgeführt.

Wer vornehmlich an den Ergebnissen interessiert ist, sollte direkt zu Kapitel 2 übergehen.

1.1 Die "Axiome"

Der nachfolgenden Untersuchung sind einige "Axiome" gesetzt, die den paradigmatischen Rahmen bilden, vor dem der Koran seine große Erzählung entfaltet und die als Vorverständnis in die Untersuchung einfließen. Sie sind Ergebnis einer ersten Auseinandersetzung mit dem Koran, publiziert unter dem Titel „Der unvollendete Gott – Die wahre Botschaft des Koran” (DuG).

1. Der Koran ist das authentische Wort Gottes und damit einzig legitime Quelle der Religion.

Im Islam wurde und wird ein Disput darum geführt, ob das Buch unerschaffen oder erschaffen sei – also vollständig von Gott offenbart sei oder zumindest in Teilen menschlicher Diktion entstamme. Folgt man letzterer Annahme, sind wegen der Legitimationsproblematik Geltungszweifeln und beliebigen Umdeutungen Tür und Tor geöffnet. Dann hätte das Buch tatsächlich nur einen Wert als "Steinbruch", als Lieferant von (schein-) religiösen Versatzstücken. Dann wäre auch eine Hinterfragung der orthodoxen Dogmatik sinnlos, denn dem spirituellen Freidenken können prinzipiell keine Grenzen gesteckt werden. Der Autor folgt der Diktion des orthodoxen Islams: Der Koran ist das authentische Wort Gottes. Folglich kann nur auf dieser Grundlage - dem Wort Gottes in seinem Sinn - die Religion in ihrem wahren Gehalt erkannt werden. Die kritisch-objektive Textanalyse erlaubt, die Folgerichtigkeit des Islams zu hinterfragen, dabei Ungereimtheiten aufzudecken. Gestützt auf die Selbstreflexion des Koran als im Kern eindeutige Schrift, sollte dieses Vorgehen zu klaren Ergebnissen führen. Darin hebt sich die Untersuchung von den zumeist affirmativen und im Nebensächlichem verharrenden islamwissenschaftlichen Studien ab.

Dies dürfte nicht im Sinne des traditionellen islamischen Selbstverständnisses liegen. So wird im „Al-Muntakhab”31 eine Argumentation entwickelt, die von einer zweigeteilten Offenbarung spricht – dass über den Koran hinaus (mit der „Weisheit”) eine weitere Offenbarung existiere, die „nicht wortwörtlich, sondern dem Sinn nach bekanntzumachen” sei. Immerhin gilt implizit die Verpflichtung, den Koran „wortwörtlich” bekanntzumachen. Über allem aber stehe der „Sinn”, der Eingang in den Al-Muntakhab, die „Interpretationen”, fand. Eine Zumutung, die Gott zurückgewiesen hat: Nur ihm obliegt es, den Koran zu erklären! [75:19] => A-1 Verirrte Interpretierer]

2. Der Koran beruht auf einem aus elementaren Vorstellungen zur Natur der Welt und Grundüberzeugungen schrittweise entfalteten, weitgehend konsistenten Glaubenskonzept.

Entgegen verbreiteten Annahmen in den westlichen Islamwissenschaften ist der Koran nicht eine aus Intuition, situativen Eindrücken und Handlungszwängen sowie erratischen diskursiven Prozessen unter den Gläubigen gewachsene Sammlung fragmentarischer Äußerungen. Vielmehr verbirgt sich unter dem zuweilen absichtslos zusammengefügt erscheinenden Gang der Erzählung eine, wenn auch nicht durchgängig rational und linear angelegte, sich aber als kreative Leistung genial fügende Konstruktion einer Weltsicht.

Geleitet vom Verständnis, dass der Koran in seinem Wesen der religiösen Sinngebung bestimmt ist, darin „theologisch innovativ” (Neuwirth), unterstellt der Autor einen die Verkündigungen konstituierenden spirituellen Erstimpuls, ein „Erweckungserleben”. Dem entsprang ein Glaubenskeim, der Gottes Allmacht und das Jenseits umfasst. Es mag durchaus einen Prozess erster innerer Klärung und Abwägung gegeben haben, bevor der Prophet mit den Verkündigungen in die Öffentlichkeit getreten ist.32 Jedenfalls ist zu unterstellen, dass er von der Überzeugung überwältigt war, ihm hätte sich etwas Gewaltiges, Ganzes offenbart. Durch den gesamten Verkündigungsprozess hindurch blieb dieser Vorstellung Ideen- und Kraftspender, daraus konnte er unerschütterliche Gewissheit schöpfen.

Ein kleiner Kreis Verschworener folgte zunächst dem Propheten, in der Umgebung misstrauisch beäugt und schließlich ausgestoßen. Und es waren gewiss nicht Riten oder Gebote, sondern die Verheißungen des Jenseits und des ewigen Lebens, die die Wirkmacht der Verkündigungen begründeten.

Mit den Versen [21:16f.,30] und [39:20f.,73f.] war zur Mitte der 3. mekkanischen Periode das Glaubensszenario vollständig umrissen und wurde im Weiteren fokussiert und ausdifferenziert. Darin haben wachsende Erfahrung und Reifung des Propheten sowie aktuelle Gegebenheiten gewiss eine gewichtige Rolle gespielt.

Dann ist es zielführend, aus einer anderen, philosophischen Perspektive den Blick auf das spirituelle Wesen des Koran zu richten. Es gilt, ihn in den Glaubenssegmenten als Ganzes zu durchleuchten und relevante Verse als Elemente eines Gesamtgedankens, einem Hologramm gleich aus einem noch unscharfen Kern sich entfaltend, zu betrachten und in der Folgerichtigkeit seiner inneren Bezüge zu prüfen. Nicht die Sure leistet (allein) den essentiellen Kontext. Dem Thema kommt im Sinne einer innerkoranischen „Intertextualität” (Neuwirth) eine vergleichbare Bedeutung zu. Diese Sicht war nicht These zu Beginn, sondern ist Ergebnis eines Zwischenstandes, der die weiterführende, belegsichernde Nachforschung angestoßen hat.

3. Das Jenseits unterliegt den Naturgesetzen.

Zum innerislamischen Disput zwischen orthodoxer Sicht und einer allegorischen oder mystischen Auffassung zur Natur des Jenseits wird festgestellt: Das Jenseits ist von physischer Beschaffenheit. Einer allegorischen oder mystischen Ausdeutung widerspricht der Text. Sei es das Wirken der Schwerkraft, die den Himmel ohne Gottes Gegenmaßnahmen auf die Erde fallen ließe33, bestätigt im Wunsch der Höllenbewohner, dass die Paradiesbewohner Wasser auf sie gießen mögen [7:50]. Zudem sind da die leiblichen Freuden, die der Paradiesinsassen dank berauschender Getränke, Früchten und Fleisch - und Mädchen [...] in vollendeter Gestalt [56:22,35ff] harren. Schließlich Männer, die auf den Höhen der Scheidewand zwischen Paradies und Hölle stehen.34 [7:46] All das kann nur als physisch existent verstanden werden.

Die Argumentation schließt mit dem Hinweis, dass die Himmel und die Erde einst eine Einheit waren, [...] dann (von Gott) auseinandergerissen wurden [21:30]. Die physische Existenz der Erde kann nicht bestritten werden, damit auch nicht die des Himmels, da doch beide desselben Ursprungs sind. Das schließt nicht aus, dass obere Schichten des Himmels transzendenter Natur sind und daher, wie Gott und auch die Engel, nicht den bekannten Naturgesetzen unterliegen.

1.2 Mittel der Untersuchung

Als ideal darf gelten, die arabische Sprache in ihren alten und modernen Formen vollendet zu beherrschen. Das setzt eine Sozialisation in einem arabischen Milieu voraus. Damit werden allerdings Grenzen des Erkennens internalisiert, erwachsend aus einer Kultur des „elliptischen Denkens”35. Negative Folgen für ein verstehendes Einlassen auf den Koran sind nunmehr unvermeidlich. Es bedeutet faktisch eine Verunmöglichung.

Die meisten westlichen Islamwissenschaftler werden sich die Sprachkompetenz auf die eine oder andere Weise als Kulturexterne (oder als Adepten) angeeignet haben. Sie stehen gleichermaßen vor der Herausforderung, sich das klassische Arabisch des Koran als solches zu erschließen. So nutzen auch langjährig mit der Sprache Vertraute etwa an den Universitäten Wörterbücher, Übersetzungen und sonstige Texte als alltägliches Handwerkzeug.

Das Unterfangen, den Koran auf seinen tatsächlichen Gehalt zu prüfen, kann daher nicht ohne Zuhilfenahme von Hilfsmitteln gelingen. An sich für wissenschaftliche Arbeit selbstverständlich, legt die Arbeit am Koran nahe, darüber zu sprechen. Ist doch der Gegenstand nicht ein fachlicher Gehalt, der sich der Sprache als Darstellungsmittel bedient. Vielmehr ist Sprache gleichermaßen Zweck wie Mittel. Daher ist es sinnvoll, zunächst die Instrumente darzustellen und auf ihre Eigenheiten und Probleme hinzuweisen.

Übersetzungen und Wörterbücher

Jede Übersetzung des Koran sei zugleich eine Interpretation und damit unzureichend, Reichtum und Wahrhaftigkeit des Koran in ihrer Authentizität und Fülle wiederzugeben, wird seitens islamischer Theologen argumentiert. Allein die Zahl der unterschiedlichen Koranauslegungen im Verbreitungsraum der arabischen Sprache und Schrift lässt jedoch ahnen, dass das (vermeintliche) Interpretationsproblem des Werkes von Beginn arabischen Händen anhaftet. Ursprünglich mündliche Tradition, der der Text in Konsonantenschrift als eine Stütze diente, war das Schriftwerk nur in der gelebten Kultur vollständig zu verstehen (und damit mundartlichen Eigenheiten ausgesetzt).

Nun war es aber der entscheidende kulturelle Beitrag der Verschriftlichung, Informationen über den unmittelbaren Entstehungsort hinaus verfügbar und anderen vermittelbar zu machen. Nehmen wir das System der Bildung. War die Weitergabe von Wissen zuvor nur im Vormachen - Nachmachen bzw. im Dialog möglich, konnte es nun zeit- raum- und kontaktunabhängig erworben werden.

Die britische Popgruppe „Jethro Tull” hatte ihren Namen einem Hufschmied entlehnt, der zu Beginn des 17. Jahrhundert „Über die Kunst, das Pferd richtig zu beschlagen” publizierte. Es war nach heutiger Kenntnis die erste Verschriftlichung handwerklich-technischer Fertigkeit. Das Gelingen eines solchen Informationstransfers setzt eine präzise Erfassung der realen Objekte und Ereignisse voraus sowie eine eindeutige sprachliche Umsetzung. Eine iterative Näherung an die Wirklichkeit wie im Dialog ist nicht möglich.

Wurde nun aber die mündliche Tradition unterbrochen oder der Koran außerhalb des Kulturraumes rezipiert, stellte allein bereits die fehlende Vokalisation eine gewaltige linguistische Herausforderung dar. Der interpretatorischen Spekulation waren Tür und Tor geöffnet. Eingedenk der rasch nach dem Tod Mohammeds vollzogenen Abspaltung der Schiiten schützte aber offenbar auch eine existierende mündliche Tradition nicht vor einem willkürlichen Umgang mit dem Koran, der Sammlung der Lesungen. Und bereits damals waren es Machtfragen, somit politische Interessen, die hinter dem vordergründig religiösen Streit die Koranverwertung bestimmte.

Es währte annähernd zwei Jahrhunderte nach Mohammeds Tod, bis die ersten Vokalisierungen erschienen, die die Gewähr einer einheitlichen Wahrnehmung des Textes boten. Zu diesem Zeitpunkt existierten jedoch bereits zahlreiche Hadithe und es ist nicht auszuschließen, dass sie auf die schriftliche Endformung des Korantextes Einfluss genommen hatten.

Die textliche Vielgestaltigkeit und (häufig scheinbare) Widersprüchlichkeit luden zudem ein, sich des Buches gleich eines Buffets gemäß eigener Anliegen zu bedienen. Milieueinflüsse, ausgeprägt in Begriffsvarianten, werden hinzugetreten sein, sodass aus der Wurzel des Islams rasch unterschiedlichste Triebe sprossen. Das zu verhindern, war einst die uthmanische Absicht gewesen: der Deutungsvielfalt durch Vernichtung insbesondere fremdsprachlicher Aufzeichnungen ein Ende zu setzen und eine einzige verbindliche Quelle zu schaffen.36 Selbst darüber existierte bald eine Reihe anerkannter Lesarten. Waren es zunächst sieben kanonische Leseschulen, führte um 1500 ein bekannter arabischer Kommentar bereits vierzehn Lesarten auf.37

Mögliche Interpretationsschwierigkeiten sind demnach nicht zuletzt den Spezifika der arabischen Sprache eigen, insbesondere auch unterschiedlichen Artikulationsgepflogenheiten und deren Verschriftlichung. Vermutlich konnten sich unter den vielfältigen Lesarten nur diejenigen behaupten, deren Vertreter streitbare Macht aufzuweisen hatten. Lesarten bedeuten unterschiedliche Textdarstellungen innerhalb des arabischen Sprachraumes. Daher ist es abwegig, den Übersetzungen wesensbedingte Mängel unterstellen. Wenn es Probleme gibt, entsprangen sie zunächst nicht der Übertragung in andere Sprachen, sondern insbesondere der unzureichenden Verständigung auf den „authentischen” Korantext im arabischen Islam selbst.

Wohl auch, um gerade dieser Herausforderung zu entgehen, konnte sehr bald, entgegen dem Anliegen Mohammeds, eine Kultur der Hadithexegese Fuß fassen. Das, was am Koran vermeintlich so schwierig sei, sollte dem gemeinen Volk eingängig dargeboten werden. Im Zuge der zunächst fast ausschließlich mündlichen Überlieferungen wurden die unterschiedlichen Sichten zu dogmatischen Aussagen verdichtet. Bis in die Gegenwart hinein nehmen Muslime diese fragwürdige Kost von früh an in sich auf - freiwillig oder genötigt -, um schließlich zementierte Gewissheiten über das Buch, aber vor allem über ihre Religion zu erlangen. => A-9 Hadithe]

Heute sind kaum fünf Prozent der arabisch sprechenden Muslime, weniger als ein Prozent der Bevölkerung islamischer Kulturen, in der Lage, das klassische Arabisch des Koran zu verstehen. Möglicherweise sind es noch weniger, weil es das Arabische längst nicht mehr gibt und selbst in den arabischen Kernländern über Jahrhunderte Dialekte herausgebildet wurden, die es den verschiedenen arabischen Völkern inzwischen erschweren, sich untereinander zwanglos zu verständigen.

Eine unvoreingenommene, eigenständige Wahrnehmung des Textes und Verständigung darüber ist daher selbst den wenigen unter den gläubigen Muslimen, die es wollen, faktisch kaum möglich. Im Übrigen schlägt inzwischen in den meisten islamischen Milieus Abweichlern nicht lediglich Unmut entgegen; sie müssen zuweilen mit lebensbedrohenden Sanktionen rechnen.

Folglich lässt sich argumentieren, dass nicht muslimisch, nicht arabisch sozialisierte Ausländer mit sehr guten arabischen Sprachkenntnissen womöglich geeigneter sind, auf den Grund der koranischen Worte und Sinngehalte zu gelangen als fast alle Muslime und insbesondere die islamische Gelehrtenschaft.

Noch vor wenigen Jahrzehnten musste allerdings diese These als hypothetisch gelten. So urteilte August Fischer38 im Jahr 1937,

„daß keine der vorhandenen Übersetzungen, mögen sie nun das ganze Werke umfassen oder sich auf eine Auswahl beschränken, strengen philologischen Anforderungen genügt. [...] Fischer macht ihnen allen - dem einen mehr, dem anderen weniger - zum Vorwurf, daß sie meist zu sehr von den einheimischen Kommentaren, vor allem der Spätzeit abhängig sind, daß sie sich zu wenig um die oft wertvollen philologischen Angaben der einheimischen exegetischen Literatur bekümmern, und daß sie die Koranlesarten zu wenig berücksichtigen.

Er beanstandet weiter, daß sie in der Sucht, im Koran jüdische und christliche Elemente zu finden, den arabischen Charakter des Werks verkennen, und vermißt bei den meisten eine genügende Kenntnis der Feinheiten der arabischen Grammatik und eine hinlängliche Vertrautheit mit dem arabischen Sprachgebrauch, schließlich tadelt er, daß sie durch ihre assertorischen Übersetzungen den problematischen Charakter vieler Koranstellen verwischen.”39

Es scheint, als bedürfe es des idealen Übersetzers mit zwei Seelen in der Brust: einer arabischen für die Intimkenntnis der Sprache und einer fremdländischen zur Wahrung der gebotenen Distanz und Unvoreingenommenheit. Hat sich seitdem etwas geändert? Jedenfalls so viel, dass es inzwischen eine Reihe neuer Übersetzungen gibt, in denen Fischers Verdikt offenbar Niederschlag gefunden hat. In einem generationenwährenden Prozess wuchs zudem die Breite und Tiefe des Verstehens, was gewiss zu einem höheren Niveau der Übersetzungen führte. Jedenfalls haben die Arbeiten etwa von Paret, Bobzin und Zirker gegenüber denen von Rückert und Henning ihre Vorzüge. Andererseits bleibt nach wie vor eine Differenz zwischen den „Native Speakers” und den deutschen Übersetzern, der sich entlang der Spannung zwischen vermeintlichem intimen Verstehen und analytischem Selbstverständnis bemerkbar macht.

So gibt es erhebliche Unterschiede in der Qualität der Übersetzungen40, wahrgenommen in der eigenen Arbeit. Bildet man eine Skala von 0 bis 10, so verteilen sich 15 Übersetzungen "gefühlt" folgendermaßen:

* für den vorliegenden ersten Band ihrer Koran-Übersetzung

** um zwei Punkte angehoben wegen umfangreicher Erläuterungen und Kommentare

*** KSA: offizielle Übersetzung des Königreichs Saudi-Arabien

Hartmut Bobzins Übersetzung war aus verschiedenen Gründen die erste, die herangezogen wurde41, bald darauf folgten Ahmad und Paret. Wenn heute dieser Text vorliegt, ist das im Wesentlichen Bobzins Übersetzung zu verdanken. Aus den Differenzen zu anderen Übersetzungen und deren Analyse erwuchs die Wahrnehmung systematischer Fehlinterpretationen im Islam. Weitgehend unbeeindruckt von islamischen Gewissheiten, wirkt Bobzins Arbeit an der Wahrhaftigkeit von Wort und Sinn orientiert. Nichtsdestoweniger ist auch sie nicht mängelfrei, bisher zeigten sich ein gutes Dutzend Fehlübersetzungen.

Teilweise sind sie tolerierbar, teilweise verzerren sie jedoch den Sinn. Es ist doch etwas Anderes, ob Ungläubige ausgerottet werden oder von ihrer Wurzel, (die aus der Quelle des Unglaubens schöpft), abgeschnitten werden. [8:7] Nach eigenen Erfahrungen stimmen die Übersetzungen im Hinblick auf den Wort- und/oder Verssinn in weiten Teilen des Koran überein. Zu 98 Prozent ist aber auch das Erbgut von Schimpanse und Mensch identisch. Und es sind auch nur annähernd zwei Prozent der Koranverse, die für die spirituelle Ausrichtung des Gesamttextes entscheidend sind. Just dort treten teils gravierende Interpretationsunterschiede und -fehlleistungen auf. Darin erklären sich die sehr niedrigen Wertungen einiger prominenter Übersetzer. Mit wenigen falschen Worten wird der Blick auf den Koran in völlig andere Richtungen gelenkt. Da häufig Vorsatz unterstellt werden muss, kann es keine bessere Bewertung geben.

Es ist ein Gemisch von gegebenen Hemmnissen der Sprache und subjektiven bzw. kollektiven Interessen, die sich daraus ergebende Unklarheiten zunutze machen, um eine eigene Sicht zu etablieren. Goldziher führt unter Berufung auf at-Tabari Dutzende Verse auf, zu denen über die Bedeutung einzelner Wörter im Islam bereits in der frühen Phase der Religion heftige Debatten ausgelöst wurden. Dies bis zur heutigen Zeit.

Schauen sie denn nicht zu den Kamelen, wie sie geschaffen wurden? So lautet es im V.17 der Sure 88 [88:17] – jedenfalls bei deutschen Islamwissenschaftlern, ausgenommen Henning. Asad und Haleem verwandeln jedoch die Kamele in „Wolken”. Die KSA-Übersetzung lässt beides zu, Kamel und Regenwolken, ebenso Ahmad. Was ist richtig? < / abila42> ist das Kamel bzw. Kamele, zudem <herd of camels, clouds that bear the water for rain>.43

Somit scheinen beide Möglichkeiten gleichermaßen gültig. Im Koran wird allerdings eine Variante der Wurzel verwendet, und zwar < / ibil>. Es handelt sich um eine Sonderform des Plurals, der Dual. Lane, Wehr, Langenscheidt und ALG44 bestimmen ihn ausschließlich mit 'Kamele', Omar mit 'Kamel'. Lediglich Farid gibt beides an, Kamele und Wolken.

Das Wort <ibil> taucht im Koran ein weiteres Mal auf: Und von den Kamelen ein Paar und von den Rindern ein Paar. [6:144] Zuvor, in [142,143], heißt es: Und vom Vieh Großes und Kleines /acht paarweise, von den Schafen ein Paar und von den Ziegen ein Paar. Nun wird deutlich, dass eigentlich nicht vom Plural im gewöhnlichen Sinn von „mehrere” die Rede ist. Vielmehr wird „ibil” als Gattungsbegriff verwendet. Dann ist allein die Übersetzung von Rückert wortgenau:

Und haben sie nicht das Kamel angeschaut? [88:17]45, so auch bei Lane46.

Dreimal noch ist im Koran von „Kamelen” die Rede47. Dabei gelangen jedoch andere Wortstämme zum Einsatz, die eine unbestimmte Anzahl meinen: Zudem wird acht Mal „Kamel” im Singular erwähnt, ebenfalls mit anderen Stämmen

„Wolken” werden achtmal mit stets derselben Wurzel erwähnt, jedoch nicht als <ibili>. Daher ist es abwegig, in [88:17] mit „Wolken” zu übersetzen. Auf diese Weise wird das Wort Gottes gebeugt, gemäß den Expansionsgelüsten islamischer Autoritäten. Einem vergleichbaren Vorgehen begegnet man des Öfteren.48 Worin liegt der Anlass für diese Verfälschungen? Asad liefert eine bemerkenswerte Erläuterung:

„Würde der Begriff im Sinn von Kamele gebraucht, wäre die Bezugnahme darauf im obigen Vers primär, wenn nicht ausschließlich, an die arabischen Zeitgenossen des Propheten gerichtet.” Aber diese Bezugnahme „muss hier ausgeschlossen werden, denn die qurānischen Aufforderungen, die Wunder des von Gott geschaffenen Universums zu betrachten, sind unterschiedslos an Menschen aller Zeiten und Umgebungen gerichtet.” 49

Die Reflexion zum Begriff <ibil> inspiriert zur Paraphrase auf ein Bonmot der Protagonistin eines weltbekannten schwedischen Kinderbuches: „Ich mach' mir den Koran, wie er mir gefallen kann.” Ernsthaft gewendet, offenbart sich darin ein Problem sämtlicher Interpretations- und Übersetzungsbemühungen. Alle Überlieferung ist unter diesem Aspekt fragwürdig. Das gilt selbst für die Texte hoch angesehener, altehrwürdiger Gelehrter wie at-Tabari. Hier ging es darum, dem Expansionsbestreben gegen die erklärte Absicht Gottes => Kap. 3 Geltung] im Koran eine Legitimation zu verschaffen. => C Die Bäche des Paradieses]

So bleibt es auch dem Sprachkundigen nicht erspart, auf Wörterbücher zurückzugreifen. Derer existieren im Deutschen eine überschaubare Zahl (z.B. Schregle, Wehr, Langenscheidt); mehr sind es im Englischen: Farid, Lane, Omar50, Penrice sind einige, die häufiger für diese Arbeit eingesetzt wurden. Alle Hilfen stammen frühestens aus der Mitte des 18. Jahrhunderts. Nicht zuletzt zusammengestellt aus dem Schrifttum und dem Sprachgebrauch ihrer Zeit, trafen sie daher auf Verhältnisse, in denen das islamische Koranverständnis längst Teil arabischer Kultur geworden waren.

Bedauerlich, aber unvermeidlich, mag man denken. Im Lauf von Jahrhunderten ist es natürlicher Gang der Dinge, dass die Bedeutung von Worten ausgeweitet wird oder sich verlagert. Das ist nicht zuletzt Ausdruck einer lebendigen, sich fortentwickelnden Kultur. Andererseits – selbst wenn, wie bei <ibil>, der ursprüngliche Wortsinn bis heute erhalten blieb, wird doch durch die Bedeutungserweiterung die Gefahr einer Fehldeutung des ursprünglich Gemeinten drastisch erhöht. „Es gilt also, den Sinn zu reproduzieren, den sie für die Menschen hatte, die noch von den begrifflichen Vorstellungen späterer islamischer Entwicklungen unbelastet waren.”51 Dieser Sinn wäre nur mithilfe vor-koranischer Wörterbücher zu erschließen.

Leider existieren derartige Werke nicht, gilt doch der Koran als das erste arabische "Buch" überhaupt. Das älteste erhaltene Wörterbuch ist das KITAB-AL-AYN des al-alīl Ibn Amad al-Farāhīdī, fertiggestellt im Jahr 790, gut 150 Jahre nach Mohammeds Ableben. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Koranexegese bereits unterschiedliche Interpretationen hervorgebracht, zudem waren schon früh erste Hadithe52 im Umlauf gewesen. Dadurch

„hatten viele Koranpassagen schon früh eine Auslegung erfahren, die ihre Bedeutung ein für alle Mal festschrieb, und zwar in einem Sinne, der vielleicht zu der etymologischen Erklärung der Schlüsselwörter im Widerspruch stand, [...] durch philologische Argumente nicht mehr aus der Welt zu schaffen.” Somit ist zu fragen, „wie weit die Philologen noch frei waren, über die einzelnen Koranpassagen als neutrales sprachliches Material zu verfügen oder umgekehrt, bis zu welchem Grade sie bereits auf akzeptierte - mündlich tradierte - Deutungen Rücksicht zu nehmen hatten.”53

Die an sich nachvollziehbare Anmerkung54 überrascht durch ihre Platzierung im Vorwort zum KITAB-AL-AYN. Hat sich doch gerade dieses Buch dank seiner sprachlichen Neutralität gegenüber dem Koran - oder besser, seinen Interpretationen - vielfach bewährt. Als philologischer Prüfstein für jegliche arabischen Texte, Übersetzungen und Wörterbücher ist es unverzichtbar geworden. Wer mit dem Koran redlich umgehen will, kommt an diesem Werk nicht vorbei. Die einzigartige Qualität verdankt das Werk wohl seiner frühen Entstehung.55 Das Verschwinden des Buches für mehr als ein Jahrtausend könnte darin eine Erklärung finden: Es wurde unbequem.

Letztlich werden die Fehlinterpretationen im Zuge der Jahrhunderte mit der Kanonisierung stetig zugenommen haben. Zudem entstand mit der Erfindung des Buchdrucks eine Fülle von vergleichsweise leicht verfügbarem und preiswertem Material, das auf einem inzwischen festgezurrten Interpretationsstand beruhte und zur Grundlage der noch später verfassten Wörterbücher wurde. Das KITAB-AL-AYN wie auch das Werk des at-Tabari sind als frühe Urschriften aber erst in den letzten Jahrzehnten zugänglich geworden. Insbesondere das KITAB-AL-AYN kann als ein Korrektiv für Fehlentwicklungen und Fälschungen genutzt werden.

Ein anderer Zugang wurde an der Universität Würzburg gewählt. Dort hat man zur Erstellung eines Wörterbuchs ausschließlich mittelalterliche Texte aus Italien und Spanien ohne religiösen Bezug herangezogen, die Übertragungen aus dem Arabischen ins Lateinische enthalten. Diese wurden (und werden) weiter ins Englische übersetzt. Das hat zur Folge, dass

„the English translation of the Arabic term does not give the general meaning as found in Arabic lexica, but the specific meaning which the term has in the quotations. Hence, in a good number of cases, the meaning is not recorded in the standard Arabic lexica such as Lisān, Freytag, Lane, Dozy and Wehr.”56

Leider ergibt sich nur selten eine Überschneidung mit dem Vokabular des Koran, zumal das Werk bisher erst ca. 15 Prozent des Alphabets abdeckt. Ist das aber der Fall, werden verbreitete Koraninterpretationen bestimmter Begriffe fragwürdig. So wird - bei der Mehrheit der Übersetzer - Adam von Gott zum Statthalter bzw. Stellvertreter, bestimmt [2:30], obwohl er eigentlich als Nachfolger zu verstehen ist, nachvollziehbar im ALG.57

Es gibt zudem eine weitere Quelle für eine unbeeinflussbare Betrachtung des Wort- und Sinngehalts des Koran: das Buch selbst. Vorhin wurde am Beispiel des <ibil> das Vorgehen deutlich. Man sucht dasselbe arabische Wort im weiteren Text und vergleicht, mit welchem Sinn es an anderen Fundstellen verwendet wurde. Dann nimmt man das deutsche Wort der strittigen Übersetzungen und prüft, wie es an anderen Stellen verwendet wurde und durch welchen arabischen Begriff es dort vertreten ist. Durch solche Quervergleiche entwickelt sich bei mehrfach verwendeten Wörtern ein gutes Gespür für die ursprüngliche, koranadäquate Bedeutung des arabischen Wortes.

Eine Anekdote kann den freizügigen Umgang arabischer Muslime mit der eigenen Sprache beleuchten. Ich hatte einen Arabischdozenten nach der Bedeutung des Wortes <sa:ga> (in [39:73]) gefragt und darauf verwiesen, dass es teils als 'treiben', teils als ',führen' übersetzt ist. Mit wuchtigem Vortrag machte er mir klar, dass Gott den Menschen mit Güte und Respekt behandele und ihn niemals 'treiben' würde. Das mache man schließlich mit dem Vieh. Es könne somit nur 'führen' bedeuten. (Die Auskunft war in ihrer Absolutheit unzutreffend, wie sich im Weiteren erweisen wird => B-5 Der „Falter”].)

Umstrittene Verse

Ignaz Goldziher eröffnet sein Werk zur Koranauslegung mit einem auf die Bibel bezogenen Zitat des Theologen Peter Werenfels:

„Jedermann sucht seine Dogmen in diesem heiligen Buche -

Jedermann findet zumal, was er gesuchet darin.”58

Er konstatiert derartige Verhältnisse gleichermaßen für den Koran und gelangt zur Feststellung, „dass es eine einheitliche Exegese des Koran nicht gibt.”59

Basierend auf at-Tabaris Tafsir hat er sich in den „Richtungen der islamischen Koranauslegung” mit annähernd 350 Versen des Koran in der einen oder anderen Weise auseinandergesetzt und die meist subtilen, zuweilen aber auch drastischen Unterschiede der Interpretationen herausgearbeitet. Darin bestätigt sich eigene Erfahrung, dass die weitaus meisten Differenzen auf das unterschiedliche Verständnis eines einzigen Wortes zurückgeführt werden können, dessen Darstellung als nicht eindeutig gilt.

Zuweilen werden interpretative Zusätze in den Text eingefügt: „Einschübe, durch die zuweilen der Unbestimmtheit des Textes durch genauere Determination abgeholfen, der schwankenden Deutung vorgebeugt werden sollte.”60 Ferner stellt Goldziher Abweichungen fest, in denen zum Ausdruck desselben Gedankens unterschiedliche Synonyme verwendet werden. So gibt es vielfältige Spielarten der Interpretation und oft ist kaum entscheidbar, ob die Varianten der Eigenart des Textes geschuldet sind oder ob eine Aussage in bestimmter Form sich nicht ins Weltbild des Betrachters fügen würde und daher eine andere Wahl getroffen wurde.

Angesichts der Fülle des Materials ist es erstaunlich, dass keiner jener Verse, die für Glauben, Ritus und Gebote von zentraler, d.h. richtungsweisender Bedeutung für die Auslegung des Koran sind, in die Auswahl einbezogen wurden. Ausgenommen ist [48:29], darin sind die Bedeutung von Tora und Evangelium in ihrem Gleichnischarakter für die Entwicklung der Religion verwendet. Goldziher zieht den Vers allerdings zur Bestimmung des Verhältnisses von schiitischer und sunnitischer Tradition heran.

Auch A. Fischer, der in den 1920er Jahren vorliegende Übersetzungen harsch bewertet hatte, hat sich der Aufgabe einer Exegese mit beispielhafter Akribie gestellt. Die lediglich fünf Verse umfassende Sure 111 hat er auf annähernd 40 Seiten nach allen Regeln linguistischer Kunstfertigkeit untersucht. Seine Ergebnisse haben vermutlich spätere Übersetzungen beeinflusst, so etwa Bobzins, Parets und Zirkers.

Eine gewiss exemplarische Leistung. Sie ruft aber die Frage nach dem „Warum” auf. Was ist an dieser Sure für das Wesen der Religion so bedeutsam, dass diese und nicht eine andere Sure oder auch nur einige andere Verse von kritischer Bedeutung für das Gesamtverständnis der Religion herangezogen wurden? Im Weiteren wird sich zeigen, dass gerade „systemrelevante” Verse gravierenden Auslegungsdifferenzen unterliegen.

Nun beziehen sich die Arbeiten von Goldziher und Nöldeke und wohl auch die von Fischer auf Verhältnisse vor 1923. Seitdem hat sich die Situation deutlich verändert. Mit der Kanonisierung des Kairinischen Koran als Folge der mehrjährigen Arbeit einer international besetzten Kommission existiert ein verbindlicher Korantext, der auch von schiitischer Seite anerkannt wurde. Diese Ausgabe ist vollständig punktiert und vokalisiert, damit fallen eine Vielzahl von Auslegungskonflikten fort. Dennoch existieren zwischen den verschiedenen, erst in jüngerer Zeit vorgelegten Übersetzungen gewichtige Differenzen bei deutungsrelevanten Versen.

Wenn textliche Irrungen in den Hintergrund getreten sind, muss die Ursache für die Uneinigkeit auf andere Gründe zurückzuführen sein. Die Bereitschaft, den nunmehr einheitlichen Text des Koran zu verfremden, war an [88:17] deutlich geworden: Kamele wurden zu Wolken, um dem Anspruch einer universellen Geltung des Islam Legitimation zu verschaffen. Und nicht nur dort hat Asad - wie andere - gegen den Koran übersetzt.

Das Wort kann sowohl „schlagen” als auch „heilen” bedeuten. [ 4:34 [ meint „anordnen”, „befehlen” aber auch - laut KITAB-AL-AYN - „etwas auf dem Herzen haben”, „einem Anliegen nachkommen”. [45:18] Schließlich bedeutet / kabada> „schwer mitnehmen, „zufügen”, andererseits „seinen Höhepunkt erreichen”, „die Mitte einnehmen”. [90:4] Bei derartigen doppelwertigen Begriffen wird im Islam zur Erläuterung des Koran fast durchgehend die unduldsame bzw. gewalttätige Variante gewählt und fast alle Übersetzer und Kommentatoren schließen sich dem an. Zugespitzt: Gerade jene, die auf Interpretationsvielfalt pochen, sind sich in der einseitigen Ausdeutung koranischer Schlüsselbegriffe auffällig einig. Die aus den Erfahrungen geronnene Faustregel für die Einschätzung einer Übersetzung lautet daher: Je weiter von der Doktrin entfernt, desto näher vermutlich am Wort und Sinn des Koran.

1.3 Zeit im Koran