Der Erfolgsfaktor - Sven Scharly - E-Book

Der Erfolgsfaktor E-Book

Sven Scharly

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Beschreibung

Der Erfolg ist oberstes Ziel eines Unternehmens und viele Unternehmen sind durchaus sehr erfolgreich. Aber was zeichnet die Erfolgreichen aus und könnten Unternehmen noch erfolgreicher sein, als sie ohnehin schon sind? Mit dieser Frage beschäftigt sich der Autor schon viele Jahre. In dieser Zeit hat er zahlreiche Gespräche mit Geschäftsführern, Führungskräften und Mitarbeitern geführt. Das Ergebnis seiner Erkenntnisse möchte er nun mit Ihnen teilen. Folgen Sie ihm in die fiktive Geschichte dieses Buches. Alle Figuren, die Handlung und die Orte dieses Romans sind frei erfunden und doch lässt es sich wohl kaum vermeiden, dass Sie beim Lesen Parallelen entdecken werden.

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Seitenzahl: 234

Veröffentlichungsjahr: 2014

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Es ist nicht genug zu wissen, man

muss es auch anwenden;

Es ist nicht genug zu wollen, man

muss es auch tun.

-Johann Wolfgang von Goethe-

Inhaltsverzeichnis

Vorwort des Autors

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Nachwort des Autors

Vorwort des Autors

Ich begrüße Sie zu meinem ersten Buch, der Erfolgsfaktor. Der Erfolg ist oberstes Ziel eines Unternehmens und viele Unternehmen sind durchaus sehr erfolgreich. Aber was zeichnet die Erfolgreichen aus und könnten Unternehmen noch erfolgreicher sein, als sie ohnehin schon sind?

Mit dieser Frage beschäftige ich mich schon viele Jahre. In dieser Zeit habe ich zahlreiche Gespräche mit Geschäftsführern, Führungskräften und Mitarbeitern geführt. Das Ergebnis meiner Erkenntnisse möchte ich nun mit Ihnen teilen.

Folgen Sie mir in die fiktive Geschichte dieses Buches. Alle Figuren, die Handlung und die Orte dieses Romans sind frei erfunden und doch lässt es sich wohl kaum vermeiden, dass Sie beim Lesen Parallelen entdecken werden.

Ich wünsche Ihnen einige interessante, erkenntnisreiche und vor allem schöne Stunden.

Ihr Sven Scharly

1

Morgens schon die warmen Sonnenstrahlen der Junisonne auf der Haut zu spüren ist einfach etwas Tolles. So sollte jeder Tag beginnen. Auf dem Weg zum Auto genieße ich dieses Gefühl der Wärme. Auch den Blumen im Garten scheint die Wärme zu gefallen, sonst würden sie wohl nicht so farbenprächtig blühen. Selbst die Sonnenblume, die meine Tochter unbedingt im Garten haben wollte, wird von Tag zu Tag größer. Bis diese blüht wird aber wohl noch eine ganze Zeit vergehen. Zurzeit scheint alles zu passen, der Beruf, die Familie, alles.

„Konstantin, warte! Kannst Du die Kinder in die Schule mitnehmen, wenn Du ins Büro fährst?“, ruft meine Frau Olivia. „Ich möchte vor der Arbeit noch ins Fitnessstudio.“

„Klar. Aber dann los Nate und Selina, sonst komme ich zu spät. Dir viel Spaß im Studio.“, antworte ich.

Wie zwei Pfeile kommen die beiden aus dem Haus geschossen. Wenn ich Nate mit seinen 10 Jahren auf mich zu rennen sehe, bemerke ich wie groß er doch schon ist. Im Verhältnis zu seiner drei Jahre jüngeren Schwester ist er im wahrsten Sinn des Wortes der große Bruder. Die beiden steuern zielstrebig die hinteren Türen von meinem neuen Firmenwagen an. Noch kurz anschnallen und los geht’s. Die Schule liegt auf dem Weg. An der Schule angekommen halte ich unmittelbar vor dem Haupteingang. Nate und Selina öffnen das Gurtschloss und so schnell wie die beiden im Auto waren, so schnell sind sie auch schon wieder weg. „Einen schönen Tag“, kann ich den beiden nur noch hinterher rufen. Alleine im Auto kann ich mich nun auf meinen Tag konzentrieren. Immerhin bin ich erst seit sechs Wochen in meiner neuen Position tätig. Nach kurzer Fahrt erreiche ich auch schon die Einfahrt zum Firmengelände, gerade noch pünktlich zu meiner 8.30 Uhr Besprechung. Kaum aus dem Auto ausgestiegen spüre ich wieder die wohlige Wärme der Sonnenstrahlen. Ein positiver Tag nimmt seinen Lauf.

„Guten Morgen Konstantin“, ruft mir Eduard entgegen.

„Guten Morgen“, erwidere ich.

Eduard hat, wie immer, seinen Arbeitsmantel an. Dieser ist sein unverkennbares Markenzeichen. Selbst in Kundenbesprechungen erscheint er so gekleidet. Auch außenstehende erkennen unweigerlich, dass Eduard ein langjähriger Mitarbeiter ist, so verwaschen ist der graue Arbeitsmantel. Eddy, wie ich ihn inzwischen nenne, wurde in dieser kurzen Zeit einer meiner engsten Vertrauten. Da er Produktionsleiter ist, hatte ich von der ersten Sekunde an einen Draht zu ihm. Wir verstehen uns einfach. Allerdings musste ich auch feststellen, dass er nicht gerade die Innovation in Person ist. Mit seinen 52 Lebensjahren und seinem enormen Wissen ist er vielleicht ein klein wenig zu sehr von sich überzeugt. Ich folge ihm, da wir in dieselbe Sitzung gehen. Im selben Moment stößt hinter uns, von einem seitlichen Gang, unbemerkt eine weitere Person zu uns und begrüßt uns beide.

„Hallo Quintus, na was macht die Qualität?“, frage ich nach hinten.

„Es läuft wie immer. Aber ich will nicht zu viel verraten, sonst habe ich in der Sitzung nichts mehr zu sagen!“, erwidert er.

„Es läuft wie immer gut, wolltest Du wohl sagen.“, mischt sich Eduard grinsend ein.

„Mehr oder weniger. Mehr oder weniger, Eddy.“, gibt Quintus zum Besten.

„Ok, wir sollten wohl damit wirklich bis zur Sitzung warten, sonst kriegt Ulli wieder nur die Hälfte mit.“, bremse ich die beiden.

Mit diesen Worten biegen wir in die Zielgerade Richtung Besprechungszimmer. Quintus überholt mit eiligem Schritt und öffnet die weiße, schwere Tür in den Raum. Ulli steht bereits am Beamer und macht alles für unsere Besprechung bereit. Als Vertriebsleiterin ist Sie, wie immer, sehr auf ihr Äußeres bedacht. Auch heute hat Sie wieder ein Kostüm an, das ihr 10 Punkte auf der Richterskala einbringt. Vor Allem im Vergleich zu den beiden Herren, die eben eher technisch veranlagt sind. Neben dem Arbeitsmantel von Eddy ist auch das ausgewaschene T-Shirt von Quintus mit dem Aufdruck des Wahnsinns fette Beute nicht unbedingt salonfähig. Da die beiden außerhalb des Unternehmens keinen Kontakt haben, ist mir ihre Kompetenz aber wichtiger als das Aussehen. Nachdem wir uns alle hingesetzt haben streift mein Blick im Zimmer umher. Obwohl ich inzwischen schon viele Male in diesem Raum saß entdecke ich immer wieder Neues und frage mich, ob ich es bisher übersehen habe oder ob etwas hinzugekommen ist. Heute fällt mir sofort eine Vase auf einer Vitrine auf. Die Glasvitrine mit unseren Produkten darin hatte ich schon oft gesehen, die Vase ist mir aber neu.

„So, guten Morgen die Herren, wir haben ein Problem!“, reißt mich Ulli aus meinen Gedanken. „Ich bekomme immer mehr böse Anrufe und E-Mails von Kunden, obwohl mir in dieser Sitzung jeden Morgen erzählt wird, dass alles halb so wild ist.“ Nach einer kurzen Pause führt Ulli weiter aus: „Es kann doch nicht sein, dass wir uns selbst in dieser Besprechung wunderschöne Bilder malen, aber das, was der Kunde sieht eine dunkelgraue Regenlandschaft ist.“.

„Nun mal langsam, dunkelgraue Regenlandschaft. Wir bringen die Zahlen auf den Tisch, die wir haben!“, verteidigt sich Eddy.

„Genau. Ich habe nie wunderschöne Bilder gemalt. Ich sage seit Wochen, dass wir in Sachen Qualität nicht gerade obenauf sind“, rechtfertigt sich auch Quintus.

„Willst Du also auch sagen, wir von der Fertigung sind schuld? Die Fertigung ist an den Terminen schuld, die Fertigung hat schlechte Qualität, immer ist es die Fertigung!“, erwidert Eddy, inzwischen recht aufgebracht.

„STOP!“, schiebe ich mich zwischen die Streithähne. „Zuerst einmal ist niemand an irgendetwas Schuld. Aber wenn Ulli solch ein Feedback vom Markt bekommt, müssen wir der Sache nachgehen.“

„So ist es“, bestätigt Ulli. „Ich kann die Lieferverzögerungen ja bei jedem Kunden belegen und auch die Reklamationen sollten doch erfasst werden. Aber ich habe es schon immer gesagt, LEAN Management, Engpasstheorie, so ein Quatsch. Ich wusste es von Anfang an.“

Ich fühle mich, als würde ich die Kontrolle gänzlich verlieren, wenn ich nicht irgendetwas tue. Der Tag hatte so gut angefangen und nun das. Für eine Sekunde ziehe ich mich in meine Gedankenwelt zurück und spiele verschiedene Szenarien in meinem Kopf durch.

„Leute, hören wir auf so unproduktiv zu streiten.“, nehme ich das Gespräch wieder an mich. „Die Frage ist doch nun, welche Daten wir sammeln müssen, was wir analysieren und welche Maßnahmen wir ableiten sollten. Also was schlagt Ihr vor?“

Eddy, der sich offensichtlich angegriffen fühlt, macht weiter: „Daten sammeln? Analysieren? Ist doch eh alles klar. Die Fertigung ist schuld. Unsere Lean Offensive ist Quatsch und die Engpässe auch. Was sollen wir analysieren?“

„Aber so ist es doch auch! Mache ich vom Vertrieb die Qualität? Nein, ich verkaufe nur den Schrott, den wir produzieren! Von den Terminen ganz zu schweigen“, kontert Ulli mit deutlichen Worten.

Bevor die Situation weiter eskaliert, schalte ich mich wieder ein: „Jetzt ist es genug. Offenbar sind hier einige Emotionen im Raum. Wir sollten diese Besprechung vertagen. Macht euch mal Gedanken und wir besprechen das morgen in aller Ruhe. Eddy, bleibst Du bitte noch da?“

Die beiden anderen verlassen den Raum. Eddy, der sich inzwischen etwas zu trinken eingeschenkt hat, sitzt sichtlich angefressen da. Ich stehe auf, gehe zu ihm rüber und setzte mich auf den Stuhl zu seiner Rechten.

„Eddy, Du darfst dich nicht immer direkt angesprochen fühlen. Natürlich verstehe ich dich, aber versuch auch Ulli zu verstehen. Sie bekommt den Druck vom Kunden ab. Wir alle zusammen müssen das Unternehmen erfolgreich machen. Die Inhaber erwarten das von mir und damit von uns. Ich kann das nicht alleine. Ich brauche dich und die Anderen.“, versuche ich ihn aufzubauen.

„Ja, aber ich kann nicht alles machen. Natürlich machen meine Mitarbeiter ab und zu mal schlechte Teile. Aber wir sind eine Produktion, da passiert so etwas eben. Und natürlich werden auch Termine nicht eingehalten. Aber genau aus diesen beiden Gründen haben wir unsere Lean Offensive gestartet und wir sind besser als früher, das ist sicher. Auch die Engpassbetrachtung hat geholfen. Unsere Kennzahlen sind viel besser geworden. Der Vergleich in unserer Engpass-Präsentation zeigt das deutlich. Erst vor kurzem haben wir die Qualität ganz oben auf die Agenda gesetzt und auch hier haben wir deutliche Verbesserungen erzielt. Ich weiß nicht was ich sonst noch machen soll.“, lenkt Eddy ein.

„Das ist doch toll.“, bestätige ich ihn. „Dann sind wir ja auf dem richtigen Weg. Ich bin sicher, wenn wir Morgen normal über das Thema sprechen und konstruktiv zusammen sitzen, werden wir doch wohl eine Lösung finden. Wichtig ist nur, dass wir die Emotionen raus lassen. Kriegst du das hin?“

„Sicher doch“, antwortet Eddy deutlich ruhiger und trinkt sein Glas leer.

Mit dieser Antwort kann ich zufrieden sein. Ich beende das Gespräch und verlasse, zusammen mit Eddy, den Besprechungsraum. Zielstrebig steuere ich auf die Kaffeeküche zu. Ich brauche jetzt dringend einen Kaffee. Das Gespräch kann ich noch nicht ganz vergessen. So hatte es in den letzten sechs Wochen noch nicht gekracht. Es ist unglaublich, wie schnell und heftig sich Emotionen entladen können. Im nächsten Moment erinnere ich mich wieder an die warmen Sonnenstrahlen auf der Haut, wie schnell ein Tag doch sein Gesicht ändern kann. Mit diesem Gedanken und einer Tasse in der Hand mache ich mich auf den Weg in mein Büro, schließlich wartet dort auch noch ein Berg voll Arbeit.

Bevor ich mein Büro gehe begrüße ich Emilia, meine Sekretärin, und unterhalte mich noch kurz mit ihr. Bis ich mich von dem Gespräch los reißen kann ist mein Kaffee schon fast wieder leer. Von der Tür blicke ich auf mein Büro und meine Stimmung heitert sich unmittelbar auf. Es ist ein gutes Gefühl, wenn man ein Etappenziel geschafft hat. Geschäftsführer war schon immer mein Traum und nun stehe ich in der Tür von MEINEM Büro. Mein Blick schweift umher. Auf dem modernen Schreitisch mit weißen Rahmen und einer Glasplatte stehen einige Bilder von meiner Familie, die ich von meiner jetzigen Position nur auf der Rückseite sehe. Daneben das neue Notebook mit der Funkmaus und ein Stapel Papiere, die ich heute bearbeiten muss. In diesem Moment klingelt das Telefon. Am Klingelton erkenne ich, dass es ein internes Gespräch ist. Ich eile zum Schreibtisch.

Am Schreibtisch angekommen sehe ich auf dem Display, dass Quintus anruft.

„Hallo Quintus. Was gibt’s?“, frage ich.

„Das war ja heute eine ganz schön heiße Diskussion.“, erwidert er.

„Ja das kann man wohl sagen. Aber wie die Emotion so hochkochen konnte verstehe ich nicht ganz. Es war in den ganzen sechs Wochen bisher doch in Ordnung.“, antworte ich.

„Herzlich Willkommen hinter den Kulissen. Nun haben sich nur altbekannte Probleme entladen. Dir wird sicherlich nicht langweilig bei uns.“, meinte Quintus mit einem Tonfall, der ein Grinsen am anderen Ende vermuten lässt.

„Wolltest Du mir das sagen?“, frage ich nach.

„Nun, da unsere Besprechung schneller vorüber war, als ich dachte, habe ich die Zeit genutzt und unsere Zahlen analysiert. Ulli hat Recht, wir sind schlechter geworden.“, führt Quintus aus.

„Sollen wir uns nochmal mit den Anderen zusammensetzen und darüber sprechen?“, will ich wissen.

„Nein, lass das lieber mal. Die beiden sollen sich abregen. Ich hoffe nur, Ulli bekommt nicht noch mehr solcher E-Mails, sonst geht das Morgen genau gleich weiter.“, stellt Quintus in Aussicht.

Damit beenden wir das Telefonat. Aber die Nachricht trägt nicht gerade zu einer positiven Stimmung bei. Heute fühle ich mich wie in einer Achterbahn. Ein positiver Tag beginnt, eine Besprechung drückt die Stimmung, mein Büro gibt mir wieder Auftrieb und jetzt das Telefonat mit Quintus. Mir wäre fast lieber, er hätte die Information für Morgen zurückbehalten. Egal, ich muss einen klaren Kopf behalten. Die Themen, die Ulli auf den Tisch brachte sind weitreichend, selbst wenn diese nur im Ansatz stimmen. Für Morgen muss ich mir einen Überblick verschaffen.

„Emilia? Ich muss in die Fertigung und werde wohl den ganzen Tag unten sein.“, mit diesen Worten an meine Sekretärin verabschiede ich mich und mache mich auf den Weg.

Als ich das Treppenhaus betrete merke ich zum ersten Mal, wie karg es eigentlich aussieht. Einige Bilder sollen die grauen Wände wohl freundlicher erscheinen lassen. Gelungen ist dies jedoch nicht. Das muss unbedingt geändert werden, aber eigentlich habe ich für diese Gedanken keine Zeit. Es gilt andere Dinge zu klären. Durch eine große, schwere Stahltüre erreiche ich die Produktion. Unmittelbar nach dem Öffnen der Türe dröhnt mir Produktionslärm entgegen. Als ich die Türe passiere zieht mir auch der typische Geruch einer Metallfertigung in die Nase. Der Geruch von Schmiermittel, bearbeitetem Stahl und harter Arbeit. Als ehemaliger Produktionsleiter ist mir dies nur zu gut bekannt. Hier fühle ich mich wohl. Aber wo genau will eigentlich hin? Ein Produktionsmitarbeiter, der schon viele Jahre im Unternehmen arbeitet, der würde mir sicherlich Auskunft geben können. Aber ich muss mir selbst eingestehen, dass ich in dieser Fertigung noch nicht so viel Zeit verbracht hatte, wie ich sollte. Nach kurzem Überlegen greife ich in meine Tasche und hole mein Telefon heraus. Was war doch gleich noch die Telefonnummer der Personalabteilung? Auch mit den neuen Nummern habe ich noch so meine Probleme, aber nach diesen wenigen Wochen ist das wohl normal. 39, das müsste die richtige sein. Gedacht, gewählt und auf dem Display erscheint Frau Neisinger / Disposition. Ich denke so ein Mist, jetzt habe ich mich noch verwählt und im selben Moment ertönt eine freundliche Stimme am anderen Ende: „Hallo? Neisinger am Apparat.“

„Hallo Frau Neisinger hier ist Single. Wir hatten noch nicht sehr viel Kontakt, ich bin der neue Geschäftsführer.“, antworte ich. „Eigentlich wollte ich die Personalabteilung, aber wenn ich so darüber nachdenke können Sie mir vielleicht auch weiterhelfen.“

„Gerne, wenn ich kann“, entgegnet Frau Neisinger.

„Ich möchte gerne mit einem Fertigungsmitarbeiter sprechen, der schon lange dabei ist. Also einer, der weiß wie hier früher gearbeitet wurde, was verändert wurde und vor Allem, wie es heute läuft. Können Sie mir einen Namen nennen?“, stelle ich direkt meine Frage.

„Klar. Gehen Sie am besten in die CNC-Weiterbearbeitung. An den Maschinen arbeitet Herr Zeiser, Norbert Zeiser. Anfang 50, aber eine sehr stattliche Figur. Den können Sie nicht verfehlen.“, antwortet Frau Neisinger hilfsbereit.

„Dankeschön Frau Neisinger, ich werde mir die Nummer 39 merken. Unter dieser Nummer scheint man kompetent beraten zu werden“, streue ich ein Kompliment in das nette Telefonat. „Danke und weiter frohes Schaffen“.

„Na dafür sind wir doch da.“, kommt die Antwort. „Ihnen auch noch einen schönen Tag, Herr Single.“

Also mein Weg führt in die CNC-Weiterbearbeitung. Noch ist mir die Struktur der Fertigung nicht ganz klar und so irre ich relativ planlos durch die Gänge. Offensichtlich rächt es sich, dass ich zu selten hier unten bin. Wenige Augenblicke später vibriert mein Telefon in der Tasche. Auf dem Display kann ich erkennen, dass es ein Telefonat vom einem der Firmeninhaber ist, welches mir Emilia weitergeleitet hat. Ich kenne zwar noch nicht alle Nummern, aber die Nummer des Inhabers ist mir wohlbekannt.

„Single hier, Hallo Herr Iwersen.“, melde ich mich.

„Hallo Herr Single, wir müssen reden!“, antwortet Herr Iwersen mit einem leichten Unterton.

„Warten Sie, ich bin gerade in der Fertigung und suche mir ein ruhiges Plätzchen“, entgegne ich und mache mich auf den Weg aus der Fertigung.

Mit einem Grollen, das an ein starkes Gewitter erinnert, schlägt die schwere Stahltür hinter mir zu und der Fertigungslärm ist wie abgeschnitten.

„Jetzt bin ich im Treppenhaus. Herr Iwersen, wie kann ich helfen?“, melde ich mich erneut.

„Meine Cousins und ich haben die Quartalszahlen erhalten. Diese sind nicht ganz so wie erhofft. Zwar kann ich Ihnen hierfür keine Schuld geben, dazu sind Sie zu kurz mit dabei, aber Sie müssen was unternehmen!“, tönt es mit vorwurfsvoller Stimme vom anderen Ende.

„Ja, die Zahlen habe ich natürlich auch gesehen und auch ich bin nicht zufrieden. Ohnehin hatte ich heute ein Gespräch an dem unter anderem Ulli, ich meine Frau Kaiser, teilgenommen hat. Es gibt offensichtlich einige Baustellen, aber ich bin dran.“, erwidere ich.

„Schön, aber ich möchte Sie bitten Ihren Bemühungen etwas Nachdruck zu verleihen. Noch so ein Quartal möchten wir nicht sehen. Sie wissen ja, wir haben uns aus der Geschäftsführung komplett zurückgezogen und zahlen Ihnen ein kleines Vermögen, dafür wollen wir auch etwas sehen“, lässt Herr Iwersen nicht locker.

„Das ist mir bewusst, aber Rom wurde nicht an einem Tag erbaut. Ich muss erst herausfinden, wo das Problem liegt und dann kann ich handeln.“, erwidere ich weiter.

„Wissen Sie was? Ich komme vorbei, geben Sie mir 30 Minuten. Wir sollten unter vier Augen sprechen!“, wird mir mitgeteilt.

„Alles klar, wenn Sie dies für hilfreich erachten, werde ich Sie erwarten“, antworte ich. „Bis nachher.“

Da ich eh schon im Treppenhaus bin, mache ich mich wieder auf den Weg nach oben in die Verwaltung. Mir erschließt sich die Notwendigkeit des Besuchs zwar nicht, aber in den ersten sechs Wochen wäre es wohl der falsche Weg, sich die Inhaberfamilie zum Feind zu machen. Immerhin hatte ich sie soweit überzeugt, dass ich unter vielen Bewerbern, erstmals in der Firmengeschichte, als externer zum Geschäftsführer ernannt wurde.

Oben angekommen lasse ich Emilia das Besprechungszimmer vorbereiten. Gebäck und Kaffee, sowie Kaltgetränke, sollten Herrn Iwersen etwas versöhnlich stimmen. Da ich für die Situation nicht verantwortlich bin, erwarte ich ein entspanntes Gespräch. Auch wenn er einen komischen Unterton in der Stimme hatte. Nach einiger Zeit des Wartens höre ich, wie Emilia jemanden begrüßt. Das muss er sein.

„Hallo Herr Iwersen, pünktlich wie die Maurer“, versuche ich das Eis zu brechen.

„Hallo Herr Single, schön, dass Sie mich bereits erwarten. Verlieren wir keine Zeit!“, antwortet Herr Iwersen. Mit seiner imposanten Erscheinung versteht er seinem gegenüber ein komisches Gefühl zu vermitteln. Zumindest bei mir wirkt es.

„Leider kann ich Ihnen noch nicht mehr bieten, als ich am Telefon schon erwähnt habe. Ich bin dran und versuche mir einen Überblick zu verschaffen, um schnellstmöglich reagieren zu können“, führe ich das Gespräch fort.

„Ja, das glaube ich Ihnen, aber wissen Sie, ich habe das Gespräch unter vier Augen nicht umsonst einberufen. Ich verstehe Sie, Sie können nicht zaubern, ich will jedoch ehrlich mit Ihnen sein. Wir, als Inhaber, haben zu lange gewartet bis wir erkannt haben, dass wir externe Hilfe benötigen.“, beginnt Herr Iwersen zu erklären. Er fährt fort: „Und Sie müssen das jetzt ausbaden. Die anderen Familienmitglieder sind schon seit Monaten ungeduldig. Sie als Geschäftsführer zu berufen hat zwar kurzfristig für Ruhe gesorgt, jedoch ist der Quartalsbericht, den wir diese Woche erhalten haben, wieder Wasser auf die Mühlräder gewesen. Ich möchte Sie nicht unter Druck setzen, aber Sie sollten wissen, dass es in der Familie bereits Stimmen gibt, die verkaufen wollen. Sie haben also nicht endlos Zeit, es muss etwas passieren. Ein halbes Jahr haben Sie. Den nächsten Bericht werde ich noch verteidigen, denn ich halte sehr viel von Ihnen. Aber in einem halben Jahr muss ein positiver Trend zu sehen sein, sonst beuge ich mich der Verwandtschaft.“

Solche Nachrichten hatte ich nun wirklich nicht erwartet. Wenn ich gewusst hätte, wie festgefahren die Situation ist, dann wäre ich Betriebsleiter geblieben. Aber nun habe ich mich entschieden und bin Geschäftsführer, nun gibt es nur noch Augen zu und durch.

„Alles klar. Ich habe verstanden. Ich finde es zwar nicht besonders fair, dass mir dies erst nach meinem Antritt eröffnet wird, aber lieber spät als nie. Danke für Ihre offenen Worte.“, gebe ich zum Besten.

Für eine weitere halbe Stunde erläutert mir Herr Iwersen die Situation des Unternehmens aus seiner Sicht. Einige interessante Aspekte werden hierbei zu Tage gefördert. Auch einige Selbstvorwürfe, die seine Position verteidigen sollen, sind dabei. Alles in Allem aber nichts, was mir in dieser verfahrenen Situation wirklich hilft. Tief in Gedanken versunken gebe ich zwar einige höfliche Bestätigungen als Antwort, aber in Wirklichkeit nehme ich nicht mehr alles auf, was mir Herr Iwersen erzählt. Langsam gibt alles ein Bild. Die Unzufriedenheit von Ulli, der Seitenhieb von Quintus in Richtung Eddy und nun das Gespräch mit dem Inhaber. Nachdem er zum Ende seiner Ausführungen kommt verabschiede ich mich, wie in Trance, von Ihm.

Der ganze Tag ist zu viel. 1000 Gedanken schwirren durch meinen Kopf. Hätte ich diesen Posten annehmen sollen? Würde ich die Wende schaffen? Warum war es soweit gekommen, immerhin ist die Firma ein starkes Unternehmen, beziehungsweise erscheint so. Für heute war es genug. Ich muss raus und erst einmal einen klaren Kopf bekommen.

2

Gegen 17.45 Uhr erreiche ich die Einfahrt zu unserem Grundstück. Durch die große, gläserne Terrassentüre sehe ich, wie meine Kinder sich schwer beschäftigt auf dem Teppich im Esszimmer tummeln. Ein komisches Bild für mich. Immerhin waren die beiden in den letzten sechs Monaten eher wie Feuer und Wasser gewesen. Die drei Jahre Unterschied zwischen den beiden hatten es uns als Eltern zu Beginn einfacher gemacht. Nate konnte bereits die wichtigsten Dinge selbst erledigen als Selina auf die Welt kam. Aber nun, sieben Jahre später, sieht das anders aus.

Als ich den Schlüssel in die große, weiße Eingangstüre stecke höre ich ein Geräusch und schlagartig wird mir alles klar. Das musste der Grund sein, warum sich Nate und Selina auf dem Teppich so gut verstanden. Ich drehe den Schlüssel, öffne die Türe und schon stürmt Selina um die Ecke.

„Papa, Papa!“, ruft Sie völlig aufgeregt. „Du glaubst nicht, was Mama heute dabei hatte, als Sie nach Hause kam!“.

Obwohl mir längst klar ist, was mich erwartet spiele ich den Ahnungslosen. „Nein, was hat Sie euch denn mitgebracht? Schokolade?“, antworte ich ruhig.

„Ach Quatsch, Papa. Einen Hund!“, steigert sich meine Tochter in eine totale Euphorie. „Einen Islandhund und er ist so süß!“

„Das ist ja toll, dann habe ich endlich was zum Spazierengehen.“, antworte ich mit einem gewissen Unterton. Ich muss gestehen, erfreut bin ich nicht. Gegen einen Hund habe ich nichts, ganz im Gegenteil, aber es ist eben auch eine Arbeit und die bleibt, wie bei so vielem, meist an den Eltern hängen.

„Komm schnell, Du musst ihn unbedingt anschauen!“, ruft Selina und zerrt mich ins Esszimmer.

Im Esszimmer angekommen, werde ich von Nate ganz flüchtig begrüßt. Ich scheine heute nicht gerade der Mittelpunkt zu sein. Als ich den kleinen Fellhaufen auf dem Teppich sehe werde ich, im selben Moment, schwach. Ich muss mir selbst eingestehen, dass es ein süßer Kerl ist. Über diese Rasse hatten wir uns schon länger informiert. Ausgewachsen gerade einmal 15kg schwer und mit positivem Charakter ist dies der perfekte Familienhund für uns. Etwas unsicher erkundet er die neue Umgebung. Noch ist er von seinem Endgewicht weit entfernt. Das einzige was darauf einen Hinweis gibt sind seine Pfoten. Diese sind im Welpenalter einfach viel zu groß für den Rest des Körpers. Sein Schwanz auf Halbmast zwischen den Beinen zeigt, dass er sich noch nicht wirklich wohl fühlt. Aber mir würde es wohl in den ersten Stunden auch nicht anders gehen. In diesem Moment biegt Olivia um die Ecke.

Mit freundlicher Stimme begrüßt Sie mich: „Hallo Schatz, na was sagst Du zu unserem neuen Familienmitglied?“

„Er ist sehr süß, das muss ich zugeben. Aber ich bin noch etwas skeptisch, an wem die Arbeit nachher hängen bleibt.“, erwidere ich.

„Wir teilen uns die Arbeit fair auf.“, meldet sich nun auch Nate zu Wort. Seinem Tonfall zu Folge möchte er meine Zweifel bereits im Keim ersticken.

„Na, da bin ich mal gespannt. Glauben kann ich das aber erst, wenn ich es sehe und erlebe“, gebe ich zu bedenken und werfe ihm ein Zwinkern zu.

Mit diesen Worten nähere ich mich dem neuen Familienmitglied, um es zu begrüßen. Mit seinem lieben Blick erobert Henry, wie man ihn getauft hatte, auch mein Herz im Sturm. Nachdem wir uns ausgiebig mit unserem neuen Schützling beschäftigt haben serviert Olivia das Abendessen. Während wir uns das leckere Essen schmecken lassen ist natürlich der Hund das Thema Nummer Eins. Wir einigen uns auf eine gerechte Arbeitsteilung. Während Nate morgens, vor der Schule, mit dem Hund raus geht übernimmt den Mittagsspaziergang Selina und abends werde ich mich mit meiner Frau abwechseln. Das scheint mir tatsächlich eine gute Verteilung zu sein.

„Wollen wir hoffen, dass diese Arbeitsteilung auch so beibehalten wird.“, gebe ich erneut zu bedenken. „Ich habe im neuen Job viel zu tun und bin auf euch definitiv angewiesen.“

„Na klar kannst Du dich auf uns verlassen. Und die Erziehung übernehmen wir auch!“, erwidern Nate und Selina fast zeitgleich. „Weißt du Papa, wir schauen im Fernseher immer einen Hundetrainer an. Von dem haben wir schon ganz viel gelernt und das werden wir unserem Henry alles beibringen.“

„Moment, ich glaube was Hunde angeht habe ich am meisten Ahnung.“, meldete sich Olivia. „Schließlich hatten euer Opa und eure Oma mehr als nur einen Hund im Laufe der Zeit.“

„Toll Mama.“, kontert unser kleiner Charmeur gekonnt. „Dann kannst Du uns ja auch noch Tipps geben, zusammen mit den Tipps des Hundetrainers, aus dem Fernseher, werden wir das schon hinbekommen.“

Am Ende einigen wir uns darauf, dass wir es auf uns zukommen lassen. So vergeht der Abend, wie im Flug. Um neun schicken Olivia und ich die Kinder ins Bett. Unser neues Familienmitglied macht es uns mit den Beiden aber nicht unbedingt einfacher. Nach der Androhung den Hund nicht zu behalten, geben sie klein bei und machen sich auf den Weg ins Bad und danach ins Bett. Olivia und ich machen es uns noch auf dem Sofa bequem. Mit einem Bier und einem Glas Wein für Olivia erzähle ich von meinem Tag. Sie hört aufmerksam zu und bestärkt mich. Das ist es, was ich an ihr liebe. Wenn noch so große Gewitterwolken aufziehen, Olivia findet immer motivierende Worte. Auch über den Hund und seine Erziehung unterhalten wir uns noch eine ganze Weile. Wir müssen feststellen, dass er hierzu sehr viele Sichtweisen gibt. Welche für uns die Beste ist wissen wir selbst noch nicht. Aber so schwer kann das eigentlich nicht sein.

Um auf andere Gedanken zu kommen ist dieses Gespräch sehr wichtig für mich. Die Situation im Geschäft wird zu Gunsten von Henry verdrängt. Am Ende des Gesprächs angekommen beschließen Olivia und ich ins Bett zu gehen. Wir sind inzwischen beide sehr müde. Henry beschäftigt mich noch eine ganze Weile und mein letzter Gedanke, bevor ich einschlafe, gehört also unserem neuen Familienmitglied.

3

„Guten Morgen. Es ist fünf Minuten vor halb sechs und wir werden auch heute wieder einen wunderschönen, sonnigen Tag haben. Auf den Straßen ist noch nicht viel los, daher wünsche ich allen Hörern auf diesem Weg einen guten Start in diesen Tag“, ertönt der Radiowecker.

Geweckt hat er mich jedoch nicht wirklich, bereits seit einiger Zeit liege ich wach und wälze mich von links nach rechts. Der gestrige Tag beschäftigt meinen Kopf offensichtlich mehr, als ich dachte. Nach diesem Tag im Büro und dem, was wohl die nächsten Wochen auf mich zukommt, ist unser neues Familienmitglied zum denkbar schlechtesten Zeitpunkt gekommen. Aber nun gut, was will ich ändern. Die Gedanken kreisen und irgendwie habe ich das Gefühl noch überhaupt keine klare Richtung zu haben. Da fällt mir ein, gestern hatte ich vor die Fertigungsmitarbeiter zu befragen. Leider wurde das unterbrochen. Da ich diese Informationen vor unserem heutigen Führungsgespräch aber gerne hätte, muss ich wohl früher in die Firma.