Der Gott der Diebe - Trilogie - B.E. Pfeiffer - E-Book

Der Gott der Diebe - Trilogie E-Book

B. E. Pfeiffer

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Beschreibung

Göttliche Romantasy mit einem Gott wider Willen Hermes will eigentlich nur ein ruhiges Leben unter den Menschen führen. Da er als unsterblicher Gott nicht altert, muss er regelmäßig seine Identität wechseln. Kurz bevor er seinen neuen Job antritt lernt er Shenan kennen und fühlt sich sofort zu ihr hingezogen. Aber Hermes weiß, dass er sie in Gefahr bringt und stößt sie von sich. Zu blöd, dass ausgerechnet Shenan seine neue Vorgesetzte wird. Als dann auch noch ein zwielichtiger Millionär auftaucht und ihm einen Job anbietet, überschlagen sich die Ereignisse. Hermes wird gezwungen ein kostbares Artefakt stehlen und Shenan soll ihm helfen. Dabei kommen sich die beiden näher und entdecken das Geheimnis der Libellenmagie. Ein Wettlauf gegen die Zeit rund um die Welt beginnt. Können Shenan und Hermes aufhalten, was ein machtgieriges Wesen vor Jahrtausenden in Gang gesetzt hat? Und finden sie wieder zueinander? Reise mit Hermes einmal rund um die Welt und finde die drei magischen Libellenartefakte. Dieses Ebook Bundle enthält Libellenmagie (Band 1) Libellenunsterblichkeit (Band 2) Libellenzorn (Band3) zwei exklusive Kurzgeschichten die vor und nach der Trilogie spielen

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DER GOTT DER DIEBE - TRILOGIE

B.E. PFEIFFER

Copyright © 2022 by B.E. Pfeiffer

c/o WirFinden.Es

Naß und Hellie GbR

Kirchgasse 19

65817 Eppstein

www.bepfeiffer.com

[email protected]

Umschlaggestaltung: Vivien Summer

Lektorat: Diana Steigerwald

Korrektorat: Carolin Diefenbach

Satz: Bettina Pfeiffer

Alle Rechte, einschließlich dem des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form sind vorbehalten. Dies ist eine fiktive Geschichte. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

Erstellt mit Vellum

Für all jene, deren Herz nach Abenteuer ruft. Das ist ist für euch.

INHALT

Prequel

Band 1

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Band 2

Kapitel Eins

Kapitel Zwei

Kapitel Drei

Kapitel Vier

Kapitel Fünf

Kapitel sechs

Kapitel sieben

Kapitel Acht

Kapitel neun

Kapitel zehn

Kapitel elf

Kapitel zwölf

Kapitel dreizehn

Kapitel vierzehn

Kapitel fünfzehn

Kapitel sechzehn

Kapitel siebzehn

Kapitel achtzehn

Kapitel neunzehn

Kapitel zwanzig

Kapitel einundzwanzig

Kapitel zweiundzwanzig

Kapitel dreiundzwanzig

Kapitel vierundzwanzig

Kapitel fünfundzwanzig

Kapitel sechsundzwanzig

Kapitel siebenundzwanzig

Kapitel achtundzwanzig

Kapitel neunundzwanzig

Kapitel dreißig

Kapitel einunddreißig

Kapitel zweiunddreißig

Kapitel dreiunddreißig

Kapitel vierunddreißig

Band 3

Kapitel eins

Kapitel zwei

Kapitel drei

Kapitel vier

Kapitel fünf

Kapitel sechs

Kapitel sieben

Kapitel acht

Kapitel neun

Kapitel zehn

Kapitel elf

Kapitel zwölf

Kapitel dreizehn

Kapitel vierzehn

Kapitel fünfzehn

Kapitel sechzehn

Kapitel siebzehn

Kapitel achtzehn

Kapitel neunzehn

Kapitel zwanzig

Kapitel einundzwanzig

Kapitel zweiundzwanzig

Kapitel dreiundzwanzig

Kapitel vierundzwanzig

Kapitel fünfundzwanzig

Kapitel sechsundzwanzig

Kapitel siebenundzwanzig

Kapitel achtundzwanzig

Kapitel neunundzwanzig

Kapitel dreißig

Epilog

Sequel

Über den Autor

Bücher von B.E. Pfeiffer

PREQUEL

Ich kippe den Shot hinunter und winke dem Mann hinter dem Tresen, mir gleich noch einen einzuschenken. Er nickt, holt die Flasche mit der klaren Flüssigkeit heraus und füllt das Glas bis zum Rand.

»Verträgst einiges, Kumpel«, meint er mit schiefem Grinsen.

Klar, er muss gut drauf sein, ich beschere ihm gerade einen ziemlichen Umsatz.

»War mal in Russland stationiert«, brumme ich.

Meistens reicht das als Erklärung und die Leute fragen nicht weiter nach. Denn Fakt ist, dass ich ein Gott bin und als solcher mindestens zehn dieser Flaschen, die der Barkeeper gerade in der Hand hält, leeren könnte, ohne betrunken zu sein. Das weiß ich, weil ich mich daran bereits versucht habe. Es endete damit, dass ich nach besagten zehn Flaschen einen Wasserbauch hatte und mir elendig schlecht war. Betrunken war ich jedoch nicht.

»Als was?«, hakt er nach.

Oha, damit habe ich nicht gerechnet.

»War als Übersetzer für Unternehmen dort«, erwidere ich, hebe mein Glas und nippe daran, um das Gespräch zu beenden.

Diesmal drehe ich es in meiner Hand und betrachte das Kondenswasser, das sich bildet. Eigentlich schmeckt mir das Zeug nicht einmal, aber mir ist langweilig. Außerdem ist es an der Zeit, mein altes Leben zu verabschieden.

Zehn Jahre lang war ich Hartmund Miles. Ein feiner Kerl, der seinen Unterhalt damit bestritt, Klaviere zu stimmen. Es war ein gutes Leben, wenn ich ehrlich bin. Ich meine, natürlich habe ich es interessanter gemacht, indem ich meinem … ich nenne es einmal Hobby … nachgegangen bin. Hartmund führte nämlich ein Doppelleben, genau wie mein neues Ich es tun wird. Wie ich es bisher immer getan habe. Tagsüber bin ich ein gewöhnlicher Mann mit langweiligen Jobs. Aber wenn sich die Gelegenheit bietet, nehme ich Spezialaufträge an und suche nach Schätzen in verborgenen Tempeln oder verschütteten Städten. So lässt sich die Zeit gut vertreiben und das ruhige Leben, das ich sonst führe, gleicht den Nervenkitzel aus.

Leider sind Menschen ziemlich misstrauisch gegenüber anderen Menschen, die in zehn Jahren keinen Tag altern und es auch nie tun werden. Weswegen der gute Hartmund offiziell im Lotto gewonnen und ein One-Way-Ticket nach Brasilien gekauft hat.

»Auf Hartmund«, proste ich mir selbst zu und kippe den Wodka hinunter.

Auf mein Winken hin wird das Glas neu gefüllt, diesmal ohne lästiges Gespräch.

Da heute Freitag ist, bin ich bis Montag quasi ein Niemand. Dann beginne ich meinen neuen Job als Assistent eines Museumsdirektors in irgendeiner Kleinstadt. Den Job habe ich über eine Initiativbewerbung bekommen. Mit einem gefälschten Lebenslauf und ohne je ein Gespräch mit meinem neuen Vorgesetzten geführt zu haben. Ich kenne noch nicht einmal seinen Namen, aber das ist nur ein unwichtiges Detail.

Auf mich wartet ein weiteres beschauliches Leben, in dem ich hoffentlich niemandem aus meinem alten begegne. Wobei das sehr unwahrscheinlich ist, immerhin bin ich vom mittleren Westen der USA an die Ostküste gezogen. Von einer Kleinstadt in die nächste. Darauf trinke ich.

Ich winke dem Barkeeper noch einmal und halte in meiner Bewegung inne, als ich eine Frau bemerke, die sich ans andere Ende des Tresens setzt. Ihre Haut ist ein wenig dunkler als bei den meisten Menschen hier üblich, ihre pechschwarzen Haare zu einem langen Zopf gebunden. Es dauert ein wenig, bis sie in meine Richtung blickt, aber als sie es tut, fühlt es sich an, als würde ein Blitz durch meinen Körper fahren.

Und ich weiß, wie sich das anfühlt. Ich habe die Welt der Götter unter anderem deswegen verlassen, weil Zeus, mein Vater, gerne mit Blitzen um sich warf, wenn er wütend wurde. Und auf mich war er ständig wütend. Gut, vielleicht habe ich ihn auch gereizt, aber ich mochte es eben, Streiche zu spielen, und Zeus … besitzt keinen Humor. Früher habe ich ein Ziehen in der Brust gespürt, wenn ich darüber nachdachte, aber jetzt ist es mir gleichgültig. Ich gehöre nicht mehr in diese Welt.

Ich schlucke, als mir bewusst wird, dass ich diese Frau immer noch anstarre. Es geht nicht anders, diese braunen Augen und ihr bildschönes Gesicht nehmen mich gefangen. Sie hat längst weggesehen, als der Barkeeper mich anstößt und aus meiner Trance befreit.

»Bestell ihr doch einen Drink, Kumpel«, meint er mit dem schiefen Grinsen. „Frauen stehen auf so was.«

»Ich denke drüber nach«, erwidere ich und das Grinsen verschwindet aus seinem Gesicht.

Ich weiß ziemlich genau, wie ich bei einer Frau lande. In Wahrheit ist es ganz einfach, denn als Gott strahle ich eine übernatürliche Anziehung auf Menschen aus. Und auf Frauen ganz besonders. Es genügt, wenn ich in ihre Nähe komme, und sie werfen sich mir förmlich an den Hals.

Das klingt jetzt vielleicht besser, als es ist. Denn manchmal ist das einfach nur lästig.

Aber bei ihr …

Ich kneife die Augen zusammen. Reiß dich zusammen, Hermes, zische ich mir gedanklich zu. Ehrlich, du brauchst jetzt kein Abenteuer. Und Herzklopfen erst recht nicht. Du weißt genau, wieso.

Ich nicke zur Bestätigung meiner Gedanken und leere das Glas. Als ich aufsehe, ist die Frau fort.

»Besser so«, murmle ich und bestelle die nächste Runde.

Wobei mir eigentlich längst nicht mehr nach Alkohol ist. Irgendwie braut sich über mir gerade eine Gewitterwolke zusammen. Vielleicht hätte ich doch mit dieser Frau sprechen sollen, nur um herauszufinden, dass sie genauso uninteressant wie alle anderen wird, sobald meine Anziehung auf sie wirkt. Dann würde ich jetzt nicht an sie denken.

»Verpasste Chancen«, brumme ich, werfe dem Barkeeper ein paar Scheine hin, murmle: »Stimmt so«, und stehe auf.

Dabei krache ich mit einer Person zusammen und muss meine Hände um ihre Oberarme legen, damit wir beide nicht umkippen wie ein Sack Reis.

»Oh, Entschuldigung«, stammelt eine Stimme und mein Herz setzt einen Schlag aus, als ich sie erkenne.

Aus der Nähe ist sie noch schöner, mit dem dünnen Lidstrich, den langen Wimpern und diesen sinnlichen Lippen …

»War meine Schuld«, sage ich und bringe es nicht über mich, sie loszulassen.

»Nein, ich habe nicht aufgepasst«, erwidert sie und lächelt schwach.

Selbst dieser Anflug eines Lächelns haut mich fast um und ich bin froh, dass ich mich noch an ihr festhalte.

»Es ist nur …«, raunt sie und sieht über ihre Schulter.

»Hey, wo willst du denn hin?«, lallt ein Typ, der sich zwischen einigen Leuten durchschiebt und auf uns zuhält. »Ich war noch nicht fertig.«

Sie hält den Atem an und ihre Pupillen weiten sich. Mir wird klar, dass sie einfach nur weg von dem Kerl will. Ich habe keine Ahnung, warum ich das mache, denn Heldentum liegt mir nicht und der Typ ist einen Kopf größer als ich. Dennoch lege ich meinen Arm um diese Frau und hebe mein Kinn, während ich mein übertriebenstes Grinsen aufsetze.

»Suchst du wen, Kumpel?«, frage ich den Kerl, der auf uns zuschwankt.

»Ja, das Püppchen, das du gerade im Arm hältst. Es gehört mir, hab ich klargemacht.« Er rülpst und mir wird bei dem Geruch übel. »Also, Flossen von ihr, sonst kracht‘s.«

»Da muss wohl ein Missverständnis vorliegen«, sage ich und grinse immer noch. »Sie ist meine Freundin und ich bezweifle, dass sie etwas von dir will. Außerdem gehört sie niemandem. Was ist das denn für eine steinzeitliche Einstellung?«

Die Frau nickt kaum merklich und schmiegt sich an mich.

»Ich hab ihr ‘nen Drink ausgegeben, sie gehört mir«, lallt der Typ und wird immer lauter.

»Den ich nicht angerührt habe, weil ich an Ihnen kein Interesse habe«, erwidert sie.

»Da hörst du‘s«, meine ich. »Also schwirr ab und lass uns in Ruhe.«

»Ganz sicher nicht«, zischt der Typ und stößt mich ziemlich unsanft an.

Ich habe jetzt zwei Möglichkeiten: Erstens, ich lasse es gut sein und hoffe, er verliert das Interesse, oder zweitens, ich wehre mich.

Da ich eine Frau im Arm halte, will ich mich abwenden, aber das scheint ihn erst recht auf die Palme zu bringen. Bevor ich reagieren kann, landet seine Faust in meinem Gesicht, trifft mich aber zumindest nicht hart. Dennoch platzt meine Lippe auf und die Göttlichkeit, die durch meine Adern fließt, macht sich bereit, zurückzuschlagen. Mühevoll unterdrücke ich sie. Ich kann es echt nicht gebrauchen, wenn mir jetzt Flügel aus den Schuhen oder dem Rücken brechen.

Der Kerl holt noch einmal aus und ich will die Frau hinter mich schieben und den Schlag abfangen, da packen ihn zwei Typen an den Armen.

»Carl, lass das«, knurrt einer, der mindestens genauso betrunken ist wie der Hüne vor mir. »Das ist die nicht wert, du kriegst was Besseres.«

»Aber dann wäre mein Sammelbuch voll«, entgegnet dieser Carl. »Mit einem Halbblut hatte ich noch keinen One-Night-Stand.«

Die Frau ballt ihre Hände zu Fäusten und will sich an mir vorbeidrücken. Aber ich lege meine Arme um sie und halte sie fest. Dem Kerl traue ich zu, dass er auch Frauen schlägt.

»Lassen Sie mich los«, sagt sie zornig.

»Das wollen Sie nicht wirklich«, erwidere ich ruhig und lasse die Männer lallend und lachend abziehen. »Ist Ihnen die Meinung von so einem Neandertaler wirklich wichtig?«

Sie hält inne und sieht mich an. Dann schüttelt sie den Kopf und starrt auf meine Lippen. »Sie sind verletzt.«

Ihre Finger schweben vor meinem Mund und ich kann die hauchzarte Berührung kaum spüren. Aber das Prickeln, das sie in mir auslöst, sehr deutlich. Denn alles in mir lechzt nach mehr. Ich will sie halten, ihr nah sein, mich in ihren Augen verlieren …

»Kommen Sie, wir setzen uns in eine Nische«, schlage ich vor und bin nicht sicher, ob wirklich ich diese Worte ausspreche.

Sie zögert, dann nickt sie aber und legt ihren Arm um meine Hüften, als müsste sie mich stützen. Was irgendwie unheimlich süß ist.

Behutsam bugsiert sie mich auf eines der Zweiersofas, die im hinteren Bereich der Bar schön abgeschieden stehen. Kaum sitze ich, verschwindet sie und kehrt wenige Atemzüge später mit einem Eimer voller Eiswürfel, mehreren Tüchern und einem Erste-Hilfe-Kasten zurück.

Sie wickelt einen Eiswürfel in Stoff und hält ihn mir vorsichtig an die aufgeplatzte Lippe. »Tut es sehr weh?«, fragt sie leise.

»Nein«, nuschle ich und kann nicht anders, als sie anzustarren.

Diese Frau scheint gegen meine göttliche Anziehung immun zu sein und gleichzeitig fühle ich mich zu ihr hingezogen wie die Motte zum Licht. Was ist das nur?

»Es tut mir so leid, dass er Sie meinetwegen verletzt hat«, sagt sie niedergeschlagen und tupft vorsichtig um die Wunde herum.

»Er hat zugeschlagen, weil er ein verdammter Idiot ist. Und das vermutlich nicht nur im betrunkenen Zustand«, brumme ich. »Auf die Idee zu kommen, Sie wären sein Eigentum, weil er Ihnen einen Drink ausgegeben hat … den Sie noch dazu nicht angenommen haben. Eigentlich hätte ich ihm eine reinhauen sollen, vor allem für den Kommentar Ihnen gegenüber.«

»Es ist nicht so, als wäre ich so etwas nicht gewohnt«, murmelt sie und seufzt.

Ich kann den Schmerz an ihr wahrnehmen, was an meinen göttlichen Kräften liegt. Besonders negative Gefühle spüre ich stark und teile die Empfindungen der Menschen. So wie dieses Stechen im Magen, das diese Frau wohl gerade bei ihren Erinnerungen überkommt. Sie scheint schon oft mit Vorurteilen konfrontiert worden zu sein.

»Trotzdem danke, dass Sie mir geholfen haben … ehm …«

»Harrison«, sage ich schnell und halte ihr meine Hand hin. »Und bitte, sag Du zu mir.«

Sie lächelt, ergreift meine Hand und schüttelt sie. »Shenandoah. Aber eigentlich nennt mich jeder Shenan.«

»Ein ungewöhnlicher Name«, meine ich nachdenklich und räuspere mich, weil ich ein seltsames Ziehen in meiner Brust spüre. »Bedeutet er etwas?«

»Tochter der Sterne«, erwidert sie und ich könnte schwören, dass sie dabei rot wird.

»Passend«, hauche ich, bevor ich weiß, was ich da sage.

In ihren Augen funkeln wirklich Sterne, zumindest sieht es für mich so aus.

»Möchtest du etwas mit mir trinken?«, fragt sie nach einem Moment fast unangenehmer Stille. »Ich meine, du musst nicht, aber ich würde dich gerne einladen. Als Dank für deine Hilfe.

»Das habe ich gerne gemacht«, entgegne ich.

Jetzt wäre der Moment, um mich aus der Affäre zu ziehen, einfach zu verschwinden, solange ich noch kann.

Doch anstatt abzulehnen, höre ich mich sagen: »Ich würde gerne etwas mit dir trinken.«

Sie stößt erleichtert den Atem aus und ich frage mich, ob es ihr schwerfällt, Männer anzusprechen. Denn im Moment habe ich das Gefühl, dass sie das nicht oft macht und es sie Mut gekostet hat, mich auf ein Getränk einzuladen.

Shenan schnappt sich die Karte und überfliegt sie. Viel ist nicht darauf, weil man im Lounge-Bereich wohl eher ganze Flaschen anbietet. Es sind Bilder davon plus Preise aufgeführt. Bei einem rötlichen Gin, auf dem eine Libelle zu sehen ist, hält sie mit dem Finger inne.

»Ich wusste nicht, dass es so etwas mit Libellen darauf gibt«, murmelt sie.

»Magst du Libellen?«, frage ich interessiert.

»Ja. Also, ich mag vor allem die mythologische Bedeutung in den unterschiedlichen Kulturen und erforsche diese schon mein halbes Leben«, erwidert sie.

Ich kann die Leidenschaft für dieses Thema in ihren Augen aufblitzen sehen und etwas in mir fängt Feuer für diese Frau. Sie wirkt fürsorglich und nett, scheint gebildet zu sein und sie ist atemberaubend schön.

Hermes, zieh die Notbremse, du weißt, was passiert, wenn du etwas für sie empfindest, rufen meine inneren Alarmglocken. Aber ich stelle sie aus. Wir kennen uns fünf Minuten, wie soll ich da etwas für sie empfinden?

»Willst du den Gin versuchen?«, frage ich.

»Den gibt es nur in Flaschen«, meint sie.

»Dann haben wir etwas Zeit, uns zu unterhalten«, sage ich.

Einen Moment zögert sie, dann nickt Shenan und winkt einer Kellnerin. Als sie uns die Flasche mit zwei Gläsern bringt, bezahle ich schnell, bevor Shenan auf die Idee kommt. Dann schenke ich ein und wir stoßen an.

»Danke noch einmal«, sagt Shenan.

»Nicht der Rede wert«, erwidere ich.

»Doch, das hätten nicht viele getan«, meint sie.

Ich lächle und wir trinken die halb vollen Schnapsgläser aus. Gin trinkt man ja eigentlich aus anderen Gefäßen, aber ich bin mal nicht so. Vielleicht sind die richtigen gerade ausgegangen und das tut es auch.

»Also, du erforschst die Mythologie der Libellen«, nehme ich das Thema von vorhin wieder auf.

»Ja, sie haben etwas, das mich schon immer fasziniert«, sagt sie und dreht das leere Glas in ihren Händen.

Ich nehme es ihr ab und fülle nach. Sie erhebt keinen Einspruch.

»Und welche Mythologie hat es dir am meisten angetan?«, hake ich nach.

»Oh, das ist schwierig. Ich finde die Vorstellung der Ureinwohner Amerikas sehr spannend, denn sie denken, Libellen sind Boten der Götter und führen die Seelen der Verstorbenen heim«, erklärt sie.

»Dann haben sie ja etwas mit mir gemeinsam«, murmle ich leise und räuspere mich, als sie mich verwirrt ansieht. »Das heißt, du bist Dozentin für Geschichte und Mythologie?«

Sie schmunzelt. »Ich bin Anfang dreißig, erwidert sie, als wäre das ein Ausschlussgrund. »Aber das wäre irgendwann mal mein Traum.«

»Er wird bestimmt wahr«, sage ich und meine es ernst.

Shenan schenkt mir ein Lächeln und nippt an ihrem Glas. »Und du? Was machst du, außer Frauen in Not zu retten.«

Ich lache leise. »Also, das mache ich nur für dich. Du bist etwas Besonderes«, entgegne ich und bin überrascht, dass ich auch das ernst meine.

Sie lässt das Glas sinken und sieht mich mit ihren großen braunen Augen unsicher an. Ich schmelze unter ihrem Blick und würde ihr in diesem Moment am liebsten die Welt zu Füßen legen. Was ist nur in mich gefahren?

»Meinst du das ernst?«, will sie wissen.

»Jedes Wort«, gestehe ich, obwohl meine inneren Alarmglocken wieder laut schrillen.

Shenan berührt mit ihren Fingern zögerlich meine und ich halte den Atem an, als sie sich mir ganz zuwendet.

Jetzt sollte ich einen dummen Scherz machen, etwas sagen, das sie abschreckt, in die Flucht schlägt oder ihr klarmacht, dass ich ein Idiot bin. Aber ich schweige, weil mein Körper das Kommando übernommen hat. Ich stelle das Glas ab und drehe mich ihr zu.

Wie von selbst legt sich meine freie Hand an ihre Wange und Shenan öffnet ganz leicht die Lippen.

Ich sollte sie nicht küssen. Sie unterliegt nicht meiner Anziehung, sie will es selbst und ich … ich will es auch. Ganz langsam, um ihr die Möglichkeit zu geben, mich wegzustoßen, beuge ich mich nach vorn. Doch Shenan stößt mich nicht weg, im Gegenteil, sie hebt mir ihr Gesicht entgegen und berührt mich zärtlich mit ihren Fingerspitzen an jener Stelle, wo Kiefer und Hals aufeinandertreffen.

Eine Sehnsucht, die ich nicht kenne, lässt mich schlucken und ich flehe in Gedanken, dass sie jetzt nicht doch noch einen Rückzieher macht. Aber Shenan kommt mir immer näher und ein Prickeln erfasst meinen Körper, noch ehe meine Lippen ihre berühren.

Alles in mir knistert, als ich sie küsse, ihren Geschmack nach Jasmin und Orangen in mir aufnehme. Ihr Atem streift über meine Haut, als ich ihre Lippen einen Moment freigebe, nur um sie dann noch einmal zu küssen.

Wie vielen Frauen war ich so nah wie ihr? Und keine hat in mir ausgelöst, was sie jetzt in mir erweckt. Noch nicht einmal Luna.

Als der Name durch meine berauschten Sinne geistert, löse ich mich kurz von ihr. Was ich hier mache, ist falsch, so unendlich falsch. Aber ich will es nicht beenden.

Shenan rückt noch näher und unsere Hüften berühren sich, als sie meine Lippen mit ihren in Beschlag nimmt. Ihre Zungenspitze tastet nach meiner und ich erwidere die Berührung, vertiefe den Kuss und fühle, wie unendliche Macht durch meine Adern rauscht.

Dieser Kuss entfacht die Göttlichkeit in mir, verleiht mir das Gefühl, unbesiegbar zu sein. Mein Herz schlägt schneller und alles, was ich will, ist, ihr noch näher zu sein, sie nie wieder loszulassen.

Ich löse meine Hand von ihrer Wange und will sie um ihre Taille legen, als ihre Tasche zu vibrieren beginnt.

Shenan ringt um Atem, als sie sich von mir löst und das Handy herauszieht. Erst sieht es aus, als wollte sie den Anruf wegdrücken, dann verfinstert sich ihre Miene und sie seufzt.

»Entschuldige, da muss ich ran«, erklärt sie.

»Okay, ich bin gleich wieder da«, erwidere ich und stehe auf, damit sie das Gespräch in Ruhe führen kann.

Als ich sicher bin, dass dieser Typ von vorhin nicht mehr da ist und nur darauf wartet, sie alleine zu erwischen, verschwinde ich in der Toilette. Die Tür knallt hinter mir zu und ich stehe vor den Waschbecken. Außer mir befindet sich niemand im Raum. Mein Spiegelbild blickt mir mit blau-violetten Augen entgegen, ein eindeutiges Zeichen, dass meine Göttlichkeit erwacht ist. Denn sonst sind meine Iriden grau-blau. Zum Glück erkennt man das im schummrigen Licht der Lounge-Ecke nicht.

»Scheiße. Was denkst du dir dabei?«, zische ich mich an. »Du Idiot benimmst dich, als würdest du dich verlieben.«

Ich fahre mir durch die blonden Haare, die jetzt vollkommen wirr aussehen.

»Zieh Leine, bevor du ihr noch näherkommst«, sage ich zu mir selbst. »Um ihretwillen, beende es, bevor es beginnt.«

Ich kann nicht, denke ich. Da ist etwas zwischen uns. Etwas, das ich schon so lange nicht mehr gefühlt habe. Eigentlich noch nie.

»Dann muss ich es erst recht beenden«, murmle ich.

Zitternd drehe ich das Wasser auf und tauche meine Hände unter den eiskalten Strom. Ich benetze mein Gesicht damit und versuche das Gefühl, das Shenan in mir ausgelöst hat, wegzuwaschen. Es gelingt mir nicht.

Nach fünf Minuten drehe ich das Wasser ab, trockne mir Hände und Gesicht ab und kehre in die Bar zurück. Shenan steht neben dem Zweiersofa, den Rücken zu mir gewandt. Sie telefoniert immer noch und alles in mir will zu ihr zurückgehen, um dort weiterzumachen, wo wir unterbrochen wurden.

Sie wird sterben, wenn wir zusammen sind und ich mich in sie verliebe, sage ich mir in Gedanken. Ich muss etwas unternehmen, damit es keine Zukunft für uns gibt, auch wenn ich etwas anderes will.

Während ich das denke, erspähe ich eine Frau mit langen blonden Haaren und definitiv gemachten Brüsten, die fast aus ihrem Shirt springen. Ein Hauch meiner Göttlichkeit genügt und die Kleine starrt in meine Richtung.

Ich sehe zu Shenan, die sich nicht umgedreht hat, weil meine Anziehung nicht auf sie wirkt. Noch kann ich die Blondine links liegen lassen und zu der Frau gehen, deren schüchternes Lächeln meinen Puls steigen lässt.

Nein. Nein, das kann ich nicht. Ich muss es beenden. Um unser beider willen. Für sie, damit sie kein Opfer meiner Familie wird. Und das würde sie, weil meine Brüder eine abartige Freude daran haben, mich zu quälen. Außerdem würde meine Göttlichkeit sie früher oder später töten.

Und für mich. Weil ich nicht noch einmal zusehen kann, wie eine Frau, die ich liebe, von jemandem getötet wird. Die Entscheidung ist also gefallen.

Als würde ich an einem Faden ziehen, lotse ich die Blondine zu mir. Ihr Lächeln ist aufgesetzt und so billig wie ihr Outfit. Nichts an ihr gefällt mir und das ist gut so. Sonst hätte ich vielleicht ein schlechtes Gewissen, weil ich sie gleich benutzen werde.

»Hi«, säuselt sie und ihre Brüste wippen unnatürlich dabei.

Springt sie gerade auf und ab?

»Hi«, sage ich und sehe nach Shenan. Ich will das hier nicht wiederholen müssen, also sollte ich den perfekten Moment erwischen.

In dem Augenblick, als ich das denke, dreht Shenan sich zu mir um. Ich zögere nicht, lege meine Arme um die Blondine und presse meine Lippen auf ihre. Sie stöhnt, als würde ich sie gerade sonst wo berühren, und drängt sich an mich.

Ihr schenke ich allerdings keine Aufmerksamkeit, auch nicht, als sie anfängt, sich an mir zu reiben. Ich sehe nur zu Shenan, die beinahe das Handy an ihrem Ohr fallen lässt.

Das Brechen ihres Herzens würde ich selbst dann fühlen, wenn ich nicht alle Empfindungen der Menschen wahrnehmen könnte. Der Schmerz, der mir entgegenschlägt, bringt mich fast um den Verstand.

Scheiße, denke ich, während ich zusehe, wie sie an mir vorbeirauscht.

Mein Puls rast und ich schiebe die Blondine von mir, die sich an meinem Shirt festkrallt.

»Hey«, protestiert sie, aber ich ignoriere sie und streife ihre Finger von meinem Shirt.

Was habe ich nur getan?

Wie übergeschnappt renne ich hinter Shenan her, die bereits an der Tür angekommen ist. Sie hastet hinaus und winkt sich ein Taxi heran. Ich schaffe es gerade noch, sie zu erreichen, bevor das Auto stehen bleibt.

»Shenan, es …«

Klatsch.

Die Ohrfeige habe ich nicht kommen sehen. Nicht, dass ich sie nicht verdient hätte. Aber dass Shenan so zuschlagen kann, überrascht mich.

»Du bist genauso ein Arschloch wie alle anderen«, fährt sie mich mit bebender Stimme an.

Die Tränen in ihren Augen brennen sich in meine Seele. Diesen Anblick werde ich niemals vergessen.

»Wieso flirtest du mit mir, wenn es dir gleichgültig ist, wen du küsst?«, fragt sie.

Sag ihr, dass es dir nicht egal ist. Los, mach schon!, fordere ich mich selbst auf.

Aber dann erinnere ich mich daran, dass ich das für sie tue. Damit sie nicht zum Spielball der Götter wird. Sie darf mich nie wiedersehen. Niemals.

Also schweige ich, während Shenan mich erwartungsvoll ansieht. Weil ich nichts sage, schluchzt sie leise, wirft mir ein paar Geldscheine gegen die Brust – vermutlich für den Gin, den ich längst bezahlt habe – und reißt die Taxitür auf.

Einen kurzen Moment will ich dem Wagen hinterherrennen, der sich nun von mir entfernt. Und wenn ich meine Göttlichkeit einsetzen würde, hätte ich leichtes Spiel. Aber ich widerstehe dem Drang, dem Auto zu folgen, die Tür aufzureißen und Shenan auf Knien um Verzeihung anzuflehen. Denn ich würde mich in sie verlieben und das wäre ihr Todesurteil.

»Hey, warum läufst du weg?«, fragt die Blondine, die hinter mir erscheint. »Wir haben doch gerade erst angefangen.«

»Tut mir leid, kein Interesse«, erwidere ich, schiebe meine Hände in die Hosentaschen und gehe.

Klar könnte ich sie nach Hause begleiten und versuchen, Shenan zu vergessen. Aber das würde sich noch falscher anfühlen, als sie gehen zu lassen. Ein seltsames Ziehen breitet sich in meiner Brust aus und wäre ich ein Mensch, würde ich denken, ich habe einen Herzinfarkt.

Doch ich bin ein Gott. Und genau deswegen war es richtig, Shenan von mir fortzustoßen. Denn so habe ich ihr Leben gerettet. Was sie nie erfahren wird.

BAND 1

KAPITELEINS

Es knackt unter meiner Schuhsohle. Verflucht, ich habe schon wieder eine Falle ausgelöst! Wie hätte ich aber auch damit rechnen sollen, dass diese Ruine einer vergessenen Zivilisation, deren Namen ich nicht einmal aussprechen kann, so gespickt mit Fallen ist?

Dabei bin ich schon so oft in Tempel wie diesen eingebrochen, um einen ach so wichtigen Gegenstand an mich zu bringen. Wie viele solcher Aufträge ich schon gemeistert habe, weiß ich nicht. Es ist auch gleichgültig. Ich ärgere mich nur, weil ich einen solchen Anfängerfehler begangen habe.

Bedächtig hebe ich den Fuß an, prüfe, wann der Schalter, den ich aktiviert habe, sich hebt. Ich lasse meinen Blick über die von Schlingpflanzen überwucherten Wände und die Decke über mir gleiten. Für gewöhnlich waren die Architekten solcher Tempel nicht sehr einfallsreich, was ihre Fallen anbelangt. Meistens lösen Trittfallen wie diese irgendwelche Pfeilmechanismen aus, die Leute wie mich durchbohren, oder es gleitet eine Klinge aus der Wand heraus, die einen enthaupten soll. Obwohl … Manchmal soll die Klinge einen auch einfach nur in zwei Teile spalten. Ja, und ganz selten fallen irgendwelche Dinge von oben herab. Riesige Felsbrocken etwa, die einen unter sich begraben. Barbarische Todesurteile, wenn man mich fragt. Aber das macht ja keiner.

Ich schiebe den Gedanken beiseite und konzentriere mich wieder. Allerdings entdecke ich keine Schlitze, die auf Pfeile oder etwas anderes hingedeutet hätten, was aus der Wand fahren kann, um mich zu töten. Möglicherweise ist diese Falle genauso ein Blindgänger wie die letzten zwei, die ich ausgelöst habe. Wohlgemerkt absichtlich, um die Kreativität der Tempelbauer zu testen. Entweder hatten sie nie vor, das, was sie hier versteckten, wirklich zu beschützen, oder sie wollten Diebe in Sicherheit wiegen. Da die Anlage hier ziemlich alt ist, könnten die Mechanismen auch einfach kaputt gegangen sein. Nennt sich wohl Alterserscheinung, trotzdem sollte ich mich nicht darauf verlassen, dass keine einzige Falle mehr funktionstüchtig ist.

Deswegen prüfe ich den Sitz meines Ausrüstungsgürtels und der Tasche, die ich quer über meinen Oberkörper befestigt habe. Ich will nichts verlieren, falls ich gleich schnell laufen muss, schon gar nicht hier. Nachdem ich sicher bin, dass alles hält, werfe ich meinen Kopf nach links und rechts, bis meine Halswirbel knacken, und spanne meinen Körper an.

Ganz langsam ziehe ich den Fuß zurück und schlucke, weil der Schalter erneut einen hellen Ton von sich gibt. Aber nichts geschieht. Tief atme ich durch. Nein, scheinbar ist auch diese Falle kaputt. Ich will schon erleichtert weitergehen, als ein Tropfen auf meiner Nasenspitze landet. Er klebt ein wenig und riecht einfach nur ekelhaft. Noch ein Tropfen landet auf meinem Kopf.

Ich wische ihn mit den Fingerspitzen ab und betrachte ihn. Er schimmert grünlich-schmierig und riecht nach Fäulnis und … Petroleum?

»Verdammte Mistkerle«, zische ich und laufe jetzt doch los.

Immer mehr von dieser Flüssigkeit regnet aus der Decke herab. Wenn ich Glück habe, ist nicht mehr genug von dem Zeug übrig, um hier alles in Flammen aufgehen zu lassen. Eine brillante Falle, das muss ich den Architekten zugestehen. Pfeilen kann man theoretisch ausweichen, Flammen fressen alles auf, was sich nicht schnell genug in Sicherheit bringt.

Unaufhaltsam tropft es von der Decke, überzieht alles mit einer dünnen Schicht Petroleum. Meine Schritte werden unsicherer, ich rutsche mehrmals fast aus und schaffe es, mir meine nagelneue Hose zu zerreißen.

»Das wird teuer für den Kerl«, schnaube ich.

Wieso müssen die zwielichtigen Ganoven eigentlich immer mich aufsuchen, damit ich irgendwelche verloren geglaubten Schätze finde? Ach ja, weil ich diese Art von Typ bin, der jeden Auftrag annimmt. Besonders, wenn er eine Reise einbringt und nach einem Himmelfahrtskommando klingt. Ich brauche das vermutlich für mein Ego. Wie auch immer …

Als ich hinter mir ein Zischen höre, ist mir klar, dass ich zu langsam bin. Gleich wird hier alles in Flammen stehen, inklusive mir. Ich kann viel aushalten, aber zu verbrennen, ist sogar für mich tödlich.

»Na gut, ich tue das nicht gerne, aber es geht nicht anders«, sage ich zu mir selbst und schnippe mit den Fingern.

Hellblaues Licht umfängt mich augenblicklich und gleichzeitig ziehen sich meine Eingeweide zusammen. Aber ich habe keine Wahl, wenn ich nicht als Barbecue-Spieß enden will.

Flügel brechen aus meinen teuren Lederschuhen heraus. Zum Glück waren die ohnehin schon durch das Petroleum ruiniert und sind somit kein großer Verlust. Deswegen fauche ich nur leise, als ich mit Lichtgeschwindigkeit – im wahrsten Sinne des Wortes – durch einen Felsbrocken, der herabfällt und mir den Weg versperrt, hindurchschieße. Wenn ich in dem Moment nicht unverwundbar gewesen wäre, hätte ich mir die Nase gebrochen.

Ja, in diesem Augenblick bin ich ein Gott. Einer, der es nicht sein will. Aber ohne den göttlichen Schub wäre ich nie rechtzeitig aus diesem Raum gekommen, der hinter mir bereits in Flammen aufgeht. Sehen kann ich das nicht, ich rieche nur das Petroleum, das alles überzieht, und höre das Knacken des Holzes und das Zischen der Pflanzen, die das Feuer verschlingt.

Ich erreiche den nächsten Raum, schnippe erneut und meine Göttlichkeit verschwindet wieder. Zurück bleiben brennende Eingeweide und Stiche wie von tausend Nadeln auf meiner Haut. Keuchend sinke ich zusammen und wälze mich über den Boden.

Göttlichkeit fordert einen Preis. Das weiß ich und die anderen Götter vermutlich auch. Aber nachdem mir bewusst wurde, was es kostet, seine Göttlichkeit einzusetzen, entschied ich mich, keiner mehr sein zu wollen. Was ich vor rund zweitausend Jahren getan habe und so gut wie nie bereue. Besonders nicht, wenn ich wie jetzt den Preis zahlen muss.

»Verfluchter Mist«, stöhne ich und bleibe auf dem Rücken liegen.

Meine Hände zittern und ich muss mich stark beherrschen, um mich nicht zu übergeben. Ich hätte meine Kräfte auch anders rufen können. Aber das kann ich nicht mit meinem Gewissen vereinbaren. Nicht, seitdem ich gesehen habe, was es anderen Lebewesen antut, wenn sie für meine Göttlichkeit leiden müssen.

Nein, ich will kein Gott mehr sein. Nie wieder. Vielleicht wäre es anders, wenn ich unter den obersten Göttern nicht derjenige gewesen wäre, den sie wie einen Spielball verwendet haben, um sich gegenseitig etwas anzutun. Oder sie nett zu mir gewesen wären. Aber dieser verlogene Haufen kann mir gestohlen bleiben. Ich lebe lieber als Mensch unter Menschen. Auch wenn das bedeutet, alle paar Jahre seine Identität zu wechseln.

Denn obwohl ich meine göttlichen Kräfte selten nutze, altere ich nicht. Würde jemand mein Blut in Flaschen abfüllen und es sich ins Gesicht klatschen, würde derjenige für einige Jahre auch nicht altern. Hoffentlich finden die Kosmetikkonzerne das nie heraus. Wobei … Die Werbung dafür wäre bestimmt lustig. In einem Labor meines gesamten Blutes beraubt zu werden, wohl eher weniger. Aber hey … Ich bin irgendwie unsterblich. Großteils. Mein Körper heilt schneller als der von Menschen. Deswegen überlebe ich diese grauenhaften Schmerzen auch, die in mir toben.

Rauch steigt mir in die Nase und ich setze mich auf, als ich meinen Körper endlich wieder im Griff zu haben glaube und nicht ständig denke, ich würde mich gleich übergeben.

Ich werfe einen Blick auf das Inferno, das bei der Tür haltmacht, durch die ich gekommen bin. Offensichtlich war das Feuer dazu gedacht, alles in dem Gang, aus dem ich komme, zu verbrennen und anschließend den restlichen Tempel mit Gestank zu verpesten. Ich befürchte allerdings, dass es sich dabei nicht bloß um den Gestank nach faulen Eiern handelt, sondern um irgendein Gift, das mich vermutlich bald umbringen wird. Gott hin oder her, wenn ich meine Göttlichkeit nicht einsetze, bin ich sterblich. Nicht so leicht sterblich wie ein Mensch, aber … ich kann umkommen. Besonders durch Gift.

Ich stoße den Atem aus. »Wieso muss auch jemand die Pfeilspitze eines ägyptischen Gottes hier in einem Tempel am Rand der Zivilisation verstecken?«, brumme ich und stehe auf. »Was macht die überhaupt hier? Ägypten ist zu Fuß etwa drei Jahre entfernt! Und ein Meer liegt auch dazwischen. Von dem elenden Regenwald, den man erst mal durchqueren muss, will ich gar nicht erst anfangen!«

Meine Welt dreht sich noch ein wenig und ich stoße den Atem erneut aus. Die Nachwirkungen des göttlichen Geschenks schmerzen immer noch in meinen Gliedern. Oder vielmehr die Nachwirkungen, diese Gabe wieder abgelegt zu haben. Sie bewusst nicht weiterhin zu gebrauchen. Dieser Entzug ist immer das Schlimmste. Den Schmerz vergisst man schnell, aber das Verlangen, doch wieder göttlich zu sein, bringt mich jedes Mal fast um den Verstand.

Ich huste und versuche, mich in dem von Qualm vernebelten Raum zu orientieren. Ich bin durch einen Korridor aus der Hauptkammer bis hierher gekommen. Da ich durch den Rauch nichts mehr erkennen kann, weiß ich nicht, welchen Zweck dieser Ort erfüllt. Und somit kann ich nur raten, wo ich mich jetzt befinde. Ich zermartere mir das Hirn, ob dies wohl schon der Opferraum des Tempels ist, oder nur eine Vorhalle davon. Wenn ich Glück habe, liegt hinter der nächsten Tür die Schatzkammer. Wenn ich Pech habe, eine weitere Falle.

Aber welche Alternativen bleiben mir, nun, da der Weg, dem ich gefolgt bin, in Flammen steht?

Ich gebe mir Mühe, etwas in dem dunstigen, gräulich-blauen Nebel zu erkennen, das auf eine weitere Falle hingewiesen hätte. Aber meine Augen brennen von dem Rauch und dem Gift so verflucht schmerzhaft, dass ich sie kaum offen halten kann.

Immer noch hustend erreiche ich eine Wand und taste sie ab. Nirgendwo eine Vertiefung, die auf einen Ausgang hingewiesen hätte, und der Rauch wird mit jedem Herzschlag dichter.

»Großartig, ich werde hier zu Räucherschinken und sehe nichts«, keuche ich und klatsche in die Hände.

Ein orkanartiger Wind kommt auf und meine Schläfen pochen wie verrückt, während ich mir einen Moment Sicht durch meine göttliche Gabe verschaffe. Dieser Raum besitzt nur eine einzige Tür. Jene, aus der ich gekommen bin.

Ich rufe mir die Pläne dieses Orts ins Gedächtnis, die mein Auftraggeber mir gegeben hat. Der Tempel ist zu groß, um hier zu enden. Es muss noch einen Ausgang geben.

Der Wind legt sich und ich werfe mich sofort auf den Boden, robbe über die glatt geschliffenen Steine, bis meine Finger seltsame Muster auf einem Stein ertasten. Ein Quadrat aus vier Bodenplatten, das vermutlich mit Schriftzeichen verziert ist. Da ich immer noch nichts sehe, muss ich mich auf meine Intuition verlassen. Ich habe nicht viele Alternativen. Deswegen hebe ich meine Faust und schlage mit aller Kraft zu.

Es knirscht und da ich keinen Schmerz empfinde, gehe ich davon aus, dass der Boden unter mir bricht und nicht meine Hand. Noch einmal schlage ich zu, diesmal stoße ich aber einen derben Fluch aus, da meine Handkante nun doch brennend heiß pulsiert. Trotzdem hebe ich meine Faust erneut und prügle auf den Boden ein.

Die Platten brechen endlich und kühle, modrige Luft steigt aus dem Loch vor mir auf. »Alles ist besser, als hier geräuchert zu werden«, feuere ich mich selbst an, drehe mich um, damit ich meine Füße in die Öffnung schieben kann, und gleite mit den Beinen voraus in das dunkle Loch.

Es ist nicht tief, und obwohl ich kein Hüne von einem Mann bin, kann ich nur auf allen vieren darin Platz finden. Ich knipse meine Taschenlampe an und beleuchte die Umgebung, obwohl ich eigentlich dank meiner Magie im Dunkeln sehen kann. Aber wenn ich die Taschenlampe schon mal habe … Ich sitze an einer Art Weggabelung mit drei Korridoren. Einer zu meiner Rechten, einer hinter mir und einer vor mir.

Mir ist klar, dass mich nur ein einziger vor dem sicheren Tod bewahrt. Ich weiß nur nicht, wie ich mich entscheiden soll. Vor meinem inneren Auge rufe ich wieder den Grundriss des Tempels auf. Ich bin mir ziemlich sicher, dass der Korridor hinter mir unter dem Gang hindurchführt, der jetzt in Flammen steht. Also muss ich nur zwischen dem vor mir und dem zu meiner Rechten wählen.

»Ene, mene, muh«, sage ich mit einem Grinsen und schüttle den Kopf. Das Gift, das mit dem Rauch die Luft erfüllt, scheint meine Denkkraft lahmzulegen. Wenn ich mich nicht bald bewege, werde ich hier sterben. Außer ich würde zum Gott werden. Aber wo bliebe da der Spaß?

»Hermes, du bist ein Trottel«, rede ich lachend vor mich hin und betrachte die Dunkelheit des Gangs rechts. Sie kommt mir weniger dunkel vor als jene aus dem Korridor vor mir. Eine großartige Begründung, aber irgendwie fällt mir nichts Besseres ein.

Ich zucke mit den Schultern und setze mich in Bewegung. Nur weg von dem Rauch und dem Gift, das mich um den Verstand bringt.

Während ich meinen eigenen Atem stoßweise gehen höre, wird die Luft frischer und die Gedanken klarer. Ich überlege gerade, wie weit ich wohl gekrochen bin, als meine Hand nicht den Boden unter mir berührt, sondern ins Leere greift. Wahrscheinlich wäre ich mit dem Gesicht aufgeschlagen, wenn ich nicht bereits über eine Rutsche nach unten schlittern würde.

»Scheiße«, brumme ich und reiße die Augen auf, als vor mir helles Licht erstrahlt.

Entweder sterbe ich jetzt oder ich bin in Sicherheit.

Mit einem lauten Knall schlage ich auf dem Bauch auf und halte mir die Nase, die bei der Landung auch etwas abbekommen hat. »Nur angeknackst«, keuche ich erleichtert, weil ich kein Blut schmecke, und hebe den Kopf, um mich umzusehen.

Sonnenlicht bricht durch die Decke und das Zwitschern der Vögel, die hier im Dschungel leben, dringt an meine Ohren. Unmittelbare Gefahr entdecke ich nicht.

Ich komme auf die Knie und taste meinen Körper ab. Nachdem ich sicher bin, dass – von meiner Nase abgesehen – nichts gebrochen ist, stehe ich auf.

Immerhin kann ich hier aufrecht stehen, obwohl der Raum alles andere als groß ist. Langsam zweifle ich daran, dass ich diese verfluchte Pfeilspitze hier finden werde. Denn, von ein paar Lianen und abgenagten Knochen abgesehen, ist dieser Ort vollkommen leer.

Mein Blick fällt auf die Gebeine, die fast säuberlich aufgeschichtet sind, und mir wird übel. »Menschenknochen?«, flüstere ich und ziehe die Pistole aus dem Halfter an meiner Hüfte. Für gewöhnlich nutze ich solche Waffen nur im Notfall. Das hier könnte einer werden.

Schmatzende Geräusche erklingen und ich fluche innerlich. Hier unten lebt eine Kreatur, die vermutlich so alt ist wie ich. Die Frage ist, ob sie es wagt, mich anzugreifen, oder …

In dem Moment springt etwas in mein Gesicht und ich fühle Krallen, die sich in meine Haut bohren. Brüllend tobt die Kreatur, als ich sie von mir pflücke und am Kragen festhalte.

»Uäh, wieso müsst ihr Schrumpfköpfe so hässlich sein?«, zische ich.

Ein Gnom, etwa so hoch wie mein Unterarm lang, mit riesigem Körper, winzigem Kopf und leuchtend gelben Augen, starrt mich an.

»Das könnte ich dich auch fragen, elender Gott«, schimpft er zurück. »Mein Lager. Such dir ein eigenes.«

»Ich will nichts von deinem Lager«, sage ich finster und funkle ihn an, als er versucht, mit seinen Krallen nach meinem Arm zu schlagen, um sich zu befreien. »Es sei denn, du hast eine Pfeilspitze, die vermutlich aus Ägypten stammt.«

»Habe ich nicht«, faucht der Schrumpfkopf und verschränkt die Arme. »Diese Pfeilspitze ist boshaft und grell. Sie liegt draußen unter einem Stein.«

»Hast du sie dort hingebracht?«, frage ich.

»Ja, und ich habe heute noch Brandflecken an den Händen«, erklärt er und hebt seine verformten Finger.

Beim besten Willen habe ich keine Ahnung, was daran Brandflecken sein sollen, denn sie sind von Warzen übersät. Und damit hat er in meinem Gesicht rumgekratzt …

»Führ mich hin und ich bin schneller weg, als du Pfeilspitze sagen kannst.«

»Was springt für mich raus?«, will er wissen.

Langsam hebe ich einen Mundwinkel. »Ich lasse dir deine Knochen. Ansonsten kannst du ihre Asche beweinen.«

Mir ist bewusst, dass diese Wesen ihre Sammlungen lieben. Ob er die Menschen, die hier liegen, getötet oder sie irgendwo gefunden hat? Vermutlich Letzteres, aber ich nehme an, dass sich so bald ohnehin kein Mensch hierher verirren wird und er deswegen ungefährlich ist.

Meine Drohung wirkt, der Schrumpfkopf reißt die Augen auf. »Das wagst du nicht!«

»Wetten?«, erwidere ich grinsend, stecke meine Pistole weg und ziehe ein Feuerzeug aus einer meiner Hosentaschen.

Als es klickt und der Schrumpfkopf die Flamme sieht, die seine Schätze bedroht, zittert er. »Schon gut! Ich bringe dich hin, hässlicher Gott.«

»Geht doch«, meine ich und stecke das Feuerzeug weg. »Und hör auf, mich hässlich zu nennen. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich dir glauben.«

KAPITELZWEI

Zwei Tage liegt der Zwischenfall in dem Tempel zurück. Zwei Tage. Und ich rieche immer noch wie Räucherschinken.

Ich gehe durch das Museum, in dem ich arbeite, vergrabe meine Nase gerade in meiner Ellenbeuge, als ein Räuspern mich hochschrecken lässt. »Mr Winter, spät wie immer«, tadelt mich eine Frauenstimme. Samtweich und gleichzeitig gefährlich wie Gift selbst.

»Ms Hart«, erwidere ich und drehe mich mit einem Lächeln zu meiner Vorgesetzten um.

Dr. Shenandoah Hart, für ihre Freunde Shenan, für mich Ms oder Dr. Hart, steht in einer dunkelblauen Jeans und einer weißen Schluppenbluse vor mir. Sie trägt wie immer Pumps, während der obligatorische schwarze Blazer über ihrem Arm hängt. Immerhin kann man schon den Sommer fühlen, der hier, im Osten der USA, wohl erst im Juli richtig losgeht. Aber es ist bereits ziemlich warm in der Früh.

Einer von Dr. Harts Vorfahren muss ein Ureinwohner Amerikas gewesen sein. Zumindest habe ich das aus ihrer Akte erfahren. Sie hätte es mir ja nie erzählt, obwohl wir eng zusammenarbeiten. Aber die pechschwarzen Haare, die sie immer aufgesteckt trägt, und der etwas dunklere Teint könnten darauf hindeuten, dass es stimmt. Ich habe auch ihren Namen gegoogelt, weil er eher ungewöhnlich ist.

Auch er entstammt einer Sprache der Ureinwohner und bedeutet »Tochter der Sterne«. Als ich sie das erste Mal sah, funkelte sie wirklich wie ein Stern. Dr. Hart ist wunderschön, aber sie kann mich kein Stück leiden.

Was meine Schuld ist. Aber besser für uns beide. Ich habe sie in einer Bar getroffen, wenige Tage, bevor ich die Stelle mit meiner neuen Identität als Harrison Winter in diesem Museum antrat. Wir verstanden uns prächtig, haben geknutscht und ich wollte sie eigentlich abschleppen.

Bis mir klar wurde, dass ich mich mehr zu ihr hingezogen fühlte, als gut für mich war. Götter sollten sich nicht verlieben und hätte ich mit ihr geschlafen, hätte ich sie vielleicht wiedersehen wollen. Nein, ich hätte sie bestimmt wiedersehen wollen. Ich kenne mich mit solchen Verbindungen aus.

Manch einer mag es belächeln, ich weiß, dass es Schicksal gibt, weil ich die zuständige Dame ganz gut kenne. Sie heißt Tyche und verfolgt einen eigenen Plan mit den Fäden, die sie spinnt und legt. Warum sie Dr. Hart und mich füreinander bestimmt hat, weiß ich nicht. Aber ich weiß, wie es Menschen ergeht, die eine Beziehung mit Göttern eingehen.

Deswegen habe ich sie stehen lassen und vor ihren Augen angefangen, eine andere zu knutschen. Dass ich zwei Tage später als ihr Assistent beginnen sollte, war wirklich Pech. Riesiges Pech. Aber ich hätte wissen müssen, dass Tyche mich nicht so leicht vom Haken lässt.

»Hängen Sie schon wieder Ihren Tagträumen nach?«, schnaubt Dr. Hart und reißt mir ein Exponat aus der Hand, das ich eigentlich längst zurückbringen wollte und gerade aus meiner Tasche gezogen habe, bevor ich meinen Geruch überprüfte …

Das Ding lag eine Woche lang in meiner Wohnung und wartete darauf, an seinen Platz zurückgestellt zu werden. Zum Glück hat Dr. Hart sein Verschwinden bisher wohl nicht bemerkt.

»Was haben Sie damit vor?«

»Ich wollte es nur an seinen Platz bringen«, erkläre ich, räuspere mich und betrachte die Tonscherbe, die wohl ein Teil eines Krugs war. »Jemand hat es in der Mongolei abgestellt und ich habe es auf meinem Weg zum Büro entdeckt.«

Sie zieht eine Augenbraue hoch und ihre dunklen Augen durchbohren mich. Ich kann ihre Abneigung aufblitzen sehen. Sie sieht nur das, was ich sie sehen lasse. Für Dr. Hart bin ich ein überheblicher Aufreißer, ein Faulpelz und ein Dieb. Mit Letzterem hat sie tatsächlich recht, obwohl ich mir diese Scherbe nur ausgeliehen habe, um Hinweise auf die Pfeilspitze zu finden.

Jene Pfeilspitze, die ich vorgestern gefunden und meinem Auftraggeber geschickt habe. Sie ist erstaunlicherweise wirklich ägyptisch, aber zum Glück nicht von einem Gott. Sonst hätte ich sie nicht hergeben dürfen. Ich habe nämlich entschieden, nichts Gefährliches auf die Menschenwelt loszulassen. Vermutlich nehme ich deswegen alle Aufträge an – um sicherzugehen, dass niemand etwas mit Kräften findet, die nicht für Menschen bestimmt sind. Aber da die Pfeilspitze über keinerlei Magie oder Göttlichkeit verfügt, durfte sie der alte Mann, der sich davon ewiges Leben verspricht, gerne haben und hoffen, dass sie ihr Geld wert ist.

»Und weswegen sind Sie dann in der römischen Ausstellung?«, zischt sie und schüttelt den Kopf. »Das ist ein Teil eines Krugs aus dem etruskischen Reich.« Sie seufzt und reibt sich die Schläfen. »Wieso merken Sie sich den Unterschied nicht?«

»Ich kann nichts dafür, dass eure Forscher manche Dinge falsch zugeordnet haben und es niemand hinterfragt«, raune ich zu mir selbst.

Dass die Menschen nicht immer recht haben, ist nichts Neues für mich. Dr. Hart kann nichts dafür, dass sie ihr Wissen auf falschen Schlussfolgerungen aufbaut. Aber da sie mir nicht glauben wird, muss ich meine Meinung hinunterschlucken und nicken. Was schade ist. Shenan, wie ich sie manchmal in Gedanken nenne, bevor ich mich daran erinnere, dass sie tabu ist, ist klug. Sehr klug sogar. Sie versteht komplexe Zusammenhänge und kann sie mit einer Leichtigkeit erklären, dass auch ein Kind es verständlich findet. Vielleicht fasziniert mich das an ihr. Oder das Lächeln, das sie ab und zu auf dem Gesicht hat, wenn sie denkt, ich merke es nicht. In ihr steckt ein bezaubernder Kern, sie verbirgt ihn nur hinter dicken Mauern. Mauern, die ich kurz durchblicken durfte, an jenem Abend. Aber danach hat sie wohl ein komplettes Abwehrsystem installiert. Ich kann es ihr nicht übel nehmen.

»Verzeihen Sie, Dr. Hart. Ich kann mir das einfach nicht merken«, murmle ich, nachdem ich wohl einen Moment zu lange geschwiegen und sie angestarrt habe. Aber etwas an ihr lässt mich sie nicht vergessen …

»Immerhin wissen Sie, dass es nicht in die Mongolei gehört«, seufzt sie und ich erahne den Anflug eines Lächelns. Der verschwindet allerdings sofort wieder, als unsere Blicke sich treffen. »Das erklärt aber nicht, wieso Sie schon wieder zu spät sind.«

Ja, warum bin ich noch gleich zu spät? Weil ich erst gestern Nacht aus dem Amazonas zurückgekehrt bin und bis in die frühen Morgenstunden mit meinem Auftraggeber diskutieren musste, ob die Pfeilspitze, für die er angeblich morden würde, wirklich echt ist oder nicht.

Ein Glück, dass ich nicht auf Schlaf angewiesen bin, sonst würde ich wohl jetzt umkippen und schnarchen.

»Harrison!«, zischt Dr. Hart und ich konzentriere mich wieder auf sie.

Ich räuspere mich und suche nach einer Ausrede. Irgendeiner. Verschlafen. Wasserrohrbruch. Der One-Night-Stand, den ich nicht loswurde. Es ist gleichgültig, ich habe mir nie wirklich Mühe gegeben, meine Ausführungen glaubhaft zu machen. Weil ich will, dass sie mich nicht leiden kann. Denn … ich empfinde zu viel für sie und das könnte sie ihr Leben kosten.

Gerade setze ich zu einer Antwort an, als sie ihre Hand hebt und den Atem gedehnt ausstößt. »Wissen Sie was? Es ist mir eigentlich egal«, meint sie und sieht mich erschöpft an.

Ich weiß, dass sie zu viel arbeitet, gewissenhaft ist. Anders als ich. Ganz anders. Es liegt in meiner Natur, ich nehme die Dinge nicht ernst, versuche überall, etwas Spaß hineinzubringen. Shenan … Sie ist gründlich und sie kämpft für ihren Traum. Dieses Museum zu leiten, scheint ihre Erfüllung zu sein, ganz gleich, wie schwer es ist. Ich mache es ihr mit meinem Verhalten auch nicht leicht. Trotzdem ist sie meistens sehr rücksichtsvoll, was ich gar nicht verdient habe, indem sie mir meine spontanen Urlaube genehmigt, wenn ich einen Auftrag annehme.

Aber sobald ich die Schatten unter ihren Augen sehe, fühle ich mich schuldig. Ich sollte sie nicht alleine lassen und vielleicht … sollte ich ihr zeigen, dass sie sich doch auf mich verlassen kann.

»Ich kann Sie nicht entlassen, weil Sie zu spät kommen«, fährt sie seufzend fort. »Egal, wie oft es passiert. Dazu fehlen mir Alternativen und, wie gesagt, zumindest wissen Sie, dass diese Scherbe nicht in die Mongolei gehört. Das hebt Sie schon von neunzig Prozent der anderen Bewerber für diesen Posten ab.«

»Das klingt fast wie ein Kompliment, Dr. Hart«, meine ich verschmitzt und versuche, meine Schuldgefühle wegzuschieben. Gelingt mir nicht.

»Wischen Sie sich das dämliche Lächeln aus dem Gesicht, Winter«, schnaubt sie. Heute ist sie wohl noch weniger für meinen Charme empfänglich als sonst, und das heißt etwas. Sie steigt selten auf meine Scherze oder Komplimente ein. Liegt vermutlich an ihrem Abwehrsystem. »Machen Sie sich an die Arbeit. Wir öffnen gleich und heute kommen drei Schulklassen, die sich die Griechenland-Ausstellung ansehen wollen.« Sie hebt eine Augenbraue. »Mit der griechischen Mythologie sind Sie vertraut?«

Wenn sie nur wüsste … »Ich habe die Bücher, die Sie mir gegeben haben, studiert und fühle mich bereit, eine Klasse zu übernehmen.«

Sie sieht mich skeptisch an, nickt dann aber. »Gut. Die erste führen wir gemeinsam, die zweite machen Sie alleine. Wer die dritte leitet, überlegen wir uns im Anschluss.«

»Danke«, sage ich und folge ihr in den Raum für die etruskischen Exponate, wo sie die Scherbe behutsam an ihren Platz legt, bevor wir in ihr Büro gehen.

Wir teilen uns den Raum. Schließlich bin ich ihr Assistent und das ist nicht das British Museum, sondern ein überschaubares in einer Kleinstadt an der Ostküste der USA. Neben uns beiden gibt es noch drei Angestellte, die hier Forschung betreiben. Was so viel bedeutet wie: Sie fegen den Staub von Exponaten.

Dr. Hart hingegen schreibt tatsächlich wissenschaftliche Arbeiten. Sie hat zwar keine Felderfahrung, sprich, sie hat noch nie an Ausgrabungen teilgenommen, aber die Frau ist ein wandelndes Lexikon. Alles, was in den Büchern der Menschen steht, scheint sich auch in ihrem Kopf zu befinden. Ein Jammer, dass sie teilweise falsche Informationen bekommen hat.

Ja, es ist gut, dass ich ihr gezeigt habe, was für ein Arschloch ich bin. Denn der kurze Blick, den sie mir auf ihre wahre Persönlichkeit gewährt hat, hat gereicht, um mein Herz an sie zu binden. Tyche sei Dank.

Wenn das schlechte Gewissen mich überkommt, rede ich mir ein, dass ich auf diese Weise ihr Leben schütze. Dann geht es eigentlich wieder. Denn … sollte ich meine göttlichen Kräfte zu stark beanspruchen müssen, weil ich bei einem weiteren gefährlichen Auftrag in eine tödliche Falle tappe, würde ich Shenans Lebenskraft anzapfen. Ein altes Gesetz des Olymp. Menschen, die einen Gott lieben, werden zuerst benutzt, um die göttlichen Kräfte zu nähren. Bis zum bitteren Ende.

Nein, so ist es besser. Auch wenn das bedeutet, ihr nie auf die Art nahe sein zu können, wie ich es mir wünsche.

Natürlich hätte ich meine Identität gleich wieder ändern können, um diesem seltsamen Stechen in meinem Herzen zu entgehen. Ich muss das ja ohnehin alle paar Jahre tun, aber etwas an ihr bindet mich. Vielleicht quäle ich mich aber auch nur gerne selbst.

Ihre Nähe ist nämlich reine Tortur. Shenan ist umwerfend. Ihre Ausstrahlung zieht mich an wie das Licht die Motten. Und genauso würde ich verbrennen, wenn ich sie verlieren würde. Eine Sterbliche, die einen Gott liebt, lebt nicht lange. Und eine Sterbliche, die von einem Gott geliebt wird, stirbt noch früher, selbst wenn er seine göttlichen Kräfte nicht einsetzt.

Ich muss es wissen. Immerhin hatte ich eine Gefährtin, nachdem ich mich entschied, den Olymp zu verlassen und als Mensch zu leben. Sie hieß Luna und ihr gehörte mein Herz. Leider war ich damals noch nicht gut darin, mich vor den anderen Göttern zu verstecken. Sie fanden mich und nutzten Lunas Lebenskraft, um ihre eigene Magie zu stärken und mich zu quälen. Natürlich hörten sie nicht auf, als sie im Sterben lag. Ich musste zusehen, wie die Liebe meines Lebens mich verließ, damit Ares und Apollon mit mir  spielen konnten.

Ich hasse Götter. Ich hasse sie. Und manchmal hasse ich mich selbst.

»Hören Sie mir eigentlich zu?«, fragt Dr. Hart.

Ich räuspere mich. »Götter, Olymp«, brabble ich los, in der Hoffnung, dass sie gerade darüber gesprochen hat.

Sie rollt mit den Augen und atmet lang gezogen aus. »Nein. Aristoteles, Pythagoras. Klingelt da etwas?«

Natürlich tut es das. Ich kannte die beiden schließlich. Aber ich zucke nur mit den Schultern. »Mathematik, nehme ich an?«

Sie rollt noch einmal mit den Augen. Alleine dafür ärgere ich sie gerne. Sie ist einfach süß, wenn sie so etwas macht. »Bei Pythagoras, ja. Bei Aristoteles wollte ich eher auf seine Auffassung der Staatsformenlehre hinaus. Immerhin hat er den Grundstein für die Demokratie gelegt.«

Ich grunze und räuspere mich dann noch einmal. Aristoteles hat viel Bedeutendes geschaffen. Aber das mit der Demokratie haben die Menschen der heutigen Zeit anders aufgefasst, als er es gemeint hat. Innerlich zucke ich mit den Schultern. Mir kann es gleich sein. Ich habe viele Staatsformen gesehen. Von Stämmen mit Räten über Monarchien bis hin zu Republiken und Diktaturen. Jede hat Vor- und Nachteile. Es kommt auf die Menschen an.

»Gut, Ethik und Staatsformen. Ich versuche, es mir zu merken.«

Dr. Hart reibt sich die Nasenwurzel. »Es gibt kein Versuchen, Harrison. Machen Sie es oder lassen Sie es bleiben.«

»Star Wars?«, frage ich grinsend.

Dr. Hart hebt den Blick und ein Schmunzeln huscht über ihr Gesicht. Mir stockt der Atem. Sie ist schöner, als jede Göttin es je sein könnte, und mein Herz schlägt plötzlich viel zu schnell. Wieso kann ich nicht aufhören, mich zu ihr hingezogen zu fühlen? Wieso freue ich mich über Momente wie diesen, wo es sich anfühlt, als könnten wir doch glücklich zusammen sein, wenn ich es nur zulassen würde?

»Sie überraschen mich manchmal doch«, sagt sie und schaltet den Wasserkocher ein. Shenan mag Kaffee nicht, sie trinkt nur Tee. Ihr Blick wird weicher, während sie mich mustert. »Denken Sie, Sie können das wirklich, Harrison? Ich will Sie nicht überfordern.«

Jetzt steigt mein Puls noch mehr an. Sie würde das alleine machen, weil sie nicht möchte, dass ich mich schlecht fühle. Ich bin so ein Heuchler. »Natürlich, Dr. Hart«, erwidere ich entschlossen. Klar kann ich das. Ich muss mir nur merken, was die Menschen dieser Zeit für die Wahrheit halten. »Würden Sie mir ebenfalls Tee machen?«

Sie nickt und stellt eine zweite Tasse neben ihre. Ich trinke Tee zwar nicht so gerne, aber ich mag die Sorte, die Shenan immer aufbrüht. Orange Pekoe. Keine Ahnung, ob das eine Spezialität ist oder ob es daran liegt, dass sie den Tee zubereitet. Aber diese eine Tasse pro Tag genieße ich. Weil ich es mit ihr tue.

Ich schüttle den Kopf. Ich klinge wie ein liebeskranker Teenager. Aber es ist Fakt. Ich mag ihre Nähe. Die wenigen Minuten, in denen sie mich nicht anstarrt, als wäre ich der Teufel persönlich – den es übrigens nicht gibt, sonst hätte ich ihn getroffen, weil ich auch die Unterwelt recht gut kenne, immerhin habe ich früher Seelen dorthin begleitet -, sind die schönsten des Tages. Weil wir uns dann in Ruhe unterhalten und ich immer mehr verstehe, warum Dr. Hart mit Mitte zwanzig bereits ein Museum leiten darf. Sie ist nicht nur klug, sie hat Weitblick und sie schafft es, die Menschen für sich zu gewinnen.

Kein Wunder, dass ich für sie nur ein Aufschneider bin, der etruskische Kunst nicht von römischer unterscheiden kann. Manchmal, wenn ich mich im Spiegel ansehe und meine blonden Haare absichtlich noch mehr verstrubble, mir ein selbstgefälliges Grinsen zuwerfe und mich frage, ob meine Augen für die Menschen gräulich oder blau-lila, wie eine Mischung aus Lapis und Amethyst, aussehen, finde ich mich selbst überheblich. Oh, ich sehe vermutlich gut aus. Ich bin immerhin ein Gott. Und ich bin genauso aufgeblasen wie die meisten anderen Götter. Obwohl ich es längst nicht mehr sein will.

Ich stelle mich neben Dr. Hart und nehme ihr beide Tassen ab, die sie aufgenommen hat, um nach draußen zu gehen. Ein Lächeln huscht über mein Gesicht und sie zieht zumindest einen Mundwinkel nach oben. Dann allerdings hebt sie ihre Nase und atmet ein, als würde sie schnüffeln.

»Riecht es hier verbrannt?«, fragt sie und holt noch einmal Luft.

»Ich rieche nichts außer dem Tee«, verkünde ich und nehme mir vor, mich die ganze Nacht in die Badewanne zu legen. Lieber rieche ich nach dem Lavendelbadesalz, das mir die Kollegen zum Geburtstag geschenkt haben, als nach Räucherfleisch. Und das heißt etwas. Ich hasse Lavendel. Aber das Zeug muss weg und der Geruch auch.

»Ich sehe trotzdem lieber nach. Wir treffen uns auf dem Balkon und gehen den Tag noch einmal durch«, murmelt Dr. Hart und ist auch schon aus dem Büro verschwunden.

Ich seufze und schnüffle an der Tasse. Der Tee ist ihr wieder wunderbar gelungen. Mein Blick fällt auf ihren ordentlichen Schreibtisch. Sie arbeitet viel und schafft es dennoch, Ordnung zu halten. Ich bewundere sie, weil sie strukturiert ist, und bin froh, dass sie ein zurückhaltender Mensch ist, sich kein Privatleben gönnt und vermutlich auf viele ziemlich zugeknöpft wirkt. Denn bei der Vorstellung, dass sie einem anderen Mann nahe kommen könnte, zieht sich mein Magen schmerzhaft zusammen. Wenn das passiert, muss ich das Weite suchen. Sonst kommt zu Diebstahl vermutlich auch Mord auf die lange Liste meiner Verfehlungen.

KAPITELDREI

Ich folge Shenan wie ein Geist, während sie die erste Gruppe Junior-Highschool-Schüler durch die Altertumsausstellung führt. Sie erklärt die Epochen der griechischen Geschichte wirklich hervorragend. Wenn ich sie nicht selbst erlebt hätte, und manches besser wüsste, könnte ich das richtig genießen.

Dann bin ich mit meinem Teil an der Reihe und bringe den Kindern die Götter näher, während Shenan mich beobachtet. Ich erzähle alles so, wie es in den Büchern steht. Mit der Realität hat das wenig zu tun. Denn die Götter sind nicht allmächtig. Sie sind eher mit Zauberern vergleichbar, deren Magie daher kommt, dass sie anderen Wesen ihre Lebensenergie entziehen. Und weil die Götter früher gerne gegeneinander gekämpft haben, gab es unzählige Todesopfer.

Mein Onkel Hades, der über die Unterwelt wacht, hatte immer alle Hände voll zu tun, die Scherben mit Charon, dem Fährmann der Toten, und mir, dem Seelenführer der Verstorbenen, aufzusammeln. Erst als mein Vater, Zeus, die Titanen – die in Wahrheit einfach nur ältere Zauberer sind als wir – besiegte, kehrte Ruhe ein. Dann wurde nur zu besonderen Gelegenheiten gegeneinander gekämpft. Etwa, wenn Ares und Hephaistos sich um Aphrodite prügelten. Liebe Güte, so schön ist sie auch nicht und, wenn ich ehrlich sein soll, ist sie ein ziemliches Biest.