Der Große Weg hat kein Tor - Masanobu Fukuoka - E-Book

Der Große Weg hat kein Tor E-Book

Masanobu Fukuoka

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  • Herausgeber: pala
  • Kategorie: Fachliteratur
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2020
Beschreibung

»Der Große Weg hat kein Tor« ist ein Grundlagenwerk alternativen Lebens und der alternativen Ernährungsbewegung. Es inspiriert Menschen weltweit, neue Wege zu gehen. Eine Erfolgsstory des Bio-Landbaus - und noch viel mehr: Für Masanobu Fukuoka war der vernünftige Umgang mit dem Boden ein Schritt zur Versöhnung des Menschen mit sich selbst und seiner Umgebung. Fukuokas Hauptwerk »The One-Straw Revolution: An Introduction to Natural Farming« (Titel der japanischen Originalausgabe: »Shizen Noho: Wara-ippon no Kakumei «) wurde in mehr als 25 Sprachen übersetzt. 1983 erschien die deutsche Fassung »Der Große Weg hat kein Tor« erstmals im pala-verlag. Das Buch vermittelt sowohl Einblicke in Fukuokas Weltsicht als auch in die Methoden seiner natürlichen Landwirtschaft. Unser Umgang mit Lebensmitteln, Ernährung und die Grenzen menschlichen Wissens sind weitere Themen. Wenn wir die Art und Weise ändern, in der wir unsere Nahrung anbauen, ändern wir unsere Nahrung, ändern wir unsere Werte. Und so handelt dieses Buch davon, auf Zusammenhänge, Ursachen und Wirkungen zu achten und nach eigenem Wissen Verantwortung zu übernehmen: ein Buch über Landwirtschaft, das gerade deshalb so bedeutend ist, weil es eben nicht nur von Landwirtschaft handelt.

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Masanobu Fukuoka

Der Große Weg hat kein Tor

Nahrung • Anbau • Leben

Der pala-verlag bedankt sich bei Michiyo Shibuya und Larry Korn für ihre Unterstützung bei der Vorbereitung des vorliegenden Buches.

Inhaltsverzeichnis

Cover

Titel

Vorbemerkung zur Neuauflage

Vorwort

Einführung

Bemerkungen zur Übersetzung

Kapitel I

Seht Euch dieses Korn an

Überhaupt nichts

Rückkehr aufs Land

Hin zu einer Nichts-Tun-Landwirtschaft

Rückkehr zum Ursprung

Warum natürlicher Anbau kaum verbreitet ist

Die Menschheit kennt die Natur nicht

Kapitel II

Vier Prinzipien der natürlichen Landwirtschaft

Landwirtschaft inmitten von Unkraut

Anbau mit Stroh

Reisanbau auf einem trockenen Feld

Obstbäume

Der Boden im Obstgarten

Gemüse wie Wildpflanzen anbauen

Wann kann man auf Chemikalien verzichten?

Grenzen der wissenschaftlichen Methode

Kapitel III

Ein Bauer wird deutlich

Eine bescheidene Lösung für ein schwieriges Problem

Eine schwere Geburt

Die Vermarktung von Naturkost

Die moderne Landwirtschaft wird scheitern

Forschung zu wessen Nutzen?

Was ist menschengemäße Nahrung?

Ein gnädiger Tod für Gerste

Nur der Natur dienen, und alles ist gut

Verschiedene Schulen des natürlichen Anbaus

Kapitel IV

Verwirrung über Nahrung

Naturkost-Mandala

Ess-Kultur

Vom Brot allein leben

Zusammenfassung zur Ernährung

Nahrung und Landwirtschaft

Kapitel V

Ein Narr ahmt den Klugen nach

Wer ist der Narr?

Geboren, um in den Kindergarten zu gehen

Treibende Wolken und die Illusion der Wissenschaft

Die Relativitätstheorie

Ein Dorf ohne Krieg und Frieden

Die Revolution des Strohhalms

An meine Leser

Über den Autor

Weitere Bücher

Impressum

Vorbemerkung zur Neuauflage

Wie viele für die Menschheit bedeutende Revolutionen mögen wohl stattgefunden haben, ohne dass die Weltöffentlichkeit auch nur die geringste Notiz davon genommen hat? Wie viele mögen gescheitert, wie viele geglückt sein?

Der japanische Bauer und Philosoph Masanobu Fukuoka hat die Landwirtschaft revolutioniert, und das schon vor mehr als 80 Jahren. Schon damals, als die wirklich großen industriellen Umwälzungen in der Landwirtschaft mit ihren verheerenden, immer deutlicher zutage tretenden Folgen für die Natur noch bevorstanden, erkannte er, dass nur wenige landwirtschaftliche Techniken wirklich notwendig sind. Er vertraute einfach der Vollkommenheit der Natur.

Er pflügte seine Felder nicht mehr, jätete kein Unkraut und verzichtete auf Herbizide, er säte nicht säuberlich in Reihen aus, sondern verteilte die Samen breitwürfig auf dem Boden. Er benutzte keine Maschinen, keine Schädlingsbekämpfungsmittel, weder künstliche Dünger noch vorbereiteten Kompost. Seine Ernten waren reichhaltig und konnten sich mit denen »normaler« Bauern durchaus messen, seine Böden waren durch und durch gesund, Flora und Fauna von üppiger Vielfalt.

Warum und wie er seine natürliche Landwirtschaft praktizierte, hat Fukuoka schon früh in etlichen Veröffentlichungen überzeugend dargelegt. Doch der Prophet galt nichts im eigenen Land – in Japan wurde lange Zeit nur wenig Notiz von seinen Ideen genommen.

In den 70er-Jahren dann machten sich einige amerikanische Studenten, die eine Zeit lang bei Fukuoka gelebt und gearbeitet hatten, daran, das Buch, in dem er über die Grundlagen seiner Philosophie und der sich daraus ergebenden natürlichen Landwirtschaft geschrieben hatte, aus dem Japanischen ins Amerikanische zu übertragen. 1978 erschien in den USA die erste Auflage von The One-Straw Revolution. Die deutsche Fassung – Der Große Weg hat kein Tor – erschien dann 1983 im pala-verlag. Seither machten sich Studenten, Wissenschaftler, Landwirte und andere interessierte Menschen aus allen Teilen der Erde auf den Weg, um ihn zu besuchen oder bei ihm zu leben und zu arbeiten.

Er trug seine Botschaft auch persönlich in die ganze Welt. In Somalia half er Bauern, ihr verdorrtes Land in grüne Felder zurückzuverwandeln, in Indien wurde er gefeiert, weil seine Methode, mit einfachsten Mitteln und im Einklang mit der Natur Landwirtschaft zu betreiben, auch den ärmsten Bauern wieder eine Perspektive eröffnet hat – ganz im Geiste Gandhis. Er wurde zu Vortragsreisen nach Europa und in die USA eingeladen, dorthin also, wo die Landwirtschaft hochproduktiv arbeitet, und gerade dort vertrat er seine Ansichten, die denen des Westens diametral entgegenlaufen, mit großer Bestimmtheit: »Es gibt viele Gemeinsamkeiten zwischen Afrika und dem Westen der USA«, sagte er, »auch in Amerika wird die Verwüstung und Verödung des Bodens weiter fortschreiten, wenn die Bauern auf ihren Methoden beharren. Künstliches Düngen ist falsch, der Einsatz von Pestiziden ist falsch, die Bewässerung durch Berieselungsanlagen ist falsch, Bodenbearbeitung ist falsch – all dies ist genauso falsch wie die Philosophie, die der gesamten westlichen Zivilisation zugrunde liegt.«

1988 wurde dem fast 80-jährigen Masanobu Fukuoka der Ramon Magsaysay Award verliehen. Diese Auszeichnung, die in Asien eine ähnlich große Bedeutung hat wie bei uns der Friedensnobelpreis, wurde ihm zuerkannt, weil er einen weltweit bedeutenden Beitrag zum Wohle der Menschheit geleistet habe.

In seiner Dankesrede forderte Fukuoka alle Regierungen der Welt auf, sich zusammenzutun in dem Bemühen, unsere Natur und unsere Lebensgrundlagen zu bewahren.

Mehr als 30 Jahre nach der deutschen Erstveröffentlichung von »Der Große Weg hat kein Tor« sind Fukuokas Thesen aktueller denn je. Das Buch ist inzwischen in etwa 30 Sprachen übersetzt worden und hat weltweit große Beachtung gefunden. Vieles von dem, was er prognostiziert hat, ist eingetreten, viele seiner Ideen haben Einzug gehalten in die Diskussionen über unsere Nahrung und unsere Landwirtschaft.

Immer mehr zeigt sich, dass die von Fukuoka geforderte Agrarwende hin zu einer ökologischen kleinbäuerlichen Landwirtschaft unabdingbar ist. Es hat sich bestätigt, dass die moderne industrielle Landwirtschaft ein Irrweg ist und nicht in der Lage ist, weltweit alle Menschen zu ernähren.

Nicht zuletzt inspiriert durch Fukuokas Ideen, haben aber immer mehr Menschen begonnen, sich Gedanken über die Herkunft ihrer Lebensmittel und deren Anbau Gedanken zu machen.

Am 2. Februar 2013 wäre Masanobu Fukuoka 100 Jahre alt geworden. Wir freuen uns, sein Hauptwerk in einer überarbeiteten Fassung wieder verfügbar zu machen. Wir wollen damit unterstreichen, wie wichtig Fukuokas Botschaft auch für uns heute ist. Die Welt kann es sich nicht leisten, die ungeheure Bedeutung von Fukuokas lebenslanger Arbeit noch länger zu ignorieren.

pala-verlag, Darmstadt, im Januar 2017

Vorwort

Wer von diesem Buch erwartet, dass es nur von Ackerbau handelt, wird überrascht sein, wenn er feststellt, dass es auch ein Buch über Ernährung, über Gesundheit, über kulturelle Werte, über die Grenzen menschlichen Wissens ist. Andere, die Philosophie suchen, finden es voll mit praktischem Wissen über Anbau von Reis und Wintergetreide, über Zitrusfrüchte und Gartengemüse auf einem japanischen Bauernhof.

Genau diese Erwartungshaltungen – wir haben gelernt, mit Spezialistentum zu leben, und wir haben gelernt, dass Bücher nur ein einziges Thema haben – sind der Grund, warum wir den Großen Weg gehen sollten. Dieses Buch ist wertvoll für uns, denn es ist praktisch und philosophisch zugleich. Es ist ein inspirierendes, notwendiges Buch über Landwirtschaft, weil es nicht nur von Landwirtschaft handelt.

Sachkundige Leser wissen natürlich, dass Fukuokas Techniken nicht direkt auf unsere Verhältnisse übertragbar sind. Es wäre aber ein Fehler, anzunehmen, dass die praktischen Passagen dieses Buches deshalb für uns wertlos sind. Sie verdienen unsere Aufmerksamkeit, weil sie ein sehr gutes Beispiel für das liefern, was man tun kann, wenn Boden, Klima und Feldfrüchte mit wachem Interesse, offenen Augen und Sensibilität studiert werden. Sie sind auch wertvoll für uns, weil sie anregend und inspirierend sind. Jeder Bauer oder Gärtner wird beim Lesen mit seinen Gedanken immer wieder abschweifen zu seinen eigenen Feldern, zu seinem eigenen Garten. Er wird Zusammenhänge erkennen und Verbindungen ziehen zum ganzen System westlicher Landwirtschaft.

Wie viele Menschen auch bei uns, aber viel früher, hat Fukuoka erkannt, dass wir die verschiedenen Aspekte des Lebens nicht voneinander isolieren können. Wenn wir die Art und Weise ändern, in der wir unsere Nahrung anbauen, ändern wir unsere Nahrung, ändern wir die Gesellschaft, ändern wir unsere Werte. Und so handelt dieses Buch davon, aufmerksam auf Zusammenhänge, Ursachen und Wirkungen zu achten und nach eigenem Wissen Verantwortung zu übernehmen.

Wer mit der Literatur über organischen Gartenbau vertraut ist, erkennt Parallelen in der Entwicklung von Masanobu Fukuoka und der von Sir Albert Howard, einem der Begründer der Wissenschaft vom ökologischen Gartenbau im Westen. Wie Howard begann Fukuoka als Laborwissenschaftler und wie dieser erkannte er bald die Begrenzungen des Laboratoriums. Howard verlagerte seine Arbeit vom Labor aufs Feld und veränderte so sein Leben. Ihm wurde bewusst, dass er seinen eigenen Rat befolgen musste, bevor er ihn anderen Leuten anbieten konnte. Fukuoka sieht seinen eigenen Weg genauso: »Schließlich beschloss ich, meinen Gedanken eine Form zu geben, sie in die Praxis umzusetzen, und so herauszubekommen, ob mein Verständnis richtig oder falsch war. Mein Leben mit Ackerbau zu verbringen … das war der Weg, auf den ich mich begab.« Und er sagt: »Anstatt hundert Erklärungen anzubieten, ist es nicht das Beste, dem Großen Weg zu folgen?« Wenn sich der Spezialist entscheidet, seinen eigenen Rat zu befolgen, und zu tun beginnt, was er predigt, durchbricht er die Mauern seiner eigenen Spezialisierung. Wir hören ihm dann intensiver zu als vorher, weil er mit Autorität spricht – nicht nur aus seinem Wissen heraus, sondern aus Wissen und Erfahrung.

Wenn Fukuoka von dem spricht, was er seine Nichts-Tun-Landwirtschaft nennt, könnten wir an Matthäus 6,26 denken: »Betrachtet die Vögel des Himmels! Sie säen nicht, sie ernten nicht, und euer himmlischer Vater ernährt sie doch.« Meiner Ansicht nach soll uns dies an unseren angemessenen Platz in der Ordnung der Dinge erinnern: Wir erschufen weder die Welt noch uns selbst. Wir leben durch Nutzung des Lebens, nicht durch dessen Erschaffung. Natürlich kann aber ein Bauer nicht ohne Arbeit leben, genau wie ein Vogel nach seiner Nahrung suchen muss. Eine Tatsache, die Fukuoka mit dem ihm eigenen Humor bestätigt: »Ich bin ein Vertreter der Nichts-Tun-Landwirtschaft, und deshalb kommen viele Leute, die denken, sie finden hier ein Utopia vor, wo man leben kann, ohne jemals aus dem Bett steigen zu müssen. Diese Leute sind dann sehr überrascht.« Fukuoka wendet sich nicht gegen die Arbeit, sondern gegen unnötige Arbeit. Menschen arbeiten manchmal mehr als nötig für Dinge, die sie sich wünschen, und manche Dinge, die sie sich wünschen, brauchen sie nicht.

»Mein Denkansatz war: Wie wäre es, dies und jenes nicht zu tun?« Das ist die lehrreiche Widerspenstigkeit von Kindern und einigen alten Leuten, sie misstrauen mit Recht einem »Intellektualismus«, der voranschreitet, ohne zu fragen »Wofür?«.

Fukuoka ist ein Wissenschaftler, der Wissenschaft gegenüber argwöhnisch ist – oder gegenüber dem, was zu oft als Wissenschaft gilt. Das bedeutet nicht, dass er unpraktisch ist oder Wissen missachtet. Sein Misstrauen resultiert in der Tat aus seiner Praxis und aus dem, was er weiß. Wie Sir Albert Howard verdammt Fukuoka die Zergliederung des Wissens durch Spezialisierung. Wie Howard möchte er sein Thema in der Gesamtheit verfolgen, und er vergisst niemals, dass die Gesamtheit sowohl das beinhaltet, was er weiß, als auch das, was er nicht weiß. Was er an den modernen Wissenschaften fürchtet, ist deren Geringschätzung von Geheimnissen, ihre Bereitschaft, das Leben darauf zu reduzieren, was darüber bekannt ist, und in der Annahme zu handeln, dass das, was sie nicht wissen, ruhig ignoriert werden kann. »Natur, wie sie von der Wissenschaft begriffen wird«, sagt er, »ist eine Natur, die zerstört worden ist. Sie ist ein Geist, der ein Skelett besitzt, aber keine Seele.« Dies lässt an ein ähnliches Misstrauen denken, das in unserer eigenen Tradition in den folgenden Zeilen von William Wordsworth zum Ausdruck kommt:

Unser aufdringlicher Intellekt

verunstaltet die schönsten Formen der Dinge –

wir morden, um zu sezieren.

Fukuokas Wissenschaft beginnt und endet in Ehrfurcht – im Bewusstsein, dass der menschliche Zugriff notwendigerweise alles herabsetzt, was er zu fassen bekommt. Es ist nicht das Wissen, so scheint er zu meinen, das uns den Sinn für das Ganze gibt, sondern die Freude, die wir nur durch Nicht-Fassen empfinden können. Wir finden Ähnliches in einigen Passagen der Bibel und bei William Blake:

Wer eine Freude festzuhalten sucht,

zerstört das beflügelte Leben.

Wer aber die Freude küsst in ihrem Flug,

lebt im Sonnenaufgang der Ewigkeit.

Es ist diese Anmut, die der Ursprung von Fukuokas landwirtschaftlichen Einsichten ist: »Wer versteht, dass man Freude und Glück in der Anstrengung verliert, sie zu besitzen, begreift das Wesen naturgemäßer Landwirtschaft.«

Und diese natürliche Landwirtschaft, deren Quelle und Mündung Ehrfurcht ist, ist durch und durch menschlich und human. Menschen arbeiten am besten, wenn sie zum Wohle des Menschen arbeiten, nicht für »höhere Produktion« oder »gesteigerte Effizienz«, die das fast ausschließliche Ziel industrieller Landwirtschaft sind. »Das oberste Ziel der Landwirtschaft«, sagt Fukuoka, »ist nicht der Anbau von Feldfrüchten, sondern die Förderung und Vervollkommnung des Menschen.« Und er spricht von Landwirtschaft als einem Weg, »hier zu sein, für ein kleines Feld zu sorgen, ganz erfüllt zu sein von der Freiheit und Vielfalt eines jeden Tages – das muss der ursprüngliche Weg der Landwirtschaft gewesen sein.« Eine Landwirtschaft, die heil ist, nährt die ganze Person, Körper und Seele. Wir leben nicht von Brot allein.

Wendell Berry (US-amerikanischer Dichter und Umweltaktivist)

Einführung

In der Nähe eines kleinen Dorfes auf der Insel Shikoku im Süden Japans hat Masanobu Fukuoka eine Methode der natürlichen Landwirtschaft entwickelt, die dazu beitragen könnte, das zerstörerische Moment moderner Landwirtschaft umzukehren. Natürliche Landwirtschaft erfordert keine Maschinen, keine Chemikalien und sehr wenig Unkrautjäten. Fukuoka pflügt die Erde nicht und nutzt auch keinen fertigen Kompost. Im Gegensatz zu den jahrhundertealten Praktiken der Bauern im Fernen Osten und überall auf der Welt setzt er seine Reisfelder während der Wachstumszeit nicht unter Wasser. Der Boden auf seinen Feldern ist seit über fünfundzwanzig Jahren ungepflügt, und doch sind die Erträge gut, sie sind mit denen der produktivsten Gegenden Japans vergleichbar. Seine Anbaumethode erfordert weniger Arbeit als irgendeine andere. Sie verschmutzt die Umwelt nicht und ist nicht auf den Verbrauch fossiler Brennstoffe angewiesen.

Als ich zum ersten Mal von Fukuoka hörte, war ich skeptisch. Wie konnte es möglich sein, jedes Jahr einfach durch Ausstreuen des Samens auf die Oberfläche eines ungepflügten Feldes Reis und Wintergetreide anzubauen? Da musste mehr dahinterstecken.

Mehrere Jahre hatte ich mit Freunden auf einer Farm in den Bergen nördlich von Kyoto gelebt. Wir wandten die traditionellen Methoden der japanischen Landwirtschaft an, um Reis, Roggen, Gerste, Sojabohnen und verschiedene Gartengemüse anzubauen. Besucher, die zu uns auf die Farm kamen, sprachen oft von der Arbeit Fukuokas. Zwar war keiner von ihnen lange genug auf dessen Farm gewesen, um Fukuokas Arbeitstechnik detailliert zu lernen, aber ihre Erzählungen machten mich neugierig.

Wann immer es unser Arbeitsplan zuließ, reiste ich in andere Teile des Landes, besuchte Farmen und Gemeinschaften und arbeitete dort auch. Auf einem dieser Ausflüge stattete ich Fukuokas Farm einen Besuch ab, um selbst etwas über die Arbeit dieses Mannes zu lernen.

Ich weiß nicht genau, wie ich ihn mir vorgestellt hatte, aber nachdem ich so viel über den großen Lehrer gehört hatte, war ich einigermaßen überrascht, dass er – wie ein ganz normaler japanischer Bauer – Stiefel und Arbeitskleidung trug. Doch sein weißer, wuscheliger Bart und seine wache, selbstbewusste Art verliehen ihm die Haltung einer höchst ungewöhnlichen Person.

Mein erster Besuch auf Fukuokas Farm dauerte einige Monate, ich arbeitete auf dem Feld und im Obstgarten. Durch die Arbeit und die abendlichen Diskussionen in den Hütten mit anderen lernenden Besuchern wurden mir die Details von Fukuokas Methode und die zugrunde liegende Philosophie allmählich klar.

Fukuokas Farm liegt an den Berghängen, von denen aus man die Bucht von Matsuyama überblicken kann. Das ist »der Berg«, wo seine Schüler leben und arbeiten. Die meisten von ihnen kommen an wie ich, mit einem Rucksack auf dem Rücken, ohne zu wissen, was sie erwartet. Sie bleiben einige Tage oder Wochen und verschwinden wieder. Es gibt aber meist eine Kerngruppe von vier bis fünf Leuten, die etwa ein Jahr bleibt. In den Jahren sind viele Leute, Männer wie Frauen, hierher gekommen, um hier zu bleiben und zu arbeiten.

Es gibt keinen modernen Komfort. Trinkwasser wird in Eimern von der Quelle geholt, die Mahlzeiten werden an einer Holzfeuerstelle bereitet, Licht geben Kerzen und Kerosinlampen. Der Berg ist reich an wilden Kräutern und Gemüsen. In den nahe gelegenen Flüssen können Fische und Schalentiere gefangen werden, und Meeresgemüse kommt aus dem einige Kilometer entfernten Binnenmeer.

Die Arbeiten variieren je nach Wetter und Jahreszeit. Der Arbeitstag beginnt etwa um 8 Uhr, die Mittagspause dauert eine Stunde (im Hochsommer zwei oder drei Stunden). Die Schüler kehren kurz vor der Dämmerung in ihre Hütten zurück. Neben den Feldarbeiten gibt es die täglichen Pflichten: Wasser holen, Feuerholz spalten, kochen, das heiße Bad vorbereiten, für die Ziegen sorgen, die Hühner füttern und ihre Eier einsammeln, sich um die Bienenstöcke kümmern, Hütten ausbessern und gelegentlich neue bauen sowie Miso (Sojapaste) und Tofu (Sojaquark) herstellen.

Fukuoka stellt jeden Monat etwas Geld für die Lebenshaltung der gesamten Gemeinschaft zur Verfügung. Das meiste davon wird für Sojasauce, Pflanzenöl und andere Dinge, die in kleinen Mengen schlecht zu produzieren sind, verwendet. Für ihre übrigen Bedürfnisse müssen sich die Schüler völlig auf ihre eigene Ernte verlassen, auf die Schätze der Gegend und auf ihre Fantasie. Fukuoka lässt seine Schüler absichtlich auf diese halbprimitive Weise leben, genau wie er selbst es seit vielen Jahren tut. Er glaubt, diese Lebensweise entwickelt die Sensibilität, die notwendig ist, um mit seiner natürlichen Methode zu arbeiten.

In der Gegend von Shikoku, wo Masanobu Fukuoka lebt, werden in den Küstenebenen Reis und an den Hängen ringsum Zitrusfrüchte angebaut. Fukuokas Farm besteht aus rund 5000 Quadratmetern Reisfelder und 5 Hektar Mandarinen- und Orangengärten. Das mag einem westlichen Bauern nicht viel erscheinen, weil aber ausschließlich traditionelles japanisches Handwerkszeug zum Einsatz kommt, macht auch die Bewirtschaftung einer so kleinen Fläche viel Arbeit.

Fukuoka arbeitet mit den Schülern im Feld und im Obstgarten, aber man weiß nie genau, wann er wo auftaucht. Er hat wohl ein Gespür dafür, dann zu erscheinen, wenn die Studenten ihn am wenigsten erwarten. Er ist ein Mensch voller Tatendrang, der immer über irgendetwas redet. Manchmal ruft er die Studenten zusammen, um über die Arbeit, die sie gerade tun, zu diskutieren, und oft zeigt er, wie die Arbeiten leichter und schneller erledigt werden können. Ein anderes Mal spricht er über den Lebenszyklus eines Unkrauts oder über eine Pilzkrankheit im Obstgarten, wobei er gelegentlich innehält, um sich zu besinnen und über seine Erfahrungen nachzudenken. Fukuoka lehrt die grundlegenden Fertigkeiten der Landwirtschaft, daneben erklärt er seine eigene Technik. Er betont, wie wichtig es ist, Werkzeuge richtig zu behandeln, und wird niemals müde, ihren Nutzen zu demonstrieren.

Hat der Neuling erwartet, »natürliche Landwirtschaft« würde bedeuten, dass die Natur den Anbau besorgt, während er herumsitzt und abwartet, so lehrt ihn Fukuoka schnell, dass er eine ganze Menge wissen und tun muss. Genau genommen sind Sammeln und Jagen die einzige »natürliche« Landwirtschaft. Der Anbau von Feldfrüchten ist eine kulturelle Neuerung, die Wissen und beharrliche Anstrengung erfordert. Der Unterschied zur normalen Landwirtschaft besteht darin, dass Fukuoka mit der Natur arbeitet, statt zu versuchen, die Natur durch Unterwerfung zu »übertreffen«.

Viele Besucher kommen nur für einen Nachmittag, und Fukuoka führt sie geduldig über die Felder. Es ist nichts Ungewöhnliches, ihn mit zehn oder fünfzehn hinter ihm herkeuchenden Besuchern den Berg hinaufgehen zu sehen. Dem war nicht immer so, als Fukuoka seine Methode entwickelte, hatte er jahrelang wenig Kontakt zu Menschen außerhalb des Dorfes.

Als junger Mann verließ Fukuoka sein ländlich geprägtes Zuhause und ging nach Yokohama, um Mikrobiologe zu werden. Er wurde Spezialist für Pflanzenkrankheiten und arbeitete einige Jahre in einem Labor als landwirtschaftlicher Berater. In dieser Zeit hatte Fukuoka – immer noch ein junger Mann von fünfundzwanzig Jahren – das Erlebnis, das der Auslöser für sein Lebenswerk und das Thema dieses Buches »Der Große Weg hat kein Tor« werden sollte. Er gab seine Arbeit auf und kehrte in sein Heimatdorf zurück, um dort die Gültigkeit seiner Ideen durch die Praxis auf seinen eigenen Feldern zu überprüfen.

Alles fing damit an, dass er eines Tages zufällig an einem Feld vorbeikam, das viele Jahre brach gelegen hatte. Dort sah er gesunde Reissämlinge durch ein Gewirr von Gräsern und Unkräutern sprießen. Von diesem Augenblick an hörte er auf, sein Feld zu bewässern, um Reis anzubauen. Er hörte auf, Reis im Frühjahr auszusäen, stattdessen säte er im Herbst direkt auf die Oberfläche des Feldes, so wie es auch in der Natur geschehen würde. Anstatt die Erde zu bearbeiten, um dem Unkraut Herr zu werden, lernte er, es mithilfe einer dauerhaften Bodenbedeckung aus Weißem Klee und einer Mulchschicht aus Reis und Gerstenstroh zu kontrollieren. Hat er einmal günstige Bedingungen für seine Feldfrüchte geschaffen, greift Fukuoka nur noch so wenig wie möglich in die Pflanzen- und Tiergemeinschaften auf seinen Feldern ein.

Da viele Leute aus dem Westen, auch Bauern, mit dem Fruchtwechsel von Reis und Wintergetreide nicht vertraut sind, und weil Fukuoka sich oft auf den Reisanbau bezieht, ist es notwendig, ein paar Worte über die traditionelle japanische Landwirtschaft zu sagen.

Ursprünglich wurde der Reissamen während des Monsuns direkt in die überfluteten Flussebenen ausgesät. Später wurde das Land terrassiert, um die Bewässerung auch nach dem Zurückweichen der jährlichen Überflutung zu gewährleisten.

Bei der traditionellen Methode, die in Japan bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges praktiziert wurde, wird der Reis in ein sorgfältig vorbereitetes Anzuchtbeet ausgesät. Darüber werden Kompost und Mist verteilt, dann wird es überflutet und gepflügt, bis es von der Konsistenz her Erbsensuppe ähnelt. Wenn die Sämlinge etwa 20 Zentimeter groß sind, werden sie von Hand auf das Feld umgepflanzt. Bei gutem Arbeitstempo kann ein erfahrener Bauer täglich etwa 1300 Quadratmeter bepflanzen. Die Arbeit wird aber fast immer arbeitsteilig von vielen Leuten getan.

Ist der Reis umgepflanzt, wird das Feld zwischen den Reihen leicht bearbeitet. Dann wird es von Hand gejätet und oft gemulcht. Drei Monate bleibt das Feld überflutet, das Wasser steht zwei Zentimeter und mehr über dem Boden. Geerntet wird mit einer Handsichel. Der Reis wird gebündelt und einige Wochen auf Holz- oder Bambusgestelle gehängt, damit er vor dem Dreschen austrocknen kann. Vom Pflanzen bis zur Ernte wird jeder Zentimeter des Feldes mindestens viermal von Hand bearbeitet. Sobald die Reisernte beendet ist, wird das Feld gepflügt, die Erde zu abgeflachten, etwa 30 Zentimeter breiten Hügeln geformt und von Entwässerungskanälen durchzogen. Die Roggensamen oder Gerstensamen werden auf die Hügel gesät und mit Erde bedeckt.

Dieser Intensivanbau war durch einen genauen Pflanzplan und die ständige Versorgung der Felder mit organischer Materie und wichtigen Nährstoffen möglich. Es ist erstaunlich, dass die japanischen Bauern mit dieser Methode jahrhundertelang ein Sommergetreide und ein Wintergetreide anbauen konnten, ohne die Bodenfruchtbarkeit zu verringern.

Obwohl Fukuoka in der traditionellen Anbauweise viele Vorteile sieht, ist sie seiner Meinung nach mit zu viel überflüssiger Arbeit verbunden. Er spricht von seinen eigenen Methoden als »Nichts-Tun-Landwirtschaft« und sagt, dass sie es sogar einem »Sonntagsgärtner« erlauben würden, Nahrung für die ganze Familie anzubauen. Das heißt nicht, dass das völlig ohne Arbeit geschafft werden könnte. Die Arbeiten auf seinem Hof sind genau eingeteilt. Was getan wird, muss richtig und mit Gefühl getan werden. Hat der Bauer einmal bestimmt, dass auf einen Stück Land Reis oder Gemüse wachsen soll, und hat er die Samen ausgestreut, muss er für den Erhalt dieses Feldes die Verantwortung übernehmen. Die Natur aufzuscheuchen und dann aufzugeben, ist schädlich und unverantwortlich.