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Beschreibung

Muslime in Europa stehen im Fokus. Sie werden beäugt, beforscht und vermessen. Von diesem geballten öffentlichen und politischen Interesse ist auch die akademische Forschung nicht ausgenommen. Der Band hält hier inne und fragt: Wer wird auf welche Weise als Muslim in den Blick genommen? Von wem und warum? Welche Fragen sind prägend und welche erkenntnistheoretischen und normativen Annahmen liegen ihnen zugrunde? Die Beiträge des Bandes beleuchten (selbst-)kritisch die Zusammenhänge von akademischem Wissen und politischem Eingriff. Denn nicht ein Mehr an Wissen über Muslime führt zu einer wirksamen Kritik an ihrer vermehrten Diskursivierung, sondern eine kritische Reflexion über die Voraussetzungen der Wissensproduktion.

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Seitenzahl: 629

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SCHIRIN AMIR-MOAZAMI (HG.)

Der inspizierte Muslim

Zur Politisierung der Islamforschung in Europa

© 2018 transcript Verlag, Bielefeld

Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Covergestaltung: Kordula Röckenhaus, Bielefeld

Coverabbildung: fotolia.com / Elnur (Detail)

Korrektorat: Björn Redecker, Bielefeld

Print-ISBN 978-3-8376-3675-8

PDF-ISBN 978-3-8394-3675-2

EPUB-ISBN 978-3-7328-3675-8

Besuchen Sie uns im Internet: http://www.transcript-verlag.de

Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis und andere Broschüren an unter: [email protected]

Inhalt

Vorwort

Einleitung

Welche Religion gilt als modern? Zur diskursiven Verknüpfung von Religion und Moderne im religionssoziologischen Diskurs

Anna Daniel

»Vom Standpunkt des Deutschtums«: Eine postkoloniale Kritik an Webers Theorie von Rasse und Ethnizität

Manuela Boatcă

Epistemologien der »muslimischen Frage« in Europa

Schirin Amir-Moazami

Die Vermessung der Muslime Ein Jahrzehnt quantitativer Forschung zu Muslimen in Westeuropa

Birgitte Schepelern Johansen und Riem Spielhaus

Jenseits des wohlgeordneten Säkularismus: Islam und Laizität in Frankreich

Frank Peter

Sicherheitswissen und Extremismus Definitionsdynamiken in der deutschen Islampolitik

Tobias Müller

Sexualitätsdispositiv Revisited Die Figuration des »Arabischen Mannes« als Abwehrfigur neoliberaler Freiheit

Gabriele Dietze

»Ist das Kopftuch unterdrückend oder emanzipatorisch?« Feldnotizen aus der Multikulturalismusdebatte

Sarah Bracke und Nadia Fadil

Säkularismus als Praxis und Herrschaft: Zur Kategorisierung von Juden und Muslimen im Kontext säkularer Wissensproduktion

Sultan Doughan und Hannah Tzuberi

Verfremdungen: Muslim_innen als pädagogische Zielgruppe

Julia Franz

Ethnographie und der Sicherheitsblick:

Vorwort

Schirin Amir-Moazami

Zu diesem Band haben eine Reihe von Personen beigetragen, denen ich an dieser Stelle herzlich danken möchte. In erster Linie bedanke ich mich bei den Beitragenden für ihre wertvollen Artikel und für ihre Bereitschaft, sich auf die Fragestellungen einzulassen. Besonderer Dank gilt hier Riem Spielhaus für die vielen anregenden Diskussionen, die letztlich einen wichtigen Anstoß für das Buch gaben. Ruth Streicher möchte ich für die äußerst bereichernde Zusammenarbeit und die vielen inspirierenden Gespräche im Rahmen unseres laufenden Projekts »Provincialising Epistemologies« danken. Patricia Piberger danke ich für die sorgfältigen Übersetzungen der meisten englischsprachigen Beiträge. Für ihr großartiges Lektorat danke ich ganz herzlich Claudia Päffgen. David Battefeld, Iman Zayat und Farid El-Ghawaby bin ich für die tatkräftige Unterstützung bei der Recherche und der Erstellung der Literaturverzeichnisse zu Dank verpflichtet. Schließlich möchte ich den Studierenden des Instituts für Islamwissenschaft der FU Berlin von Herzen danken. Ihre Wissbegier, ihre unermüdlichen kritischen Nachfragen, aber auch genereller ihre Bereitschaft, sich auf theoretisch komplizierte Texte und unbequeme Diskussionen einzulassen, sind nicht nur immer wieder bereichernd. Sie zeigen auch, dass wir uns mit kritischer Forschung auf dem richtigen Pfad bewegen.

Der Beitrag von Sarah Bracke und Nadia Fadil ist erstmals 2012 erschienen und wurde für den vorliegenden Band ohne inhaltliche Überarbeitungen aus dem Englischen übersetzt. Die Beiträge von Manuela Boatcă sowie der von Birgitte Schepelern Johannsen und Riem Spielhaus stellen inhaltlich überarbeitete Übersetzungen zuvor erschienener Artikel dar.

NACHWEISE

Boatcă, Manuela (2013): »From the Standpoint of Germanism. A Postcolonial Critique of Weber’s Theory of Race and Ethnicity«, in: Political Power and Social Theory 24, S. 55-80.

Bracke, Sarah/Fadil, Nadia (2012): »Fieldnotes from the Multicultural Debate«, in: Religion and Gender 2,1, S. 36-56.

Spielhaus, Riem/Schepelern Johansen, Birgitte (2012): »Counting Deviance. Revisiting a Decade’s Production of Surveys among Muslims in Western Europe«, in: Journal of Muslims in Europe, S. 81-112.

Einleitung

Schirin Amir-Moazami

Perhaps if we remember that the study of human experience usually has an ethical, to say nothing of a political, consequence in either the best or worst sense, we will not be indifferent to what we do as scholars.

(SAID 2005 [1978]: 327)

Beginnen wir mit einer ebenso banalen wie folgenschweren Beobachtung: Muslime1 in Europa sind im Visier. Sie werden beäugt und beobachtet. Ihre religiöse Praxis wird kontrolliert, gezähmt oder auch anerkannt. Ihre Formen des sozialen Lebens werden vermessen und archiviert. Die vermeintliche Stille – wir könnten auch sagen: Indifferenz – gegenüber religiösen Fragen in Einwanderungsdiskursen Westeuropas ist einer fast ausschließlichen Fokussierung auf den Islam gewichen. Knotenpunkt nahezu jedweder Diskussion zur Ausgestaltung religiös-kultureller Pluralität in Europa ist entsprechend die Frage nach dem legitimen oder illegitimen Ort des Islams. Von diesem geballten Interesse ist auch die akademische Forschung nicht ausgenommen. So tummeln sich Wissenschaftler unterschiedlichster Disziplinen um Muslime und versuchen, ihren inneren Wahrheiten auf den Grund zu gehen und sie zum Sprechen zu bringen. Es gibt überdies gegenwärtig kaum einen sozialwissenschaftlichen Forschungsbereich, bei dem die Verbrämung von akademischer Wissensproduktion und politischer Eingriffsoption derart offenkundig ist. So ist dieses Forschungsfeld ganz besonders gezeichnet von einem stetigen Gleiten zwischen Wissenschaft und politischer Intervention.

In diesem Stimmengewirr ist Einhalt geboten. Denn nicht unbedingt mehr verfeinertes oder besseres Wissen über den Islam oder die Muslime trägt dazu bei, den Mechanismen dieser vermehrten Diskursivierung beizukommen und zur Korrektur zu verhelfen. Eher ist es an der Zeit, über die epistemologischen und normativen Voraussetzungen der Wissensproduktion selbst nachzudenken. Aktiv am Forschungsfeld mitwirkend und durch die Diskursexplosion zugleich befangen, schlägt dieser Band daher vor, zu verweilen und bereits Gesagtes in seinen Produktionsmechanismen und -kanälen (selbst-)kritisch zu beleuchten. Damit möchten wir in erster Linie eine Änderung der Blickrichtung anregen. Das Erkenntnisinteresse wendet sich davon ab, was Muslime sagen, tun und denken hin zu den Annahmen, wer diese Muslime vermeintlich sind und was an ihnen für wissenswert erachtet und was damit zugleich ausgeblendet wird: Unter welchen Bedingungen findet diese gegenwärtige Diskursanreizung über Muslime in Europa statt? Welche Art von Fragen bringen diese Bedingungen hervor, welche verhindern sie? Und wie strukturieren die Fragen zugleich den Raum, in dem das Sprechen (un-)möglich ist? Wie zirkulieren »Fakten« in der Öffentlichkeit und gewinnen dadurch an Geltung? Welche Dilemmata ergeben sich schließlich auch und vor allem für die Forschung, die den Fragerahmen bestenfalls erkennen, nicht aber aus ihm hinaustreten kann? Dieser Fragenkomplex lässt sich auf das schlichte und doch voraussetzungsreiche Ziel herunterbrechen, die Vorannahmen sichtbar zu machen, die mit Hilfe verschiedenster wissenschaftlicher Methoden, Konzepte und ihrer jeweiligen Epistemologien in diesem Wissensfeld wirksam werden.

MACHTWISSEN

Damit betritt der Band Neuland. Zwar sind die Topoi und Mechanismen der (Miss-)Repräsentation von Muslimen in europäischen Öffentlichkeiten hinreichend kritisch in den Blick genommen worden (Schiffer 2005; Attia 2009; Shooman 2015; Cakir 2014). Diese Forschung hat vor allem die orientalistischen Deutungsmuster diskursiver Praktiken über Muslime in Europa problematisiert. Die Frage, wie öffentliche Repräsentationen von Muslimen in Europa an tiefersitzende Wissensregime geknüpft sind und welche Regierungstechniken sie hervorbringen, war bislang jedoch kaum Gegenstand wissenschaftlicher Auseinandersetzungen.2

Die hier versammelten Beiträge stellen somit einen ersten Versuch dar, den Zusammenhängen von Macht und Wissen bei der »Entdeckung« des Islams als Problem und als Ressource und damit dem Zusammenspiel von Wissensproduktion und staatlich-politischer Intervention in Europa genauer auf den Grund zu gehen. Dabei knüpfen wir vor allem an die Forschung an, die sich kritisch mit Zusammenhängen von Machttechniken und Subjektivierungen auseinandergesetzt hat (Mas 2006; Birt 2006; Peter 2008; Amir-Moazami 2011; Fadil 2011; Tezcan 2012). Diese Forschung hat vor allem deutlich gemacht, wie unschuldig anmutende Formen der Adressierung von Muslimen die angesprochenen Subjekte auf eine bestimmte Weise zum Sprechen bringen. Der Aufforderung an Muslime zum Diskurs, ihrer Anrufung und Selbstanrufung, als muslimische Subjekte zu sprechen, liegt diesen Ansätzen zufolge die von Foucault vortrefflich verdeutlichte Ambivalenz von Diskursanreizung und -verknappung zugrunde (Foucault 1993 [1972]). Diskurse unterliegen immer zugleich bestimmten Prinzipien und Mechanismen, die sie ordnen und anordnen, und sie ermöglichen damit bestimmte Subjektformen und erschweren oder verhindern zugleich andere.

Wenn eine leitende Prämisse dieses Bandes entsprechend lautet, dass es kein machtfreies Wissen gibt und dass zwischen Macht und Wissen eine intime, wenn nicht gar untrennbare Verbindung besteht, dann gilt es diesen Zusammenhängen genauer nachzugehen. Die im öffentlichen und politischen Raum gestellten Fragen beflügeln auch die akademische Wissensproduktion, wenngleich zumeist in veränderter, abgemilderter oder auch fundierter Form. Die kritische Reflexion der Zusammenhänge von Wissen und Macht sollte sich daher nicht auf bestimmte Methodologien, Disziplinen oder Formate beschränken. Sie muss vielmehr grundlegender die Frage stellen, inwieweit unterschiedlichste Formen des Wissens selbst Bestandteil von Wahrheitsregimen sind, in denen »empirische Fakten«, »belastbare Daten« und »gesicherte Wahrheiten« nicht allein politische Interventionen anleiten und befördern, sondern selbst politische Interventionen darstellen. Es ist also immer zu fragen, inwieweit Wissen produziert, was es prognostiziert.

Die hier versammelten Beiträge interessieren sich entsprechend nicht in erster Linie dafür, ob die Hypothesen, Kausalitäten und Schlussfolgerungen nun wahr oder falsch sind, sondern eher dafür, wie sie zustande kommen, welche Annahmen ihnen zugrunde liegen und welche Wahrheitsregime sie hervorbringen. Diese wissenspolitischen Zusammenhänge, so eine Grundannahme, lassen sich nicht losgelöst von Genealogien nationaler und imperialer Verflechtungen wie auch von den Vermächtnissen disziplinärer Zugänge und Zwänge begreifen. Gerade weil diese Verflechtungen komplex, kontingent und dynamisch sind, legen wir keinen vorab definierten Wissensbegriff zugrunde, der einheitlich zum Einsatz kommt. Nicht alle Beiträge interessieren sich daher ausdrücklich für die akademische Forschung, sondern weitläufiger für die Wissensbestände, die über Muslime und den Islam in öffentlichen und politischen Räumen Europas wirksam sind und welches Wissen sich durchsetzt. Dabei geht es in erster Linie darum, eingeschliffene Gewissheiten sichtbar zu machen.

QUANTIFIZIERUNG UND FAKTENSCHAFFUNG

Zu diesen eingeschliffenen Gewissheiten gehört etwa der hartnäckig aufrechterhaltene Glaube an die Verlässlichkeit von repräsentativen Zahlendaten. Die vermehrte »Quantifizierung des Sozialen« (Mau 2017) hat alle Zweifel, Wenden und Kritiken überdauert und erfreut sich auch in diesem Forschungsfeld besonderer Beliebtheit (Amir-Moazami, Kap. 3; Schepelern Johansen und Spielhaus, Kap. 4). Birgitte Schepelern Johansens und Riem Spielhaus’ Kritik (Kap. 4) an den europaweit inflationär aufkommenden quantitativen Surveys und Umfragen, in denen Muslime in verschiedenen Ländern Europas vermessen werden, veranschaulicht den Zusammenhang von wissenschaftlicher Quantifizierung und politischer Regulierung besonders gut. In Anlehnung an Ian Hacking zeigen sie, wie Zahlen mit dem Anspruch auf Repräsentativität empirische Realitäten schaffen. Die Autorinnen stellen entsprechend die Frage, wer überhaupt als Muslim zählt und wie diese Zählbarkeit begründet wird. Sie gehen überdies der Frage nach, mit welchen Kategorien die quantitative Beforschung von Muslimen in Europa erfolgt und wie sich diese Kategorien notgedrungen an politische Diskurse und Bedarfe anlehnen – Radikalisierung, Sicherheit, Integration. Ihre detaillierte Auswertung von Surveys und Statistiken macht zweierlei deutlich: Erstens werden die Kategorien »Muslim« und »Migrant« in diesen Untersuchungen nahezu austauschbar verwendet (siehe auch Brown 2000). Zweitens ist die dominante Analyseeinheit allen translokalen Dynamiken zum Trotz nach wie vor der Nationalstaat. Der unhinterfragt hergestellte Zusammenhang zwischen ethnischer Herkunft und Muslimsein auf der einen Seite und der nationalen, zugleich aber unsichtbaren Mehrheitsgesellschaft auf der anderen schreibt Muslime immerzu als außergewöhnliche Andere fort, die entlang des Integrationsparadigmas mit besonderen Bedürfnissen versehen und als besonders forschungswürdig erachtet werden.

Während die Quantifizierung des Sozialen zu einer nahezu naturalisierten und unüberschaubaren Praxis herangewachsen ist, betrifft sie längst nicht jeden einzelnen in der gleichen Weise. Der überhöhte Gebrauch von Bevölkerungsstatistiken fällt nicht zufällig mit der Geburt des Nationalstaates zusammen. Im nationalstaatlichen Rahmen wurden immer schon »außergewöhnliche« Bevölkerungsgruppen auf besondere Weise in den zählenden Blick genommen (Schepelern Johansen und Spielhaus, Kap. 4; Amir-Moazami, Kap. 3; siehe auch Supik 2014).

Wie die Zahlen politisch zum Einsatz kommen und welches Eigenleben sie erlangen, wenn sie erst einmal in die Öffentlichkeit gespült sind, lässt sich nicht immer genau nachvollziehen. Es besteht aber kein Zweifel, dass Zahlen als »verlässliche repräsentative Fakten« besonders prominent in politischen Handlungsfeldern eingesetzt werden. Es sollte uns aber vor allem die Frage umtreiben, auf welchen erkenntnistheoretischen Prämissen die Vermessungswut beruht und wie sie mit politischen Bedarfen korreliert. Ebenso wie Schepelern Johansen und Spielhaus problematisiert daher auch mein Beitrag (Kap. 3) nicht in erster Linie die Ergebnisse selbst (auch wenn sie folgenschwer sein mögen) – passfähig: ja oder nein? –, sondern vor allem die Funktionen des Quantifizierens von besonderen Bevölkerungsgruppen selbst. Ich argumentiere daher, dass die Vermessungswut mit ihren Objektivitätsansprüchen nicht zufällig ausgerechnet in diesem Forschungsfeld so prominent ist. Dass vor allem jene Forschung, die belastbare Fakten über die vermeintlich umstandslos identifizierbare Kategorie »Muslim« verspricht, trotz ihrer offenkundigen Schwächen auch in der internationalen Forschungsförderung so hoch im Kurs steht, fördert einen interessanten Widerspruch zutage: Auf der einen Seite scheint in diesem Forschungsfeld eine besondere Tugend darin zu bestehen, dem beforschten Anderen nicht zu begegnen, um Objektivität zu wahren. Auf der anderen Seite aber ist dieses Forschungsfeld nicht nur in besonderem Maße, sondern auch auf eine Art und Weise politisiert, die die ersehnte Versachlichung unmöglich macht. Der Wunsch nach Versachlichung ist vielmehr Teil des Problems. Denn hier wird der Anschein erweckt, der Politisierung sei zu entkommen, indem man zur »Sache an sich« übergeht, hier zum Wissensobjekt »Muslim«, das durch diese Art von Forschung immer zugleich hervorgebracht wird.

OBJEKT-SUBJEKT-TRENNUNG UND POSTKOLONIALE FORTSCHREIBUNGEN

Die Hegemonie positivistischer Epistemologien wird in diesem Forschungsfeld (wie zweifellos in vielen anderen auch) vor allem in der stillschweigenden Wiederaufwertung der Subjekt-Objekt-Distanz deutlich. Die Machtdurchdrungenheit trennscharfer Unterscheidungen zwischen forschendem Subjekt und beforschtem Objekt ist hinreichend und mit guten Argumenten hinterfragt worden. Feministische Kritik, postkoloniale Theorien und grundlegender die postmoderne Kritik am Universalitätsanspruch moderner Metanarrative stellen hier eine Fülle von Ansätzen bereit. Die von Sandra Harding und Donna Haraway angestoßene Debatte um situiertes Wissen etwa hat deutlich gemacht, dass Wissensproduktion weder geschlechtsneutral noch frei von anderen Zugehörigkeiten wie Klasse, Rasse oder Religion sein kann. Der »Blick aus dem Nirgendwo« (Haraway 1988) ist bei näherem Hinsehen durch das männliche, weiße, christliche und der gebildeten Mittelklasse entspringende Subjekt verkörpert. Weil dieses abstrakte Subjekt die Norm bildet, bleibt sein Universalitäts- und Eroberungsanspruch unsichtbar und unhinterfragt.3

In Ansätzen der post- oder dekolonialen Theoriebildung wurden diese Überlegungen vor allem für die Kritik an globaler asymmetrischer Wissensproduktion weiterentwickelt. Eine der Schlüsselaufgaben postkolonialer Theorieperspektiven besteht entsprechend darin, herauszuarbeiten, unter welchen Bedingungen es eurozentrische Epistemologien geschafft haben, ihre eigenen geopolitischen und biographischen Verortungen zu verschweigen und den Mythos vom abstrakten und universal gültigen Wissen erfolgreich in die Welt zu setzen (Mignolo 2009).

Postkoloniale Theorie hat außerdem aus unterschiedlichen Blickwinkeln gezeigt, dass sich die Machtasymmetrien zwischen dem globalen Norden und dem globalen Süden und damit auch zwischen »Westen« und »Orient« mit dem formalen Ende der Kolonien nicht grundlegend verändert haben. Die ungleiche Verteilung von materiellen Ressourcen betrifft dabei auch die Ressource Wissen. Wir könnten zum Beispiel fragen, warum trotz aller Unzulänglichkeiten sogenannte Orientwissenschaften bis heute überlebt haben, warum aber in den beforschten Regionen Fächer wie Christentums- oder Okzidentwissenschaften undenkbar wären. Die Theorie- und Begriffsbildung findet überdies nach wie vor in den Wissenszentren des globalen Nordens statt. Zu den fortbestehenden Privilegien der »Ersten Welt« gehört entsprechend auch zentral das Privileg, die epistemischen Ordnungen wesentlich vorzudefinieren. Dass der Islam entsprechend nach wie unter das moderne Klassifikationssystem »Religion« subsumiert wird (hierzu Daniel, Kap. 2), Muslime selbst an der Begriffsbildung jedoch kaum beteiligt sind, spricht für jene Kontinuitäten, die postkoloniale Denker seit Jahrzehnten aufzuzeigen versuchen.

Wenn wir den ausschließlichen Fokus auf Muslime als religiöse Kategorie oder überhaupt als eingrenzbares, zu beforschendes Objekt überdenken, impliziert dies in erster Linie, den Blick vom Beforschten zum Forschenden zu richten. Dies meint nicht allein ein kritisches Ins-Visier-Nehmen der eigenen Position. Es meint auch im Sinne Gadamers eine Auseinandersetzung mit den »wirkungsgeschichtlichen Horizonten« (Gadamer 1990 [1960]: 305ff.), in denen unser Wissen steht. Historisierung versteht sich hier vor allem als Praxis, die nachspürt, warum bestimmte Phänomene überhaupt zu forschungswürdigen Problemen und Fragen werden.

Wenn wir diese Historizität ernstnehmen und die Gegenwart auch in ihrer Gewordenheit begreifen wollen, so ist die gegenwärtige Wissensproduktion zum Islam in Europa nicht allein dem konkreten Forschungsgegenstand »Muslim« geschuldet. Vielmehr (re-)aktiviert sie Epistemologien, die dem Gegenstand selbst vorausgehen (Amir-Moazami, Kap. 3). Diese Prozesse sichtbar zu machen, ist gar nicht ohne weiteres möglich, weil es sich häufig um Konsense, teilweise auch um einverleibte Praktiken handelt und weil dabei auch Ökonomien am Werk sind, die mit gewachsenen disziplinären Strukturen und dem Wissenschaftsbetrieb verbunden sind. Hier wäre eigentlich die Genealogie ein geeignetes Instrument, weil sie jenseits der reinen Aussageebene von Diskursen auch die gesellschaftlichen, politischen und ökonomischen Macht- und Herrschaftsverhältnisse und -bedingungen in den Blick nimmt, die bestimmte diskursive Praktiken und damit verbundenes Wissen ermöglichen und »in seiner Gewordenheit durchschaubar und als bloß kontingente Bedingung hinterfragbar machen« (Honneth 2003: 117). Dem Anspruch, der Historizität der gegenwärtigen Wissensproduktion über Muslime und den Islam in Europa systematisch auf den Grund zu gehen, kann dieser Band zwar nicht erschöpfend gerecht werden. Wohl aber zeigen einige Beiträge mögliche Pfade auf, die andere weitergehen und breitertreten könnten.

Hierzu gehört etwa Manuela Boatcăs postkoloniale Lektüre von Max Weber. Weber postkolonial gelesen meint in diesem Fall, die Verstrickungen seiner vermeintlich abstrakten Theorien und Ansätze in imperiale Machtzusammenhänge aufzuzeigen. Boatcă verdeutlicht entsprechend die Abwesenheiten, blinden Flecken und Exklusionsgesten, die Webers klassische Analysen in der Soziologie der Ungleichheit allgemein und in der Soziologie der Ethnizität im Besonderen hinterlassen haben. Es geht bei einer solchen Übung weniger darum, Webers rassistische Denkmuster zu entlarven (siehe Zimmermann 2006). Eher ist Weber symptomatisch für einen grundsätzlichen Zwiespalt, den er selbst federführend mitprägte: dem Universalitätsanspruch von Sozialtheorie und wissenschaftlicher Neutralität auf der einen Seite und der gleichzeitigen Beförderung von nationalen, ethnischen oder rassistischen Partikularismen auf der anderen. Gerade weil Weber Neugier, analytischen Scharfsinn und eine grundsätzliche Sensibilität für Machtasymmetrien mit einer grobschlächtigen Einteilung der Welt in den zivilisierten Westen und dem rückständigen Rest verband, ist er mehr als lediglich ein beiläufiges Beispiel. An seinem Werk im historischen Kontext lassen sich letztlich grundlegende Mechanismen der wissenschaftlich vorangetriebenen Rassisierung von Minderheiten oder kolonisierten Anderen innerhalb und außerhalb des Nationalstaates auch in ihren universalistischen Spielarten aufzeigen.4 Boatcăs nachdenklicher und nachspürender Ton zeigt schließlich, wie schwer es selbst für die postkoloniale Soziologie ist, mit diesem prägenden Theoriegepäck produktiv umzugehen, ohne es unisono zu verwerfen.

Eine kritische Auseinandersetzung mit Weber und anderen Gründungsvätern sozialwissenschaftlicher Disziplinen zeigt auch, dass die kolonialen Eroberungen von Anfang an keine rein militärische oder auf materielle Ausbeutung ausgerichtete Angelegenheit waren. Vielmehr waren sie eng mit epistemologischen Eingriffen und globalen Wissensordnungen verknüpft, die bis in die Gegenwart hineinwirken (Mignolo 2009; Conrad/Randeria/Römhild 2013). Für das hier adressierte Forschungsfeld hat dies vor allem die von Edward Said angestoßene Orientalismuskritik deutlich gemacht. Said hat gezeigt, dass Orientalismus eine »distribution of geopolitical awareness into aesthetic, scholarly, economic, sociological, historical, and philological texts« ist, geprägt von »a whole series of ›interests‹ which, by such means as scholarly discovery, philological reconstruction, psychological analysis, landscape and sociological description, it not only creates but also maintains« (Said 2005 [1978]: 12, eigene Hervorhebung).

Die Orientalismuskritik blieb allerdings bei der Spezifik der wissenschaftlichen Konstruktionen religiöser Anderer lange Zeit zu allgemein. Es ist aber kein Zufall, dass die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Religion als abgrenzbarer Forschungskategorie im selben Moment an Konturen gewann, in dem auch die Kategorie der menschlichen Rassen ganze Disziplinen beflügelte und durchdrang. In ihrer Diskursanalyse zur Genese des Begriffs der »Weltreligion« hat Tomoko Masuzawa (2005) die Zusammenhänge zwischen modernen Religions- und Rassekategorien besonders deutlich herausgearbeitet. Ihre Arbeit zeigt insbesondere, wie die Konturierung moderner europäischer Religionsverständnisse durch die Religionssoziologie, Religionswissenschaft und teils auch durch die Islamwissenschaft mit der Institutionalisierung dieser Disziplinen zusammenfällt. Masuzawa verdeutlicht, wie die Einteilung der Welt in unterschiedliche Regionen und Religionen von Anfang an kein unschuldiger Akt wissenschaftlicher Objektivität war. Die Konzeptualisierung von Weltreligionen war nicht allein von früher Bibelkritik und damit zentral von der christlichen (protestantischen) Theologie inspiriert. Auch Unterteilungen in Sprachfamilien und Rassentheorien flossen maßgeblich in diese Konzeptualisierung ein. Die wissenschaftlich vorangetriebene Einteilung der Welt in entwickelte und weniger entwickelte Weltregionen fand in der Hierarchisierung von Weltreligionen eine Entsprechung.

Ähnlich arbeitet Armando Salvatore (1999) in seiner genealogischen Analyse des wissenschaftlichen Diskurses zu verschiedenen Spielarten des »politischen Islam« heraus, wie der Islam von Wissenschaftlern wie Weber und seinen islamwissenschaftlichen Verbündeten allmählich von einer komplexen ethischen Tradition zu einem Zivilisationsbegriff umgeformt wurde, der auch die Selbstverortungen von islamischen Denkern nicht unberührt ließ. Hier tun sich zentrale Zusammenhänge auf zwischen modernen Differenzkategorien wie Region, Religion, Sprache, Rasse oder Kultur und disziplinären Ordnungen. Der »Westen« wurde wissenschaftlich also im selben Moment »vom Rest« getrennt, in dem europäische Wissenschaftler »Weltwissen« sammelten, ordneten und hierarchisierten.

Die leitende Matrix war dabei in erster Linie ein protestantisches Verständnis vom Christentum als verinnerlichtem Glauben (Mazusawa 2005; Salvatore 1999; Asad 1993; 2014). Religion fiel damit im Grunde in den Bereich des Subjektiven und stellte den Gegensatz zur Natur, zum empirisch Testbaren und Faktischen dar (Schepelern Johansen 2013: 10). Die Erforschung von Religion als abgrenzbarem Untersuchungsgegenstand entstand folglich paradoxerweise im selben Moment, in dem sich Trennungspostulate zwischen Wissenschaft und Glauben bzw. zwischen Transzendenz und Immanenz durchsetzten und festschrieben. Dieses Religionsverständnis schwang zugleich als unbenannte, teils aber auch explizit vergleichende Messschablone für andere »Weltreligionen« mit. Gerade diese auch von Weber prominent mitgeprägte Vergleichspraxis hatte auch die Funktion, den modernen (christlich geprägten) Religionsbegriff als Universalkategorie zu konturieren. Wie folgenreich dies für die Erforschung »anderer Religionen« sein kann, zeigt sich sowohl, wenn dieser Religionsbegriff systematisch als Modell zugrunde gelegt wird, als auch, wenn er implizit als hegemoniales Wissen in der Alltagssprache verwurzelt ist (hierzu Bergunder 2011).

So gehört zu den vielen unhinterfragten Gewissheiten, die dieses Forschungsfeld nach wie vor prägen, auch das weitverbreitete Verständnis von Religion als verallgemeinerbare und von anderen Bereichen (Politik, Wirtschaft, Kunst etc.) trennbare Kategorie. Wie Anna Daniels (Kap. 2) kritische Befragung der Religionssoziologie zeigt, neigen vor allem Vorabdefinitionen mit Universalitätsanspruch dazu, globale soziale und ökonomische Kontexte auszublenden. Es ist bemerkenswert, dass die Religionssoziologie trotz vielfach benannter Unzulänglichkeiten bis heute zumeist an der Suche nach einem verallgemeinerbaren Religionsbegriff festhält, die Zutaten, die ihn formen, und die eigene Positionalität aber weitgehend ausklammert. So zeigt Daniel, wie selbst bei den Bemühungen um Differenzierung in neueren Ansätzen die religionssoziologischen Gründungsprämissen und ihre Universalitätsansprüche nicht auf dem Prüfstand stehen. Aller postkolonialen Kritik trotzend, werden auf diese Weise auch Säkularisierungserzählungen unbeirrt fortgeschrieben und hier vor allem das Diktum der funktionalen Differenzierung durch die wissenschaftliche Praxis fortlaufend wahrgesprochen.

Daniels grundsätzliche Kritik an den Verschränkungen von religionssoziologischen Moderne-Narrativen, modernen Religionsbegriffen und Säkularisierungsbehauptungen ist auch für das hier befragte Forschungsfeld von Relevanz. Denn die Frage, mit welchem Religionsbegriff in diesem wie in anderen Feldern operiert wird, entscheidet wesentlich über die Befunde. Selbst wenn religionssoziologische Begrifflichkeiten die Analysen nicht unbedingt immer systematisch bestimmen, so schwingt die christlich-protestantische Prägung der Religionsverständnisse doch häufig als unmarkierte Norm mit (vgl. Mavelli 2012; Anidjar 2014; Fadil/Fernando 2015; Asad 1993; 2014). Die Komplexität islamischer Diskurstraditionen auch in ihren liberal-säkularen Ausformungen können religionssoziologische Begriffsrepertoires vor allem dann nicht fassen, wenn sie diese christliche Prägung zugunsten von Abstraktion und vermeintlicher Objektivität nicht ernsthaft in den Blick nehmen.

Um die gegenwärtigen Dynamiken der Forschung zu Muslimen und dem Islam innerhalb der Grenzen Europas in ihrer Historizität zu begreifen, wäre es allerdings auch verfehlt, Wissensregime und -ordnungen schlicht als postkoloniale Fortsetzungen tradierter Wissenspraktiken zu fassen. Die gegenwärtige Beforschung von Muslimen, die durch postkoloniale oder arbeitsmarktgesteuerte Einwanderung ins Innere Europas vorgedrungen sind, entfaltet andere und zusätzliche Dynamiken. Durch die Konsolidierung von liberalen Freiheiten kommen Zusammenhänge von Mehrheits- und Minderheitskonstitutionen auf sehr viel subtilere Weise zur Geltung als zu Webers Zeiten im Moment der Nationalstaatsbildung im 19., beginnenden 20. Jahrhundert. Die Lage ist nicht nur komplizierter, weil das Andere sichtbarer, spürbarer und hörbarer in das Innere des postkolonialen Europas gerückt ist. Sie ist es auch, weil die wissenschaftliche Begründung westeuropäischer Hegemonie nicht mehr umstandslos funktioniert. Scherenschnittartige Unterteilungen und Hierarchisierungen in Völker, Kulturkreise, Rassen oder Religionen, wie sie zu Kolonialzeiten noch gang und gäbe waren, lassen sich nicht mehr umstandslos rechtfertigen. Der Nexus von Macht und Wissen impliziert nicht mehr allein Herrschaftswissen, das sich aus Überheblichkeit, Degradierung oder Paternalismus speist.

Gerade daher verwundert es, dass gegenwärtig ausgerechnet in diesem Forschungsfeld positivistische Wissensregime so dominant sind und dass sich vor allem Formate durchsetzen, die konsumierbares und politisch anwendbares Wissen versprechen und damit eingeschriebene Epistemologien auf neue Weise wirksam werden. Auffällig ist überdies, dass postkoloniale oder feministische Kritiken an universalistischen Epistemologien vor allem in Europa bislang selten den Kern der adressierten Disziplinen erreicht haben. Standpunkt-Theorie oder »situiertes Wissen« werden zumeist unter »feministischen Epistemologien« verhandelt und in die ohnehin randständigen Gender Studies ausgelagert, obwohl sie eigentlich aus dem Inneren der »Science Studies« entstanden sind. Postkoloniale Kritik hingegen hat europaweit nach wie vor nur die Außengrenzen der sozialwissenschaftlichen Disziplinen wie der Politikwissenschaft oder der Soziologie erreicht. Der harte, drittmittelstarke und dominante Kern trägt indes positivistische Wahrheitsansprüche unbeirrt weiter.

Auffällig ist auch, dass sich die islamwissenschaftliche Forschung bislang aus dem Forschungsfeld Islam in Europa weitgehend herausgehalten hat (Amir-Moazami, Kap. 3; siehe auch Tezcan 2012). Das Feld ist entsprechend von jenen sozialwissenschaftlichen Disziplinen dominiert, deren Methoden und Theorien Allgemeingültigkeit reklamieren, die aber letztlich wenig gerüstet sind, um die Spezifik islamischer Diskurstraditionen auch innerhalb liberal-säkularer europäischer Kontexte hinreichend zu verstehen. Dass Disziplinen wie etwa die Islam- oder die Religionswissenschaft in diesem Feld vergleichsweise zurückhaltend geblieben sind oder sich vorwiegend den Forschungsparadigmen anderer Disziplinen untergeordnet haben, hängt nicht allein mit dem Mangel an eigenständigen methodischen Zugriffen zusammen. Diese Zurückhaltung ist auch auf disziplinäre Grenzziehungen und Hegemonien zurückzuführen (Steinmetz 2005).5

SÄKULARE EPISTEMOLOGIEN

Die gegenwärtige Wissensproduktion zu Muslimen in Europa und genereller Kategorisierungen des Islams als anders oder als unverhältnismäßig zu inspizierende Größe muss auch in ihren säkularen Machttechniken begriffen und Säkularität damit als religionsordnende und klassifizierende Größe in den Blick genommen werden (Amir-Moazami, Kap. 3; Peter, Kap. 5; Doughan und Tzuberi, Kap. 9). Säkularisierungsnarrative wirken auch über die von Daniel analysierte religionssoziogische Wissensproduktion hinaus immer zugleich religionsproduzierend, weil sie auf Grenzziehungen zwischen dem Religiösen und Politischen, dem Glauben und der Vernunft, aber auch von Immanenz und Transzendenz beruhen (Asad 1993; Agrama 2010). Wenn in diesem Band folglich auch die säkularen Prämissen der Wissensproduktion auf dem Prüfstand stehen, so ist unter Säkularität keine ontologische Konstante zu verstehen, die Religion schlechterdings aussondert. Das Säkulare lässt sich nicht einmal auf ihre ordnungsgebenden Kräfte reduzieren (Trennung zwischen Religion und Politik, Religionsneutralität des Staates etc.). Mit unterschiedlichen Perspektivierungen verstehen wir Säkularität in diesem Band eher als eine durch moderne Wissensproduktion auf unterschiedliche Weise beförderte, aber fluide Matrix, die Religion befragt, verwaltet, zähmt und reguliert und die auf verschiedene Weise darüber bestimmt, wo die Grenzen zwischen dem Religiösen und dem Politischen zu ziehen sind. Diese Konzeption geht auch über das übliche Verständnis von Säkularität als »wohlordnende« Kategorie hinaus (Peter, Kap. 5). Mit Blick auf unterschiedliche Formen der Adressierung von Muslimen in Frankreich geht Frank Peter etwa den vielfältigen und inkonsistenten politischen Rationalitäten laizistischer Praxis im gegenwärtigen Frankreich nach. Damit bietet er auch eine alternative Interpretation zur dominanten Konzeption von Laizität als rechtlich ordnende oder den Islam und Muslime schlichtweg ausschließende Kategorie.

Die Wirkmächtigkeit säkularer Epistemologien besteht somit nicht so sehr in einer ein für alle Mal vorgegebenen Religionsnorm, als darin, dass der Rahmen der Fragen abgesteckt ist, innerhalb dessen über die (Un-)Zulässigkeit von Religiosität öffentlich verhandelt und wissenschaftlich nachgedacht wird (hierzu Agrama 2010). Besonders deutlich wird dies bei den unzähligen Auseinandersetzungen um islamische Körperpraktiken in europäischen Öffentlichkeiten. Darin treten bestimmte Fragen nahezu unausweichlich und quasi natürlich in Erscheinung, während andere gar nicht erst gestellt werden.6 Die endlosen Debatten um unterschiedliche Praktiken der Verschleierung sind hier einschlägig. Die Frage, die bedeckte Frauen immer wieder aufs Neue implizit oder explizit beantworten müssen, ist die nach dem repressiven oder emanzipatorischen Gehalt ihres Kopftuchs. Sarah Bracke und Nadia Fadil (Kap. 8) schildern vortrefflich die Funktionen derartiger Fragerahmungen. Die Autorinnen machen deutlich, dass allein die Besessenheit, mit der diese religiöse Körperpraxis in den letzten beiden Jahrzehnten in europäischen Öffentlichkeiten exzessiv diskutiert und rechtlich reguliert worden ist, das Kopftuch immer wieder zu einer außergewöhnlichen religiösen Praxis gebrandmarkt hat, die ins Kreuzverhör geraten ist. Durch diese einseitige Inspektion werden all jene genderspezifischen Körperpraktiken zugleich normalisiert, die nicht dem islamischen Register zugeordnet werden.

Mit ihrer Selbstbefragung zeigen Bracke und Fadil außerdem, wie sie sich auf zahlreichen Podien immer wieder auf die Entweder-Oder-Logik eingelassen haben. So bestätigten sie unentwegt den Fragerahmen, indem sie die Stimmen bedeckter Frauen in ein für liberale Ohren hörbares Vokabular übersetzten: Handlungsmacht (agency), freie Wahl und allgemeine Geschlechtergleichheit. Bei genauem Hinsehen durchbricht aber auch die Betonung des emanzipatorischen Gehalts des Kopftuchs nicht das Spiel von Exzeptionalisierung und Normalisierung, nun, indem auch diese religiöse Praxis normalisiert wird. Der Rahmen selbst, der die Frage hervorbringt – ist das Kopftuch repressiv oder emanzipierend? –, bleibt jedoch außerhalb der Analyse und verstetigt dabei zugleich die unbestimmte Norm. So lassen sich die stets aufflammenden Diskurse, die über islamische Köperpraktiken im öffentlichen Raum geführt werden, selbst als säkulare Praxis deuten, da sie permanent legitime von illegitimen Formen von Religionsausübung unterscheiden und damit immer auch religionsproduzierend wirken.

Dass das Kopftuch etwa für viele Frauen durchaus die verkörperte Form eines ethisch geleiteten Prinzips von Frömmigkeit und damit auch Unterwerfung unter die Autorität Gottes darstellt (hierzu Amir-Moazami 2007: Kap. 5; Jouili 2014: Kap. 4), rastet schwerlich in den liberal-säkularen Fragerahmen ein. Es ist damit auch aus dem wissenschaftlichen Begründungsrepertoire entweder verschwunden oder es fällt in die Rubrik der übermäßigen und suspekten Religiosität (hierzu Mahmood 2005). Das Gesagte wird also nicht nur stets gefiltert, sondern die Begründungen für die religiöse Praxis sind nur innerhalb eines bestimmten Diskursrepertoires lesbar – in dem Fall freie Wahl, Geschlechtergleichheit und allgemeine liberale Freiheiten (vgl. Fernando 2010).

Bracke und Fadil deuten ein grundsätzlicheres Dilemma an, mit dem vor allem Forschende in diesem Feld konfrontiert sind, die sich kritisch mit hegemonialen Diskursen über das muslimische Andere auseinandersetzen. Ein unmittelbarer Reflex auf vereinheitlichende und vorwiegend negative Diskurse über Muslime drückt sich häufig in normalisierenden Gegenthesen aus, die rasch in das Register der Apologetik fallen: »Der Islam ist friedfertig«, »die Mehrheit der Muslime ist gut integriert«, oder eben »Kopftuch tragende Frauen sind emanzipiert«. Ähnlich reagiert auch der antiessentialistische Eifer häufig auf dominante Diskurse, die dem Islam und Muslimen gemeinhin ihre Vereinbarkeit mit liberalen Freiheiten absprechen, beugt sich damit aber zugleich dem normativen Rahmen, in dem Norm und Abweichung verhandelt wird (Amir-Moazami, Kap. 3; siehe auch Salvatore/Amir-Moazami 2002). Die Schwierigkeit besteht also darin, eine analytische Sprache zu finden, die dieses Schema nicht wiederholt.

Auch in Sultan Doughans und Hannah Tzuberis (Kap. 9) Diskussion zur Beschneidungsdebatte wird deutlich, dass Muslimen, deren verkörperte Praxis derart im Visier ist, wenig Alternativen bleiben, als ihre religiöse Praxis in einer liberalen Sprache zu legitimieren. Die Beschneidungsdebatte unterscheidet sich allerdings von vielen anderen Kontroversen um islamische Körperpraktiken. Denn sie hat die oft vergessene Verbrämung von muslimischen und jüdischen Praktiken ins Gedächtnis gerufen. Zugleich hat die Befangenheit, mit der jüdische Minderheiten in Deutschland aufgrund der Nazivergangenheit adressiert werden, in diesem Fall gezeigt, dass der vermeintlich neutrale säkulare Staat mit unterschiedlichen Maßen misst. Hier hat nicht in üblicher Manier eine oberste richterliche Instanz konkurrierende Rechtsnormen abgewogen, in dem Fall Religionsfreiheit und Kindeswohl. Vielmehr hat sich der Bundestag eingeschaltet und auch mit Blick auf die deutsche Vergangenheit einstimmig zugunsten der männlichen Beschneidung entschieden.7 Doughan und Tzuberi identifizieren hier nicht nur einen Diskurs der Schuld und Scham, der ein bestimmtes Wissen über jüdische Körper als besonders verletzlich hervorgebracht hat. Sie zeigen auch, dass selbst dieses Wohlwollen auf Grenzen stößt, die sich auch hier in der Vormachtstellung positivistischer Epistemologien niederschlagen: Die religiöse Praxis lässt sich in dem Fall nur rechtfertigen, wenn sie sich gegenüber modernem medizinischen Wissen behaupten kann (siehe auch Amir-Moazami 2016). Die wissenschaftliche Erkenntnis hat Vorrang gegenüber religiöser Tradition; Praktiken der Frömmigkeit müssen sich in einer rationalen Sprache und liberalen Grammatik artikulieren können.

Um Missverständnissen vorzugreifen: Es geht in solcherlei Betrachtungen nicht etwa darum, diese liberal-säkulare Matrix als Bezugsrahmen zu verwerfen. Ebenso wenig wollen etwa Bracke und Fadil die Unterwerfung unter die Autorität Gottes, die mit der Begründung einer religiösen Ordnung einhergehen kann, zu einer authentischen muslimischen Identität verklären. Eine permanente kritische Auseinandersetzung mit dieser Matrix und ihren Wirkungsweisen ist vielmehr ein notwendiger Schritt, um die epistemologischen und normativen Bedingungen ebenso wie deren affektive Befindlichkeiten überhaupt erst einmal begreifbar zu machen, innerhalb derer Fragen nach der Ausgestaltung von Pluralität und Handlungsmacht verhandelt werden können. Die Arbeit besteht in dem Fall darin, zu begreifen, wie das stetige Ins-Visier-Nehmen bestimmter religiöser Körperpraktiken auch als Trennungspolitik funktioniert – als eine Technik des Trennens religiöser Verkörperungen von säkularen Formen der Verkörperung und damit auch als eine Technik des Sichtbarmachens des Partikularen und des Unsichtbarmachens des vorgeblich Universellen. Demnach ist auch der Appell an Muslime, ihre religiöse Praxis in einem verfügbaren liberalen Repertoire zu begründen und zu rechtfertigen, als Ausdruck von Grenzmarkierungen zu verstehen, wonach eine Gesellschaft ihre verkörperten Konturen markiert.

Die Wirkmächtigkeit säkularer Epistemologien wird auch bei der unterschiedlichen Handhabung von Karikaturen in Deutschlands Medienöffentlichkeit deutlich, die Doughan und Tzuberi in ihrem zweiten Beispiel heranziehen: Die vielfach gepriesene Meinungs- und Redefreiheit stößt hier an ihre Grenzen, die auch in diesem Fall Repertoires von Schuld und Scham wachrufen. Die von der Berliner Zeitung versehentlich abgedruckte und zuvor in rechtspopulistischen Kreisen zirkulierende Karikatur eines geldgierigen, hakennasigen Juden zieht antisemitische Register, die Deutschland überwunden zu haben meint. Die Karikatur wird entfernt, die Berliner Zeitung entschuldigt sich öffentlich. Dass der Prophet Mohammed hingegen weiterhin als Terrorist karikiert werden kann, zeigt nach Doughan und Tzuberi nicht nur die zweierlei Maße, mit denen das liberale Gut der Meinungsfreiheit faktisch gehandhabt wird. Es stellt auch die öffentlich vorangetriebene Produktion von muslimischen Körpern als grundsätzlich suspekt unter Beweis. Der verdächtige Körper wird inspiziert und durchleuchtet und zwar in erster Linie mit Hilfe von Methoden und Instrumenten, die selbst entkörperte Distanz versprechen. Auch verhilft der Blick auf den abweichenden und verdächtigen Körper des Anderen dem unmarkierten Blick von Nirgendwo zu seiner vermeintlichen Neutralität und entkörperten Universalität.

Hier sind Walter M. Mignolos (2009) Überlegungen erinnerungswürdig, der die Mechanismen der Abstrahierung der Subjektivität von moderner Wissensproduktion mit kartesischen Epistemologien des Körper-Geist-Dualismus zusammendenkt. Der im europäischen Denken entwickelte Anspruch auf eine rationale und körperlose »Nullpunkt-Epistemologie« (2009: 160) ist Mignolo zufolge nicht nur maßgeblich von einer (post-)kolonialen Machtmatrix geprägt. Er impliziert auch spezifische Körperpolitiken: »My humble claim is that geo- and body-politics of knowledge have been hidden from the self-serving interests of Western epistemology and that a task of decolonial thinking is the unveiling of epistemic silences of Western epistemology and affirming the epistemic rights of the racially devalued.« (Ebd. 162)

Der überhöhte Fokus auf die Körper der Anderen lässt sich demnach auch als Mechanismus verstehen, vermeintlich entkörperte abstrakte Ideale – Freiheit, Gleichheit, Säkularität – auf neue Weise als unmarkierte Schablone zugrunde zu legen. Für den Fall der Wissensproduktion über Muslime in Europa könnten wir entsprechend fragen, wie der Körper des muslimischen Anderen gegenwärtig erneut nicht nur die »antiseptische Forschung« (Amir-Moazami, Kap. 3) anregt, sondern wie er auch dazu dient, abstrakte Prinzipien in ihrer vermeintlichen Körperlosigkeit und Allgemeingültigkeit zu bestätigen. Säkulare Epistemologien sind entsprechend nicht ein für alle Mal fixiert. Durch die Praxis der Wiederholung werden sie aber zu Gewohnheiten und teilweise auch zu Dogmen darüber, was als wahres Wissen gilt und was nicht.

RASSISIERUNG VON RELIGION

Der muslimische Andere wird auch deshalb permanent bildhaft und in seiner massiven Körperlichkeit in Szene gesetzt, weil Religionszugehörigkeit nicht unbedingt auf Anhieb sichtbar ist. Weil Muslime nicht immer als solche identifizierbar sind, werden sie immer wieder in einer bestimmten Körperlichkeit in Szene gesetzt (Tyrer 2013: 52f.). Diese Inszenierung ist auch Bestandteil gegenwärtiger Prozesse der Rassisierung von Muslimen, deren Religionszugehörigkeit nach Herkunft sortiert und als quasinatürlich vorausgesetzt wird, ganz gleich, welche Bezüge sie selbst zum Islam haben oder ob sie sich überhaupt als Muslime definieren oder nicht. Obwohl es rassismuskritische Perspektiven ausgerechnet in Deutschland schwer haben, sich über die Ränder einzelner Fächer hinaus öffentlich Gehör zu verschaffen, hat die kritische Rassismusforschung nun damit begonnen, die augenfälligen Zusammenhänge zwischen der »Judenfrage« des 19. Jahrhunderts und der Adressierung von Muslimen als rassisierte Andere sagbar zu machen (vgl. Bunzl 2007; Meer 2012; Tyrer 2013; Shooman 2015).

Dabei werden vor allem strukturelle Mechanismen der Anderung, Besonderung, Veraußergewöhnlichung, aber auch der Einverleibung von religiösen Minderheiten in einem säkularen nationalstaatlichen Rahmen deutlich, die auch bei akademischer Forschung nicht haltmachen, sondern teilweise sogar intrinsisch von ihr mitgetragen werden. Julia Franz (Kap. 10) zeigt in ihrem Beitrag etwa, wie die pädagogische Forschung in Deutschland Eingewanderte zunächst als Kultur- und sukzessive als Religionssubjekte adressierte. Das auch in der Forschung immer erzeugte Verständnis von Kultur als ahistorische, unbewegliche Größe, die das menschliche Handeln quasinatürlich bestimmt, hat hierzulande mit dem Beginn der Arbeitsmigration einen erneuten Aufschwung erfahren. Franz arbeitet dabei differenziert die Kontinuitäten und Brüche des kulturalistischen Diskurses bis in die Gegenwart heraus. Ihr Rückblick auf die Anfänge der »Ausländerpädagogik« in Deutschland verdeutlicht, auf welche Weise die in den späten 1970er-Jahren herausgebildete These vom Kulturkonflikt mit einer engen Verbrämung von psychologischem und pädagogischem Wissen auch in der jüngeren pädagogischen Forschung zu Muslimen nachwirkt. Grob zusammenfasst wurde der »Kulturkonflikt« zum »Wertekonflikt« und die »türkische Kultur« zum »muslimischen Habitus« (Franz, Kap. 10.). Trotz vielfältiger Differenzierungen hat sich nach Franz damit in der pädagogischen Forschung ein etablierter Forschungsrahmen hartnäckig gehalten, der auf Differenz oder Integration ausgerichtet ist, die Strukturen oder Machtbedingungen für kulturelle und religiöse Pluralität aber mehrheitlich ausblendet.

Die Veraußergewöhnlichung markierter Minderheiten ist demnach strukturell bedingt und beruht auf nationalstaatlichen und religionspolitischen Regierungs- und Regulierungstechniken, zu denen auch Formen der Wissensproduktion maßgeblich zählen. Diese Mechanismen der Rassisierung lassen sich entsprechend keineswegs weder auf quantitative Methoden reduzieren noch sind sie überhaupt allein bestimmten Methoden oder Disziplinen geschuldet. Wenn wir Rassisierung auch als modernen Funktionsmechanismus nationalstaatlich gerahmter Wissensproduktion verstehen, sind Rasse und Sprache insofern intrinsisch miteinander gekoppelt, als das Bezeichnende vorgibt, welche Körper, welche Religionen oder welche Rassen erforschungsbedürftig sind und welche als unmarkierte Norm den forschenden Blick – den »conquering gaze from nowhere« (Haraway 1988) – repräsentieren.

Dieser »conquiring gaze from nowhere« manifestiert sich nicht allein in allgemeiner männlicher Hegemonie. Wenn die Frau als das markierte Andere des männlichen und die Universalitätsmerkmale festlegenden Subjekts figuriert, so sind es bestimmte, hegemoniale Männlichkeiten, die Hierarchien und Normabweichungen vorantreiben. Gabriele Dietze (Kap. 7) zeigt in ihrem Beitrag, wie die Position normabweichender Männlichkeit gegenwärtig dem braunen Mann – türkisch, arabisch oder muslimisch – zugewiesen wird. Besonders seit der Silvesternacht in Köln 2015/16 wird abweichende männliche Sexualität auf besondere Weise rassisiert (hierzu auch Mecheril/van der Haagen-Wulff 2016; Kulaçatan 2016; Messerschmidt 2016; Hark/Villa 2017). Dietze verdeutlicht, wie die daraus erwachsenden Sexualitätspolitiken Männlichkeit, Religion und Herkunftsregion koppeln und dabei auch die Regulierungen von Einwanderung informieren. Dietze zufolge wird das Sexualitätsdispositiv dabei mit neuen Formen der Rassisierung angereichert. Die Autorin argumentiert allerdings nicht allein auf der Basis gegenwärtiger Diskurse und wendet dabei Foucaults Sexualitätsdispositiv schlicht an. Eher leistet sie auch einen konzeptionellen Beitrag, indem sie Foucaults Überlegungen zu neoliberaler Gouvernementalität mit dem Sexualitätsdispositiv verschränkt und Rasse als grundlegenden Bestandteil mitdenkt, um damit die sexualpolitische Rassisierung muslimischer Männlichkeiten im Kontext Europas zu fassen.

Foucault hat bekanntlich dem Thema Rassismus im (post-)kolonialen Kontext nur begrenzt Aufmerksamkeit geschenkt (Stoler 1995; Young 1995). Die verheerenden Auswüchse von Biomacht beschreibt er erst ganz am Ende seines ersten Bandes von Sexualität und Wahrheit (1998 [1976]: Kap. 5) und dies recht allgemein im Zusammenhang mit den Mechanismen totalitärer Systeme, die die Auslöschung von Leben zugunsten der Erhaltung anderer Leben zur Folge hatten. Dietzes Historisierung macht hier deutlich, dass Rasse durch koloniale Expansionen, aber auch durch rassistische Politiken im Inneren europäischer Gesellschaften als prägender Bestandteil des von Foucault konzeptualisierten Sexualitätsdispositivs begriffen werden muss. Ihre Historisierung verdeutlicht außerdem, dass die Stigmatisierung des arabischen Mannes in Europa auf etablierte orientalistische Wissensrepertoires zurückgreift und dabei auch Züge des »auto-referentiellen Rassismus« (Dietze, Kap. 7) entfaltet.

SICHERHEITSWISSEN

Sowohl die Figur des arabischen Mannes als auch die Karikatur des gewaltaffinen Mohammed bringen auch die Problematiken des gegenwärtigen Sicherheitsdiskurses auf wirksame Weise auf den Punkt. Der Terrorkörper, im von Doughan und Tzuberi diskutierten Beispiel karikiert am blutrünstigen und bombenfreudigen Mohammed, hat eine ganze Industrie von akademischen, politischen und zivilgesellschaftlichen Wissensproduzenten auf den Plan gerufen. Genährt von terroristischen Kämpfern selbst, die sich schrill und gewalttätig Öffentlichkeit schaffen, basiert dieses Wissen heruntergebrochen auf einer simplen These: dass letztlich in jedem Muslim, der sich dem Propheten verschreibt, ein suspektes, terrorgefährdetes und schwer zu bändigendes muslimisches Subjekt schlummert, das auf einer Bombe sitzt, die jederzeit und allerorts explodieren kann. Diese Rassisierung des Verdachts (de Koning, Kap. 11) und die damit einhergehenden veralltäglichten Diffamierungen werden dann zugunsten der Meinungsfreiheit oder der Sicherheit hingenommen.

In seiner Analyse der Verfassungsschutzberichte und ihrer Thematisierung unterschiedlicher Varianten des politischen Islams spricht Werner Schiffauer (2015) in diesem Zusammenhang vom »Sicherheitswissen«. Er arbeitet heraus, wie Verfassungsschutzbehörden das Phänomen kategorisieren, kartografieren und damit sicherheitspolitisch handhabbar zu machen versuchen. Dabei gehen Sicherheitsdienste nicht nur stark komplexreduzierend vor, sondern greifen auch aktiv in das Feld ein, indem sie ihre geschaffenen Milieus mit Fakten und Daten versehen, deren Herleitung sie selten offenlegen.8 Der Sicherheitsdiskurs greift ab, was er braucht. Er verknappt und stutzt zurecht. Möglicherweise stehen auch deshalb populärwissenschaftliche Bestseller, die ein kontextfreies Islam-ABC liefern, in Sicherheitskreisen so hoch im Kurs.

Dabei ist das Sicherheitswissen in seiner Kategorisierungswut durchaus bemüht, zwischen suspekten und unbedenklichen Muslimen zu unterscheiden. Die Definitionen, wer als unbedenklich und wer als verdächtig gilt, variieren allerdings nicht nur fortwährend. Das Beispiel von Kategorisierungen wie »legalistischer Islam« zeigt darüber hinaus, dass im Grunde allein das Bekenntnis zu einer muslimischen Identität vom Verfassungsschutz als islamismusverdächtig gewertet wird. So heißt es in einem der Verfassungsschutzberichte, die »Mitglieder und Unterstützer legalistischer islamistischer Organisationen in Deutschland« strebten nach der

»Durchsetzung islamistischer Positionen im gesellschaftlichen Leben der Bundesrepublik Deutschland. Dies versuchen sie zu erreichen, indem sie die von der deutschen Rechtsordnung gewährten Freiräume dafür nutzen. Mit ihrer Betonung der eigenen muslimischen Identität bei gleichzeitiger Ablehnung der als unmoralisch angesehenen westlichen Kultur agieren diese Organisationen desintegrativ und fördern so die Bildung von Parallelgesellschaften in Deutschland. Zur Verbreitung ihrer Ideologie stellen sie entsprechende soziale und kulturelle Angebote, vor allem für muslimische Jugendliche, bereit.«9

Gerade weil Sicherheitsbehörden einerseits mit Kompaktdefinitionen arbeiten, andererseits aber äußerst vage Begriffe wie »Parallelgesellschaften«, »Integration« oder »westliche Kultur« bemühen, schaffen sie damit zugleich Fakten. Auf diese Weise wird paradoxerweise gerade mithilfe von Differenzierungen die Messlatte für den guten, gefügigen und unverdächtigen Muslim zu einer ständig schwankenden Variabel. Aus der Sicherheitsperspektive zielt die daraus hergeleitete Islampolitik folglich auch darauf ab, die Lebensgewohnheiten von Muslimen jedweder Couleur zu beäugen, weil bereits das Streben nach einem islamkonformen Lebensstil suspekt ist und als eine Stufe in der Entwicklung hin zur Sicherheitsgefahr gewertet wird. Schiffauer schlussfolgert entsprechend, dass die Differenzierungen der Verfassungsschutzbehörden letztlich »zu schwerfällig [seien], um das Phänomen der Aushandlungen zu erfassen. Dies liegt zum einen daran, dass die Kategorisierungen mit den Unterscheidungen zwar komplexer, aber nicht dynamischer werden – letztendlich wird das Kategoriensystem filigraner, bleibt aber im Prinzip starr.« (Ebd. 126)

Wie Tobias Müller (Kap. 6) in seinem Beitrag zur Deutschen Islam Konferenz (DIK) darlegt, ist auch die politische Praxis des staatlichen Dialogs mit Muslimen primär vom Sicherheitswissen geleitet. Demnach wird der Islam sowohl als Gefahr (Radikalisierung) als auch als Ressource (Integration) verhandelt. Für die in diesem beschränkten Rahmen adressierten Muslime ergeben sich daraus eine Reihe von Dilemmata: Ganz gleich, wie sehr sie selbst die Terrorgefahr ächten und fürchten, sie müssen sich permanent lauthals davon distanzieren. Ganz gleich, wie oft sie ihre Loyalität zum Verfassungsstaat bekunden, ihr Bekenntnis muss auch durch ihre Bereitschaft zum Ausdruck kommen, sich an stets variierende soziale Konventionen anzupassen (siehe Amir-Moazami, Kap. 3). In diesem Dialoggeschäft geht es daher nicht schlicht um ein institutionalisiertes Gespräch zwischen dem Staat und Muslimen. Es sind auch Ressourcen im Spiel. Da vor allem organisierte Muslime notgedrungen in die Gunst des Staates zu treten versuchen, heizt die politische Praxis des staatlichen Dialoges das Trennungsschema von kompatiblen (gefügigen und gefälligen) und nicht kompatiblen (engstirnigen und religiösen Traditionen verhafteten) Muslimen und damit auch innermuslimische Grabenkämpfe letztlich weiter an (hierzu Topolski 2017).

Noch deutlicher zeigt de Koning (Kap. 11), wie folgenreich es für die Subjekte sein kann, wenn sie das wissenschaftlich geprüfte Siegel des »Salafisten« aufgedrückt bekommen. Seine ethnografische Forschung in einer heterogenen Gruppe von Muslimen salafistischer Prägung in den Niederlanden war seit Anbeginn überschattet vom wachsenden globalen Terrorismus im Namen des Islams. Dass sich einige seiner männlichen Gesprächspartner dem Kampf terroristischer Gruppen in Syrien angeschlossen haben, lässt ein weitläufiges Umfeld zum suspekten und potenziell gefährlichen Milieu werden – darunter auch die Forschenden selbst. De Koning beschreibt eingängig seine Erfahrungen als Zeuge in einem Gerichtsprozess, in dem er zu Aussagen über seine Gesprächspartner verpflichtet war. Er veranschaulicht, wie ein bürokratischer Apparat – in dem Fall die Justiz – auf akademisches Wissen zurückgreift, es handhabbar und anwendbar macht und damit zu Faktenwissen zurechtstutzt, das sämtliche Schattierungen verliert.

Seine Ausführungen zeigen damit letztlich auch, dass sich Schiffauers Unterscheidung zwischen »akademischem« und »bürokratischem« Wissen bei genauem Hinsehen nicht aufrechterhalten lässt. Gerade im Bereich der »Islamismus-Forschung« liefert akademisches Wissen nicht nur häufig gerade jene »Fakten«, die Sicherheitsbehörden vereinfachen und zu nutzbarem Wissen verarbeiten. Die akademische Forschung ist überdies selbst nicht frei von den Fragen, die die Sicherheitsbehörden umtreiben (de Koning, Kap. 11; Müller, Kap. 6; Franz, Kap. 10). Nicht zuletzt weil sich die Forschungsförderung in diesem Bereich in besonderem Maße an politischen Bedarfen orientiert, ist akademische Wissensproduktion oft direkt an der Zulieferung für politische Entscheidungsträger beteiligt.

Gerade die akademische Forschung im Diskursfeld des »politischen Islam« kennt außerdem ihre orientalistischen Vorreiter (hierzu Salvatore 1999), die bei der Interpretation des Salafismus als »Ideologie« auch in der Gegenwart deutlich nachwirken. Die geläufige Betrachtung des Salafismus als »mehr oder weniger festgefügte Ideologie« (de Koning, Kap. 11) ist vor allem deshalb bequem, weil damit strukturelle Fragen nach institutionellem Rassismus, globaler sozialer Ungleichheit oder geopolitischen Zusammenhängen kaum noch gestellt werden müssen.

Das Sicherheitswissen umfasst schließlich auch Formate und Ansätze, die nicht allein auf direkte Gefahrenermittlung ausgerichtet sind. Ein als suspekt geltendes »muslimisches Milieu« wird auch durch fürsorglich-vorsorgliche Techniken wie Prävention, Bildung oder Dialog zum Erwachen gebracht (Peter 2008; Amir-Moazami 2011; Teczan 2012). So steht etwa Prävention derzeit vor allem in der Pädagogik mit ihrem helfenden Eifer hoch im Kurs (Franz, Kap. 10). Julia Franz zeigt, wie sich die Pädagogik wissenschaftlich wie praktisch häufig als Fürsprecherin für das Andere versteht, dieses Andere dabei jedoch immer wieder verdinglicht. Auch bei der Erhebung, Vermessung und Beseitigung von Radikalisierungspotentialen werden somit häufig »kulturelle Anlagen« identifiziert. Franz verdeutlicht schließlich, dass auch jene Forschung, die dem (muslimischen) Anderen mit ethnographischen Zugängen oder mit Methoden der Biografieforschung zu begegnen versucht, weder machtfrei noch per se unproblematisch ist. So sehr wir als Beteiligte an der akademischen (Islam-)Forschung Freiheit und Unabhängigkeit hochhalten, so sehr ist also auch unser Wissen vermachtet, so sehr sind auch unsere akademischen Freiheiten immer vermittelt, und teilweise sind sie eben auch in besonderem Maße politisiert. Diese Verstrickungen verschwinden nicht, wenn wir sie unbenannt lassen oder das Narrativ von wissenschaftlicher Unschuld weitertragen.

FORSCHUNGSETHIK

De Konings ethnografische Forschung und seine unausweichliche Involvierung in Gruppierungen, deren Ansichten seinen eigenen ethischen Vorstellungen widersprachen, deren Sorgen als marginalisierte und stigmatisierte Minderheit er jedoch nachvollziehen konnte, adressiert auch forschungsethische Dilemmata. Sein Navigieren zeigt zugleich, dass es kaum eine wirklich zufriedenstellende Antwort auf die Frage gibt, was es bedeutet, bei der Forschung an die Grenzen der Empathie zu stoßen. Während hier also wissenschaftliche Distanz eigentlich dringend angebracht wäre, verdeutlicht sein Beispiel, dass sie um Grunde unmöglich ist. Mit seiner reflexiven Auseinandersetzung thematisiert de Koning zugleich eine grundsätzlichere Spannung ethnografischer Zugänge: Diese Art von Forschung macht soziale Beziehungen unabdingbar. Diese Beziehungen sind jedoch immer heikel, und zwar nicht nur dann, wenn die Gesprächspartner den eigenen ethischen Vorstellungen zuwiderhandeln. Jedes quasifreundschaftliche Verhältnis, das sich in ethnografischen Forschungsprozessen aufbaut, steht spätestens dann zur Disposition, wenn die Ergebnisse gedruckt und der vertraute, umgangssprachliche Ton in eine akademische Sprache übersetzt wurde (vgl. Brettell 1993). Ein letztes Mal: Solche Dilemmata lassen sich aber nicht durch falsche Objektivitätsansprüche oder durch »antiseptische Forschung« (Amir-Moazami, Kap. 3) wegschreiben. Die kritische Reflexion über die eigene Positionalität und die Machtverwobenheit von Forschung sollte eher Kernbestand einer jeden methodologischen Reflexion sein.

Es geht in diesem Band folglich auch um die Zwangslagen, in denen wir uns selbst als am Diskurs beteiligte Wissenschaftler befinden. Der hier unterbreitete Vorschlag, die Blickrichtung zu wenden und einverleibte Forschungsprämissen zu hinterfragen, impliziert immer auch eine Selbstbefragung: Wie tragen wir selbst zur Veraußergewöhnlichung oder Normalisierung von Muslimen in Europa bei – etwa indem wir auf die finanziellen Anreize der staatlichen Forschungsförderung anspringen, indem wir Fragen stellen, die hegemoniale Fragerahmungen reproduzieren, oder indem wir vorgeben, unbeteiligte Beobachter im weißen Kittel zu sein, deren eigene Befindlichkeiten und epistemologischen Vorannahmen im Forschungsprozess ausgeblendet werden könnten.

Die Beiträge in diesem Band liefern daher keine Patentrezepte, wie diesen Schwierigkeiten zu entkommen ist. Eher machen sie sie zum Bestandteil der Auseinandersetzung, indem sie die quasinatürlichen Konsense hinterfragen, die bestimmte Fragen ermöglichen und andere verdrängen, und die ein im Grunde partikulares (und nicht universelles) epistemologisches Werkzeug bereitstellen. Wenn damit auch grundlegender moderne Fundamente der Wissensproduktion und ihre Vermachtungen auf dem Prüfstand stehen, so bedeutet das keineswegs, dass wir hinaustreten und damit erneut einen Blick aus dem Nirgendwo beanspruchen könnten. Gerade weil wir es hier mit eingeschriebenen Epistemologien zu tun haben, wird bei einem solchen Blickwechsel zu keiner Zeit eine authentische, nichtkontaminierte muslimische Stimme in Erscheinung treten können. Im Sinne einer Kritik als Verschiebung wäre abschließend programmatisch anzuregen, in diesem Forschungsfeld Ansätze spürbarer, hörbarer und sichtbarer einzupflegen, die islamische Diskurstraditionen und Praktiken nicht schlicht als Bestätigung oder Negierung bereits vorhandener Begriffs- und Methodenrepertoires heranziehen, sondern sie auch für die Theoriebildung als Wissensbestände ernstnehmen.

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INTERNETSEITEN

www.verfassungsschutz.de/embed/faltblatt-2014-07-jugend-und-jihad.pdf

1 | Mit Nennung der männlichen Funktionsbezeichnung ist in diesem Beitrag, sofern nicht anders gekennzeichnet, immer auch die weibliche Form mitgemeint.

2 | Für erste, aber nicht weitergeführte Versuche siehe Amiraux 2004; Brown 2000; Sunier 2012a; 2012b; Brubaker 2013.

3 | Für einen guten Überblick zur Debatte zwischen Harding und Haraway und zur weiteren Entwicklung feministischer Epistemologien siehe Code 2014.

4 | Die Unterschiede zwischen universalistischen und differenzorientierten Formen des Rassismus haben Étienne Balibar und Immanuel Wallerstein (1992 [1988]) besonders überzeugend herausgearbeitet.

5 | Die wirksamste Kritik an diesen globalen Wissenshegemonien kam von Wissenschaftlern des Globalen Südens, vor allem aus Lateinamerika und Indien, und hat auch die entsprechenden Disziplinen (Südamerika- oder Südasienstudien) entsprechend aufgerüttelt (siehe Steinmetz 2005: 5). Dasselbe Maß an Selbstkritik und Reflexivität lässt sich zumindest im deutschsprachigen Raum bei den Nachfolgedisziplinen der »Orientwissenschaften« nicht vorfinden. Obwohl die Orientalismuskritik zum Kanon dieser Fächer gehört, hat sie die Forschungsweisen nicht grundlegend verändert.

6 | Zu diesen geläufigen Fragen zählen etwa: »Ist männliche Beschneidung noch zeitgemäß? Ist es medizinisch vertretbar? Ließe sich das Ritual durch einen symbolischen Akt wie den der Taufe ersetzen? Könnten Muslime ihre Gebete nicht zusammenfassen? Ist es nötig, fünfmal täglich zu beten? Widerspricht die Halal-Schächtung dem Tierschutz? Ist die Verweigerung des Händeschüttelns ein Akt der Diskreditierung von Frauen?« etc.

7 | Hier zeigen sich auch interessante Analogien zu Shai Lavis (2009) Diskussion der rechtlichen Entscheidungen und Begründungen zur rituellen Schächtung von Juden im 19. und Muslimen in 20. Jahrhundert in Deutschland auf. Lavi arbeitet heraus, wie die Rechtsprechung einerseits nach 1945 mit Schuldbekenntnissen gegenüber Juden das Schächten erlaubte, Muslimen das Recht andererseits mit dem Argument absprach, dass es sich um keine religiös verbindliche Praxis handele. Die rechtlichen und politischen Diskussionen um das rituelle Schächten haben Lavi zufolge vor allem dazu beigetragen, zuvor uneindeutige Zuordnungen als zusammenfassbare (jüdische bzw. muslimische) »Minderheiten« zu klassifizieren, die ihre religiöse Praxis mit Rückgriff auf ein im Verlauf des 19., beginnenden 20. Jahrhunderts klar konturiertes Religionsverständnis begründen mussten.

8 | Didier Bigo (2002) hat bereits für die frühen 2000er Jahre herausgearbeitet, dass Sicherheitsregime, die auf Regulierung von Einwanderung ausgerichtet sind, mit recht eigenständigen Logiken agieren – häufig auch unabhängig davon, wie viel »Faktenwissen« etwa in Form von Wahrscheinlichkeitsberechnungen u.ä. bereitgestellt wird (siehe auch Bigo/Tsoukala 2008).

9 | www.verfassungsschutz.de/embed/faltblatt-2014-07-jugend-und-jihad.pdf

Welche Religion gilt als modern?Zur diskursiven Verknüpfung von Religion und Moderne im religionssoziologischen Diskurs1

Anna Daniel

In den letzten beiden Jahrzehnten ist Religion wieder zu einem viel beachteten Thema in Wissenschaft und Öffentlichkeit geworden. In der soziologischen Diskussion befassen sich neben einschlägigen religionssoziologischen Arbeiten wie etwa Martin Riesebrodts Die Rückkehr der Religionen (2000), Volkhard Krechs Götterdämmerung – auf der Suche nach Religion (2003), Hubert Knoblauch Populäre Religion – auf dem Weg in eine spirituelle Gesellschaft