Der kleine Taschenpsychologe - Adrian Urban - E-Book

Der kleine Taschenpsychologe E-Book

Adrian Urban

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Beschreibung

Der kleine Taschenpsychologe beschäftigt sich mit den wichtigsten Gründergestalten der Psychotherapie, stellt in Kurzform Leben, Ideen und Werk vor und beschäftigt sich auch mit der Frage, wie sich das jeweilige Gedankengebäude bis in die Gegenwart auf die Gesellschaft und auf die Behandlung seelischer Störungen ausgewirkt hat. Ein paar der vorgestellten Persönlichkeiten, etwa Sigmund Freud oder C. G. Jung, durften auf keinen Fall fehlen, bei anderen hat meine Auswahl durchaus subjektive Anteile. Einige Gründergestalten musste ich weglassen, und das gilt ebenso für etliche Forscherinnen und Forscher, die sich mit den verschiedenen wissenschaftlichen Aspekten der Psychologie beschäftigt haben, ohne eine Therapieform zu begründen. Aus Platzgründen konnte all dies hier leider nicht berücksichtigt werden. Vielen Leserinnen und Lesern wird auffallen, dass vergleichsweise wenige Frauen vorgestellt werden. Das hat mit dem Umstand zu tun, dass es im psychotherapeutischen Bereich deutlich mehr „Gründerväter“ als „Gründermütter“ gibt, obwohl dieses Berufsbild von vielen hervorragenden Therapeutinnen, Forscherinnen und Autorinnen geprägt wurde und bis heute geprägt wird. Sicherlich ist dieses Missverhältnis der Tatsache geschuldet, dass es für Frauen in der Zeit, in der die wichtigen „Therapieschulen“ entstanden, also vom Ende des 19. bis in die 60er Jahre des 20. Jahrhunderts, noch schwieriger war als heute, Karriere zu machen, Führungspositionen einzunehmen und bekannt zu werden. Auf jeden Fall hoffe ich, die Neugier meiner Leserinnen und Leser auf die Lebensgeschichten einiger ungewöhnlicher Persönlichkeiten zu wecken, aus denen manch ein Ansatz und manch ein Gedanke hervorging, der uns vielleicht auch heute noch etwas sagen kann.

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Seitenzahl: 127

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Adrian Urban

Der kleine TaschenpsychologeVon Freud bis Watzlawick

Impressum

E-Book-Ausgabe 2015

© 2015 Open Publishing Rights GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Covergestaltung: Talos Media Services, Hamburg

Titelbild: http://pixabay.com/de/brille-fluke-angel-therapie-415258/

ISBN978-3-95912-034-0

Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1) Tiefenpsychologische Ansätze: Die Macht des Unbewussten

Sigmund Freud: Triebe und Ängste beherrschen den Menschen (Psychoanalyse)

Carl Gustav Jung: Von Komplexen und Archetypen (Analytische Psychologie)

Alfred Adler: Machtstreben und Ohnmachtsgefühle (Individualpsychologie)

Anna Freud: Unterstützung beim Nachreifen (Psychoanalyse bei Kindern)

Tiefenpsychologische Therapieformen gestern und heute

2) Lernpsychologische Ansätze: Orientierung an den Naturwissenschaften

Iwan P. Pawlow: Von Hunden und Menschen (Klassische Konditionierung)

Burrhus F. Skinner: Von unerwünschten zu erwünschten Verhaltensweisen kommen (Operante Konditionierung)

Aaron T. Beck: Systematisch aus dem seelischen Tief herausfinden (Kognitive Verhaltenstherapie bei Depression)

Verhaltenstherapeutische Therapieformen gestern und heute

3) Humanistische, hypnotherapeutische und körperorientierte Ansätze: Aufbruch zu neuen Ufern

Carl Rogers: Der Klient weiß selbst am besten, was ihm hilft (Gesprächspsychotherapie)

Jakob L. Moreno: In verschiedene Rollen schlüpfen (Psychodrama)

Fritz Perls: Freundliche Provokationen und andere Experimente (Gestalttherapie)

Milton Erickson: Das Unbewusste ansprechen (Hypnotherapie)

Wilhelm Reich: Heilung über die physiologische Ebene (Körpertherapie)

Humanistische, hypnotherapeutische und körperorientierte Therapieformen gestern und heute

4) Familientherapeutische Ansätze und paradoxe Methoden: Das ganze System steht im Mittelpunkt

Virginia Satir: Allen Familienmitgliedern hilfreich zur Seite stehen (Wachstumsorientierte Familientherapie)

Mara Selvini Palazzoli: Heilsame Verwirrung stiften (Strategische Familientherapie)

Paul Watzlawick: Kommunikationsregeln und die Wahrnehmung der Welt (Konstruktivismus)

Familientherapeutische Therapieformen gestern und heute

Zum Weiterlesen

Einleitung

Der kleine Taschenpsychologe beschäftigt sich mit den wichtigsten Gründergestalten der Psychotherapie, stellt in Kurzform Leben, Ideen und Werk vor und beschäftigt sich auch mit der Frage, wie sich das jeweilige Gedankengebäude bis in die Gegenwart auf die Gesellschaft und auf die Behandlung seelischer Störungen ausgewirkt hat.

Ein paar der vorgestellten Persönlichkeiten, etwa Sigmund Freud oder C. G. Jung, durften auf keinen Fall fehlen, bei anderen hat meine Auswahl durchaus subjektive Anteile. Einige Gründergestalten musste ich weglassen, und das gilt ebenso für etliche Forscherinnen und Forscher, die sich mit den verschiedenen wissenschaftlichen Aspekten der Psychologie beschäftigt haben, ohne eine Therapieform zu begründen. Aus Platzgründen konnte all dies hier leider nicht berücksichtigt werden.

Vielen Leserinnen und Lesern wird auffallen, dass vergleichsweise wenige Frauen vorgestellt werden. Das hat mit dem Umstand zu tun, dass es im psychotherapeutischen Bereich deutlich mehr „Gründerväter“ als „Gründermütter“ gibt, obwohl dieses Berufsbild von vielen hervorragenden Therapeutinnen, Forscherinnen und Autorinnen geprägt wurde und bis heute geprägt wird.

Sicherlich ist dieses Missverhältnis der Tatsache geschuldet, dass es für Frauen in der Zeit, in der die wichtigen „Therapieschulen“ entstanden, also vom Ende des 19. bis in die 60er Jahre des 20. Jahrhunderts, noch schwieriger war als heute, Karriere zu machen, Führungspositionen einzunehmen und bekannt zu werden.

Auf jeden Fall hoffe ich, die Neugier meiner Leserinnen und Leser auf die Lebensgeschichten einiger ungewöhnlicher Persönlichkeiten zu wecken, aus denen manch ein Ansatz und manch ein Gedanke hervorging, der uns vielleicht auch heute noch etwas sagen kann.

1) Tiefenpsychologische Ansätze: Die Macht des Unbewussten

Zunächst werden die historisch frühesten modernen Therapieformen beschrieben, beginnend mit den Theorien und Forschungen des „Vaters der Psychoanalyse“, Sigmund Freud, Ende des 19. Jahrhunderts. Einige seiner ehemaligen Mitarbeiter haben eigene, mehr oder weniger tiefenpsychologische Richtungen entwickelt, von denen die wichtigsten ebenfalls dargestellt werden.

Meistens steht die Bewältigung von Problemen und Konflikten aus der Vergangenheit des Patienten im Zentrum. Die Erfahrungen der früheren Kindheit gelten oft als besonders wichtig, und neben bewussten Erkenntnissen sind die unbewussten Prozesse beim Klienten entscheidend für den Behandlungserfolg.

Sigmund Freud: Triebe und Ängste beherrschen den Menschen (Psychoanalyse)

Sein Leben

Sigmund Freud, der bis heute bekannteste Psychotherapieschulengründer, wurde 1856 als ältestes Kind seiner Eltern im heutigen Tschechien geboren und lebte die meiste Zeit in Wien. Er wuchs mit zwei Halbbrüdern und sechs leiblichen Geschwistern auf und war, wie es hieß, der Liebling seiner Mutter. Ursprünglich hieß er Sigismund, bis er 1878 seinen Vornamen ändern ließ.

Es wird berichtet, dass Freud als Junge davon träumte, später einmal ein General oder ein berühmter Minister zu sein. Doch als Erwachsener war ihm, dem säkularen Juden, klar, dass die höheren militärischen und politischen Kreise in Österreich oft stark antisemitisch und nationalistisch dachten. Hier hätte er keine beruflichen Chancen gehabt. Stattdessen studierte Freud Medizin, denn er hoffte, dass diese Kreise weniger anfällig für rechte Ideologien seien.

Als Medizinstudent, während der Jahre 1873 bis 1881, beschäftigte sich Sigmund Freud mit den Arbeiten des damals bekannten Physiologen Ernst Brücke, der davon ausging, dass der Mensch ein dynamisches, ausschließlich materielles System ist, das nach dem Prinzip der Erhaltung von Energie funktioniert. Diese Theorie machte Freud später zur Grundlage seiner Ideen darüber, was den Menschen ausmacht, was ihn antreibt und was ihn häufig davon abhält, seinen Trieben zu folgen.

Nach seiner Promotion arbeitet Freud ab 1882 als Arzt im Krankenhaus. 1885 beeindrucken ihn während eines einjährigen Studienaufenthalts bei dem berühmten Mediziner Jean M. Charcot (1825 – 1893) in Paris Schicksale von Patienten mit seelischen Erkrankungen ohne organischen Befund.

In der sinnesfeindlichen spätviktorianischen Zeit Ende des 19. Jahrhunderts traten besonders viele charakteristische seelische Störungen auf, die man unter dem Begriff „Hysterie“ zusammenfasste. Ein seinerzeit aktuelles Beispiel wäre ein junges Mädchen, das jedes Mal wenn es eine sexuelle Phantasie hat, ohnmächtig zusammenbricht. Der Konflikt zwischen dem erotischen Wunsch und dem Verbot solcher Bedürfnisse im ausgehenden 19. Jahrhundert, so erklärt es Freuds Psychoanalyse, wird durch die „Übersetzung“ in einen kranken körperlichen Zustand entschärft. Außerdem empfindet die Umgebung des Mädchens nach dem Zusammenbruch wahrscheinlich Mitgefühl und unterstützt es.

Bei der Therapie solcher Störungen erwies sich Hypnose, durchgeführt von einem erfahrenen Hypnotiseur, als relativ wirksam. Zunächst übernahm Freud vieles aus der Hypnosetherapie Charcots für die eigene neue Behandlungsform der Psychoanalyse, später wandte er sich eher davon ab. Er hielt es für sinnvoller, dass seine Patienten ihre Konflikte aktiv durcharbeiten, als dass ihnen jemand, etwa ein Hypnotiseur, die Probleme gleichsam wegsuggeriert.

Seit 1885 arbeitete Sigmund Freud zudem als Dozent für Neuropathologie. Von 1886 bis 1897 leitete er die neurologische Abteilung eines Kinderkrankenhauses, ab 1902 war er Professor an der Universität von Wien.

Zunächst betrieb er hirnanatomische Forschungen und entdeckte die schmerzbetäubende Wirkung des Kokains. Den Gebrauch dieses Rauschmittels empfahl er unverantwortlich lange, bis er selbst ein Drogenproblem hatte und schließlich, nach dessen Bewältigung, einräumen musste, dass regelmäßiger Kokainkonsum eine Vielzahl negativer Folgen mit sich bringt. Heute ist bekannt, dass dazu seelische Abhängigkeiten, Wahnzustände und Organschädigungen gehören können.

In Wien eröffnet Freud schließlich eine Praxis, in der er die in den letzten Jahren theoretisch formulierte Lehre der Psychoanalyse praktisch anwendet. Dem war eine sogenannte Eigenanalyse vorangegangen, die Sigmund Freud, da es in dem neuentwickelten Verfahren noch keine versierten Kollegen gab, bei sich selbst durchführen musste. Hier ging es um eine jahrelange Selbsterfahrungsphase, die noch heute den vielleicht wichtigsten Teil der Analytikerausbildung ausmacht und in allen späteren Fällen bei einem psychoanalytisch geschulten Supervisor stattfinden würde, was dem Ausbildungskandidaten dabei helfen sollte, die Ursachen für seine eigenen seelischen Probleme zu erkennen und, wenn möglich, therapeutisch aufzulösen. Freud hingegen lag damals sozusagen bei sich selbst auf der Couch.

Parallel dazu veröffentlichte er eine Vielzahl von Studien, Artikeln und Büchern, in denen er seine Weltsicht beschrieb. Sein möglicherweise berühmtestes Buch ist „Traumdeutung“, das er eigentlich 1899 veröffentlicht hatte, aber aus Gründen des Effekts auf das Jahr 1900 vordatierte. In ihm beschreibt Sigmund Freud, welche Wege das Unbewusste gehen kann, um Wünsche, Ängste und Konflikte auszudrücken und deren wahren Kern gleichzeitig zu verhüllen.

Einmal stellt sich Freud in eine Reihe mit Kopernikus, der mit der Illusion aufräumte, die Erde sei der Mittelpunkt des Sonnensystems, und mit Darwin, der die Menschheit der Vorstellung beraubte, die Welt sei innerhalb von einigen Tagen aus dem Nichts geschaffen worden, wie es verschiedene Religionen formuliert haben. Er selbst, so Freud, habe mit der Idee aufgeräumt, der Mensch sei kraft seines freien Willens „Herr im eigenen Haus“, wo doch in Wirklichkeit das Unbewusste die wichtigsten Vorgänge innerhalb und zwischen den Individuen steuere. Bescheidenheit galt nicht als eine von Freuds bemerkenswerten Persönlichkeitseigenschaften, auch wenn er kein General oder Minister geworden war.

1902 hatte er die Psychologische Mittwochs-Gesellschaft in Wien gegründet, deren Mitglieder sich Mitte der Woche trafen und sowohl das Welterklärungsmodell als auch die Therapieform der Psychoanalyse weiterentwickeln wollten. Dieser Zirkel sollte 1908 in einem Verein mit dem Namen „Wiener Psychoanalytische Vereinigung“ aufgehen, 1910 global erweitert zur Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung.

In den verschiedenen Gesellschaften erinnerte Freuds Vorgehensweise bei Auseinandersetzungen mit den Kollegen, bei Konflikten, die sich zumeist an Abweichungen von der reinen Lehre der Psychoanalyse festmachten, tatsächlich ein wenig an einen General, der unbotmäßige Untergebene am liebsten herauswirft und sich gerne mit bedingungslosen Anhängern umgibt: Innerhalb weniger Jahre waren Freuds möglicherweise brillanteste Schüler, C. G. Jung, Alfred Adler und Wilhelm Reich, nicht mehr Mitglied der psychoanalytischen Vereinigungen.

Neben der rasanten Verbreitung seiner Lehre musste Sigmund Freud auch mehrere Schicksalsschläge hinnehmen, wie den Verlust sämtlicher Ersparnisse durch die Folgen des Ersten Weltkriegs (1919) und den Tod einer Tochter, die 1920 schon im Alter von 26 Jahren starb. Gegenüber seinen sechs Kindern soll Freud sehr liebevoll gewesen sein, und die jüngste Tochter, Anna, trat sogar in seine Fußstapfen und wurde selbst eine berühmte Theoretikerin und Psychotherapeutin.

1933 verbrannten die Nazis in Deutschland Freuds Bücher, was neben seiner jüdischen Herkunft auch mit dem Umstand zu tun hatte, dass den Rechtsextremisten seine emanzipatorischen Ideen und die Feststellung aggressiver und sexueller Motive hinter allem, was ein Mensch vorgibt, für einen anderen, für ein Volk oder eine Gemeinschaft zu tun, nicht geheuer waren. Um den Preis der Kollaboration mit dem NS-Regime ließ man dennoch die Deutsche Psychoanalytische Gesellschaft im Reich fortbestehen, die 1935 willig ihre jüdischen Mitglieder ausschloss und bald in der Bedeutungslosigkeit endete.

Freud floh mit seiner Familie 1938 nach London, nachdem seine Arbeitsbedingungen immer schlechter geworden waren und die SA seine Wohnung durchsucht hatte. Während der letzten Lebensjahre setzte der Begründer der Psychoanalyse trotz chronischer Krebsschmerzen seine publizistischen und therapeutischen Tätigkeiten fast bis zuletzt fort. Sigmund Freud erlag 1939 im Alter von 83 Jahren einem Mundkrebsleiden, wenige Wochen nach Beginn des Zweiten Weltkriegs.

Menschenbild, wichtige Ideen und ihre Auswirkungen

Sigmund Freuds Persönlichkeitstheorie entspricht ihrem Erfinder im Pessimismus, der ihr zugrunde liegt. Einmal schrieb er: „Die Absicht, dass der Mensch glücklich sei, ist im Plan der Schöpfung nicht enthalten.“ Das Beste, was jemand für sich erreichen könne, ob durch eine Psychoanalyse oder auf andere Weise, sei es, irgendwann liebes- und arbeitsfähig zu sein.

Die Freudsche Psychoanalyse basiert auf der Idee, dass der Mensch ein Energiesystem ist. Die seelische Energie kann frei fließen, aber auch auf einen Nebenstrang geschoben oder an einer bestimmten Stelle aufgestaut werden. Wenn seelische Energie zu einem speziellen Zweck eingesetzt wird, steht davon für andere Bereiche weniger zur Verfügung. Menschliches Verhalten ist grundsätzlich rückführbar auf gemeinsame sexuelle oder aggressive Energieformen.

Innere Motive richten sich hier auf das Erleben von Lust, beschrieben als eine Verringerung von Spannung bei gleichzeitiger Freisetzung von Energie. Diese Lustenergie nennt Freud „Libido“. Später, nach den schlimmen Erfahrungen im und nach dem Ersten Weltkrieg, ging Freud davon aus, dass es außerdem noch einen Destruktions- oder Todestrieb gebe, den er mit dem Namen „Thanatos“ versah.

In dieser Sichtweise wird der Mensch von sexuellen und aggressiven Trieben beherrscht. Er strebt zunächst eine Übereinstimmung mit dem sogenannten Lustprinzip an, das sich an einer uneingeschränkten Befriedigung der eigenen Wünsche orientiert. Die entsprechende innere Instanz, der entsprechende Persönlichkeitsaspekt wird von Freud „Es“ genannt.

Hemmungslos lustorientierte Verhaltensweisen widersprechen jedoch im Allgemeinen den Anforderungen der Außenwelt bei Erwachsenen und den Erwartungen der Eltern bei kleinen Kindern. Diesen Gegenpol zum Es bezeichnete Freud mit dem Begriff „Über-Ich“. Hierbei geht es um eine Instanz, die normalerweise mit Schuldgefühlen und Schuldgedanken auf jeden Wunsch nach einer Missachtung der gesellschaftlichen Richtlinien reagiert.

Die Vermittlung zwischen Es und Über-Ich obliegt einer dritten Instanz, dem „Ich“. Während das Es nach dem Lustprinzip funktioniert, entspricht das Ich dem sogenannten Realitätsprinzip, einer Haltung, die unsere Träume an der Wirklichkeit misst und sie daran anpassen will. Zwischen den Wünschen des Es und den Ge- oder Verboten des Über-Ich versuchen wir also nach Freud im Laufe des Erwachsenwerdens unser Ich aufzubauen, was uns, je nachdem wie neurotisch wir sind, mehr oder weniger gut gelingt.

Psychische Schwierigkeiten entstehen nach Freud, wenn die Wünsche des Es so stark mit den Forderungen des Über-Ichs kollidieren, dass die seelische Energie in unbefriedigender Weise abgebremst und sozusagen in eine Sackgasse umgeleitet wird. Es gibt eine ganze Palette neurotischer Abwehrmechanismen, die dazu beitragen, das unterdrückte Bedürfnis (bzw. die Angst davor) kaum noch wahrzunehmen oder die entsprechenden Gefühle in ungefährlichere Bahnen zu lenken.

Zu diesen Abwehrmechanismen gehört zum Beispiel die Rationalisierung. Hier redet sich jemand seine wirklichen Bedürfnisse aus, indem er sie rational rechtfertigt. Wer im übertragenen Sinn nicht an die Trauben, die zu hoch für ihn wachsen, herankommt, kann sich zum Beispiel vor dem Gefühl, versagt zu haben, dadurch schützen, indem er sich klar macht, dass die Trauben so sauer gewesen wären, dass sie ihm sowieso nicht geschmeckt hätten.

Ein anderer Abwehrmechanismus ist die Verleugnung. Hier schützt man sich vor einer kaum erträglichen Wirklichkeit, indem man sie, zumindest kurzfristig, ableugnet. Der Ausruf „Das darf doch nicht wahr sein“ verdeutlicht diese Haltung.

Ein drittes und besonders wichtiges Beispiel für die Vielzahl von Abwehrmechanismen, die Freud und seine Schüler gefunden haben, ist die Verdrängung. Das, was für mein Ich nicht zu ertragen ist, vielleicht ein Trauma, das ich irgendwann erlitten habe, oder etwas, das in mir starke Schuldgefühle auslöst, „vergesse“ ich, indem ich es aus meinem Bewusstsein streiche und ins Unbewusste verschiebe. Dadurch, dass es sich nicht an das Problem oder den Konflikt erinnern kann, hält sich mein Ich von den entsprechenden Anfechtungen frei. Der Selbstschutzaspekt spielt in solchen Fällen oft eine entscheidende Rolle.

Nur einen Abwehrmechanismus hält Freud für völlig unproblematisch, die sogenannte Sublimierung. Wer seine Triebenergien sublimiert, wer sie nutzen kann, konstruktiv und ohne jemandem zu schaden, ob für zwischenmenschliche, berufliche, kulturelle, intellektuelle oder auf ein Hobby bezogene Zwecke, lenkt damit seine aggressiven oder libidinösen, also auf die Libido bezogenen Triebe auf sinnvolle, der Gemeinschaft angemessene Ziele.

Eine andere entscheidende Grundlage der Freudschen Psychoanalyse ist die Lehre der verschiedenen Bewusstseinszustände. Als Bewusstes bezeichnet Freud alle vollständig bewussten Anteile unserer Wahrnehmung. Das Vorbewusste, heute weniger bekannt, bezieht sich auf Erlebnisse, die wir uns grundsätzlich bewusst machen können, während das Unbewusste alle Erfahrungen beinhaltet, die uns nicht bewusst sind und die nur in besonderen seelischen Zuständen sichtbar werden, vor allem im Traum und in Wahnzuständen (Psychosen). Den Traum und die Entschlüsselung seiner Symbole bezeichnete Freud als „Königsweg zum Unbewussten“.

Das Unbewusste, wie es im Traum erlebt werden kann, ist nicht logisch, denn das Gleiche kann auch durch sein Gegenteil ausgedrückt werden. Es ignoriert außerdem reale Orts-, Größen- und Zeitunterschiede.

Freud machte in seiner Praxis die Erfahrung, dass es seinen Patienten oft besser ging, nachdem sie von ihren Problemen erzählt hatten. Ein solches Wiedererleben und Bewältigen von Gefühlen, indem man von den eigenen Schwierigkeiten berichtet, nennt man Katharsis. Mit den Jahren entwickelte Sigmund Freud eine noch heute wohlbekannte therapeutische Methode, die, wie er fand, besonders gut dazu geeignet war, kathartische Reaktionen hervorzurufen und den Patienten bei der Heilung zu unterstützen.

Der Analysand soll sich auf eine Couch legen, seinen Blick zur Decke wenden, um Ablenkungen zu minimieren, und erzählen, was ihm in den Sinn kommt. Diese Technik nannte Freud