Der Landrat im Spannungsverhältnis zwischen der Leitung der Aufsichtsbehörde und seiner möglichen Wiederwahl - Heinrich Philippe Waldmann - E-Book

Der Landrat im Spannungsverhältnis zwischen der Leitung der Aufsichtsbehörde und seiner möglichen Wiederwahl E-Book

Heinrich Philippe Waldmann

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Beschreibung

In dieser Bachelorarbeit wendet sich der Verfasser den baden-württembergischen Landräten zu. Sie und das jeweils von ihnen geführte Landratsamt sind auch mit der Aufsicht über die kreisangehörigen Gemeinden betraut. Einen großen Einfluss auf die Landkreisverwaltung und deren Leiter hat unter anderem durch die mittelbare Wahl des Landrats auch der Kreistag. Durchschnittlich ist in Baden-Württemberg jeder dritte Kreisrat ein Bürgermeister. Der Landrat stellt sich folglich zum Teil den Kreisräten zur Wahl, die von der unter seiner Verantwortung stehenden Aufsichtsbehörde kontrolliert werden. Insbesondere bei einem seine Wiederwahl anstrebenden Landrat besteht die Gefahr eines Interessenkonflikts: Die Aufsichtstätigkeit könnte seinen Rückhalt bei den Bürgermeister gefährden und ihn zu einer nachsichtigeren Amtsführung bewegen. Bei seiner Arbeit untersucht der Verfasser nach Nennung rechtlicher Grundlagen die Existenz von Interessenkonflikten des Landrats. Er stellt das von der Verfassung ermöglichte Instrument der Unvereinbarkeit von Bürgermeisteramt mit Kreisratsmandat sowie die in Deutschland mehrheitlich praktizierte Volkswahl der Landräte vor. Nach einem Blick auf andere Kommunalverfassungen werden einige Reformvorschläge auf ihre Eignung für die Verhinderung der aufgeworfenen Interessenkonflikte untersucht. Nach einer Beschreibung des aktuellen politischen Zustandes und einem Ausblick auf zur Debatte stehende zukünftige Entwicklungen präsentiert der Verfasser das Ergebnis seiner persönlichen Abwägung und die von ihm favorisierten Reformvorschläge.

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Seitenzahl: 84

Veröffentlichungsjahr: 2018

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ZITAT

Quis custodiet ipsos custodes?

Wer wird die Wächter selbst bewachen?

Juvenal, römischer Satirendichter (vermutl. 55-138 n. Chr.), Satire 6, 347f.

DANKSAGUNG

An dieser Stelle möchte ich mich bei all jenen bedanken, die mit ihrer vielfältigen Unterstützung das Gelingen dieser Bachelorarbeit ermöglicht haben.

Zunächst gilt mein Dank Herrn Prof. Dr. Brenndörfer, der als Erstbetreuer wesentlich zum Aufbau dieser Arbeit beigetragen hat.

Meinem Zweitbetreuer Herrn Nunn danke ich für Zusage der Betreuung, der Bereitstellung des Themas und die vielen Hinweise und Denkanregungen, die mir den Einstieg in das Thema erleichtert haben. Auch hat er mich durch die Vermittlung meiner Gesprächspartner aus dem Landkreis Emmendingen sehr unterstützt.

Ohne die praxisnahen, aufrichtigen und aufschlussreichen Berichte meiner Gesprächspartner wäre diese Bachelorarbeit wesentlich hypothetischer und unpräziser ausgefallen. Ich danke ihnen dafür, sich Zeit für meine Fragen genommen und mir äußerst interessante Gespräche ermöglicht zu haben.

Bei meinen Recherchen nahm ich telefonischen Kontakt zu der Fraktionsgeschäftsstelle der CDU im Landtag von Baden-Württemberg sowie den Mitarbeitern des Landtagsabgeordneten Herrn Pauli (CDU) auf. Auch wenn die Inhalte dieser Gespräche sich nicht in den Quellenbelegen wiederfinden, so konnte ich doch durch sie meine Arbeit an den aktuellen Bedingungen ausrichten. Für die sehr hilfsbereite und freundliche Auskunft danke ich.

Florian Kastner gebührt Dank für die Beschaffung von unterschiedlichen Medien aus der Universitätsbibliothek Freiburg. Mechthild Waldmann, Miriam Busch, Jessica Ziegelhöfer und Jürgen Brinkmann haben ihre wertvolle Zeit in die Korrektur meiner Arbeit investiert und meine Sätze kritisch hinterfragt. Grammatikalische und orthographische Fehler sowie weiterer Erklärung bedürfende Aussagen konnten dank ihrer Rückmeldungen verbessert werden.

Zuletzt gilt es, meiner ganzen Familie für die in allen Angelegenheiten große Unterstützung der letzten Monate meinen herzlichen Dank auszudrücken.

INHALTSVERZEICHNIS

Zitat

Danksagung

Formale und stilitische Hinweise

Einleitung

Rechtliche Grundlagen in Baden-Württemberg

2.1 Der Landkreis und das Landratsamt

2.1.1 Wesen des Landkreises

2.1.2 Aufbau und Rechtsstellung des Landratsamtes

2.1.3 Funktion der Kommunalaufsicht als Rechtsaufsichtsbehörde

2.2 Der Landrat

2.2.1 Rechtstellung und Aufgaben

2.2.2 Wahl

2.3 Der Kreistag

2.4 Der Bürgermeister

Interessenkonflikte des Landrats und der Kreisräte

3.1 Gesetzlich geregelte Fälle

3.1.1 Ineligibilität

3.1.2 Inkompatibilität

3.1.3 Befangenheit

3.2 Konstellationen ohne eine gesetzliche Regelung

3.2.1 Die Macht von Bürgermeistern im Kreistag

3.2.2 Konfliktgebiete

3.2.3 Verfassungsrechtliche Erwägungen bei Inkompatibilitätsregelungen

3.2.4 Das Demokratieprinzip und die Wahl des Landrats

3.2.5 Die Parlamentsreform von 2008

Vergleich mit anderen Bundesländern

4.2 Brandenburg

4.2.1 Unterschiede und Reformen

4.2.2 Vereinbarkeit von Inkompatibilitäten mit den Landesverfassungen

4.3 Schleswig-Holstein

Lösungsansätze

5.1 Interessenkollision bei der Rechtsaufsicht...

5.1.1 Direktwahl des Landrats

5.1.2 Inkompatibilität von Bürgermeisteramt und Kreistagsmandat

5.1.3 Zusätzliche Befangenheitstatbestände für Bürgermeister im Kreistag

5.1.4 Reformierung der Aufsichtsbehörden

5.2 Die Festsetzung der Kreisumlage

5.2.1 Direktwahl des Landrats

5.2.2 Inkompatibilität von Bürgermeisteramt und Kreistagsmandat

5.2.3 Zusätzliche Befangenheitstatbestände für Bürgermeister im Kreistag

5.3 Einfluss auf die Verwaltungsmitarbeiter

5.4 Aktueller Stand der Diskussion und Ausblick

5.5 Gesamtbeurteilung

Zusammenfassung

Literaturverzeichnis

Anlagenverzeichnis

Anlage 1: Entwicklung der Kreisumlage 2006 bis 2015

Anlage 2: Ergebnis der Kreistagswahl 2014

Anlage 3: Anteil von Bürgermeistern in den Kreistagen

anlage 4: Anteil der kommunalen Wahlbeamten unter den 171 Fraktionsvorsitzenden in den badenwürttembergischen Kreistagen

Ehrenwörtliche Erklärung

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FORMALE UND STILITISCHE HINWEISE

Der Verfasser verzichtet auf die Aufstellung eines Abkürzungsverzeichnisses. Die verwendeten Abkürzungen sind in folgendem Standardwerk definiert: Kirchner, Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 7. Auflage 2013, de Gruyter, Berlin.

Alle aufgeführten Internetquellen wurden zuletzt am 08. September 2015 kontrolliert. Auf die Nennung eines Abrufdatums wurde deshalb verzichtet.

Diese Bachelorarbeit basiert auf dem rechtlichen und politischen Stand des 07. Septembers 2015. Alle angegebenen Paragraphen beziehen sich, sofern kein spezieller Hinweis vorhanden ist, auf die zu diesem Zeitpunkt geltende Fassung der betreffenden Norm.

Landtagsdrucksachen und Plenarprotokolle ohne Ortsbezeichnung beziehen sich auf den Landtag von Baden-Württemberg.

Die Begriffe der Volkswahl und Direktwahl werden in dieser Bachelorarbeit synonym verwendet.

Sofern im direkten sprachlichen Zusammenhang keine Differenzierung der unterschiedlichen Amtsbezeichnungen ersichtlich ist, beinhaltet die Bezeichnung „Bürgermeister“ hauptamtliche Bürgermeister, Oberbürgermeister und Beigeordnete kreisangehöriger Kommunen, nicht jedoch ehrenamtliche Bürgermeister und aus dem Dienst Ausgeschiedene.

Zur Erleichterung des Leseflusses wurde auf eine sprachliche Differenzierung nach Geschlechtern verzichtet. Die angewandte männliche Form bezieht sich auf männliche und weibliche Personen gleichermaßen.

EINLEITUNG

„Wer wird die Wächter selbst bewachen?“ Zwar empört sich Juvenal über die Untreue römischer Frauen, die sogar die von ihren Ehemännern bestellten Wächter verführen. Hauptsächlich wird mit dieser Fragestellung allerdings ein unkontrollierter und korrupter Staatsapparat kritisiert.

In dieser Bachelorarbeit wendet sich der Verfasser den baden-württembergischen Landräten zu. Sie und das jeweils von ihnen geführte Landratsamt sind auch mit der Aufsicht über die kreisangehörigen Gemeinden betraut. Einen großen Einfluss auf die Landkreisverwaltung und deren Leiter hat unter anderem durch die mittelbare Wahl des Landrats auch der Kreistag.

Durchschnittlich ist in Baden-Württemberg jeder dritte Kreisrat ein Bürgermeister. Der Landrat stellt sich folglich zum Teil den Kreisräten zur Wahl, die von der unter seiner Verantwortung stehenden Aufsichtsbehörde kontrolliert werden. Insbesondere bei einem seine Wiederwahl anstrebenden Landrat besteht die Gefahr eines Interessenkonflikts: Die Aufsichtstätigkeit könnte seinen Rückhalt bei den Bürgermeister gefährden und ihn zu einer nachsichtigeren Amtsführung bewegen.

Deshalb stellt der Verfasser das Zitat Juvenals um und fragt: Wer sind die, die da über den Wächter wachen? Wenn das Wohl des Wächters vom Wohlwollen der Bewachten abhängt, kann er dann seiner Aufgabe noch gerecht werden?

Bei seiner Arbeit wird der Verfasser nach Nennung rechtlicher Grundlagen die Existenz von Interessenkonflikten des Landrats untersuchen. Er stellt das von der Verfassung ermöglichte Instrument der Unvereinbarkeit von Bürgermeisteramt mit Kreisratsmandat sowie die in Deutschland mehrheitlich praktizierte Volkswahl der Landräte vor. Nach einem Blick auf andere Kommunalverfassungen werden einige Reformvorschläge auf ihre Eignung für die Verhinderung der aufgeworfenen Interessenkonflikte untersucht. Nach einer Beschreibung des aktuellen politischen Zustandes und einem Ausblick auf zur Debatte stehende zukünftige Entwicklungen präsentiert der Verfasser das Ergebnis seiner persönlichen Abwägung und die von ihm favorisierten Reformvorschläge.

1. RECHTLICHE GRUNDLAGEN IN BADEN-WÜRTTEMBERG

2.1 Der Landkreis und das Landratsamt

2.1.1 Wesen des Landkreises

Der Landkreis ist hauptsächlich eine Gebietskörperschaft des öffentlichen Rechts.1 Er besteht aus allen kreisangehörigen Gemeinden und den gemeindefreien Grundstücken (§ 6 Abs. 1 LKrO). Oberhalb der Gemeinden und unterhalb der staatlichen Landesverwaltung bilden die Kreise eine eigene Ebene im Verwaltungsaufbau.2

Definiert wird der Landkreis allerdings lediglich über seine Aufgaben. Er fördert nach § 1 Abs. 1 S. 1 LKrO das Wohl seiner Einwohner, unterstützt die kreiseigenen Gemeinden bei der Aufgabenerfüllung und trägt zu einem gerechten Lastenausgleich bei. Ein Hauptpfeiler der Kreisfinanzierung, die Kreisumlage, ist gleichzeitig ein Instrument dieser Funktion.3 Die kreisangehörigen Gemeinden entrichten einen vom Kreistag in der Haushaltssatzung festzulegenden Umlagesatz4 auf ihre Steuerkraftsumme. Weil finanzstarke Gemeinden somit größere Lasten tragen, sollen so einheitlichere Lebensverhältnisse hergestellt werden.5

Da die Landkreise (neben ihres vorrangigen Charakters der Gebietskörperschaft6) auch Gemeindeverbände7 i. S. d. Art. 28 Abs. 2 GG sind8, besitzen sie wie die Gemeinden auch das Selbstverwaltungsrecht. Ihre Allzuständigkeit ist allerdings subsidiär, sie sind für die die Leistungsfähigkeit der Gemeinden übersteigenden Aufgaben zuständig.9

Die Aufgaben der Kreise gliedern sich wie bei den Gemeinden in Pflichtaufgaben nach Weisung sowie freiwillige Aufgaben und Pflichtaufgaben ohne Weisung. Unter letztere fallen beispielsweise die Sozial- und Jugendhilfe, die Berufsschulen, die Kreisstraßen, das Krankenhauswesen und die Abfallbeseitigung.10

2.1.2 Aufbau und Rechtsstellung des Landratsamtes

Das Landratsamt ist nach § 1 Abs. 3 LKrO nicht nur die Behörde des Landkreises, sondern auch eine untere Verwaltungsbehörde. Deren Aufgaben fallen nicht unter die aufgeführten dreigeteilten Kreisaufgaben, sondern sind davon unabhängige Staatsaufgaben.11 So ist das Landratsamt beispielsweise nach § 46 Abs. 1 Nr. 3 LBO i. V .m. § 15 Abs. 1 Nr. 1 LVG eine untere Baurechtsbehörde. Weil im nach außen stets als einheitliche Behörde auftretenden Landratsamt zwei Behörden zusammengefasst sind, umschreibt man diese „Doppelstellung“,12 auch mit dem Begriff der „kombinierten Einheitsbehörde“13, oder bildlich ausgedrückt als „Janusköpfigkeit“14.

Die Bediensteten des Landratsamtes werden für beide Behörden tätig und können zwischen ihnen ausgetauscht werden.15 Das Land stellt die für die Aufgaben der unteren Verwaltungsbehörde erforderlichen Beamten des höheren Dienstes (§ 52 Abs. 1 S. 1 LKrO).

2.1.3 Funktion der Kommunalaufsicht als Rechtsaufsichtsbehörde

Art. 28 Abs. 2 GG gibt den Gemeinden das Recht, „alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln“. Sie sollen „ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen und in eigener Verantwortung solidarisch gestalten“.16 Der Staat, dessen Teil die Gemeinden sind (§ 1 Abs. 1 GemO), hat zur Einhaltung des geltenden Rechts ein „notwendiges Gegenstück“17, ein „verfassungsrechtlich gebotene[s] Korrelat der Selbstverwaltung“18 geschaffen: die staatliche Rechts- und Fachaufsicht.

Die Rechtsaufsicht stellt die Gesetzmäßigkeit der weisungsfreien Aufgaben sicher (§ 118 Abs. 1 GemO). Somit wird nicht die eventuelle Unzweckmäßigkeit einer Maßnahme, wohl aber die korrekte Ermessensausübung geprüft.19 § 119 GemO bestimmt das Innenministerium als oberste und das Regierungspräsidium als obere Rechtsaufsichtsbehörde für die Gemeinden. Das Landratsamt als untere Verwaltungsbehörde übt die Rechtsaufsicht über alle kreiseigenen Gemeinden mit Ausnahme der großen Kreisstädte aus und kann somit als Kommunalaufsichtsbehörde bezeichnet werden. Rechtsaufsichtsbehörde für die Landkreise und großen Kreisstädte ist das Regierungspräsidium. Dass im Landratsamt die staatliche Aufsicht von einem kommunalen Träger ausgeübt wird, ist nach herrschender Meinung unproblematisch.20

Die Kommunalaufsicht übt von Amts wegen21 ihre Befugnisse im öffentlichen Interesse aus. Ein subjektiver Anspruch auf Einschreiten der Kommunalaufsicht besteht nicht.22 Ihr Ziel, die Sicherstellung der Bindung der Gemeinden an Recht und Gesetz23 soll die Aufsicht stets mit Zurückhaltung erreichen: Nach § 118 Abs. 3 GemO darf sie „die Entschlusskraft und die Verantwortungsfreudigkeit“ der Gemeinden nicht beeinträchtigen. Somit steht die beratende Tätigkeit im Vordergrund.24

Um allerdings die Einhaltung von Recht und Gesetz überprüfen und notfalls erzwingen zu können, stehen der Kommunalaufsicht ein Informationsrecht (§ 120 GemO), ein Beanstandungsrecht (§ 121 GemO), ein Anordnungsrecht (§ 122 GemO), die Möglichkeit der Ersatzvornahme (§ 123 GemO) und die Bestellung eines Beauftragten nach § 124 GemO zur Verfügung. Gem. § 92 Nr. 1 LBG nimmt die Kommunalaufsicht gegenüber Bürgermeistern zudem dienstaufsichtsrechtliche Funktionen wahr. Darunter fallen insbesondere die Aufgaben der Disziplinarbehörde (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 LDG) und die Bearbeitung von Dienstaufsichtsbeschwerden.25