Der letzte Deich - Gerd E. Küster - E-Book
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Der letzte Deich E-Book

Gerd E. Küster

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Beschreibung

"Der letzte Deich", erzählt die bewegende Geschichte von Lena van Rijn und ihrer Familie, die inmitten eines Klimakatastrophenszenarios ums Überleben kämpfen. Die niederländische Küste wird seit Jahren von immer stärkeren Stürmen und steigenden Meeresspiegeln bedroht. Trotz technischer Fortschritte und massiver Investitionen in den Küstenschutz werden die Deiche zunehmend brüchiger. Die Lage spitzt sich dramatisch zu, als ein Jahrhundertsturm droht, die ohnehin angegriffenen Schutzmauern endgültig zu brechen. Lena lebt mit ihrem Mann Bram und ihren Kindern Emma und Jasper auf einem alten Familienhof in Küstennähe. Bram, Ingenieur im "Deich-2040-Projekt", ist Teil des verzweifelten Versuchs, die Küste vor der drohenden Überflutung zu schützen. Doch als erste Deichabschnitte nachgeben und das Wasser unaufhaltsam ins Land dringt, steht Lena vor einer erschütternden Entscheidung: Soll sie fliehen und ihre Heimat aufgeben oder auf das Versprechen ihres Mannes vertrauen, dass die Deiche halten werden? Während Lena und ihre Kinder das Haus verlassen und sich auf eine gefährliche Flucht ins Landesinnere begeben, kämpfen sie nicht nur gegen die unbarmherzige Gewalt der Natur, sondern auch gegen ihre eigenen Ängste und Zweifel. Die familiären Spannungen nehmen zu, insbesondere zwischen Lena und ihrer Tochter Emma, die den Klimawandel als Mahnung für das Versagen der Erwachsenen sieht und mit Wut und Verzweiflung auf die Zukunft blickt. Der Roman ist eine packende Mischung aus Überlebensdrama und Gesellschaftskritik, die aufzeigt, wie sehr das Schicksal der Menschen von der Natur abhängig ist. Gleichzeitig wird die fragile Grenze zwischen dem Menschlichen und dem Unberechenbaren beleuchtet, während die Familie gezwungen ist, sich ihren eigenen Grenzen und Verlustängsten zu stellen. In "Der letzte Deich" prallen generationsübergreifende Hoffnungen und Ängste aufeinander, während die Frage im Raum steht, ob der Mensch die Kraft der Natur wirklich zähmen kann – oder ob er für seinen Hochmut einen hohen Preis zahlen muss. Ein eindringlicher Roman über die Naturgewalt, die Zerbrechlichkeit der menschlichen Existenz und den unerschütterlichen Willen, auch in der größten Katastrophe einen Funken Hoffnung zu bewahren.

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EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Gerd E. Küster

Der letzte Deich

Als die Deiche der Küste versagen, steht eine Familie im Überlebenskampf gegen das unbändige Meer. Wird der Zusammenhalt reichen, um den Naturgewalten zu trotzen? Ein eindringliches Drama über Verlust, Hoffnung und die Grenzen des Menschseins in Zeiten des Klimawandels.

Inhaltsverzeichnis

Prolog – Der letzte Deich

Kapitel 1 – Die Zeichen im Wind

Kapitel 2 – Sturmwarnung

Kapitel 3 – Eine wachsende Kluft

Kapitel 4 – Die erste Welle

Kapitel 5 – Flucht ins Ungewisse

Kapitel 6 – Das Rauschen der Flut

Kapitel 7 – Das Brechen der Stille

Kapitel 8 – Über den Fluten

Kapitel 9 – Verloren und gefunden

Kapitel 10 – Die lange Nacht

Kapitel 11 – Ein Funke Hoffnung

Kapitel 12 – Die Wunden der Flut

Kapitel 13 – Der Neubeginn

Kapitel 14 – Das Herz des Neubeginns

Kapitel 15 – Der Weg nach vorn

Kapitel 16 – Konflikte an der Schwelle

Kapitel 17 – Bruchlinien

Kapitel 18 – Eine Welle von Wandel

Kapitel 19 – Widerstand und Wandel

Kapitel 20 – Der Riss

Kapitel 21 – Am Abgrund

Kapitel 22 – Unter Druck

Kapitel 23 – Die Flammen der Wut

Kapitel 24 – Ein zerbrechlicher Frieden

Kapitel 25– Der Moment der Entscheidung

Kapitel 26 – Der lange Schatten der Vergangenheit

Kapitel 27 – Die dunklen Vorzeichen

Kapitel 29 – Der Sturm zieht auf

Kapitel 30 – Das letzte Aufbäumen

Kapitel 31 – Überlebenswille

Kapitel 32 – Ein neuer Anfang

Kapitel 33 – Schutz für die Zukunft

Kapitel 34 – Herausforderungen der Gemeinschaft

Kapitel 35 – Die Entscheidung

Kapitel 36 – Vorbereitung auf den Winter

Kapitel 37 – Der erste Schneesturm

Kapitel 38 – Stimmen aus der Ferne

Kapitel 39 – Zerbrechliches Europa

Kapitel 40 – Neue Wege in die Zukunft

Epilog – Ein Licht in der Ferne

Nachwort

Impressum

Inmitten der Fluten stellt sich die Frage: Wie überleben wir in einer Welt, die wir selbst verändert haben?

Sternenlicht Verlag

Impressum

Sternenlicht Verlag

Inhaber: Gerd E. Küster

Schneidergasse 226

98646 Reurieth, Thüringen, Deutschland

E-Mail: [email protected]

Verantwortlich für den Inhalt gemäß § 55 Abs. 2 RStV:

Gerd E. Küster

Umschlaggestaltung: Gerd E. Küster unter Verwendung von KI-generierten Grafiken mit DALL-E.

Hinweis zur Urheberrechtslage

Alle Inhalte dieses Buches, einschließlich Texte, Illustrationen und Grafiken, unterliegen dem Urheberrecht. Jegliche Vervielfältigung, Verbreitung oder anderweitige Verwendung bedarf der schriftlichen Genehmigung des Autors bzw. des Verlages.

Diese Geschichte ist ein Werk der Fiktion. Alle Charaktere, Orte und Ereignisse sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit tatsächlichen Personen, lebenden oder verstorbenen, sowie realen Ereignissen oder Orten sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

Obwohl die Themen Klimawandel und gesellschaftliche Spannungen real sind, dient die Geschichte lediglich dazu, mögliche Szenarien aufzuzeigen und zum Nachdenken anzuregen.

Prolog – Der letzte Deich

Der Wind fegte über die Felder, schüttelte die letzten Körner aus den trockenen Halmen, die wie Mahner im Takt des nahenden Unheils raschelten. Salzkristalle glitzerten im verdorrten Boden, als hätte das Meer selbst Spuren seiner stetigen, unaufhaltsamen Eroberung hinterlassen. Über dem Land hingen Wolken, schwer wie Blei, und drückten die Welt darunter in eine dumpfe Stille. Nur das Klappern der Pumpen durchbrach sie – gedämpft, müde, wie ein letztes Aufbegehren.

Lena van Rijn stand am Ufer des Kanals. Ihr Blick haftete auf dem Wasser, dessen glatte Oberfläche trügerisch ruhig war, als wüsste es genau, was es unter der Oberfläche verbarg. In ihrer Hand hielt sie das Handy, das immer wieder aufblinkte, Warnungen schickte, die längst zur täglichen Routine geworden waren. Aber nicht dieses Mal. Diesmal spürte sie, wie der Boden unter ihren Füßen zu schwanken schien – nicht vom Wasser, sondern von dem Wissen, dass bald nichts mehr halten würde.

Die Deiche, die sie seit ihrer Kindheit als unbezwingbare Riesen gesehen hatte, ragten in der Ferne auf. Doch ihre Silhouetten wirkten brüchig, als hätten sie ihren Stolz verloren. „Es gibt keinen sicheren Ort mehr“, hatte Bram gesagt, erst vor ein paar Tagen, und sie hatte ihm nicht widersprochen. Trotzdem war sie geblieben. Wie viele Generationen hatten auf diesem Land gelebt, gegen das Wasser gearbeitet, es geformt, bezwungen? Nun schien das Meer sich zurückzuholen, was ihm gehörte – und zwar unaufhaltsam.

Hinter ihr erhob sich der alte Hof. Das Ziegeldach, einst ein Zeichen von Beständigkeit, wirkte unter den dunklen Wolken zerbrechlich, und die Felder, die sanft zum Horizont abfielen, waren durchzogen von weißen Linien salzigen Grundwassers. Der Verlust kroch wie ein stiller Gast in ihre Gedanken, das Land, das Haus, das Leben – alles stand auf Messers Schneide.

Ein Klappern von Schritten ließ sie herumfahren. Jasper stand hinter ihr, seine schmalen Schultern straff vor Anspannung. „Kommt der Sturm zurück?“ Seine Stimme war leise, vorsichtig, als könnte die Antwort ihn brechen.

Lena kniete sich zu ihm, nahm seine Hände in ihre, die so kalt waren, als ob sie das nahende Wasser schon gespürt hätten. Sie zwang sich zu einem Lächeln. „Wir sind vorbereitet, Jasper. Papa arbeitet doch jeden Tag an den Deichen. Er macht sie so stark, dass sie alles halten können.“

„Aber die anderen sind auch gebrochen.“ Seine Augen verrieten, dass er die Wahrheit längst wusste. Das Wasser war für ihn kein Gespenst aus Erzählungen der Großeltern, sondern ein täglicher Begleiter, eine ständige Bedrohung.

Lena strich ihm übers Haar, das vom Wind zerzaust war. „Manchmal schaffen wir es, den Sturm zu überstehen, obwohl alles dagegen spricht.“

Er nickte langsam, blieb aber stehen, während sie aufstand und zurück zum Hof blickte. Der Kanal hinter ihnen wirkte wie eine schlafende Bestie, still, lauernd, bereit, zuzuschlagen. Sie wusste, dass der Friede trügerisch war. Die Vorhersagen hatten es klar gemacht: Der Sturm würde bald kommen, und er würde alles mitnehmen, was nicht stark genug war, um sich zu halten.

„Mama? Denkst du, wir werden auch gehen müssen? So wie die Leute aus dem Norden?“ Jaspers Stimme zitterte, und seine Augen wanderten zu den Feldern, als hätte er Angst, sie könnten sich im nächsten Moment in Wasser auflösen.

Lena schloss kurz die Augen. Die Bilder von Dörfern, die geräumt wurden, weil die neuen Deiche nicht gehalten hatten, schoben sich wie Schatten vor ihr inneres Auge. „Ich weiß es nicht“, flüsterte sie. „Aber solange Papa an den Deichen arbeitet, sind wir hier.“

Der Himmel verdunkelte sich, und die Wolken schienen tiefer zu sinken. In der Ferne heulte ein Windstoß durch die kahlen Bäume, bevor er über die Felder raste und das Wasser im Kanal kräuselte. Lena packte Jaspers Hand. „Komm, lass uns rein. Es wird bald dunkel.“

Sie gingen zusammen zum Hof zurück. Das Geräusch ihrer Schritte hallte im leisen Rauschen des Windes nach. Hinter ihnen lag der Kanal still, aber Lena wusste, dass diese Ruhe nicht von Dauer war.

Drinnen lag eine beklemmende Stille über dem Haus, nur unterbrochen vom Knarren der Balken, die dem Wind draußen standhielten. Bram würde bald zurück sein. Immer kam er spät, erschöpft und wortlos, die Sorgen über das, was er am Tag gesehen hatte, lagen schwer auf seinen Schultern. Lena schüttelte den Gedanken ab, als Jasper sich zu Emma an den Tisch setzte, deren Gesicht von Trotz und Unruhe gezeichnet war.

Lena blickte aus dem Fenster. Die ersten Tropfen prasselten gegen die Scheibe, und ein Blitz zuckte über den Himmel. Sie holte tief Luft. Noch war das Land da. Noch war die Zeit nicht abgelaufen. Aber in ihrem Inneren wusste sie, dass der Sturm dieses Mal anders war.

Kapitel 1 – Die Zeichen im Wind

Ein sachter Luftzug zog durch die Küche und ließ die Gardine flackern, während Lena gedankenverloren aus dem Fenster starrte. Der Morgen begann wie so viele zuvor – mit einem dumpfen Druck im Nacken, der nicht verschwinden wollte. Der Kaffee in ihrer Hand war längst kalt, doch sie hielt die Tasse fest, als könnte sie die Wärme zurückholen.

Draußen lag die Landschaft wie unter einem grauen Schleier. Das erste Licht kroch über die feuchten Weiden, und die Deiche am Horizont erhoben sich wie Schatten, deren Kraft zu verblassen schien. Der Wind drang stärker durch die Ritzen als sonst, salzig, feucht, voller Vorboten. Sie konnte das Brummen der Pumpen hören – beständig, aber schwächer, wie ein Atemzug, der sich dem Ende neigte. Ihr Handy vibrierte auf der Arbeitsplatte. Die Worte auf dem Display waren klar und gnadenlos: „Sturmwarnung – Stufe Rot. Bereiten Sie sich auf mögliche Überschwemmungen vor.“

Lena las die Meldung zweimal, bevor sie sie wegwischte. Sie stellte die Tasse auf die Spüle und spürte die Kälte der Fliesen unter ihren Füßen. Bram war schon lange fort, bevor sie aufgestanden war. Wie jeden Morgen. „Die neuen Deiche werden alles aushalten, das ist keine Theorie, sondern Technik“, hatte er neulich gesagt, doch sie hatte die feinen Linien in seinem Gesicht gesehen, die sich tief um seine Augen gruben. Er wusste es besser. Auch wenn er es nie aussprach.

Die Küchentür knarzte, und Lena drehte sich um. Emma trat ein, barfuß und mit wirrem Haar. Sie zog sich einen Stuhl heran, ließ sich mit einem müden Seufzen fallen und griff nach einem Apfel aus der Schale auf dem Tisch.

„Morgen, Mama.“ Ihre Stimme war rau vom Schlaf, aber da war dieses unausgesprochene Etwas in ihrem Ton – unruhig, herausfordernd.

„Morgen, Schatz. Hast du gut geschlafen?“ Lena versuchte, eine Ruhe in ihre Stimme zu legen, die sie nicht fühlte.

Emma biss in den Apfel und zuckte mit den Schultern. „Nicht wirklich. Schwer, wenn man vom Wasser träumt, das einem alles nimmt.“ Sie hob ihr Handy, scrollte und hielt es Lena hin. Ein Video zeigte aufgebrachte Menschenmengen in Amsterdam. „Hast du die Proteste gestern gesehen? Tausende Leute auf der Straße, und die Regierung – nichts. Wieder nur Versprechen.“

Lena holte tief Luft und setzte sich zu ihr. „Ich weiß, dass es schwierig ist. Aber dein Vater arbeitet jeden Tag daran, Emma. Die neuen Deiche – sie sind besser als alles, was wir je hatten.“

Emma ließ ihr Handy sinken. Ihre Augen blitzten. „Besser? Und was ist mit den Deichen, die letztes Jahr gebrochen sind? Waren die nicht auch ‚besser‘?“ Ihre Stimme klang scharf, fast verzweifelt. „Ich habe es gesehen, Mama. Die Leute da oben haben alles verloren. Alles.“

Lena wollte etwas sagen, doch sie spürte, wie die Worte in ihrem Hals stecken blieben. Sie hasste es, Emmas Wut nicht widerlegen zu können. „Es ist nicht so einfach, wie es aussieht. Die Menschen arbeiten daran –“

„Das ist genau das Problem!“ Emma schlug mit der Faust auf den Tisch. „Alle tun so, als wäre es kompliziert, als könnten wir nichts tun. Aber wir wissen doch, dass die Küste verloren ist. Sie tun nur so, um Zeit zu schinden.“

Lena schwieg. Sie sah zu, wie Emma aufstand, ihren Apfel nahm und zur Tür ging. „Ich werde nicht zusehen, wie das alles untergeht. Und ich werde nicht so tun, als wäre alles in Ordnung“, sagte sie noch, bevor sie verschwand.

Für einen Moment blieb Lena reglos sitzen, die Kälte des Kacheltischs sickerte durch ihre Finger. Was sollte sie auch sagen? Hatte Emma recht? War all das, woran Bram und die anderen arbeiteten, nichts als ein Kampf gegen Windmühlen?

Ein Klopfen an der Fensterscheibe ließ sie aufschrecken. Jasper stand draußen, die Hosen bis zu den Knien mit Schlamm bedeckt, und winkte ihr mit einem kleinen Fundstück in der Hand zu. Lena trat hinaus. Der Wind schnitt ihr ins Gesicht, trug die salzige Kälte mit sich, die nur vom Meer kommen konnte.

„Was hast du da, Jasper?“ Ihre Stimme war sanft, obwohl die Sorgen in ihrem Kopf schwer wogten.

Er streckte die Hand aus. In seiner kleinen, schmutzigen Faust lag ein Knochen, vergilbt und glatt. „Guck mal! Meinst du, das ist von einem Tier, das hier gelebt hat, bevor …“ Er deutete vage auf den Kanal, dessen Ufer nur noch ein schmaler Streifen war.

Lena nahm den Knochen, betrachtete ihn kurz und gab ihn zurück. „Vielleicht. Das Wasser hat viele Geschichten, Jasper.“

Er nickte eifrig und sah sich um, als würde er mehr Schätze suchen wollen. „Vielleicht finde ich noch mehr. Ich wette, hier gibt’s überall alte Sachen.“

Lena beobachtete ihn, während er den Stock, den er als Werkzeug nutzte, wieder in den Schlamm bohrte. Der Wind zerrte an seinem Haar, und das Wasser im Kanal kräuselte sich, unscheinbar, aber wachsam. Lena schlang die Arme um sich und spürte die Kälte, die nicht nur vom Wind kam.

„Komm rein, Jasper“, sagte sie schließlich. „Es wird bald schlimmer.“

Er sah auf, seine großen Augen schienen die Bedrohung, die in ihren Worten lag, zu begreifen. Langsam folgte er ihr ins Haus, den Knochen noch immer in der Hand.

Drinnen schlug die Tür hinter ihnen zu, und für einen Moment war es still. Lena starrte auf den Bildschirm ihres Handys, der wieder vibrierte. Eine neue Warnung blinkte auf. Diesmal schloss sie die Augen, bevor sie den Text las. Sie wusste schon, was dort stehen würde.

Kapitel 2 – Sturmwarnung

Die dichte Wolkendecke hielt sich den ganzen Vormittag und verdunkelte sich gegen Mittag stärker als für diese Jahreszeit üblich. Bram van Rijn lenkte den Geländewagen durch die engen Straßen von Rotterdam, seine Hände fest am Lenkrad, während seine Gedanken um den bevorstehenden Sturm kreisten. Das Kontrollzentrum hatte die ersten Windwarnungen herausgegeben, und obwohl er in den letzten Monaten viele solche Meldungen erhalten hatte, fühlte sich diese anders an. Sein Tablet vibrierte auf dem Beifahrersitz, ein rotes Warnsymbol blinkte: „Sturmstärke aktualisiert – höchste Gefahrenstufe.“

Er schaltete das Radio ein. Die emotionslose Stimme des Sprechers drang durch den Wagen: „Der nationale Wetterdienst warnt vor einem schweren Sturm, der die niederländische Küste innerhalb der nächsten 24 Stunden erreichen wird. Bewohner tiefer gelegener Gebiete werden dringend gebeten, Vorbereitungen zu treffen und mögliche Evakuierungen einzuplanen.“

Bram drehte das Radio leiser. Die Worte des Nachrichtensprechers hallten in seinem Kopf wider. Er hatte gehofft, dass die neuen Deiche, die sie monatelang verstärkt hatten, noch eine Weile standhalten würden. Doch mit jedem Tag wurde deutlicher, dass die Natur sich nicht an ihre Pläne und Simulationen hielt. Vor seinem inneren Auge blitzten die Bilder des letzten Deichbruchs auf – das Chaos, die Schreie, die nassen Gesichter derer, die alles verloren hatten.

Als er auf das Gelände des „Deich-2040-Projekts“ fuhr, sah er die hektische Betriebsamkeit. Ingenieure, Techniker und Arbeiter eilten umher; die Anspannung lag wie ein schwerer Nebel in der Luft. Vor dem Hauptgebäude wartete Victor Maas, der Projektleiter, in seinem makellosen Anzug und mit einem Handy am Ohr. Seine Miene war entschlossen, aber Bram erkannte das Zucken in seinen Augen – ein Zeichen seiner Nervosität. Victor war ein Meister der Fassade: immer fokussiert, immer zielgerichtet. Doch Bram wusste, dass Victors Loyalität eher seiner Karriere galt als dem Land, das sie schützen sollten.

„Bram, gut, dass du da bist“, sagte Victor ohne Einleitung und steckte sein Telefon weg. Sein Blick fiel kurz auf Brams Tablet. „Wir haben ein Problem.“

Bram hob eine Augenbraue. „Was ist passiert?“

„Der Sturm wird stärker als erwartet. Berichte zeigen, dass die Flutmauern in zwei nördlichen Sektoren bereits von den Wellen angegriffen werden. Wir müssen sofort reagieren.“

„Ich dachte, wir hätten noch Zeit“, erwiderte Bram, den Blick auf die massive Deichwand gerichtet, die sie monatelang verstärkt hatten. Die dicken Stahlpfeiler im Sand wirkten jetzt wie Spielzeugstäbe gegen die heranrollende Bedrohung. „Die Simulationen deuteten darauf hin, dass wir die nächsten Stürme überstehen würden.“

Victor schnaubte und rieb sich die Schläfen. „Simulationen und Realität sind nicht dasselbe, Bram. Die Natur hält sich nicht an unsere Pläne.“

Bram atmete tief durch und studierte die Karte auf seinem Tablet, die in Echtzeit aktualisiert wurde. Grüne, gelbe und rote Markierungen blinkten auf, die rote Zone dehnte sich bedrohlich aus. „Wo genau sind die Schwachstellen?“

Victors Blick flackerte kurz, bevor er sich wieder festigte. „Die Verankerungen an den Übergängen zu den älteren Deichen sind instabiler als gedacht. Das Wasser drückt durch, und es wird kritisch.“

Wut stieg in Bram auf. Er erinnerte sich an die Sitzungen, in denen er genau auf diese Gefahr hingewiesen hatte. „Und das erfahre ich erst jetzt?“

„Ich habe es gerade selbst erfahren“, sagte Victor achselzuckend und sah zu den herannahenden Wolken. „Deshalb brauchen wir dich. Du kennst die alten Deiche besser als jeder andere. Wenn du es nicht schaffst, den Schaden zu begrenzen, kann ich für diese Region nichts garantieren.“

Bram presste die Zähne zusammen und nickte schließlich. „Ich fahre sofort hin. Ich brauche das Team von Sektor 3 und zusätzliche Ausrüstung.“

Victor klopfte ihm auf die Schulter, ein routiniertes, aber bedeutungsloses Zeichen von Ermutigung. „Gut, ich wusste, ich kann auf dich zählen.“

Bram wandte sich ab. Das beklemmende Gefühl in seinem Magen wurde stärker. Es war nicht nur der Sturm, der ihn beunruhigte, sondern auch die Art, wie Victor die Probleme herunterspielte. Sie hatten versucht, das Unmögliche zu erreichen – ein Deichsystem zu bauen, das den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts gewachsen war, trotz knapper Budgets und politischer Zwänge. Ein kurzer Blick über die Schulter zeigte ihm Victor, der bereits wieder telefonierte, die Fassade eines Mannes, der alles unter Kontrolle hatte.

Er sammelte sein Team und machte sich auf den Weg zu Sektor 3, wo die alten Deiche auf die neuen Strukturen trafen. Als sie ankamen, schlugen ihnen die tosenden Wellen entgegen, das Meer peitschte gegen die Deichmauern und ließ Wassernebel in die Luft steigen. Der Wind zerrte an Brams Kleidung, und sein Atem kam in kurzen Stößen, während die Techniker und Ingenieure verzweifelt versuchten, die Struktur zu stabilisieren.

„Niels, was haben wir hier?“ Bram musste schreien, um das Heulen des Windes zu übertönen.

Niels zeigte auf die Flutmauer, das Papier in seinen Händen flatterte wild. „Massive Undichtigkeiten. Die Verankerungen halten nicht. Wenn wir die Flutmauer nicht stabilisieren, gibt es hier bald einen Durchbruch.“

Bram nickte und begann sofort, Anweisungen zu geben. „Mehr Sandsäcke, sofort! Bringt die Verstärkungen an die Nordseite!“ Der Sturm erschwerte jede Bewegung. Jede Minute zählte, aber jede fühlte sich wie ein Kampf gegen Windmühlen an.

Die Stunden vergingen, und der Sturm wurde immer stärker. Bram spürte, wie seine Hände zitterten. Er hatte alles gegeben, gehofft, dass ihre Arbeit einen Unterschied machen würde. Doch jetzt, angesichts der tobenden Natur, fühlte er sich klein und machtlos. Plötzlich vibrierte sein Handy. Eine Nachricht von Lena: „Wo bist du? Sturmwarnung. Die Kinder haben Angst. Kommst du bald nach Hause?“

Bram starrte auf die Nachricht. Die Worte verschwammen vor seinen Augen, während der Wind heftiger wurde und die Wellen gegen die Deiche donnerten. Er tippte eine kurze Antwort: „Bin noch im Einsatz. Bleibt drinnen. Komme, sobald ich kann.“

Niels packte ihn an der Schulter, Entschlossenheit und Verzweiflung glitzerten in seinen Augen. „Bram, wir brauchen dich hier.“

Bram nickte, schob die Sorge um seine Familie beiseite und konzentrierte sich auf die Aufgabe vor ihm. Der Sturm würde weiter wüten, das wusste er. Aber ob die Deiche stark genug waren, um das Land und seine Liebsten zu schützen – das wusste er nicht.

Kapitel 3 – Eine wachsende Kluft

Lena saß am Küchentisch, das leise Brummen des Radios im Hintergrund, während ihre Finger rastlos über den Bildschirm ihres Handys glitten. Die Sturm-App blinkte weiterhin in grellem Rot: „Extremwetterlage. Evakuierungspläne bereithalten.“ Sie hatte diese Meldung dutzende Male gelesen, aber der Anblick löste jedes Mal ein flaues Gefühl in ihrem Magen aus.

Das Haus lag in einer bedrückenden Stille, nur unterbrochen vom Pfeifen des Windes, der um die Ecken strich. Die Dunkelheit draußen schien das Haus förmlich zu umschlingen, als wollte sie alle Hoffnung ersticken. Lena hatte lange keine Nachricht mehr von Bram erhalten. Seine letzte Nachricht – ein knapper Hinweis, dass er in Sektor 3 arbeitete – war Stunden her. Jetzt schien die Stille schwerer als je zuvor.

Ein dumpfes Poltern ließ Lena zusammenzucken. Emma kam die Treppe herunter, barfuß und in einem zu großen Pullover. Ihre Haare standen wirr ab, und ihre Augen waren vom Schlafentzug gerötet.

„Er ist immer noch nicht zurück, oder?“ Ihre Stimme war rau, und ihre Haltung sprach von einer Müdigkeit, die weit über die Nacht hinausging.

Lena zwang sich zu einem Lächeln. „Er ist noch bei der Arbeit, Emma. Er tut, was er kann, um uns zu schützen.“

Emma schnaubte und zog sich einen Stuhl heran, wobei sie eine Kaffeetasse auf dem Tisch fast umstieß. „Schützen? Wovor? Vor dem Wasser, das er ohnehin nicht aufhalten kann?“ Ihre Stimme war lauter geworden, und Lena bemerkte, wie ihre Hände unruhig über die Tischkante glitten.

„Emma, das ist nicht fair. Dein Vater tut, was er kann“, sagte Lena mit fester Stimme, aber sie konnte den Hauch von Erschöpfung nicht verbergen.

Emma schüttelte den Kopf, ihre Augen funkelten vor aufgestauter Wut. „Das ist genau das Problem, Mama. Alle tun so, als könnten sie etwas ändern, aber wir wissen beide, dass das nicht stimmt. Die Deiche werden brechen. Es ist nur eine Frage der Zeit.“

Ein schriller Ton unterbrach ihren Streit. Lena sah auf ihr Handy: „Neue Warnung: Sturm erreicht kritische Stärke. Evakuierungen in betroffenen Gebieten dringend empfohlen.“

„Das ist es“, sagte Emma und sprang auf. „Wir müssen hier raus. Jetzt.“

„Emma, beruhige dich“, entgegnete Lena, obwohl auch sie die Panik in sich aufsteigen fühlte. „Wir können nicht einfach losfahren, ohne zu wissen, wohin. Bram hat gesagt, wir sollen hier bleiben.“

„Natürlich hat er das gesagt!“, rief Emma, und ihre Stimme zitterte vor Wut und Angst. „Er hat vor, uns zu beruhigen, aber er ist nicht hier. Wir können nicht einfach sitzen und warten, bis das Wasser uns verschlingt!“

Plötzlich vibrierte Lenas Handy in ihrer Hand. Die Nummer auf dem Display war unbekannt. Mit zitternden Fingern nahm sie den Anruf an. „Hallo?“

Die Stimme am anderen Ende war verzerrt, aber eindeutig hektisch. „Frau van Rijn? Hier ist Niels, ein Kollege Ihres Mannes. Ich rufe aus dem Kontrollzentrum an. Wir haben Probleme in Sektor 3. Bram ist dort und arbeitet mit dem Team, aber die Lage ist kritisch.“

„Ist er in Sicherheit?“, fragte Lena, während ihr Herz wild schlug.

„Wir wissen es nicht genau. Das Wasser steigt schneller als erwartet. Ich wollte Sie nur informieren, falls es …“ Die Verbindung brach ab.

Lena starrte auf das Handy, das immer noch in ihrer Hand vibrierte, als wollte es ihre zitternde Angst spüren.

Emma hatte ihren Ausbruch inzwischen bereut. Sie trat näher an ihre Mutter heran, legte vorsichtig eine Hand auf ihre Schulter und sprach leise: „Was hat er gesagt?“

Lena sah zu ihrer Tochter hoch. Für einen Moment schien es, als würde sie unter der Last der Angst zusammenbrechen, doch sie schüttelte den Kopf. „Wir bleiben zusammen. Egal was passiert.“

Emma nickte langsam. Sie setzte sich zu ihrer Mutter an den Tisch, und gemeinsam schwiegen sie, während der Wind draußen lauter heulte.

Kapitel 4 – Die erste Welle

Der Wind hatte sich in der Nacht zu einem unbarmherzigen Heulen gesteigert. Er rüttelte an den Fenstern, ließ die alten Holzbalken knarren und brachte eine eisige Kälte mit sich, die durch jede Ritze drang. Lena saß im Wohnzimmer, die Knie an die Brust gezogen, während das schwache Licht einer einsamen Lampe gegen die Dunkelheit kämpfte. Auf ihrem Handy blinkte ein Update der Wetter-App: „Sturmstärke erhöht. Evakuierung dringend empfohlen.“ Schlaf war keine Option gewesen; jede Böe hatte sie wach gehalten, während die Dunkelheit draußen drückend und endlos schien.

Emma saß auf dem Sofa, die Beine angezogen und den Blick starr auf das flackernde Licht der Lampe gerichtet. Ihre rebellische Energie war verschwunden, ersetzt durch eine erschöpfte, stille Anspannung. Jasper schlief unruhig, zusammengerollt unter einer dicken Decke, die er fest an sich drückte.

Lena starrte auf ihr Handy und überflog die Warnmeldungen erneut. Die Worte schienen sich in ihr Bewusstsein zu brennen: „Extremwetterlage. Bereiten Sie sich auf das Schlimmste vor.“ Doch was war das Schlimmste? Sie wusste es nicht, und das machte es noch schlimmer.

Ein plötzlicher Knall ließ sie zusammenzucken. Es war nicht der Wind, sondern ein dumpfes, schweres Geräusch, das durch den Boden vibrierte. Emma sprang auf, ihre Augen geweitet. „Was war das?“

Lena stand hastig auf und lief zum Fenster. Draußen war nichts zu erkennen, nur Dunkelheit und das unaufhörliche Trommeln des Regens. Doch dann hörte sie es erneut – ein Grollen, tief und bedrohlich, das sich wie ein hungriges Tier näherte. Ihr Herzschlag beschleunigte sich. Es war das Wasser. Es kam näher.

Bevor Lena reagieren konnte, wurde die Stille durch einen ohrenbetäubenden Knall zerrissen. Die Haustür vibrierte, als ob etwas Schweres dagegen geworfen worden wäre. Dann hörte sie es – das Rauschen des Wassers, erst leise, dann immer lauter. Sie rannte zur Tür und drückte ihr Ohr dagegen. Die kalte Feuchtigkeit kroch durch die Ritzen, und der salzige Geruch des Meeres schlug ihr entgegen.

„Mama?“ Jaspers leise Stimme riss sie aus ihren Gedanken. Er stand hinter ihr, barfuß, die Decke noch fest um sich geschlungen. „Ist das Wasser?“

„Geh zu Emma“, sagte Lena hastig, ihre Stimme bebte. „Bleib bei ihr und rühr dich nicht vom Fleck.“

Doch es war zu spät. Das Wasser brach mit einer Wucht durch die Tür, die sie zurückstieß. Kaltes, salziges Nass strömte ins Haus, schleppte Schlamm und kleine Trümmerstücke mit sich. Lena stolperte rückwärts, ihre Füße rutschten auf dem nassen Boden aus. „Emma, schnapp dir Jasper!“, schrie sie, während sie versuchte, sich wieder aufzurichten.

Emma reagierte sofort, rannte zu ihrem Bruder und zog ihn auf die Couch, weg vom steigenden Wasser. Ihre Augen waren voller Angst, aber ihre Bewegungen waren entschlossen. „Was machen wir jetzt?“, rief sie, während sie Jasper festhielt.

Lena blickte sich hektisch um. Das Wasser stieg schnell, höher, als sie erwartet hatte. Die Möbel schwammen bereits, und das kalte Nass drang durch jede Fuge. Sie wusste, dass sie hier nicht bleiben konnten. „Wir müssen raus“, sagte sie, ihre Stimme war fest, obwohl ihre Hände zitterten. „Zieh deine Stiefel an und nimm Jasper. Wir gehen zur Scheune.“

Das Öffnen der Haustür war ein Kraftakt. Der Druck des Wassers hielt sie fast geschlossen, doch Lena stemmte sich mit ihrem ganzen Gewicht dagegen. Als die Tür schließlich nachgab, strömte das Wasser wie eine Flutwelle hinein. Sie hielten sich aneinander fest, während sie sich nach draußen kämpften. Der Wind war wie ein lebendiges Wesen, das an ihren Haaren zerrte und ihre Kleidung durchnässte. Regen prasselte wie Nadelstiche auf ihre Gesichter.

Die Scheune war nur wenige Meter entfernt, aber jeder Schritt fühlte sich an wie ein Kampf gegen unsichtbare Kräfte. Jasper klammerte sich weinend an Emma, während Lena voranging, ihren Blick fest auf das Ziel gerichtet. Doch das Wasser erreichte ihre Knie, und die Strömung drohte sie mitzureißen.

„Haltet euch an mir fest!“, rief Lena, während sie versuchte, einen stabilen Stand zu finden. Sie schafften es bis zur Scheune, wo sie sich in den Eingang drängten und die Tür hinter sich schlossen. Drinnen war es dunkel und kalt, doch das Rauschen des Wassers draußen war gedämpfter.

Lena ließ sich keuchend gegen die Wand sinken. Ihre Kleidung war durchnässt, und sie zitterte am ganzen Körper. „Wir sind sicher … fürs Erste“, sagte sie und blickte zu ihren Kindern, die sich aneinander klammerten.

---ENDE DER LESEPROBE---