Der letzte Playboy - Andreas Zielcke - E-Book

Der letzte Playboy E-Book

Andreas Zielcke

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Beschreibung

Lange verkörperte Porfirio Rubirosa (1909–1965) den Prototypen des »Playboys«, der schamlos und lustvoll sein Leben in Abenteuern, Affären und Seitensprüngen vergeudete. Auf die Frage eines Reporters, wann er arbeite, entgegnete er: »Für Arbeit habe ich keine Zeit!« Obwohl Rubirosa weder mit besonderen irdischen noch intellektuellen Gütern gesegnet war, flogen ihm die Herzen zu wie keinem. So machte sich der »Playboy« bereitwillig zum Gespielen der reichsten Frauen Amerikas. Verheiratet war er unter anderem mit der Schauspielerin Danielle Darrieux, der damals »schönsten Frau der Welt«, gefolgt von der Unternehmerin Doris Duke und der Kaufhauserbin Barbara Woolworth Hutton. Selbst dem dominikanischen Diktator Trujillo schlug er ein Schnippchen, indem er dessen Tochter verführte. Vor allem aber seine außerehelichen Liebesabenteuer führten ihn in die Betten der begehrtesten Frauen seiner Zeit: Zsa Zsa Gabor, Dolores del Rio, Ava Gardner, Joan Crawford, Jayne Mansfield oder Evita Perón. Ein charmanter Schmarotzer, ein Held des Hedonismus aus längst vergangener Zeit.

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ANDREAS ZIELCKE

DER LETZTE PLAYBOY

DAS LEBEN DES PORFIRIO RUBIROSA

Steidl Pocket

Inhalt

Der letzte Playboy

Der Tod fährt mit

Sebastian Barry Tage ohne Ende

Alexander Pechmann Sieben Lichter

Bildnachweis

Impressum

Vor ein paar Jahren forderte Zsa Zsa Gabor von der amerikanischen Fluggesellschaft Delta Airlines zehn Millionen Dollar Schmerzensgeld. Die Filmschauspielerin war von der Gesellschaft unerträglich behandelt worden: Man hatte sie von Bord gewiesen, weil sie »Dschingis Khan« und »Macho Man« mit in den Passagierraum nehmen wollte.

Bei den beiden männlichen Potentaten handelte es sich um die Hunde der Diva. Folglich waren die Bedenken der Fluggesellschaft eigentlich gegenstandslos; der Macho-Mann ist nurmehr ein kleiner vierbeiniger Liebling, das Schoßhündchen einer durch viel Vergangenheit abgeklärten Dame. Wen könnte dieses harmlose, schwanzwedelnde Spielzeug noch provozieren?

Das war bei seinen Namensvorbildern bekanntlich anders. Und die Forderung der zehn Millionen Dollar verrät, so phantastisch sie ist, dass in der alten Dame noch die Erinnerung und Bewunderung für jene versunkene Epoche lebendig geblieben ist, in welcher das männliche Wesen Frauen und sonstigen Unterlegenen als Herr und Idol teuer zu sein hatte. Etwa vor einem halben Jahrhundert dürfte die letzte Blütezeit dieser Ära zu Ende gegangen sein. Mit nur wenig historischer Kühnheit und gewiss mit Zustimmung der erinnerungsseligen Dame lässt sich ihr Erlöschen sogar präzise datieren: Es war ein früher Sommermorgen im Juli 1965.

In der Dämmerung dieses Morgens fuhr ein Ferrari Cabriolet, während sich alle bürgerliche Welt allmählich auf den Weg zur Arbeit machte, die Allée de la Reine Marguerite im Bois de Boulogne entlang. Sein übernächtigter Fahrer steuerte das exklusive Gefährt allerdings mit so viel Champagner im Blut und mit so hoher Geschwindigkeit, dass er schließlich die Gewalt über das Lenkrad verlor und schleudernd gegen einen Alleebaum krachte. Ehe Hilfe eintraf, hauchte er sein Leben aus. Es war endgültig das letzte Mal, dass er es leichthändig aufs Spiel gesetzt hatte.

Die offizielle Gattungsbezeichnung des Verunglückten lautete Playboy, ein Titel, den nur die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts verleihen konnte: Ein »Spieljunge« besaß die damals noch rare Lizenz, nicht erwachsen werden zu müssen.

Was einen Playboy wirklich ausgezeichnet hat, ist heute nur noch schwer nachzuvollziehen. Es gab keinen einzigen berühmten, den nicht schon zu Lebzeiten wildwuchernde Dichtungen umrankten und verklärten. Wie Märchen ihre Gestalten durch wiederholtes Erzählen, durch immer weiter ausgeschmückte Zutaten und farbenprächtige Rückblenden erst wirklich zum Leben erwecken, so geschah es vor allem im Falle jenes Fahrers des zerschellten Ferraris. Sämtliche Illustrierten und Männerstammtische waren sich darin einig, dass, falls je ein echtes Exemplar dieser Gattung existiert hat, er es gewesen sein musste. »Der Mann, dem die Herzen der schönsten und reichsten Frauen nur so zufliegen! Vor dem die Männer in fünf Erdteilen zittern und von dem die Frauen … versichern: Er ist der bezauberndste Kavalier unserer Zeit«, jubelte eine deutsche Frauenzeitschrift ihm verzückt entgegen.

Schon sein Name stand für geheimnisvolle Herkunft und abenteuerliche Exotik: »Porfirio Rubirosa«, ein Klang wie Rumba-Rhythmen in den Schlagernächten der Karibik. Je mehr Erfolge man ihm berauscht andichtete, desto mehr fielen ihm tatsächlich zu. Je mehr Eifernde ihn gleichzeitig in den Klatschspalten als lasterhaften Nichtsnutz verhöhnten, desto unverhohlener himmelte man seine Kunst des Müßiggangs an: »Porfirio war ein Meister in der Kunst, das Leben wie eine Auster zu schlürfen.«

Als sehnsuchtsbeladene Erfindung aus der prüdelasziven Vorgeschichte der sexuellen Revolution war eine Gestalt wie Rubirosa zwangsläufig »bigger than life«. Perfekt verkörperte sie Phantasien der Kriegsund Nachkriegszeit, ein frivoler Gegensatz zu allen Braven, Konfirmanden und Ehemännern, nach deren eigenen tiefergelegenen Traumvorstellungen solche Mannsbilder wie fabelhafte Einhörner in den Luxusgefilden der Gesellschaft sexuell herumwildern durften. Sie waren die letzten chauvinistischen Idole, deren privilegierte Zügellosigkeit noch verbotene kollektive Wünsche auf sich ziehen konnte. Im selben Augenblick, in dem das Verbot sexueller Freizügigkeit gesellschaftlich endgültig aufgehoben wurde – »diese sechziger Jahre, als die Welt aus dem Ernst ins Vergnügen taumelte« (Fay Weldon) –, verschwand das Phänomen wie ein Schneemann beim Hereinbrechen des Föhns.

Doch lassen wir zunächst einen kleinen Auszug aus der endlosen Liste von Rubirosas Affären Revue passieren: Seine chorus line of conquests schloss fünf Ehefrauen ein, Flor de Oro Trujillo, die Tochter des dominikanischen Diktators, die Filmschauspielerin Danielle Darrieux, nacheinander Amerikas reichste Frauen Doris Duke und Barbara Hutton und als letzte das Fotomodell Odile Rodin. Seine außerehelichen Amouren vereinten ihn, sagt man, mit Frauen wie Zsa Zsa Gabor, Dolores del Rio, Ava Gardner, Joan Crawford, Jayne Mansfield, Marilyn Monroe, Susan Hayward, Evita Perón. Für jeden einzelnen dieser Stars wären Millionen von Männern bereit gewesen, ihren Verstand zu verlieren und sich selbst und alles andere auf der Stelle hinzugeben.

Was den Verstand und alles andere betrifft, hielt sich Rubirosa mit guten Gründen zurück. Weder mit intellektuellen noch materiellen Gütern konnte er protzen. Er war kein Literat, kein Filmschauspieler, kein Gigant, kein Nabob wie Ali Khan oder Faruk, kein Fürst, kein Erbe, noch nicht einmal ein exzentrischer Salon-Zyniker (»ein witziger Ausspruch von ihm ist nicht überliefert«). Keine Frau konnte sich von einer Liaison mit ihm Aufstieg, Macht, Geld oder Geist versprechen.

Auf die notorische Frage nach dem Rezept seiner erotischen Erfolge hat Rubirosa stets mit sibyllinischem Achselzucken reagiert. Eines Tages fragte ihn ein Reporter nach dem Geheimnis seiner Eroberungen: »Was machen Sie, wenn Sie eine schöne Frau kennenlernen wollen?« »Ich bitte sie um eine Verabredung. Wenn sie möchte, sagt sie zu.« »Hat schon mal eine ›nein‹ gesagt?« »Seien Sie kein Idiot, junger Mann.«

Vermutlich war Rubirosa nur die hemmungslose Ausgabe eines durchschnittlichen Mannes, dem das Glück buchstäblich in den Schoß fällt und dem über die Euphorie seiner Lenden alles andere aus den Sinnen schwindet. Während aber bei anderen Glückspilzen die Pubertät irgendwann zu Ende geht und die Moral oder womöglich die Realität in ihren vollerotisierten Wahrnehmungskreis einbricht und zum Auszug in die bürgerlichen Normen nötigt, haben seine außerordentlichen Erfolge und schamlose Unbekümmertheit Rubirosa bis zum Ende vor peinlichen Einsichten in die Welt außerhalb von Bars und Boudoirs bewahrt. Er war eine Drohne, die alle ihre »Königinnen« spielend überdauerte.

Porfirio Rubirosa wurde 1909 als Sohn eines dominikanischen Generals geboren. Seine Schulzeit verbrachte er wegen des Exils seines Vaters größtenteils in Frankreich, seine Jugend hauptsächlich in Paris. Französisch und Englisch sprach er, abgesehen von seiner spanischen Muttersprache, fließend, zu einem gewissen weitläufigen Schliff verhalfen ihm Status und relativer Wohlstand seiner Familie. Gleichwohl interessierte ihn während der späteren Schuljahre Handgreifliches wie das Boxen mehr als die Esoterik der belles lettres. Auch dass schulmäßiges »Lernen fürs Leben« das Pariser Nachtleben ausschließen sollte, leuchtete ihm früh nicht mehr ein. Mehr als einmal wurde er wegen alkoholischer und erotischer Ausschweifungen von der Schule verwiesen.

Den raueren Männersportarten blieb er sein Leben lang treu. Zum Boxen kam Polo hinzu, worin er ein leidenschaftlicher und anerkannter Meister wurde, später noch Autorennen und Fliegen. Dass er sich zudem, wann immer es an der Zeit war, halsbrecherisch auf der Crestabahn in St. Moritz ins Tal stürzte, verstand sich für die Szene von selbst. Darüber hinaus spielte er Bongos und Gitarre.

Kurz nachdem er zum Jurastudium aus Frankreich nach Santo Domingo zurückgekehrt wär, putschte sich General Trujillo an die Macht; das war 1930. In Wahrheit war es kein Putsch, Trujillo wurde mehr als demokratisch bestätigt: mit mehr Stimmen, als es Wahlberechtigte gab. Der Usurpator wurde zum Förderer des angehenden Frauenhelden. Er überredete ihn, das Studium aufzugeben und als Leutnant in seine Leibgarde einzutreten.

Trujillos Alleinherrschaft endete erst 1961, als er auf offener Straße im Fond seines Wagens von Gewehrkugeln getroffen wurde. Unheil und Terror, die er während der 30 Jahre über sein Land gebracht hatte, konnten durch seine Ermordung sicher nicht annähernd gerächt, geschweige denn gutgemacht werden. Seine Orwell’sche Totalüberwachung erfasste noch das unangemeldete Rascheln in der letzten Strohhütte. Politische Kontrahenten ließ er bis in die Emigration verfolgen und reihenweise umbringen. Wegen eines berüchtigten Falls, der Ermordung des Regimekritikers Galíndez in New York 1956, geriet auch Rubirosa bei der New Yorker Polizei in den Verdacht der Mitwisserschaft. Für Trujillo waren derlei Einzelfälle Bagatellen. Als er sich 1937 selbst für den Friedensnobelpreis vorschlug, hatte er kurz zuvor Zehntausende von Haitianern an der Landesgrenze niedermetzeln lassen.

Systematisch förderte er die wirtschaftliche Entwicklung seines Landes, das tatsächlich einen Aufschwung nahm wie keiner seiner mittelamerikanischen Nachbarn. Viel gewaltiger allerdings wuchs in derselben Zeit sein eigener Reichtum. Er schröpfte seine Untertanen in einem Maße, dass daneben noch die raffgierigsten anderen südamerikanischen Caudillos und Kaziken wie selbstlose Asketen aussahen. Am Ende gehörte seiner Familie ein Drittel aller Unternehmen und Einkommensquellen des Landes. »Er ist Mulatte, Mörder, Millionär. Sein Privatvermögen wird auf 500 Millionen geschätzt, seine Kinderschar auf 40 Köpfe. Irgendwo zwischen diesen Ziffern liegt die Zahl seiner Opfer.«

Der Ehrgeiz dieses Monsters hatte sich einen anderen Schwiegersohn vorgestellt als einen zwar charmanten und trinkfesten Caballero, aber nichtsdestoweniger subalternen Leutnant seiner Armee. Nur zum Vergleich: Seinen Sohn Ramfis ernannte Trujillo an dessen drittem Geburtstag zum Oberst; noch als Minderjähriger war er bereits Generalmajor. Der einfache Leutnant Rubirosa genoss zwar innerhalb der Garde das Wohlwollen des big brother, doch auch ihm war es nicht gestattet, die Strenge der dominikanischen Etikette zu durchbrechen und etwa ohne familiäre Kontrolle mit der Tochter eines Vorgesetzten oder gar des Diktators selbst zu sprechen.

Als er sich eines Tages dennoch zu einem solchen Gespräch unter vier Augen mit der siebzehnjährigen Flor de Oro Trujillo hinreißen ließ, wurde er aus Santo Domingo in die Provinz verbannt. Und als er trotzig für einen Abend aus der Verbannung entwischte und auf einem Ball in der Hauptstadt nicht nur innig mit Flor de Oro tanzte, sondern damit zugleich auf den Vorrechten seiner Vorgesetzten herumtrampelte, war es um ihn geschehen. Ein bloßer erzürnter Wink des Cäsaren Trujillo genügte, um ihn aus der Armee zu stoßen und ihm die Todesschwadronen auf den Hals zu jagen. Rubirosa tauchte unter. Ob ihm die Liebe die Vernunft geraubt hatte, ob er zum Desperado wurde oder ob er nur naiv auf sein Glück vertraute, wer weiß. Im Ergebnis riskierte er jedenfalls für den einmaligen, alles andere als intimen Tanzabend mit dem Mädchen sein Leben. Schon die unverhohlene Werbung bedeutete nach dem Willen ihres diktatorischen Vaters den Tod. Die spätere Legende, besonders in europäischen Gazetten, mochte von diesem Vorfall und der mehr oder weniger kopflosen Bereitschaft Rubirosas, sein Leben zu riskieren, nichts wissen. Sie wollte Rubirosa von Anfang an entweder als bequemen Abstauber oder als lässigen Sieger sehen. »Der Dandy neuen Stils ist spielerisch, anti-seriös«, wünschte sich Susan Sontag noch 1964. Rubirosas Affront gegen den Vater und Landesvater war zwar in diesem Sinn hedonistisch und leichtsinnig, aber sein Verlangen nach dem Mädchen war offenbar so ernsthaft wie das der Todeskommandos nach seinem Kopf und Kragen.

Gerettet hat ihn nicht sein Mut, sondern die Standhaftigkeit von Flor de Oro. Durch einen unbefristeten Hungerstreik zwang sie ihren Vater in die Knie. Er begnadigte Rubirosa und gab ihm die Hand seiner Tochter. Den Hochzeitstag erklärte er zum nationalen Feiertag. Der Mann, der Rubirosa nach dem Leben getrachtet hatte, war jetzt sein Schwiegervater. Wahrscheinlich zeigen solche Verbrüderungen mehr als Schlägereien, Hahnenkampf, Tequila und Pistolengurt die wirklich gefährliche Seite des lateinamerikanischen Machismo: die nachträgliche Bestätigung dafür, dass der Grund für eine Ermordung ein Nichts sein konnte, eine falsche Geste, die sich ebenso gut mit einem Grinsen übergehen und vergessen ließ.