Der Liebling von Schloss Hornburg - Gloria Rosen - E-Book

Der Liebling von Schloss Hornburg E-Book

Gloria Rosen

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Beschreibung

In der völlig neuen Romanreihe "Fürstenkinder" kommt wirklich jeder auf seine Kosten, sowohl die Leserin der Adelsgeschichten als auch jene, die eigentlich die herzerwärmenden Mami-Storys bevorzugt. Ihre Lebensschicksale gehen zu Herzen, ihre erstaunliche Jugend, ihre erste Liebe – ein Leben in Reichtum, in Saus und Braus, aber oft auch in großer, verletzender Einsamkeit. Große Gefühle, zauberhafte Prinzessinnen, edle Prinzen begeistern die Leserinnen dieser einzigartigen Romane und ziehen sie in ihren Bann. Grußlos und ohne vorher anzuklopfen, stürmte Hella Gerke in Arne Brunslys Zimmer. Sie baute sich kriegerisch vor ihm auf und blitzte ihn zornig an. »Ich bekomme ein Kind. Das hat mir gerade noch gefehlt.« Arne lag auf dem Sofa, um sich noch ein bißchen auszuruhen. Er war Kellner und für die heutige Spätschicht eingeteilt. Er blinzelte zunächst verständnislos zu der rothaarigen Hella Gerke auf. Dann fragte er gedehnt: »Du bekommst was?« »Ein Kind. Tu nur nicht so, als könntest du das nicht begreifen. Du hast mich doch in diese schreckliche Situation gebracht«, brauste sie auf. »Hoffentlich hast du wenigstens etwas gespart, damit wir das wieder wegmachen können.« Mit einem Satz sprang Arne Brunsly in die Höhe. Er packte Hella bei den Schultern und schüttelte sie. Jäh huschte ein herzliches Lächeln über sein Gesicht. Ein verklärter Glanz trat in seine Augen. »Wir bekommen ein Kind! Das habe ich mir schon immer gewünscht. Natürlich werden wir so schnell wie möglich heiraten.

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Fürstenkinder – 5 –

Der Liebling von Schloss Hornburg

Alexander soll der Erbe sein

Gloria Rosen

Grußlos und ohne vorher anzuklopfen, stürmte Hella Gerke in Arne Brunslys Zimmer. Sie baute sich kriegerisch vor ihm auf und blitzte ihn zornig an. »Ich bekomme ein Kind. Das hat mir gerade noch gefehlt.«

Arne lag auf dem Sofa, um sich noch ein bißchen auszuruhen. Er war Kellner und für die heutige Spätschicht eingeteilt.

Er blinzelte zunächst verständnislos zu der rothaarigen Hella Gerke auf. Dann fragte er gedehnt: »Du bekommst was?«

»Ein Kind. Tu nur nicht so, als könntest du das nicht begreifen. Du hast mich doch in diese schreckliche Situation gebracht«, brauste sie auf. »Hoffentlich hast du wenigstens etwas gespart, damit wir das wieder wegmachen können.«

Mit einem Satz sprang Arne Brunsly in die Höhe. Er packte Hella bei den Schultern und schüttelte sie.

Jäh huschte ein herzliches Lächeln über sein Gesicht. Ein verklärter Glanz trat in seine Augen. »Wir bekommen ein Kind! Das habe ich mir schon immer gewünscht. Natürlich werden wir so schnell wie möglich heiraten. Wir werden eine richtige Familie sein. Nun liebe ich dich noch mehr als bisher, Liebling.«

Er trat vor sie hin und wollte nach ihren Händen greifen, doch sie schlug nach ihm. Ein böses Funkeln lag in ihren Augen. »Ich will dich aber nicht heiraten. Und noch weniger will ich das Kind.«

»Hör auf«, fuhr er sie erregt an. »Du bist ja von Sinnen und weißt nicht mehr, was du sagst.«

»Weil du ein Brett vor dem Kopf hast«, fauchte sie. Dann lachte sie schrill auf. »Mich und heiraten! Was hast du mir denn schon zu bieten? Das armselige Leben einer Kellnersfrau. Du hast nichts, bist nichts und wirst meistens bis weit nach Mitternacht arbeiten müssen. Glaubst du im Ernst, ich würde Hausmütterchen – und Kindermädchen spielen und darauf warten, bis du heimkommst? Dann verlangst du womöglich noch, daß ich dir die Pantoffeln bringe und dich wie eine Sklavin bediene. Dazu habe ich noch einen Schreibalg am Hals. Und was erwartet mich als Lohn?«

Ihre Stimme triefte vor Hohn. »Ein kümmerliches Haushaltsgeld, das vorn und hinten nicht ausreicht. Jede Mark muß ich dreimal umdrehen, bevor ich sie ausgebe. Und am Sonntag wird das Fleisch auf dem Tisch fehlen, weil ich das Geld für den Friseur brauche, um nicht wie eine Vogelscheuche herumzulaufen.«

Sie war nicht abzubremsen im Aufzählen aller Nachteile, die sie als Arnes Frau erwartete.

Betroffen betrachtete Arne sie. Dann versuchte er jedoch, ihre Stimmung aufzuhellen. Er sprach davon, daß er nicht immer Kellner blieb. Eines Tages würde er Oberkellner sein. Er besaß Kraft, Mut und Zähigkeit, um sich emporzuarbeiten.

»Das sind doch alles nur Hirngespinste«, zischte sie. »Du bist doch nur ein mittelmäßiger Kellner und wirst es kaum bis zum Ober schaffen. Darauf verlasse ich mich nicht. Da suche ich mir lieber gleich einen reichen Mann, der mir ein Leben in Luxus bieten kann. Allerdings muß ich dazu erst mal das unliebsame Anhängsel loswerden. Und dazu wirst du mir verhelfen, denn du hast mir diese Suppe eingebrockt.«

Arne Brunslys Gesicht wurde tieftraurig. Er öffnete den Mund, wollte etwas sagen, aber er schloß ihn wieder.

Unbarmherzig erkundigte sich Hella nach seinen Ersparnissen. Vermutlich mußte sie ins Ausland, um die Schwangerschaft unterbrechen zu lassen. »Du wirst für alle Kosten aufkommen.«

Arnes Schultern strafften sich. »Du wirst unser Kind bekommen. Ich bestehe darauf. Und solltest du einen Trick anwenden, es loszuwerden, zeige ich dich an. Damit wir uns gleich richtig verstehen. Es ist auch mein Kind. Ich werde deine Eltern aufsuchen, um ihnen in deiner Gegenwart zu erklären, daß ich dich sofort heirate.«

Hella stampfte wütend mit dem Fuß auf. »Aber ich heirate dich nicht. Ich will keinen armen Schlucker zum Mann.«

»Wer sagt denn, daß ich nicht eines Tages reich sein werde?« Er griff blitzschnell nach ihren Händen und hielt sie mit hartem Druck umklammert. »Hella, komm doch zur Vernunft. Wir lieben uns doch. Sonst könntest du ja nicht unser Kind erwarten.«

Sie riß sich heftig von ihm los. Ihre Mundwinkel bogen sich verächtlich nach unten. »Irrtum, ich liebe dich nicht, habe mich nur mit dir amüsiert. Du bist ein leidenschaftlicher Liebhaber und hast mich ungemein gereizt. Aber so was wie dich heiratet man nicht. Bei meinem Zukünftigen muß in erster Linie das Bankkonto stimmen. Du solltest es auch so halten und dir eine reiche Frau suchen. Zwischen uns beiden läuft jedenfalls ab sofort nichts mehr.«

Sie drehte sich auf dem Absatz herum. An der Tür wandte sie sich ihm noch einmal zu. Du wirst mich nicht daran hindern, das zu tun, was ich für richtig halte. Schließlich bin ich es, die unter einer Schwangerschaft zu leiden hat und nicht du. Adieu.«

Krachend fiel die Tür hinter ihr ins Schloß.

*

Der fünfundzwanzigjährige Arne Brunsly stand noch eine ganze Weile wie zur Salzsäule erstarrt. Er konnte es einfach nicht fassen, daß es seine geliebte Hella gewesen war, die sich soeben völlig verdreht aufgeführt hatte. War sie wirklich so herzlos? Oder hatte die Neuigkeit über den Nachwuchs sie dermaßen durcheinandergebracht?

Am liebsten wäre er ihr nachgestürzt, doch er wollte nichts übereilen, sondern in Ruhe über alles nachdenken. Außerdem mußte er erst einmal Herr seiner widersprüchlichen Gedanken und Gefühle werden. Wie gern hätte er sich vorbehaltlos darüber gefreut, Vaterfreuden entgegenzusehen. Aber daran hinderte ihn die maßlose Enttäuschung über Hella. Mit ihren zweiundzwanzig Jahren war sie doch kein Kind mehr. Warum freute sie sich nicht auf ihre Mutterrolle?

Der unbändige Wunsch stieg in ihm auf, sich mit seiner Mutter über alles zu unterhalten. Schade, daß seine heutigen Freistunden begrenzt waren, sonst wäre er sofort zu ihr gefahren. So mußte er sich mit einem Telefonanruf begnügen.

Man merkte Frau Brunsly die Betroffenheit an, als sie sich dazu äußerte: »Das ist eine schwerwiegende Sache, die gut überlegt sein will. Wir müßten uns mal in aller Ruhe darüber unterhalten. Diese Hella verhält sich in der Tat sehr eigenartig. Jede Frau freut sich, wenn sie erfährt, daß sie ein Kind bekommt. Fast jede«, verbesserte sie sich. »Denn wenn eine junge Frau nicht vom Kindesvater geheiratet wird, ist das allerdings fatal für sie. Ein guter Ruf ist rasch ruiniert. Da kann man schon verstehen, wenn sie verzweifelt nach einem Ausweg sucht. Aber das trifft doch auf Hella nicht zu, denn du willst sie ja heiraten. Am besten, wir arrangieren die Hochzeit so bald wie möglich.«

»Das geht nicht«, sagte Arne hastig. »Abgesehen davon, daß sie mich nicht heiraten will, soll sie vorerst auch nicht erfahren, daß ich vermögende Eltern habe. Ich möchte um meiner selbst willen geliebt werden. Sie hält mich bislang nämlich für einen mittellosen Kellner.«

»Bravo, mein Sohn. Damit sprichst du mir ganz aus dem Herzen. Wenn es ihr so wichtig erscheint, was du bist und was du hast, ist sie deiner vermutlich nicht wert.«

Sie gab ihm dann den eindringlichen Rat: »Führe eine Aussprache mit Hella herbei und mach ihr klar, um wieviel kostbarer Liebe und Verständnis sind als Geld und Gut und Luxus. Wir sprechen noch darüber, wenn du an deinem nächsten freien Tag zu uns kommst. Ich wünsche dir, daß es dir bis dahin gelungen ist, Hella ihr Jawort abzuringen. Vater und ich würden sie gern bald kennenlernen. Aber bitte überstürze nichts.«

»Ich werde besonnen bleiben, obwohl mein Inneres reichlich aufgewühlt ist.«

Frau Brunsly redete noch eine Weile beruhigend auf ihn ein und beendete dann das Gespräch.

Arne lehnte sich auf dem Stuhl zurück und spielte gedankenverloren mit dem Telefonkabel. Er wußte, daß es die einfachste Sache von der Welt gewesen wäre, vor Hella hinzutreten und ihr zu gestehen, daß sein Vater ein renommiertes Hotel führte. Er würde später der Erbe sein.

Zu dieser Erklärung konnte er sich jedoch nicht durchringen, denn ihre Worte hatten sich wie Stacheln in seinem Herzen festgesetzt, daß sie ihn nicht liebte, weil er nur ein kleiner Kellner war. Sie traute ihm ja nicht einmal zu, daß er es zum Ober schaffen würde. Wäre sie ehrlich gewesen, hätte sie anerkennen müssen, wie tüchtig er in seinem Beruf war. Aber sie legte es förmlich darauf an, ihn zu verletzen. Demnach war sie furchtbar wütend auf ihn. In Rage sagte man oft unüberlegte Worte.

Womöglich tat es Hella schon wieder leid, ihn so behandelt zu haben, nachdem ihr maßloser Zorn verraucht war. Zu berücksichtigen blieb auch ihr Ehrgeiz, etwas Eigenes, etwas Großes auf die Beine zu stellen, um ihre Tüchtigkeit zu beweisen. Sie hatte doch stets so begeisterte Pläne für die Zukunft geschmiedet.

Durch das Kind wurde ihr nunmehr ein Strich durch die Rechnung gemacht, was sie so schnell wohl nicht verkraften konnte. Deshalb nahm Arne sich vor, ihr behutsam zu helfen, wieder zu sich selbst zurückzufinden. Sobald sie ihm wieder ihre Liebe bewies und sich vorbehaltlos auf ihr gemeinsames Kind freute, wollte er sie mit zu seinen Eltern nehmen. Sie würde staunen, welches Leben sie an seiner Seite erwartete. Dann konnten sie ihr großes Glück von ganzem Herzen genießen.

Arne mußte sich zusammenreißen, um später seine Arbeit als Kellner ordentlich zu versehen. Noch nie zuvor hatte er jedoch den Feierabend so sehr herbeigesehnt wie heute.

Endlich befand er sich in seinem Zimmer. Sein Blick glitt als erstes auf den Boden, ob dort ein Zettel lag. Hella steckte mitunter ein Stück Papier mit ein paar lieben Worten unter der Tür durch, worüber er sich maßlos freute. Heute war das leider nicht der Fall.

Arne war jedoch zu müde, um sich darüber zu ärgern. Er gähnte und kleidete sich aus. Bevor er sich ins Bett legte, vergewisserte er sich, daß er die Zimmertür nicht abgeschlossen hatte.

So konnte Hella jederzeit hereinkommen, falls die Reue sie zu ihm trieb.

Als Arne am Nachmittag erwachte, entdeckte er auf den ersten Blick, daß Hella nicht gekommen war. Fiel es ihr denn wirklich so schwer, ihn um Verzeihung zu bitten? Dann wollte er ihr auf halbem Wege entgegenkommen.

Arne ging vorzeitig ins Restaurant »Blaue Grotte« hinunter, wo Hella als Serviererin arbeitete. Auch er half dort mitunter.

Er schielte durch die Tür, sah aber nicht Hella, sondern eine Kollegin bei der Arbeit. Kurz entschlossen ging er in den kleinen Raum hinter den Gastraum und fing die Serviererin dort ab. Als er sich nach Hella erkundigte, erfuhr er, daß sie krank sei und einige Tage zu Hause bleiben müsse.

»Bis dahin werde ich sie vertreten. Wenn dir freilich so viel daran liegt, sie zu sehen, besuch sie doch«, ermunterte sie ihn.

»Ist nicht so wichtig. Ich habe ihre Adresse auch nicht.«

»Aber ich. Moment, ich schreibe sie dir auf.« Sie kritzelte hastig etwas auf ein Stück Papier und reichte es ihm.

Arne bedankte sich und verschwand. Am liebsten wäre er sofort zu Hella gefahren, doch ein Blick auf die Uhr belehrte ihn, daß er bald seine Arbeit in der Bar versehen mußte. So verschob er den Besuch auf den nächsten Tag, an dem er dann frei hatte.

Arne fiel aus allen Wolken, als ihm auf sein Klingeln eine ältere Frau öffnete und auf seine Frage nach der kranken Hella erklärte, er müsse sich irren, denn sie sei kerngesund ausgegangen.

»Aber man hat mir doch gesagt, sie habe schlecht ausgesehen und müsse sich für einige Tage zu Hause auskurieren.« Er machte ein ziemlich betretenes Gesicht, als er zögernd hinzufügte: »Hella und ich sind nicht nur Arbeitskollegen, sondern auch sehr gute Freunde. Leider haben wir uns gestritten. Ich bin gekommen, um mich mit ihr auszusöhnen.«

Da bat ihn die Dame herzlich näher zu treten. »Bis meine Tochter zurückkehrt, können wir uns doch unterhalten. Ich lade Sie zu einer Tasse Kaffee ein. Gerade habe ich welchen aufgebrüht, und in Gesellschaft schmeckt es stets am besten.«

Frau Gerke hatte zufällig Kuchen gebacken. Arne ließ sich nicht lange bitten, zuzugreifen. Die gütige Art seiner Gastgeberin nahm ihm rasch seine Befangenheit. Er taute immer mehr auf und sprach sich unversehens alles von der Seele, was ihn hinsichtlich Hellas bedrückte.

Danach herrschte eine ganze Weile Schweigen. Bis sich von Frau Gerkes Lippen ein zitternder Schrei löste. »Ich werde Großmutter. Es ist einfach unfaßbar.« Sie strahlte den jungen Mann an. »Glauben Sie mir, in stillen Stunden habe ich oft darüber nachgedacht, wie es wohl sein wird, wenn wieder neues Leben in unserem Haus erblüht. Ein Enkelkind wird mir ein bißchen die verschwundene Jugend zurückgeben. Auf die freudige Botschaft, die Sie mir soeben überbracht haben, müssen wir unbedingt ein Gläschen Wein trinken.«

Frau Gerke ließ sich in ihrer überschäumenden Freude einfach nicht bremsen, und als sie Arne Brunsly zuprostete, bekannte sie ihm offen: »Sie gefallen mir, junger Mann. Darf ich Sie schon jetzt beim Vornamen nennen? Sie und Hella werden ja ohnehin so rasch wie möglich heiraten. Wie heißen Sie doch gleich? Ihr Name ist mir wieder entfallen.«

»Ich heiße Arne Brunsly.« Er sah Frau Gerke bekümmert an. »Vermutlich haben Sie in Ihrer Freude, ein Enkelkind zu bekommen, gar nicht erfaßt, daß Hella sich weigert, meine Frau zu werden, und ihr Kind auch nicht haben will.«

Die gütige Frau lächelte. »Ach, wissen Sie, Arne, das müssen Sie nicht so wörtlich nehmen. Manchmal kommt mir Hella noch so unreif vor wie ein Teenager. Sie ist ja fast selbst noch ein Kind und soll nun eins bekommen. Als Hella geboren wurde, war ich immerhin schon dreißig Jahre alt.«

Sie ließ einen leichten Seufzer hören. »Hella gehört leider zu den eitlen Frauen, die um ihre Schönheit und vor allem um die schlanke Figur fürchten, sobald ein Kind unterwegs ist. Da malen sie sich irrtümlicherweise aus, daß sie nach der Geburt dick und unansehnlich werden.« Sie beugte sich vor und tätschelte beruhigend Arnes auf den Kien liegende Hände.

»Seien Sie unbesorgt. Das kriegen wir schon hin. Hella wird ganz anders denken, sobald ich mit ihr gesprochen und ihr ihre unbegründete Sorge genommen habe.«

Es gelang Frau Gerke jedenfalls, daß Arne wieder zuversichtlicher in die Zukunft schaute. Und deshalb zeigte er sich auch nur zu gern einverstanden, die warmherzige Frau bereits Mutter zu nennen und zu duzen. Er hegte keinerlei Zweifel mehr daran, daß Hella ihm bald voller Glück und Liebe in die Arme sinken würde, so daß sie den Hochzeitstermin festlegen konnten.

*

Hella nagte mißmutig an der Unterlippe, als sie von ihrem Frauenarzt erfuhr, daß keinerlei Anlaß zur Schwangerschaftsunterbrechung bestehe. Bei ihr lagen weder sozialer Notfall noch Gefährdung ihrer Gesundheit oder des werdenden Kindes vor, so daß ihr Begehren von amtlicher Seite mit hundertprozentiger Sicherheit abgelehnt werden würde.

Der Arzt sah es deshalb als seine Pflicht an, Hella eindringlich ins Gewissen zu reden, ihr Kind auszutragen und sich auf ihre Mutterrolle vorzubereiten und zu freuen. Gleichzeitig warnte er sie jedoch davor, noch etwas in dieser Hinsicht zu unternehmen und womöglich einen heimlichen Schwangerschaftsabbruch zu riskieren. Er war von ihrem Zustand informiert und würde das später bei einer Befragung von behördlicher Seite nicht leugnen können.

Hella kochte innerlich vor Wut über den Ausgang dieses Gespräches, das sie sich so ganz anders vorgestellt hatte. Bevor sich ihr Wutausbruch entlud, verließ sie fluchtartig die Arztpraxis und lief ziellos durch die Straßen. Bis sich der Gedanke, Hilfe im Ausland für ihr Problem zu suchen, in ihrem Kopf festsetzte und sie zur Ruhe kommen ließ.

Zunächst verspürte sie einen großen Hunger. Am besten, sie fuhr erstmal heim und aß etwas, bevor sie sich ihre weiteren Schritte überlegte.

Kaum war sie jedoch zu Hause, als die Mutter sie freudestrahlend und herzlich in die Arme schloß. »Hella, mein Kind, du ahnst ja nicht, wie glücklich ich bin, daß du mich bald zur Oma machen wirst. Ein Enkelkind wird meinem Leben wieder einen beglückenden Inhalt geben. Ich hoffe ja, daß ihr es mir anvertrauen werdet.« Sie schob ihre Tochter ein wenig von sich und drohte ihr scherzhaft mit dem Finger. »Eigentlich müßte ich dir ja böse sein, weil du es mir nicht gesagt hast.«

Hellas Augen blickten finster drein. »Und woher weißt du es?«

»Von Arne«, erklärte die Mutter. Sie wirkte plötzlich wie aufgezogen, als sie davon sprach, wie sympathisch ihr der junge Mann auf den ersten Blick gewesen sei und sie bereits einen lieben Sohn in ihm sehe. Am Abend würde man alles mit Hellas Vater besprechen, denn die oberen Räume im Haus mußten für das junge Paar renoviert werden. »Natürlich heiratet ihr in vier Wochen.«

»Nein«, sagte Hella unmißverständlich. »Ich werde weder Arne heiraten, noch mein Kind austragen. Weil ich es nicht will, denn es zerstört mir alle meine Zukunftspläne. Ich möchte beruflich vorwärtskommen und nicht auf diesem armseligen Niveau stehenbleiben.«

Vergeblich versuchte Frau Gerke ihre Tochter umzustimmen. Sie blieb bei ihrem Vorsatz und zog sich in ihr Zimmer zurück. Dort grübelte sie darüber nach, welche Adresse sie im Ausland anschreiben konnte. Leider wußte sie keine. Woher sollte sie die richtige nur erfahren?

Am Abend mußte sie sich dann von ihrem unerbittlichen Vater belehren lassen, daß die Eltern darauf bestanden, daß sie ihr Kind zur Welt brachte. Ebenso wie Arne drohte ihr auch der Vater recht unmißverständlich, notfalls Schritte gegen sie einzuleiten, falls sie das werdende Leben in sich zu zerstören trachtete.

Hella, gewohnt, daß die Eltern stets nachsichtig waren und ihr möglichst jeden Wunsch erfüllten, war wie vor den Kopf geschlagen. Sie zog alle Register, um letztlich ihren Willen durchzusetzen, doch sie biß bei dem Vater auf Granit. Das brachte sie zur Weißglut. Sie verschwand schnell in ihrem Zimmer, um nicht noch ausfallend zu werden. Dadurch würde sie erst recht nichts erreichen. Noch hoffte sie, die Eltern umstimmen zu können, damit sie sie bei ihrem Vorhaben unterstützten.

Als sie am nächsten Morgen einen schmeichelhaften Versuch bei ihrer Mutter unternahm, mußte sie indessen bitter erfahren, da sie in dieser Sache keinen Pardon kannte. Sie war einer Meinung mit ihrem Mann und bedrängte Hella, lieber einen baldigen Hochzeitstermin mit Arne auszumachen. Ihr Vater wollte sich heute noch darum kümmern, daß die Handwerker die Wohnung oben im Haus renovierten.