Ein Kind versteht die Welt nicht mehr - Gloria Rosen - E-Book

Ein Kind versteht die Welt nicht mehr E-Book

Gloria Rosen

5,0

Beschreibung

Seit über 40 Jahren ist Mami die erfolgreichste Mutter-Kind-Reihe auf dem deutschen Markt! Buchstäblich ein Qualitätssiegel der besonderen Art, denn diese wirklich einzigartige Romanreihe ist generell der Maßstab und einer der wichtigsten Wegbereiter für den modernen Familienroman geworden. Weit über 2.600 erschienene Mami-Romane zeugen von der Popularität dieser Reihe. Ein goldener Sonnenschein tauchte das stolze Schloß Wildenburg in strahlenden Glanz. Oben auf dem Altan lehnte eine zierliche Frauengestalt an der Brüstung und ließ den Blick glückstrunken umherschweifen. Wie herrlich war doch diese Gegend, deren Schönheit an der Schloßgrenze nicht endete, sondern sich bis zum fernen Horizont hinzog. Seitdem Nina das erste Mal hier neben dem Grafen Alexander gestanden hatte, war sie in die wundervolle Landschaft verliebt. Nie vergaß sie dem Schloßherrn, welch großes Glück er ihr schenkte und wie er ihr seine Liebe jeden Tag aufs Neue bewies. Für die junge Gräfin schien jeden Tag die Sonne, auch wenn es in Strömen regnete. Alle Menschen waren gut zu ihr, und sie dankte es ihnen. Als Waise hatte sie hier zum ersten Mal tiefempfundene Mutterliebe durch Larissa von Wildenburg erfahren, die sie auf Anhieb als liebe Tochter ans Herz nahm. Nina versuchte ihrerseits, der gütigen, verständnisvollen Gräfin, die stets gutgelaunt war, nachzueifern. Das war nicht immer leicht, denn es kostete Kraft, sich von der freundlichen Seite zu zeigen, wenn man im Inneren Trauer verspürte. Eine feine Wehmut zeichnete sich auf Ninas Gesicht ab. Wie gern hätte sie eine fröhliche Kinderschar um sich versammelt! Leider durfte sie kein zweites Kind mehr bekommen, denn die Geburt des Stammhalters war sehr schwer gewesen und hatte ihr Herz geschwächt. Seitdem mußte sie vorsichtig sein. In ihre Gedanken drang Hufgeklapper. Sie beugte sich leicht vor und erspähte drunten einen Reiter. Es war Graf Alexander, der den fünfjährigen Sohn Falko vor sich im Sattel hielt. Nun hatte der Kleine die Mutter erspäht. Er winkte ihr zu und rief jauchzend hinauf: »Es war herrlich, Mutti.« »Bleib oben!«

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Mami Classic – 7 –

Ein Kind versteht die Welt nicht mehr

Gloria Rosen

Ein goldener Sonnenschein tauchte das stolze Schloß Wildenburg in strahlenden Glanz. Oben auf dem Altan lehnte eine zierliche Frauengestalt an der Brüstung und ließ den Blick glückstrunken umherschweifen.

Wie herrlich war doch diese Gegend, deren Schönheit an der Schloßgrenze nicht endete, sondern sich bis zum fernen Horizont hinzog. Seitdem Nina das erste Mal hier neben dem Grafen Alexander gestanden hatte, war sie in die wundervolle Landschaft verliebt. Nie vergaß sie dem Schloßherrn, welch großes Glück er ihr schenkte und wie er ihr seine Liebe jeden Tag aufs Neue bewies.

Für die junge Gräfin schien jeden Tag die Sonne, auch wenn es in Strömen regnete. Alle Menschen waren gut zu ihr, und sie dankte es ihnen. Als Waise hatte sie hier zum ersten Mal tiefempfundene Mutterliebe durch Larissa von Wildenburg erfahren, die sie auf Anhieb als liebe Tochter ans Herz nahm. Nina versuchte ihrerseits, der gütigen, verständnisvollen Gräfin, die stets gutgelaunt war, nachzueifern. Das war nicht immer leicht, denn es kostete Kraft, sich von der freundlichen Seite zu zeigen, wenn man im Inneren Trauer verspürte.

Eine feine Wehmut zeichnete sich auf Ninas Gesicht ab. Wie gern hätte sie eine fröhliche Kinderschar um sich versammelt! Leider durfte sie kein zweites Kind mehr bekommen, denn die Geburt des Stammhalters war sehr schwer gewesen und hatte ihr Herz geschwächt. Seitdem mußte sie vorsichtig sein.

In ihre Gedanken drang Hufgeklapper. Sie beugte sich leicht vor und erspähte drunten einen Reiter. Es war Graf Alexander, der den fünfjährigen Sohn Falko vor sich im Sattel hielt.

Nun hatte der Kleine die Mutter erspäht. Er winkte ihr zu und rief jauchzend hinauf: »Es war herrlich, Mutti.«

»Bleib oben!« rief Graf Alexander. »Wir kommen zu dir hinauf.«

Er warf dem Stallknecht die Zügel des herrlichen Hengstes Wotan zu und reichte dem herbeigeeilten Diener Franz den Kleinen. Dann waren beide verschwunden.

Kurz darauf tauchten sie Hand in Hand neben Nina auf. Falko riß sich los und flog in die ausgebreiteten Arme der Mutter. Mit glänzenden Augen berichtete er von dem wundervollen Ritt. »Wir haben auch schon einen Platz gefunden, zu dem wir Sonntag dann reiten können. Es ist…«

»… gar nicht schön von dir, wenn du Mutti etwas verrätst«, fiel ihm der Vater ins Wort. »Vergiß nicht, daß du mir dein großes Ehrenwort gegeben hast zu schweigen. Sonst ist es am Sonntag keine Überraschung mehr, und Mutti freut sich nicht. Möchtest du das?«

»Nein, Vati. Ich sage nichts.« Falko blickte betreten drein.

Nina beugte sich rasch zu ihm nieder und küßte ihn auf beide Wangen. »Ich bin schon ganz gespannt, wohin wir am Sonntag reiten werden, und werde bestimmt begeistert sein.« Sie strich ihm liebevoll über den blonden Haarschopf. »Heute nachmittag gehen wir dann zum Schloßsee, wo du deine Schiffchen treiben lassen kannst.«

Falko hüpfte vor Freude und klatschte in die Hände. »O fein, Mutti. Ich packe die Schiffchen gleich in die Badetasche.« Und fort war er.

Lächelnd trat Alexander an Ninas Seite und umfing sie herzlich bei den Schultern. »Es hat wirklich wieder ungeheuren Spaß gemacht, Falko vor mir im Sattel zu haben. Das nächste Mal kommst du aber mit. Dann kannst du den Jubel des Kleinen miterleben.«

Sie schmiegte sich an den geliebten Mann. Ein leiser Seufzer entfloh ihren Lippen. »Ach, ich bin ja so unaussprechlich glücklich. Manchmal habe ich richtig Angst, das könnte sich einmal ändern.«

»Aber, Liebling, ein solcher Gedanke allein ist schon absurd. Ich werde dich immer lieben – mit jedem Tag sogar mehr. Oder glaubst du mir das nicht?«

»O doch, Schatz. Du tust so viel für mich und beschämst mich beinahe in deinem Bestreben, mir quasi die Sterne vom Himmel zu holen.«

»Das Kompliment gebe ich dir voll zurück.« Er zog sie fest in seine Arme und küßte sie zärtlich.

Danach schaute er ihr aufmerksam in die Augen, in deren Winkeln eine feine leise Wehmut nistete. »Willst du mir nicht sagen, was dich bedrückt?«

»Das weißt du doch. Ich möchte wenigstens noch ein zweites Kind haben. Vielleicht irrt sich ja der Arzt, und übertreibt in seiner Sorge, daß ich kein weiteres Kind haben darf.«

Alexanders Gesicht war bitterernst geworden. »Das glaube ich nun wieder nicht. Vor allen Dingen werde ich mich hüten, das Schicksal herauszufordern. Ich möchte nämlich unser großes Glück nicht leichtfertig aufs Spiel setzen.«

Er schob sie vor sich hin und legte seine Hand leicht unter ihr Kinn, so daß sie ihn anschauen mußte. »Du hast mir alles geschenkt, was mein Herz begehrte: Liebe, Glück und Zufriedenheit. Wir haben unseren prächtigen Stammhalter. Was wollen wir noch mehr?«

Ihr Blick verdunkelte sich leicht. »Ein Kind ist ein Sorgenkind. Ich könnte es nie ertragen, wenn Falko etwas zustoßen sollte.«

Betroffen trat er einen Schritt zurück. »An was du plötzlich denkst! Das ist doch purer Unsinn. Schließlich bin auch ich ein Einzelkind und bin unbeschwert aufgewachsen. Jetzt siehst du einen vor Gesundheit strotzenden Mann vor dir. Und so wird es auch bei Falko sein.« Er schüttelte mehrmals verständnislos mit dem Kopf. »Ich begreife es einfach nicht, warum du mit einemmal so kleingläubig sein kannst.«

Sein Blick glitt zum Himmel hinauf. »Deine gedrückte Stimmung kann unmöglich auf das Wetter zurückzuführen sein, denn es sieht ganz und gar nicht nach einem Gewitter aus. Allerdings wird es wohl um die Mittagszeit sehr heiß werden. Da solltest du dich lieber im kühlen Schloß aufhalten und dein heutiges Vorhaben auf einen anderen Tag verschieben, an dem keine unerträgliche Hitze herrscht, wohl aber eine wohlige Wärme.«

Bevor Nina etwas erwidern konnte, stürmte Falko tascheschwenkend auf die Mutter zu. »Ich habe die Schiffchen schon eingepackt. Gehen wir jetzt gleich zum See? Bitte, bitte, Mutti«, bedrängte er sie ungestüm.

»Ihr werdet erst am Nachmittag dorthin gehen«, nahm Alexander seiner Frau die Antwort vorweg. »Mutti kann sich in der Mittagshitze nicht dorthin wagen.«

Falkos Freude erlosch schlagartig. Er ließ traurig den Kopf hängen. »Verzeih mir, weil ich vorhin so verzagt war. Ich habe mich dumm benommen«, flüsterte Nina ihrem Mann ins Ohr. Dann trat sie auf den Kleinen zu und hob sein Gesichtchen empor. Erschrocken stellte sie fest, daß sich seine Augen mit Tränen gefüllt hatten. »Weine nicht. Natürlich gehen wir nachher zum Schloßsee. Ich habe es dir doch fest versprochen. Gib mir deine Tasche und lauf rasch zu, um dir das Gesicht und die Hände zu waschen. Omi wird uns gleich zu Tisch bitten.«

»Mutti, du bist prima.« Falkos Gesicht glänzte bereits wieder. Er drückte der Mutter die Tasche in die Hand und spurtete davon.

»War es richtig, den Kleinen auf die Art zu trösten?« zweifelte Alexander. »Du kannst ihm doch nicht das Opfer bringen, dich der Sonne auszusetzen, nur, damit er seinen Willen kriegt.«

Ihre Augen sahen ihn verzweifelt an. »Ganz gewiß nicht. Ich werde im Schatten der Bäume bleiben, auch wenn sich dadurch der Weg zum See verlängert, weil wir den kürzesten nicht einschlagen können. Am Wasser wird es ohnehin kühl sein. Wir werden uns vorsichtshalber gegenseitig mit Wasser bespritzen, bevor wir in die Fluten eintauchen und schwimmen. Das verspreche ich dir hoch und heilig. Bist du nun zufrieden?«

»Muß ich ja wohl«, brummte er bärbeißig, um die Sorge um seine Frau zu überspielen. Jäh kam ihm eine großartige Idee. »Ich werde mir heute mal ausnahmsweise freie Stunden gewähren und komme euch zum See nach. Am besten, ihr geht erst später dorthin, sagen wir so gegen drei Uhr nachmittags. Einverstanden?«

»Natürlich«, erwiderte Nina prompt.

Sie rechnete allerdings nicht mit Falko, der so schnell wie möglich zum Schloßsee wollte, um sich mit seinen Schiffchen zu vergnügen.

Er quengelte so lange, bis es Nina auf die Nerven ging. Sie gab nach und ging schon kurz nach zwei Uhr mit ihm durch den Park.

Falko rannte immer wieder voraus, so daß Nina ihn zurückrufen mußte.

Sie befahl ihm schließlich streng: »Bleib endlich an meiner Seite, denn ich kann nicht so schnell laufen wie du. Falls du nicht gehorchst, kehren wir auf der Stelle sofort zum Schloß zurück.«

Da bemühte sich der Kleine, mit ihr Schritt zu halten. Man merkte ihm freilich die Ungeduld an, so daß Nina so rasch ging, wie sie konnte.

Allerdings war sie froh, als sie endlich am See anlangten. Sie blieb an einer schattigen Bank stehen und streifte Falko das lange T-Shirt ab, das er über der Badehose trug.

»Du kannst die Schiffchen schon mitnehmen«, erlaubte sie ihm. »Geh aber noch nicht ins Wasser. Setz dich ans Ufer und paß auf, daß du nicht in den See fällst.« Ernst mahnend sah sie ihn dabei an.

»Ja, Mutti«, erwiderte er gehorsam. »Kommst du auch gleich?«

»Gewiß. Ich ziehe nur das Frotteekleid aus. Wir kühlen uns dann gegenseitig ab, bevor wir in den See springen. Hast du mich verstanden?«

»Ja, Mutti.« Falko griff nach den Schiffchen und lief über den Weg zum Ufer, wo er sich hinsetzte und die Beine baumeln ließ.

Nina trug unter dem Frotteekleid bereits den Bikini. Bevor sie es abstreifte, ruhte sie sich jedoch auf der Bank aus. Sie hörte ihr Herz heftig klopfen und schalt sich selbst aus, weil sie viel zu schnell gegangen war. Die Hitze machte ihr wieder zu schaffen, obwohl sie sich doch an ihr ihrem Mann gegebenes Versprechen gehalten und sich strikt im Schatten der Bäume bewegt hatte.

Sie atmete mehrmals kräftig durch und merkte erleichtert, daß ihr Herzschlag wieder ruhig und regelmäßig ging. Gewiß würden ihr die kühlen Fluten des Sees guttun und sie erfrischen.

Langsam erhob sie sich. Dabei glitt ihr Blick lächelnd zu Falko hin. Er spielte mit dem Schiffchen.

Plötzlich entglitt eines seinen Händen und rutschte ins Wasser. Der Kleine beugte sich vor, um zu sehen, ob es auf dem See schwamm oder unterging. Dabei verlor er das Gleichgewicht und fiel mit einem gellenden Schrei ins Wasser.

Der Schreck fuhr Nina in sämtliche Glieder. Ihre Hände, die bereits das Frotteekleid ergriffen hatten, um es sich über den Kopf zu ziehen, fielen herab. In panischer Angst lief sie zum See, wo nur noch die Hand ihres Sohnes aus dem Wasser ragte. Er mußte von dem plötzlichen Hineinfallen wie betäubt sein, denn er konnte längst schwimmen.

Ohne sich weiter zu besinnen, sprang Nina in den See. Zum Glück bekam sie gleich den kleinen Körper zu fassen. Sie keuchte, weil die Last sie in die Tiefe zog. Mit allerletzter Kraft erreichte sie das Ufer. Als sie den bewußtlosen Buben jedoch hinauf schieben wollte, sanken ihre Arme schlaff herunter. Tiefschwarze Nacht umhüllte sie.

*

Michelle von Monfelden, Komtesse vom Nachbargut der Wildenburgs, war nach langer Abwesenheit in die Heimat zurückgekehrt. Wie lange sie bleiben würde, wußte sie nicht zu sagen. Das hing ganz davon ab, ob sie ihre Liebe zum Grafen Alexander restlos überwunden hatte. Obwohl sie an und für sich davon überzeugt war, nagten doch noch einige Zweifel in ihr.

Michelle, ihr Bruder Egbert und Graf Alexander waren von Kindheit an eng befreundet gewesen. Besonders sie und der Nachbarssohn hatten sich immer enger aneinander angeschlossen, zumal sie zu einer richtigen Schönheit erblühte. Ihr kupferrotes Haar glänzte in der Sonne wie flüssiges Gold, und in ihren grünen Augen schimmerte es rätselhaft.

Sie und der attraktive Alexander mit dem leichtgewellten braunen Haar und den klugen braunen Augen bildeten einen herrlichen Kontrast, wenn sie als Paar über die Tanzfläche schwebten. Es gab keinen unter ihren Verwandten und Freunden, der nicht überzeugt gewesen wäre, daß sie eines Tages heiraten würden, um für ewig zusammenzubleiben.

Doch dann lernte Alexander Nina kennen, die ihm wie eine holde Elfe erschien. Er liebte sie vom ersten Augenblick an mit der ganzen Glut seines Herzens. Vor dem zarten goldigen Geschöpf verblaßte selbst Michelles Schönheit.

Obwohl Alexander plötzlich keine Zeit mehr für sie fand, kämpfte Michelle wie eine Löwin um ihr Glück. Sie verlor.

Nur mit äußerster Willenskraft gelang es ihr, eine gelassene Haltung zu bewahren, um der im großen Stil gefeierten Hochzeit beizuwohnen. Niemals hätte sie es ertragen, daß man ihr womöglich sogar schadenfroh nachredete, weil sie quasi eine »verlassene« Braut war. Dabei hatte es nie ein Verlöbnis zwischen Alexander und ihr gegeben. Sie war ziemlich erleichtert darüber.

Dann flüchtete sie sich jedoch nach Frankreich, wo ihre Mutter Suzette das Gut ihres Vaters nach dessen Tod geerbt hatte. Ihre Mutter war schon Jahre zuvor verstorben. Der Besitz lag in der herrlichen Gegend an der Loire.

Die sagenhaften Schlösser und Bauten dort waren weltbekannt und faszinierten Michelle. Um sie von ihrem Liebeskummer abzulenken, unternahmen ihr Vater Victor und ihre Mutter viele Ausflüge in die Umgebung. Besonders Suzette kannte sich bestens aus und erklärte ihrer Tochter alles ausführlich, was es in den Schlössern und Kathedralen sowie Kirchen an Prunkstücken zu sehen gab.

Auch sonst trösteten die Eltern sie liebevoll und bemühten sich nach allen Kräften, damit sie allmählich ihr Liebesleid überwand.

Bald zeigte sie neues Interesse an den galanten Franzosen, die ihrer Schönheit so vollendet würdigten, daß es ihr schmeichelte.

Ihre Eltern gaben einige Feste, und sie wurden auch öfter eingeladen, wenn Freunde oder Verwandte Gesellschaften gaben. Meist war Michelle der Mittelpunkt.

Dennoch konnte sie Alexander nicht so schnell vergessen, was sie sich freilich nach außen hin nicht anmerken ließ. Sie hielt sich die Herren auf Abstand, zeigte sich ihnen gegenüber kameradschaftlich und mied es aus einem inneren Bedürfnis heraus, einen von ihnen zu bevorzugen. In ihr schlummerte auch die Angst vor einer zweiten Enttäuschung.

Der Marquis de Lombard zeigte sich indessen besonders hartnäckig, als er in seiner feinfühligen Art um sie warb. Seine Eltern besaßen nicht nur das wunderschöne, große Nachbargut, sondern er entstammte auch einer alteingesessenen Adelsfamilie, deren Stammbaum weit zurückreichte.

Besonders Suzette ließ sich mehr oder minder deutlich anmerken, daß ihr kein Schwiegersohn willkommener wäre als Pascal. Drängen mochten jedoch weder sie noch ihr Mann die Tochter zu ihrem Glück.

Eine Ehe konnte nur dann gutgehen, wenn beide Partner sie von ganzem Herzen wünschten. Und nur eine tiefe Liebe gewährte ein großes Glück auf Lebenszeit.