Der Betrug - Gloria Rosen - E-Book

Der Betrug E-Book

Gloria Rosen

5,0

Beschreibung

Seit über 40 Jahren ist Mami die erfolgreichste Mutter-Kind-Reihe auf dem deutschen Markt! Buchstäblich ein Qualitätssiegel der besonderen Art, denn diese wirklich einzigartige Romanreihe ist generell der Maßstab und einer der wichtigsten Wegbereiter für den modernen Familienroman geworden. Weit über 2.600 erschienene Mami-Romane zeugen von der Popularität dieser Reihe. Gräfin Silvia parkte ihren weißen Sportwagen vor der Freitreppe des Schlosses Sarenberg und stieg schnell aus. Sie nahm ihre Sporttasche sowie ihren Tennisschläger vom Rücksitz und eilte blindlings die Stufen hinauf. Dabei wäre sie um ein Haar mit ihrem Mann zusammengeprallt. Unbemerkt war Frederik Graf von Sarenberg aus dem Portal getreten. Er wich rasch zur Seite. »Du scheinst es ja sehr eilig zu haben«, bemerkte er stirnrunzelnd, »weil du den Wagen nicht in die Garage gefahren hast. Hast du schon wieder eine weitere Verabredung getroffen?« »Nein. Ich möchte nur so schnell wie möglich unter die Dusche. Mir klebt der Tennis-Dress förmlich am Leib.« »War das Match so anstrengend? Du hast sicherlich wieder auf der ganzen Linie gesiegt, nicht wahr?« »Ganz im Gegenteil. Ich habe jedes Spiel verloren. Heute war wirklich mein Pechtag.« Sie schwang den Tennisschläger leicht hin und her. »Und der Tag ist noch nicht zu Ende. Da kann noch einiges geschehen«, orakelte der dreiunddreißigjährige Graf, wobei eine feine Melancholie sein Gesicht umschattete.

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Leseprobe: Für sie ist die Welt nicht mehr heil

Diese beliebte Romanserie der großartigen Schriftstellerin Patricia Vandenberg überzeugt durch ihr klares Konzept und seine beiden Identifikationsfiguren: Denise von Schoenecker verwaltet das Erbe ihres Sohnes Nick, dem später einmal, das Kinderheim Sophienlust gehören wird.

Mami Classic – 26 –

Der Betrug

Gloria Rosen

Gräfin Silvia parkte ihren weißen Sportwagen vor der Freitreppe des Schlosses Sarenberg und stieg schnell aus. Sie nahm ihre Sporttasche sowie ihren Tennisschläger vom Rücksitz und eilte blindlings die Stufen hinauf. Dabei wäre sie um ein Haar mit ihrem Mann zusammengeprallt.

Unbemerkt war Frederik Graf von Sarenberg aus dem Portal getreten. Er wich rasch zur Seite. »Du scheinst es ja sehr eilig zu haben«, bemerkte er stirnrunzelnd, »weil du den Wagen nicht in die Garage gefahren hast. Hast du schon wieder eine weitere Verabredung getroffen?«

»Nein. Ich möchte nur so schnell wie möglich unter die Dusche. Mir klebt der Tennis-Dress förmlich am Leib.«

»War das Match so anstrengend? Du hast sicherlich wieder auf der ganzen Linie gesiegt, nicht wahr?«

»Ganz im Gegenteil. Ich habe jedes Spiel verloren. Heute war wirklich mein Pechtag.« Sie schwang den Tennisschläger leicht hin und her.

»Und der Tag ist noch nicht zu Ende. Da kann noch einiges geschehen«, orakelte der dreiunddreißigjährige Graf, wobei eine feine Melancholie sein Gesicht umschattete.

Die um vier Jahre jüngere Silvia horchte auf. »Stimmt etwas nicht?« erkundigte sie sich beunruhigt. »Du wirkst heute so ungewöhnlich ernst.«

»Das ist schon seit einiger Zeit der Fall. Du hast es nur nicht bemerkt. Dir ist so vieles entgangen.« Er betrachtete forschend ihre Miene. »Falls du Zeit für mich hast, würde ich dich gern in meinem Arbeitszimmer sprechen.«

Silvia zuckte zurück. Wenn er sie in diesen Raum zitierte, ging es meist um wichtige Angelegenheiten, die nicht immer erfreulicher Art waren. Am besten brachte sie es gleich hinter sich. »Könnte ich vorher noch kurz duschen? Es dauert nur zehn Minuten.«

»Laß dir ruhig ein wenig länger Zeit. Ich habe noch eine kurze Besprechung mit dem Gärtner.«

Trotzdem befand er sich bereits im Arbeitszimmer, als Silvia nach einer knappen Viertelstunde dort eintrat.

Der Graf stand am Fenster und schaute hinaus. Jetzt wandte er sich um. Tiefer Ernst prägte seine Gesichtszüge. Er wies einladend auf die lederbezogene Sesselgruppe. »Setzen wir uns doch.«

Silvia wurde immer mulmiger zumute. Sie ließ sich leicht in einen der tiefen Sessel fallen und schlug die schlanken Beine graziös übereinander. Abwartend blickte sie auf ihren Mann, der hinter einem Sessel stehenblieb und die Hände in die Rückenlehne verkrampfte.

Ohne Vorwarnung sagte er. »Ich werde Eric diesmal auf seiner Forschungsreise begleiten.«

Der Satz stand unheilverkündend im Raum.

So sah es jedenfalls Silvia, die ihren Mann anstarrte, als sei er ein Geist. Ihre Lippen formten mehrmals nur das eine Wort: »Nein!«

Frederik belehrte sie indessen, daß sein Entschluß unumstößlich war. »Ich wollte mich längst einmal Eric anschließen, weil mich seine Berichte über fremde Zonen restlos begeisterten. Wir hatten bereits ein gemeinsames Unternehmen geplant. Doch dann lernte ich dich kennen, und wir heirateten. Da dachte ich nicht mehr an meinen damaligen sehnlichen Herzenswunsch. Nun möchte ich ihn mir jedoch erfüllen. Eric…«

»… wird es nicht zulassen, daß du ihn begleitest. Ich werde ihn anrufen. Am besten jetzt gleich.« Silvia sprang aufgeregt auf. Die Farbe kam und ging in ihrem Gesicht. Sie wollte das Zimmer verlassen, doch Frederik versperrte ihr den Weg.

Er griff nach ihren Händen und umspannte sie mit festem Druck. »Das Telefonat ist zwecklos. Eric befindet sich längst in Rio de Janeiro, um die nötigen Vorbereitungen für die Expedition zu treffen. Ich…«

»Nein, das ist nicht wahr. Ausgerechnet Brasilien. Dort, wo…« Sie konnte nicht weitersprechen, ihr Körper wurde von wildem Schluchzen geschüttelt. Bruchstückweise drangen ihr dabei die Worte über die Lippen. »Der brasilianische Urwald ist meinen Eltern zur Todesfalle geworden. Er wird auch dich verschlingen. Das kann ich nicht ertragen. Das nicht.«

Behutsam führte Frederik sie zum Sessel zurück. Sanft drückte er sie nieder. »So beruhige dich doch. Ich weiß um meine Verantwortung dir und dem Schloßgut gegenüber. Niemals würde ich mich in Gefahr begeben. Eric hat mir versichert, daß die Entdeckungsreise nicht gefährlich ist. Wir begeben uns in keine unerforschten Gebiete wie deine Eltern. Außerdem wollten sie stets Neuland erforschen, während es Eric nur darum geht, Volksgruppen in fremden Ländern näher kennenzulernen und ihre Lebensweise zu ergründen. Das weißt du doch selbst. Schließlich hast du vor unserer Heirat bei ihm gearbeitet.«

Es gelang ihm schließlich, sie einigermaßen zu beruhigen. Er holte ihr einen Kognak, der ihr guttat.

Aus tränenumflorten Augen blickte sie zu ihm auf. »Bleib hier. Ich liebe dich und brauche dich mehr als Eric und alles auf der Welt.« Sie wischte sich über die Augen. »Liebst du mich nicht?«

Er wandte das Gesicht zur Seite, damit sie seinen gequälten Gesichtsausdruck nicht bemerkte. »Wir haben aus großer Liebe geheiratet, uns aber in letzter Zeit entfremdet. Die einstigen Gemeinsamkeiten schrumpfen immer mehr zusammen. Was ist aus unserer glücklichen Zweisamkeit geworden?«

Er ging zum Fenster und blickte hinaus, als würde ihm die Natur die richtige Antwort geben.

»Liegt das allein an mir?« Ein sanfter Vorwurf schwang in Silvias Worten mit. »Du gehst doch ganz in deinen Gutsherrenpflichten auf.«

Er schnellte auf dem Absatz herum. »Und du stürzt dich von einem Vergnügen ins andere, anstatt dich auf deine mütterliche Seite zu besinnen. Wir sind jetzt vier Jahre verheiratet und noch ohne Nachwuchs. Ich hätte mich so sehr über ein Kind gefreut.«

Ein sinnender Ausdruck lag in seinen Augen.

»An mir liegt es nicht«, verteidigte sich Silvia und ließ ihren Kopf tiefbetrübt hängen. »Das Schicksal hat uns ein Kind versagt.«

»Du hast dem wohl ein bißchen nachgeholfen, weil du erst einmal dein Leben in vollen Zügen genießen möchtest. Ich kann das zwar verstehen, doch für mich und meinen Besitz steht ungeheuer viel auf dem Spiel. Er darf niemals in die falschen Hände geraten.«

»Was ist dir eigentlich mehr wert: meine Liebe oder Schloßgut Sarenberg?« brach es aus Silvia heraus.

»Beides«, war die spontane Antwort. »Es ist nur so schwer, beides unter einen Hut zu bringen.« Er stöhnte schwer auf und lief im Raum nervös hin und her. Dann blieb er vor Silvia stehen. »Ich halte die geplante Reise und die damit verbundene Trennung für ungeheuer wichtig. Unabhängig voneinander können wir über uns nachdenken und uns überlegen, wie wir unserer Ehe neue Impulse geben. Ich kann nur hoffen, daß du zu der Erkenntnis kommst, daß Mutterliebe viel glücklicher macht als all die schalen Vergnügungen, denen du nachläufst.«

»Aber das tue ich doch nur, weil ich selbst unglücklich bin, kein Kind zu bekommen. Ich war etliche Male bei Frauenärzten und Professoren, die mir allesamt bescheinigt haben, daß ich Mutter werden kann. Allerdings haben sie dringend geraten, ruhig abzuwarten und nichts erzwingen zu wollen, weil gerade dadurch die Gefahr entstehe, daß sich die gewünschte Schwangerschaft nicht einstellt.«

»Abwarten! Abwarten!« begehrte der sonst so besonnene Graf ungehalten auf. »Als ob mir noch viel Zeit bliebe. Victor hat bereits den zweiten Sohn vorzuweisen und wird den Vorteil hundertprozentig nutzen. Nicht auszudenken, wenn er sein Ziel erreicht.«

Silvia horchte betroffen auf. Instinktiv spürte sie, daß ihr Mann ein unheilvolles Geheimnis mit sich trug. Sie erhob sich und trat dicht vor ihn hin. Dabei umklammerte sie seinen Arm. »Was wolltest du soeben mit deinen Worten andeuten? Bitte, sag mir die Wahrheit.«

Sie sah ihn dabei so flehend an, daß er nicht länger zu schweigen vermochte.

»Eigentlich solltest du es ja nicht wissen. Ich wollte dich weder beunruhigen noch den Eindruck erwecken, daß mir der Besitz wichtiger ist als du. Du stehst bei mir an erster Stelle. Das kannst du mir ruhig glauben. Setz dich bitte wieder hin und hör mir gut zu.«

Diesmal ließ auch er sich in einem Sessel nieder. Er schlang allerdings nervös die Hände ineinander und wippte unruhig mit den Schuhspitzen.

Es bestand ein altes, verbrieftes Recht der uralten Adelsfamilie Sarenberg, daß stets ein männlicher Nachkomme die gräflichen Besitztümer übernehmen mußte, damit der Name Sarenberg erhalten blieb und niemals ausstarb. Dabei handelte es sich um den Schloßbesitz Sarenberg und ein Gut Sarenberg, das augenblicklich von dem Grafen Victor bewirtschaftet wurde. Er entstammte einer Seitenlinie, die dennoch erbberechtigt war.

Leider war Victor ein regelrechter Windhund in jeder Beziehung. Das Geld floß ihm nur so durch die Hände. Er vergnügte sich lieber, als daß er arbeitete. Zum Glück besaß er eine tüchtige, kluge und warmherzige Frau, die ihn zum Unverständnis aller grenzenlos liebte und ihm auch seine sämtlichen Schwächen verzieh.

Frederik seufzte tief. »Ich schätze Helen, denn sie ist eine wundervolle Frau, die Victor gar nicht verdient. Leider ist sie auch nur ein Mensch, und es wird ihr auf Dauer nicht gelingen, der Verschwendungssucht ihres Mannes entgegenzusteuern. Er baut zudem darauf, daß es ihm gelingt, Schloß Sarenberg in seinen Besitz zu bringen, wenn er das eigene Gut ruiniert hat. Vor kurzem hat er mir erst triumphierend mitgeteilt, daß er nun den zweiten Sohn hat, und zwar einen für sein Gut und den anderen für mein Schloßgut. Er freut sich unbändig, daß wir noch keinen Erben aufzuweisen haben.«

Silvia war geschockt. »Das ist ja furchtbar. Nun begreife ich auch deine Ungeduld.« Sie sah ihn vorwurfsvoll an. »Warum hast du mir das alles nicht schon längst gesagt?«

»Weil ich glaubte, daß das nicht nötig ist. Sobald unser erstes Kind geboren war, würde Victor alle Spekulationen auf unser Schloßgut aufgeben müssen. Zudem wollte ich keinen Druck auf dich ausüben, solltest du dich selbst und um der Liebe willen für ein Kind entscheiden.«

»Aber das tue ich doch!« rief sie beschwörend aus. »Glaubst du mir nicht?«

»Ich weiß es nicht«, erwiderte er und horchte in sich hinein.

Silvia starrte ihn ungläubig an. Dann senkte sie betrübt den Kopf.

Lastendes Schweigen lag über dem Raum.

*

Frederik erhob sich. Er ging an den Schreibtisch und griff nach einem Notizblock. Damit trat er vor Silvia hin. »Hier steht alles Wichtige für dich aufgeschrieben. Du brauchst dir keinerlei Sorgen zu machen. Das Gut wird von unserem tüchtigen Verwalter Ulf Haagen bestens geleitet. Er hat mich ja schon öfter erstklassig vertreten. Mamsell Melissa führt das Hauswesen auch während meiner Abwesenheit zuverlässig. Du brauchst dich also um nichts zu kümmern und kannst dir dein Leben ganz nach eigenem Gutdünken einteilen. Falls du gern verreisen möchtest, steht dem nichts im Weg. Ich habe zu deinem persönlichen Bedarf eine größere Geldsumme auf dein Konto überwiesen. Dir dürfte es somit an nichts fehlen.«

»O doch, nämlich an deiner Gegenwart«, wandte sie erregt ein. Sie sprang auf und umklammerte den Arm ihres Mannes. »Bitte, blas die geplante Reise ab und bleib hier. Ich sehe ja ein, daß ich in der letzten Zeit nur an mich gedacht habe. Aber ich verspreche dir hoch und heilig, daß ich mich bessern werde und künftig nur noch in deiner Begleitung Partys besuche. Nur geh nicht fort.«

Sie mochte noch so flehen, es nützte ihr nichts.

Frederik schob sie sanft von sich. Er blieb unerbittlich. »Das hättest du dir alles früher überlegen sollen. Du hast mir sogar zu verstehen gegeben, daß dir trotz Ehe auch ein Eigenleben zusteht. Im Grunde genommen habe ich dir nie besondere Pflichten zugeteilt oder irgendwelche Tätigkeiten abverlangt. Vielleicht war das ein Fehler. Ich hätte dich mehr am Schloßleben beteiligen sollen. Das sehe ich ein. Gerade darum ist es für uns beide ungeheuer wichtig, Abstand voneinander zu gewinnen. Nur so können wir uns unbeeinflußt in Ruhe überlegen, wie wir unseren Ehealltag gestalten wollen, um unsere Liebe neu zu entfachen.«

»Du liebst mich nicht mehr und denkst nur noch an deinen Besitz«, warf sie ihm hitzig vor.

Er maß sie traurig. »Ich sehe, daß du immer noch nichts begriffen hast. Such schleunigst die Abgeschiedenheit zum gründlichen Nachdenken, bevor unsere Beziehung ganz in die Brüche geht und nachher nicht mehr zu kitten ist. Ich lege den Notizblock auf meinen Schreibtisch zurück. Dort kannst du jederzeit Einblick in die Aufzeichnungen nehmen, falls es erforderlich ist.«

»Demnach hast du alles gründlich vorbereitet«, äußerte sich Silvia verbittert. »Wann habt ihr denn diese gemeinsame Forschungsreise beschlossen?«

»Vor gut einem Monat«, erwiderte Frederik. »Erics ständiger Begleiter ist plötzlich erkrankt. Es wird eine ganze Weile dauern, bis er sich wieder diesen beschwerlichen Reisen aussetzen kann. Darum kann ich Eric auch nicht im Stich lassen. Ich möchte nämlich auf keinen Fall, daß er die Expedition allein unternimmt. Und nun entschuldige mich bitte. Ich muß meine letzten Vorbereitungen treffen, denn ich fliege noch in dieser Nacht nach Brasilien.«

»So schnell schon?« brachte Silvia in krächzendem Ton heraus.

»Ja. Das Flugticket ist bereits bestellt und Eric benachrichtigt, mit welcher Maschine ich eintreffe. Er wird mich am Flughafen abholen.«

»Wie gemein, alles hinter meinem Rücken zu arrangieren«, erboste sich Silvia nun. »Womöglich wärst du ganz ohne Abschied verschwunden.«

»Ganz gewiß nicht«, widersprach er mit fester Stimme. »Ich habe nur auf dein bisheriges, mir gegenüber gleichgültiges Verhalten auf meine Weise reagiert. Vielleicht begreifst du es, wenn du intensiver darüber nachdenkst.« Er verließ eilig den Raum.

Silvia floh in ihr Boudoir hinauf. Sie hatte es sich ganz nach ihrem Geschmack eingerichtet. Es war nicht nur urgemütlich, es wirkte sich auch wohltuend auf die aufgepeitschten Nerven aus.

Die Gräfin ließ sich in einen Biedermeiersessel fallen und vergrub ihr Gesicht in den Händen. Verzweifelt fragte sie sich, ob das der Anfang vom Ende ihrer Ehe war.

Bilder aus längst vergangenen Zeiten schoben sich vor ihr geistiges Auge. Ihre Eltern lebten beide nur der Wissenschaft und unternahmen gefährliche Expeditionsreisen. Ihr Heißhunger auf fremde Gegenden und neue Eindrücke von unerforschten Gebieten und ihren Bewohnern wurde nie gestillt. Man bewunderte ihren Mut und ihren Ehrgeiz. Daß sie darüber das Familienleben fast vergaßen, blieb in der Presse unerwähnt.

So wuchs Silvia die meiste Zeit bei ihrer Tante Heidrun und deren Tochter Ulrike auf. Die Kusine war zwei Jahre jünger, doch die beiden Mädchen hingen wie Schwestern aneinander und waren unzertrennlich. Sie spielten miteinander, unternahmen vieles gemeinsam und waren überaus traurig, wenn Silvias Eltern wieder mal für eine gewisse Zeit daheim waren und versuchten, alles Versäumte an der Tochter nachzuholen. Dieses kurzzeitige Übermaß an Liebe und Fürsorge erschreckte Silvia jedoch mehr, als es ihr guttat. So war sie jedesmal froh, wieder unter Tante Heidruns Fittiche zu gelangen.

Natürlich förderten ihre Eltern ihre Sprachbegabung. Sie selbst beherrschten mehrere Sprachen und liebten es, sich mit der Tochter englisch oder französisch zu unterhalten. Später lernte Silvia in Abendkursen auch noch Spanisch, Portugiesisch und Italienisch. Sie besuchte die Sprachenschule und hatte gerade ihren Abschluß glänzend bestanden, als ihre Eltern bei einer Bootsfahrt im unwirtlichen Urwald kenterten und ertranken. Es war der erste große Schock in Silvias Leben, von dem sie sich nur schwer erholte.