Ich bring' dir Glück, Daniela - Gloria Rosen - E-Book

Ich bring' dir Glück, Daniela E-Book

Gloria Rosen

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Beschreibung

Die Familie ist ein Hort der Liebe, Geborgenheit und Zärtlichkeit. Wir alle sehnen uns nach diesem Flucht- und Orientierungspunkt, der unsere persönliche Welt zusammenhält und schön macht. Das wichtigste Bindeglied der Familie ist Mami. In diesen herzenswarmen Romanen wird davon mit meisterhafter Einfühlung erzählt. Die Romanreihe Mami setzt einen unerschütterlichen Wert der Liebe, begeistert die Menschen und lässt sie in unruhigen Zeiten Mut und Hoffnung schöpfen. Kinderglück und Elternfreuden sind durch nichts auf der Welt zu ersetzen. Genau davon kündet Mami. Die siebenundzwanzigjährige Kindergärtnerin Daniela Bader schaute lächelnd der Rasselbande nach, die hinaus ins Freie stürmte, wo jedes Kind von einem Familienangehörigen in Empfang genommen wurde. Durch die offenen Türen drangen die fröhlichen Stimmen der Kleinen, die aufgeregt berichteten, was sie am Tag gespielt und gelernt hatten. Stillvergnügt lauschte Daniela, wobei sie allerdings eine feine Wehmut beschlich. Sie würde das alles sehr vermissen, wenn sie ihren Beruf endgültig an den Nagel hängte. Der Tag rückte immer näher, denn sie hatte bereits gekündigt, weil sie demnächst heiraten wollte. Ihre Augen leuchteten unwillkürlich auf bei dem Gedanken an ihren Liebsten. Mit ihm würde sie dieses Wochenende verbringen, um die Weichen für ihr künftiges, gemeinsames Leben zu stellen. Sie mußte an diesem Freitagnachmittag nur noch ihre kleine Wohnung auf Hochglanz bringen und einige dringende Einkäufe erledigen. Rasch griff sie nach ihrer Umhängetasche und verließ beschwingten Schrittes den Raum. Es herrschte Stille draußen, denn die Kinder waren bereits mit ihren Begleitern verschwunden. Sie selbst wollte gerade auf ihr parkendes Auto zueilen, als ein seltsamer Laut an ihr Ohr schlug. Aufhorchend blickte sie sich um. Dabei entdeckte sie den vierjährigen Torben Zauner, der wie ein Häuflein Elend dastand. Er schluckte schwer, wobei ihm dicke Tränen über die Wangen kullerten. Rasch ging Daniela vor ihm in die Hocke und schaute ihn betroffen an. »Ja, Torben, was hast du denn? Bist du hingefallen?« »Nein. Die Omi… die Omi ist nicht da«, kam es stoßweise über seine Lippen. »Sie hat mich vergessen… und sie…« »Nun jammere nicht«, beruhigte Daniela ihn liebevoll. Sie stellte sich vor ihn

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Mami –1859–

Ich bring' dir Glück, Daniela

Roman von Gloria Rosen

Die siebenundzwanzigjährige Kindergärtnerin Daniela Bader schaute lächelnd der Rasselbande nach, die hinaus ins Freie stürmte, wo jedes Kind von einem Familienangehörigen in Empfang genommen wurde. Durch die offenen Türen drangen die fröhlichen Stimmen der Kleinen, die aufgeregt berichteten, was sie am Tag gespielt und gelernt hatten.

Stillvergnügt lauschte Daniela, wobei sie allerdings eine feine Wehmut beschlich. Sie würde das alles sehr vermissen, wenn sie ihren Beruf endgültig an den Nagel hängte. Der Tag rückte immer näher, denn sie hatte bereits gekündigt, weil sie demnächst heiraten wollte.

Ihre Augen leuchteten unwillkürlich auf bei dem Gedanken an ihren Liebsten. Mit ihm würde sie dieses Wochenende verbringen, um die Weichen für ihr künftiges, gemeinsames Leben zu stellen. Sie mußte an diesem Freitagnachmittag nur noch ihre kleine Wohnung auf Hochglanz bringen und einige dringende Einkäufe erledigen.

Rasch griff sie nach ihrer Umhängetasche und verließ beschwingten Schrittes den Raum. Es herrschte Stille draußen, denn die Kinder waren bereits mit ihren Begleitern verschwunden.

Sie selbst wollte gerade auf ihr parkendes Auto zueilen, als ein seltsamer Laut an ihr Ohr schlug. Aufhorchend blickte sie sich um. Dabei entdeckte sie den vierjährigen Torben Zauner, der wie ein Häuflein Elend dastand. Er schluckte schwer, wobei ihm dicke Tränen über die Wangen kullerten.

Rasch ging Daniela vor ihm in die Hocke und schaute ihn betroffen an. »Ja, Torben, was hast du denn? Bist du hingefallen?«

»Nein. Die Omi… die Omi ist nicht da«, kam es stoßweise über seine Lippen. »Sie hat mich vergessen… und sie…«

»Nun jammere nicht«, beruhigte Daniela ihn liebevoll. Sie stellte sich vor ihn hin und strich ihm tröstend über den Kopf. »Die Omi läßt dich ganz gewiß nicht im Stich. Bestimmt taucht sie jeden Moment hier auf. Sicherlich ist sie durch irgend etwas aufgehalten worden. Bis sie kommt, bleibe ich auf jeden Fall bei dir.«

In diesem Augenblick trat Birgit Bramsche heraus. »Da sind Sie ja gottlob noch, Daniela. Ich wollte Ihnen doch ein schönes Wochenende wünschen.« Sie stutzte. »Nanu, Torben, was ist denn mit dir passiert?«

Daniela klärte die Leiterin kurz auf. »Wir warten gemeinsam auf die Oma.«

»Da hätte ich einen besseren Vorschlag. Sie fahren das Kind heim. Ich suche nur mal eben die Adresse heraus.«

Bevor Daniela etwas sagen konnte, war sie bereits im Haus verschwunden. Schon nach wenigen Minuten kehrte sie zurück und reichte der Jüngeren ein Papier. »Dort können Sie Torben abliefern. Falls seine Oma in der Zwischenzeit hier auftaucht, werde ich sie entsprechend informieren. Ich bleibe ohnehin noch für eine Weile. Zum einen, um zu sehen, ob alles in Ordnung ist, und zum anderen möchte ich noch den Plan für den nächsten Vormittag gründlich durchgehen.«

Daniela schaute kurz auf den Zettel. »Die Gegend kenne ich. Komm, Torben.« Sie umspannte die kleine Hand. Und nachdem sie sich von der Leiterin verabschiedet hatten, gingen sie dann zu ihrem Wagen.

Das Problem war nur, daß sie über keinen Kindersitz verfügte. Die kurze Strecke würde sie hoffentlich kein Polizist kontrollieren. Jedenfalls bat sie den Kleinen vorbeugend: »Setz dich auf den Rücksitz und verhalte dich ganz ruhig. Ich werde behutsam fahren.«

Dennoch war ihr mulmig zumute. Sie atmete indessen erleichtert auf, als sie vor Torbens Elternhaus anlangten.

Kaum stand der Kleine draußen, als er jubelnd auf die junge Frau zulief, die gerade das Haus in furchtbarer Eile verließ. Nun stutzte sie. Ein befreiter Atemzug entrang sich ihrer Brust. »Da bist du ja schon, mein Schatz. Ich wollte dich gerade abholen.«

Sie entdeckte Daniela hinter dem Buben. Lächelnd trat sie auf sie zu, nachdem sie sich kurz zu Torben niedergebeugt und ihm einen Begrüßungskuß gegeben hatte. »Ich danke Ihnen, daß Sie den Kleinen hergefahren haben.«

Sie drückte ihr herzlich die Hand. Im Nu umschattete sich ihr Gesicht. Sie seufzte tief auf. »Leider ist meine Mutter am Vormittag unglücklich auf der Treppe ausgerutscht, nachdem sie einen Schwächeanfall gehabt hat. Eine Nachbarin wurde zum Glück darauf aufmerksam und hat sofort einen Krankenwagen gerufen, um mich danach im Büro zu verständigen. Natürlich bin ich sofort ins Krankenhaus gefahren. Leider konnte ich noch nichts Konkretes in Erfahrung bringen. Meine Mutter wird noch gründlich untersucht, was sie eventuell gebrochen hat und was die Ursache für ihren Schwächeanfall gewesen ist.«

Sie blickte ziemlich betreten drein. »Zu der großen Sorge um meine Mutter gesellt sich nun auch meine verzwickte Lage als Sekretärin. Ausgerechnet heute muß ich für meinen Chef wichtige Unterlagen zum Mitnehmen zusammenstellen. Er will am Montag eine mehrtägige Geschäftsreise antreten. Morgen und übermorgen ist er zu einer Familienfeier eingeladen und daher bereits unterwegs. Bis zum Abend müßte ich es schaffen, weiß aber nicht wie. Auf keinen Fall kann ich Torben mitnehmen ins Büro. Er würde mich nur in meiner Arbeit behindern.«

Daniela brauchte sich keine Sekunde zu besinnen. Spontan schlug sie vor: »Dann kümmere ich mich halt um den Kleinen.«

Ein kurzes Lächeln huschte über Lea Zauners Gesicht. Dennoch schüttelte sie den Kopf. »Unmöglich. Das kann ich nicht von Ihnen verlangen.«

»Mir macht es wirklich nichts aus, Torben für den Rest des Tages unter meine Fittiche zu nehmen. Wir werden einfach in den Zoo fahren. Dort…«

Sie wurde unterbrochen durch den Kleinen, der begeistert in die Hände klatschte. Dann jubelte er: »Wie schön, Tante Dany. Darf ich dann die Tiere auch füttern? Ich mag sie alle, besonders die Affen.«

»Er ist ausgesprochen tierlieb«, ergänzte seine Mutter. Dennoch zögerte sie merklich, dem Vorschlag zuzustimmen. »Vielleicht werde ich länger im Büro aufgehalten. So schnell schaffe ich es womöglich gar nicht…«

»Das spielt keine Rolle«, fiel ihr Daniela ins Wort. Sie griff in ihre Handtasche und holte eine Visitenkarte heraus. »Sie können mich ja anrufen, wenn ich den Kleinen zurückbringen soll, sofern Sie ihn nicht selbst abholen wollen. Im übrigen hat für mich bereits das freie Wochenende begonnen. Somit verfüge ich über reichlich Zeit.«

Lea Zauner drückte ihre Hand. »Ich weiß gar nicht, wie ich Ihnen danken soll. Sie kommen mir vor wie ein Engel, der vom Himmel gefallen ist, um mir in meinen Nöten beizustehen. Darum…«

»Lassen Sie es gut sein«, unterbrach Daniela sie resolut. »Überlegen Sie lieber, welches Spielzeug ich für den Buben mitnehmen soll. Ein Schlafanzug wäre auch angebracht, falls es sehr spät wird, bis Sie das Büro verlassen können. Er kann dann in dem kleinen Zimmer schlafen, das stets meine Besucher benutzen, falls sie mal über Nacht bleiben. Sie können ganz unbesorgt sein, denn ich werde Torben wie meinen Augapfel hüten.«

»Davon bin ich restlos überzeugt«, versicherte ihr Lea. »Kommen Sie bitte mit.« Sie folgte Torben, der bereits übermütig die Treppe hinaufrannte.

In aller Eile packte sie einige Sachen in eine große Tasche und händigte sie Daniela aus. Dann kramte sie in ihrem Portemonnaie und holte einen Schein heraus. »Ich schlage vor, Sie gehen mit meinem Sohn in das kleine, gemütliche Lokal gleich um die Ecke. Dort kann man nicht nur vorzüglich, sondern auch sehr preiswert essen.«

Daniela wehrte ab. »Ich habe stets genügend Vorräte in meiner Küche und kann schnell ein schmackhaftes Gericht zubereiten.« Sie wandte sich an den Kleinen. »Sag deiner Mutti auf Wiedersehen, damit wir losfahren können.«

Lea brachte sie noch zum Auto. Sie bedankte sich erneut und versprach, sich baldmöglichst zu revanchieren. Doch davon wollte Daniela absolut nichts wissen.

*

Daniela dachte längst nicht mehr an Lutz, mit dem sie diesen Nachmittag bereits verplant hatte.

Sie wurde erst wieder an ihn erinnert, als er plötzlich vor ihr stand und mit gefurchter Stirn auf den Buben blickte, der ihr beim Abwasch half und die Löffel abtrocknete.

»Was tust du denn hier?« fragte er mit barscher Stimme. »Lauf mal sofort zu deiner Mutter.«

Vor Schreck fiel Torben der Teelöffel aus der Hand. Er drückte sich verängstigt an Daniela.

Sie sah mit gemischten Gefühlen auf Lutz, den sie zuvor noch nie in dieser Gemütsverfassung gesehen hatte.

Als er jetzt jedoch ungeduldig mit der Hand wedelte und den Buben erneut ungehalten aufforderte, unverzüglich zu verschwinden, stellte sie mit ruhiger Stimme klar: »Torben wohnt nicht hier im Haus. Er wurde mir von seiner Mutter für den heutigen Tag anvertraut, weil…«

»Das alles interessiert mich nicht«, unterbrach er sie abrupt. Seine Augen blitzten sie an, während er sie mit beißender Stimme daran erinnerte, daß sie heute mit ihm verabredet war. »Ich bin gekommen, um dich zu einem zweitägigen Ausflug abzuholen.«

»Darüber unterhalten wir uns gleich. Gedulde dich nur einen Moment.« Sie ergriff Torben bei der Hand und führte ihn in den kleinen Raum, in dem seine Spielsachen lagen. Liebevoll beugte sie sich zu ihm nieder und strich ihm über den Haarschopf. »Spiele ein Weilchen. Ich muß erst Herrn Jonas, so heißt der fremde Gast, aufklären, warum du hier bist und ich nicht mit ihm fortfahren kann. Vielleicht kann ich ihn ja überreden, uns in den Zoo zu begleiten.«

»O weh, das wird er nicht wollen«, äußerte sich der Kleine mit einem langen Seufzer. »Er mag mich nicht leiden. Ich habe Angst, Tante Dany. Wird er dir auch nichts tun? Er sah so böse aus.«

»Das ist nur äußerlich«, besänftigte sie ihn. »Im Grunde genommen ist Lutz ein lieber Mensch. Sobald er alles von mir erfahren hat, wird er dich auch herzlich behandeln.«

Darin sollte sie sich allerdings gründlich täuschen. Kaum kehrte sie nämlich ins Wohnzimmer zurück, als Lutz ihr bittere Vorwürfe machte. »Ich habe mich so sehr auf ein verlängertes Wochenende mit dir gefreut. Mein Vater hat mir den Auftrag gegeben, eine neue Route für unser Busunternehmen unter die Lupe zu nehmen. Wir müssen schließlich unseren Kunden weitere Ausflugsfahrten und erweiterte Urlaubsreisen anbieten, wenn wir konkurrenzfähig bleiben wollen.«

Er sah sie mit undurchdringlicher Miene an. »Du hast mir doch versprochen, mir künftig als Mitarbeiterin zur Seite zu stehen und dich baldmöglichst einzuarbeiten in unseren Betrieb. Willst du das nicht mehr?«

»O doch«, versicherte sie und schenkte ihm ein liebes Lächeln. »Es wird nicht mehr lange dauern, bis ich dich uneingeschränkt unterstützen kann. Ein bißchen Geduld wirst du noch haben müssen.« Sie wurde ernst, als sie ihn um Verständnis für ihre augenblickliche Lage bat. Eindringlich setzte sie ihm auseinander, warum sie sich um Torben kümmern mußte.

Er ließ sich jedoch nicht erweichen und pochte in scharfen Worten auf sein alleiniges Anrecht auf ihre Gesellschaft. Daß sie in diesem Fall aus berechtigten Gründen zum Nachgeben nicht bereit war, machte ihn furchtbar wütend.

Er beschimpfte sie nicht nur, sondern ließ sie nicht länger im unklaren, wie lästig ihm Kinder waren. »Ich will nicht mal eigene haben, weil sie unser Zusammenleben nur stören würden. Du sollst mir ganz allein gehören. Hast du mich verstanden?«

Sie starrte ihn aus weitaufgerissenen Augen wie einen bösen Geist an. »Das darf doch wohl nicht dein Ernst sein«, hielt sie dem mit mühsam erkämpfter Ruhe entgegen. »Du bist heute vollkommen unleidlich, wie ich dich ansonsten gar nicht kenne. Ich schreibe es daher deiner Enttäuschung zu, solch unerhörte Ansprüche zu stellen. Ein Kind ist doch für ein liebendes Paar die Krönung des Glückes. Und wenn erst das Baby in der Wiege liegt, wirst du…«

»Niemals«, schnitt er ihr das Wort ab. Er trat dicht vor sie hin und fixierte sie scharf. »Kommst du nun auf der Stelle mit mir?«

»Nein«, kam ihre Antwort wie aus der Pistole geschossen. »Ich trage die Verantwortung für den mir anvertrauten Jungen und würde meines Lebens wirklich nie mehr froh werden, ließe ich ihn im Stich.«

Lutz warf ihr noch einige böse Worte mit sich fast überschlagender Stimme an den Kopf. Er sah indessen die Nutzlosigkeit ein, sie zu seinen Gunsten umzustimmen. Da ging er zur Tür und öffnete sie. Bevor er jedoch verschwand, musterte er sie mit einem vernichtenden Blick. »Hoffentlich bereust du nicht, dich mir heute widersetzt zu haben.«

Mit lautem Knall flog die Tür hinter ihm ins Schloß.

Wie erstarrt stand Daniela auf der Stelle. War das eben ein böser Alptraum oder die Wirklichkeit?

Sie wußte nicht, wie lange sie so regungslos verharrt hatte. Plötzlich zuckte sie zusammen, als die Klinke vorsichtig heruntergedrückt wurde. In dem schmalen Spalt erschien ein verängstigtes Bubengesicht. Verstört schweiften die Blicke des Kleinen umher.

»Ist der böse Mann fort? Hat er dich gehauen, Tante Dany?«

Das klang so drollig besorgt, daß es Daniela ans Herz griff. Sie strich sich mit einer fahrigen Handbewegung über die Stirn, als müsse sie einen bösen Traum verbannen. Schon stand sie vor dem Buben, beugte sich tief herab und lächelte ihn an.

»Mir ist nichts geschehen«, versicherte sie ihm. »Herr Jonas ist fort und kommt auch so schnell nicht wieder. Wir wollen nicht mehr daran denken. Statt dessen werden wir unsere unterbrochene Arbeit beenden und zusehen, daß wir bald zum Zoo aufbrechen können.«

Sie zwang sich, die häßliche Szene aus ihrem Gedächtnis zu streichen. Das ging freilich nur, indem sie sich einredete, daß Lutz in seinem Zorn nicht bedacht hatte, welch bitterböse Worte ihm herausgerutscht waren. Gewiß würde er sie morgen reumütig um Verzeihung bitten, sobald er sich der unwürdigen Szene bewußt geworden war.

Mehr noch als diese Überlegungen half ihr Torben, ihre Gedanken in eine andere, erfreulichere Richtung zu lenken.

Er zappelte vor Ungeduld, in den Zoo zu kommen. Und als sie ihr Ziel endlich erreichten, war er reinweg aus dem Häuschen.

Er hüpfte ausgelassen neben ihr her, während sie ein Gehege nach dem anderen in Augenschein nahmen. Daniela kam indessen aus dem Staunen nicht heraus, wieviel Torben über die einzelnen Tiere wußte.

»Du kennst dich ja fast besser aus als ich«, äußerte sie sich erstaunt. »Das hat dir deine Mutti wohl alles beigebracht, nicht wahr?«

»Nein, das war die Omi. Sie ist sehr klug und hat zu Hause auch Bilderbücher über die Tiere. Die haben wir uns beguckt. Sie hat mir viel erzählt und mich gefragt, ob ich alles noch weiß, wenn wir hier waren. Ich habe wirklich nichts vergessen«, verkündete er triumphierend.

Gerührt schaute Daniela in das vor Begeisterung gerötete Gesicht. Die Kinderaugen strahlten sie an. Da fuhr sie ihm mit zärtlicher Geste über den Blondschopf. »Welch gescheiter Bub du doch bist. Da brauche ich dir ja gar nichts mehr zu erklären.«

Dennoch machte sie lustige Bemerkungen über die Tiere, so daß er immer wieder hell auflachte. Aber er stellte ihr noch unzählige Fragen, die sie alle bereitwillig beantwortete.

Die Zeit verstrich viel zu schnell. Und als Daniela endlich auf die Uhr schaute, erschrak sie. »Es wird höchste Zeit, daß wir heimkehren. Vielleicht hat deine Mutti bereits angerufen, um dich heimzuholen.«

»Gehst du wieder mal mit mir in den Zoo, Tante Dany?« verlangte der Kleine zu wissen.

»Aber ganz gewiß«, versprach sie ihm.

Als sie wenig später an dem kleinen Lokal vorbeifuhren, in dem sie bisweilen einkehrte, fuhr sie den Wagen kurz entschlossen auf den Parkplatz. Hier konnte man nicht nur ausgezeichnet und preiswert essen, sondern die Gasträume waren auch urgemütlich.

So wurde sie auch persönlich von der Gastwirtin begrüßt, die den Kleinen freundlich anlächelte. »Na, du führst wohl heute deine Tante einmal aus, nicht wahr?«

Torben wußte nicht, was gemeint war. Rasch erklärte Daniela es ihm. Da strahlte er die fremde Frau an. »Ja, natürlich.«

Die beiden Damen lachten. Im Nu wurde Daniela wieder ernst, als sie die nette Wirtin kurz über das Kind aufklärte. »Können Sie mir etwas Leichtes für Torben empfehlen?«

»Selbstverständlich.« Die Wirtin holte sofort die Speisekarte und beriet Daniela, die dann die Auswahl traf.