Der Lord und die Schöne - Meagan McKinney - E-Book
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Der Lord und die Schöne E-Book

Meagan McKinney

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Beschreibung

Nur ihre Liebe kann ihn retten … Das Romance-Highlight „Der Lord und die Schöne“ von Meagan McKinney jetzt als eBook bei dotbooks. Irland 1847: Vor vielen Jahren hat Lord Niall Trevallyan sich gegen sie entschieden – doch als der Edelmann nun vor Ravenna steht, ist er wie gebannt von ihrer Schönheit. Sein Hochmut und Stolz ließen ihn die junge Braut einst verschmähen, und Ravenna kann seitdem nur noch Abscheu für ihn empfinden. Niall ist fest entschlossen, ihr Herz trotz aller Widerstände für sich zu gewinnen. Doch während er um ihre Gunst kämpft, legen sich dunkle Schatten über das Land, die mehr zu zerstören drohen als ihre zarte Liebe … Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der historische Liebesroman „Der Lord und die Schöne“ von Meagan McKinney. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 501

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Über dieses Buch:

Irland 1847: Vor vielen Jahren hat Lord Niall Trevallyan sich gegen sie entschieden – doch als der Edelmann nun vor Ravenna steht, ist er wie gebannt von ihrer Schönheit. Sein Hochmut und Stolz ließen ihn die junge Braut einst verschmähen, und Ravenna kann seitdem nur noch Abscheu für ihn empfinden. Niall ist fest entschlossen, ihr Herz trotz aller Widerstände für sich zu gewinnen. Doch während er um ihre Gunst kämpft, legen sich dunkle Schatten über das Land, die mehr zu zerstören drohen als ihre zarte Liebe …

Über die Autorin:

Meagan McKinney, geboren 1961, ist studierte Biologin. Diese Karriere ließ sie jedoch schon früh hinter sich, um sich voll und ganz dem Schreiben von historischen Liebesromanen zu widmen. Heute lebt sie mit ihren zwei Kindern in New Orleans.

Die Autorin veröffentlicht bei dotbooks die folgenden Titel:

»Die Leidenschaft des Piraten«

»Der Outlaw und die Lady«

»Der Rebell und die Lady«

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Aktualisierte eBook-Neuausgabe November 2020

Die amerikanische Originalausgabe erschien erstmals 1994 unter dem Originaltitel »The Ground She Walks« bei Dell Publishing, New York. Die deutsche Erstausgabe erschien 1995 unter dem Titel »Im Zauberbann der Liebe« bei Lübbe.

Copyright © der amerikanischen Originalausgabe 1994 by Ruth Goodman

Published by Arrangement with Meagan McKinney

Copyright © der deutschen Erstausgabe 1995 Gustav Lübbe Verlag GmbH, Bergisch Gladbach

Copyright © der aktualisierten Neuausgabe 2020 dotbooks GmbH, München

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30827 Garbsen

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung mehrerer Bildmotive von © period images; © shutterstock / Vanilllla / Patryk Kosmider / RODINA OLENA / ivgroznii

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (CG)

ISBN 978-3-96655-548-7

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Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

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Meagan McKinney

Der Lord und die Schöne

Roman

Aus dem Amerikanischen von Hedda Pänke

dotbooks.

Für T Y. Roberson, meinen Schwiegervater, mit meinem Dank dafür, daß er ein so großer Fan ist.

Dank auch an die anderen beiden Toms.

Mit all meiner Liebe.

Teil 1

Beltaine

Die Liebe kennt nicht Zeit noch Raum,noch Stunden, Tage, Monate, denn diese sind vergänglich.

The Sun Rising

John Donne (1572-1631)

Kapitel 1

Irland 1828

Der Tag hatte begonnen wie jeder andere. Nach dem Frühstück unternahm Reverend Jamie Drummond, der einzige Vikar der anglikanischen Church of Ireland im katholischen County Lir, einen Spaziergang mit seinem Spaniel. Gegen Mittag las er in seinem Arbeitszimmer in den Paulus-Briefen und nahm um Punkt vier Uhr seinen Tee. Danach machte er auf dem Plüschsofa ein Nickerchen, während die Haushälterin Mrs. Dwyer in der Kirche putzte und Staub wischte.

Reverend Drummond schlief so friedlich, daß er ohne den Schrei vermutlich die Dinnerstunde verpaßt hätte.

»Jesus, Maria und Josef! In der Kirche treibt der Teufel sein Unwesen!« Mrs. Dwyer kam schreiend ins Pfarrhaus gerannt.

Der Reverend fuhr kerzengerade hoch und griff hastig nach seinem Rock.

»Was ist denn nur los?« murrte er, höchst verlegen, daß ihn Mrs. Dwyer in Hemdsärmeln erblickte. »Sie kreischen ja wie eine Banshee.« Er glättete sich die grauen Haare und fuhr sich über die Koteletten.

»Das ist das Werk des Satans! In meinem ganzen Leben habe ich so etwas noch nicht zu Gesicht bekommen!« Die dralle Haushälterin wischte sich die Hände an der Schürze ab. Der Saum ihres Kleides war vom Aufwischwasser durchnäßt und ihr Gesicht schreckensbleich.

»Der Teufel, Mistress Dwyer, wagt sich nicht in meine Kirche. Das kann ich Ihnen versichern«, sagte Drummond so nachsichtig, als sei er es gewohnt, sich mit Heiden auseinandersetzen zu müssen.

»Es war das Werk des Teufels, Reverend. Ich habe es mit meinen eigenen Augen gesehen, und niemand wird mich vom Gegenteil überzeugen können. Gehen Sie doch hinüber und überzeugen Sie sich selbst!«

Drummond richtete seinen Kragen, trank einen Schluck kalten Tee und verspürte absolut keinen Drang zur Eile. »Warum sagen Sie mir nicht erst einmal, was Sie eigentlich gesehen haben?«

»Das Kreuz! Es geht ums Kreuz!«

»Welches Kreuz? Das Kreuz über dem Altar oder das auf dem Kirchturm?« Seine Miene verfinsterte sich. Diese Iren waren aber auch zu leicht erregbar! Wenn etwas fehlte, so war das eindeutig das Verschulden von Griffen O'Rooney. Dieser schwerfällige irische Flegel kümmerte sich um Friedhof und Kirche, aber unter seinen ungeschickten Händen ging immer wieder etwas schief.

»Es geht um das Kreuz, Reverend.« Mrs. Dwyer senkte ihre Stimme zu einem Flüstern. »Um das alte Druidenkreuz neben dem Taufbecken. Es leuchtet. Das schwöre ich bei allem, was mir heilig ist, und wenn ich lüge, möge ich dafür auf ewig in der Hölle schmoren.«

Reverend Drummond spürte, wie sich seine Nackenhaare sträubten. Damit hätte er nun wirklich nicht gerechnet. Aber diese Iren waren ja ganz närrisch nach Feen und Geistern. Der kleinste Anlaß, ein unerwartetes Geräusch, ein unverhoffter Schatten, ließ sie doch sofort •an Gespenster denken. Und nun hatte Mrs. Dwyer auch eins gesehen.

Dennoch weckte die Erwähnung des alten keltischen Gegenstands eine leichte Unruhe in ihm, ein gewisses Unbehagen.

»Das alte Druidenkreuz, sagen Sie? Das soll Sie in Angst und Schrecken versetzt haben?«

Mit furchtsam zusammengekniffenen Lippen nickte die Haushälterin.

Drummond starrte sie schweigend an. Seine Gedanken schweiften plötzlich ab.

Das konnte doch nicht sein. Er hatte das Gespräch fast vergessen, das er als Junge mit seinem Vater geführt hatte. Jetzt kam es ihm wie ein Traum vor, wie eine uralte Sage, die in der Alltäglichkeit seines dreiundsechzigjährigen Lebens verblichen war.

»Sind Sie wirklich sicher, daß es das Druidenkreuz war, das Ihnen seltsam vorkam? Kann es nicht auch der Silberkelch auf ...«

»Es war das Druidending, Reverend. Ich weiß, was ich gesehen habe.« Mrs. Dwyer bekreuzigte sich – zweimal, um ganz sicherzugehen.

»Also gut«, meinte er zögernd. »Ich werde es überprüfen. Kommen Sie mit und erklären Sie mir genau, was Sie gesehen haben wollen.«

»Auf keinen Fall setze ich einen Fuß in die Kirche! Jedenfalls nicht, solange der Teufel dort sein übles Spiel treibt!«

»Unsinn!« rief der Reverend. »Der Teufel vergreift sich nicht an meiner Kirche! Kommen Sie jetzt.«

»O Reverend, bitte zwingen Sie mich nicht, dorthin zurückzugehen!« jammerte sie, und Drummond fühlte sich höchst unbehaglich.

»Beruhigen Sie sich, gute Frau.« Er nahm ihren Arm. »Wir werden jetzt zusammen in die Kirche gehen und nachsehen. Höchstwahrscheinlich sind Sie einer optischen Täuschung zum Opfer gefallen. Ihre abergläubische irische Seele hat Ihnen einen Streich gespielt. Ich werde Ihnen beweisen, daß es in meiner Kirche absolut nichts Teuflisches oder Übersinnliches gibt.«

Drummond zog die widerstrebende Haushälterin hinter sich her aus dem Pfarrhaus.

Schon vom Vorraum der Kirche aus sah er, daß das Gotteshaus in ein fast überirdisches Licht getaucht war– ein Phänomen, das leicht durch die Sonnenstrahlen zu erklären war, die durch die schnell dahinziehenden Wolken brachen und durch die acht Buntglasfenster ins Kircheninnere fielen. Auf dem Schieferfußboden spiegelte sich das Saphirblau, Smaragdgrün und Rubinrot der Fenster wider. Altar und Gestühl schienen in Ordnung zu sein. Das einzige Ungewöhnliche war Mrs. Dwyers Eimer, der umgekippt neben dem Taufbecken lag. Sein Inhalt bildete eine gräuliche, seifige Lache auf dem Fußboden.

Die Haushälterin neben ihm bebte am ganzen Leibe. Drummond hätte es zwar nie zugegeben, aber auch er benötigte eine oder zwei Sekunden, bis er den Mut aufbrachte, zum Druidenkreuz in seinem Glasbehälter aufzublicken.

Er erinnerte sich an die Worte, die sein Vater vor einem halben Jahrhundert zu ihm gesagt hatte: ›Jamie, mein guter Junge, behalte gut in Erinnerung, was ich dir heute erzähle. Wenn ich diese Welt verlassen habe, mußt du die Last tragen, der Wächter des Kreuzes zu sein. Du wirst in den kommenden Jahren vielleicht glauben, die Verantwortung abschütteln zu können, aber vergiß nie, daß du der Wächter des Kreuzes bist. Du mußt den Rat anrufen. In deinem Herzen wirst du wissen, wann der rechte Zeitpunkt gekommen ist.‹

»Nun, ich kann hier wirklich nichts entdecken, was ungewöhnlich wäre.« Er sah zu dem kleinen Glasbehälter hinüber. Mit großer Erleichterung stellte Drummond fest, daß alles völlig normal wirkte. Er war glücklicherweise kein gottverdammter Narr. Anglikaner oder nicht, sein Vater hatte sich vom Aberglauben dieser Leute stets anstecken lassen, doch er, Jamie Drummond, würde derartigen Torheiten nicht erliegen. Der Augenblick zum Handeln, zum Befolgen der Wünsche seines toten Vaters, war noch nicht gekommen.

»Verzeihen Sie, Reverend«, riß Mrs. Dwyers Stimme ihn aus seinen Gedanken, »aber von hier aus können Sie es nicht sehen.« Sie blickte ihn so argwöhnisch an, als verdächtigte sie ihn der Feigheit.

Er riß sich zusammen und trat ein paar Schritte vorwärts. »Nein, da ist nichts. Das Kreuz sieht aus wie immer.« Er spähte in den Behälter. Auf purpurfarbenem Satin lag ein silbernes Druidenkreuz. Von einem christlichen Kreuz unterschied es sich durch die gleichlangen Balken, und der große Amethyst in der Mitte funkelte, aber keineswegs mehr oder anders als sonst. Es widerstrebte dem Vikar, einen vorchristlichen Kultgegenstand in seiner Kirche zur Schau zu stellen, aber es war unmöglich gewesen, sich über die örtlichen Traditionen hinwegzusetzen. Das Druidenkreuz gehörte länger zu dieser Kirche als er selbst.

»Ich sage Ihnen, das Ding hat geleuchtet! Es funkelte und strahlte, obwohl sich die Sonne draußen hinter den Wolken versteckt hatte.« Vorsichtig trat die Haushälterin einen Schritt näher – halb ängstlich, halb empört, daß man sie des Lügens verdächtigen könnte.

»Kommen Sie, sehen Sie es sich doch noch einmal an, Mrs. Dwyer. An dem Kreuz ist absolut nichts Ungewöhnliches.« Der Reverend streckte die Hand aus, und die alte Haushälterin hielt sie ganz fest, während sie in den Behälter spähte.

Verwirrt schüttelte sie den Kopf. »Ich schwöre Ihnen, daß es mich fast geblendet hat. Es gab purpurfarbene Strahlen von sich, die fast bis an die Decke reichten.« Sie hob den Kopf, als könnte sie an der Kirchendecke noch Spuren des merkwürdigen Geschehens erblicken. Doch das Maßwerk des Steingewölbes zehn Meter über ihren Köpfen wirkte unberührt.

»Der Farbschimmer der Fenster hat Ihre Augen getäuscht, glaube ich«, sagte Drummond freundlich und wollte die ganze Angelegenheit so schnell wie möglich hinter sich bringen und vergessen. Alles, was mit dem alten Kreuz zusammenhing, machte ihn seltsam unruhig. Es ließ ihn an Dinge denken, an die man besser nicht dachte. »Die Sonne läßt das bunte Glas in alle Richtungen funkeln und blitzen. Es steht fest, daß alles nur ein Irrtum war. Eine Mischung aus eigenartigem Lichteinfall und allzu blühender irischer Phantasie.«

»Ich lasse mir nichts einreden, Hochwürden. Ich habe gesehen, was ich gesehen habe«, erwiderte Mrs. Dwyer beleidigt. »Mit meiner irischen Abstammung hat das absolut nichts zu tun.«

»Seien Sie doch nicht eingeschnappt. Lassen Sie uns das Ganze vergessen. Und gehen Sie wieder an Ihre Arbeit. Morgen habe ich einen Beerdigungsgottesdienst, und die Kirche muß dringend geputzt werden.«

»Wenn Sie es mir befehlen, wische ich hier auf, aber ich sage Ihnen noch einmal, daß es keine Sinnestäuschung war, und ich werde die Kirche auf gar keinen Fall allein saubermachen.«

Drummond seufzte. Wann würden sich diese Menschen endlich eines logischen, emotionslosen Verhaltens befleißigen? »Also gut. Ich setze mich in die erste Reihe und formuliere meine Sonntagspredigt vor. Ich kann nur hoffen, daß Sie zum Gottesdienst kommen, Mistress Dwyer. Ich habe vor, über die verhängnisvollen Folgen von Schauergeschichten zu predigen.«

Mrs. Dwyer warf einen letzten hastigen Blick auf den Glasbehälter und eilte dann ins Pfarrhaus hinüber.

Ohne sie war es ungewöhnlich still. Normalerweise liebte er seine Kirche so ruhig – ohne ungebärdige Kinder, die ihn von seiner Predigt ablenkten, ohne gewaltige Orgelklänge, die die Fenster erzittern ließen, ohne Mrs. Dwyer mit ihren Geistererscheinungen ...

Doch jetzt wirkte die Stille direkt unheimlich,

Die Torheiten dieser Frau färben bereits auf mich ah, wies er sich energisch zurecht, setzte sich in die erste Kirchenbank und holte einen Bleistiftstummel nebst einem Stück Papier aus der Tasche seines Rocks. Angestrengt grübelte er über die Einleitung seiner Predigt nach, suchte nach Formulierungen, die die Gemeindeglieder aufmerken und die Ohren spitzen lassen würden, aber immer wieder wanderte sein Blick zu dem Glasbehälter hinüber.

Schließlich stand er auf und ging hinüber. Eine feine Staubschicht lag auf dem Glas, keinerlei Fingerspuren waren zu sehen. Mrs. Dwyer wischte das Glas einmal wöchentlich ab, ansonsten blieb es unberührt. Also hatte niemand den Behälter geöffnet, um sich am Inhalt zu schaffen zu machen. Das ginge auch gar nicht. Vor langer Zeit hatte sein Vater das wertvolle Kreuz luftdicht von Glas umschließen lassen, damit das Silber nicht anlief. Selbst jetzt, fünfzig Jahre später, schimmerte das Metall wie frisch poliert.

Drummond betrachtete das Kreuz. Es hatte in der Tat heute etwas Merkwürdiges an sich, auch wenn er nicht genau sagen konnte, was es war. Aber es leuchtete nicht, dessen war er sich sicher. Er starrte es einen Moment lang an und wußte dann, was ihn verstörte. Zum zweiten Mal an diesem Tag sträubten sich ihm die Nackenhaare.

Das Kreuz war bewegt worden. Im Verlauf der letzten fünfzig Jahre war der Satin durch das einfallende Sonnenlicht verblichen, hatte nur direkt unter dem Kreuz seine ursprüngliche Farbe behalten. Und diesen Umriß sah man jetzt – es war bewegt worden, daran bestand keinerlei Zweifel.

Er atmete schneller. Es gab keine Möglichkeit, das Kreuz zu verschieben, ohne das Glas zu zerbrechen.

Gebannt blickte er auf das uralte heidnische Kreuz. Das konnte doch nicht wahr sein. Irgendwo mußte ein Sprung, eine Spalte im Glas sein. Vielleicht war eine Scheibe herausgenommen und wieder eingesetzt worden.

Drummond beäugte den Behälter mit großer Sorgfalt, 'aber da gab es keine Sprünge, keine Spalten, keine Anzeichen dafür, daß hier ein Glaser am Werk gewesen war. Jamie Drummond staunte. Der Behälter war nicht geöffnet worden, aber das Kreuz lag jetzt anders.

Er kniff die Augen zu und schlug die Lider ganz langsam wieder auf – fest überzeugt davon, daß die Vision nun verschwunden war. Aber das Kreuz befand sich noch immer in dem luftdicht verschlossenen Glasbehälter – verschoben wie durch Gottes Hand. Also mußte jemand gegen den Behälter gestoßen sein. Ja, sagte er sich, so ist's gewesen. Jemand war ganz zufällig und so heftig gegen den Behälter gestoßen, daß sich das Kreuz darin verschoben hatte. Er sagte es sich, aber er glaubte es nicht. Dafür war das Kreuz zu sorgsam verschoben. Es schien der Beweis für etwas zu sein, was er kaum zu glauben wagte.

Es war ein Zeichen.

... In deinem Herzen wirst du wissen, wann der rechte Zeitpunkt gekommen ist ... wann der rechte Zeitpunkt gekommen ist ... hallten die Worte seines Vaters in ihm wider.

»Mistress Dwyer! Mistress Dwyer!« dröhnte seine Stimme durch die leere Kirche.

»O du grundgütiger Himmel! Was ist denn jetzt wieder los?« erscholl es furchtsam vom Kirchenportal her.

»Laufen Sie zu Timothy Sheehan. Sagen Sie ihm, ich hätte eine wichtige Botschaft, die er unverzüglich überbringen muß.«

»Was haben Sie gesehen? Hat es wieder geleuchtet?« Mrs. Dwyer äugte um den Türbalken, wagte sich aber nicht in die Kirche hinein.

»Nichts habe ich gesehen«, rief er mürrisch. »Holen Sie mir nur den Jungen ins Pfarrhaus. Ich habe ihm etwas aufzutragen.«

»Dann soll ich die Kirche also ganz allein putzen?«

»Nein! Gehen Sie zu Sheehan und dann nach Hause. Lassen Sie die Kirche erst einmal so, wie sie ist.«

»Ja, Sir.« Sie trocknete sich die Hände an der Schürze und machte sich auf den Weg zu Timothy Sheehan.

Reverend Drummond blickte ein letztes Mal auf das Kreuz. Bildete er sich ein, daß es bewegt worden war? Fiel er etwa den gleichen Sinnestäuschungen zum Opfer, die er seinem Vater immer unterstellt hatte? Er legte beide Hände auf die Oberfläche und starrte durch das Glas. Nein, er konnte schwören, daß das Kreuz verschoben worden war, Und dieses unwahrscheinliche Ereignis ließ ihn furchtsam erschauern.

»Das kann nicht sein. Das kann einfach nicht sein«, murmelte er vor sich hin und ging zum Altar, um den großen Silberkelch zu holen. Er flüsterte diese Worte immer noch vor sich hin, als er vor den Glasbehälter trat, den schweren Kelch hob und mit ihm das Glas zerschmetterte.

Es klirrte so laut, daß er sich nicht gewundert hätte, wenn das Getöse noch in der nächsten Grafschaft zu hören gewesen wäre. Die Scherben knirschten unter seinen Füßen, als er vortrat, um das alte Keltenkreuz an sich zu nehmen, das ihm sein Vater vor so vielen Jahren anvertraut hatte.

... Du mußt die Last tragen, der Wächter des Kreuzes zu sein ...

Er betrachtete das feingearbeitete Kunstwerk. Das Kreuz fühlte sich nicht ungewöhnlich an. Es war schwer und erwärmte sich unter dem Druck seiner Hände wie es sich in vergangenen Jahrhunderten in. anderen Händen erwärmt hatte. Er wußte viel über das Kreuz – nur nicht, wie seine Familie in seinen Besitz gelangt war. Das war durch ein Geheimnis verschleiert, das er nie ergründet hatte, da alle, die es kennen konnten, seit langer Zeit tot waren.

»O Gott, hilf mir, das Richtige zu tun«, flüsterte er. Dann steckte er das Kreuz in die Tasche und lief ins Pfarrhaus hinüber.

Es war an der Zeit, den Rat einzuberufen.

Kapitel 2

Der Junge flitzte aus dem Pfarrhaus, als wäre ihm der Leibhaftige auf den Fersen. Ohne Respekt für die Plackerei des alten Mannes rannte er quer durch O'Sheas sorgsam angepflanzten Roggen. Auf O'Sheas Boden gab es keinen einzigen Stein, der nackte Füße aufschürfen konnte, aber der Junge schien die samtweiche Erde unter seinen Sohlen nicht würdigen zu können. O'Shea und seine Söhne hatten sich für die saftig grünen Roggenhalme auf ihrem Feld fast zu Tode geschuftet, durch das sich nun eine Trampelspur rücksichtslos niedergetretener Halme zog.

»Warum hast du es so eilig, Junge?« rief Griffen O'Rooney. Die gebeugte Gestalt des alten Mannes hatte eine verblüffende Ähnlichkeit mit den knorrigen Eiben, die ihn umgaben. Er jätete gerade Unkraut von einem Grab, aber da Kirche und Friedhof auf einer Anhöhe lagen, sah er selbst aus seiner gebückten Position, daß Michael O'Shea mit geschwungener Hacke aus seinem Haus gestürmt kam und wütend seinen zertrampelten Roggen betrachtete.

»Ich soll für den Vikar eine Botschaft überbringen!« schrie der Junge zurück und rannte noch schneller, als er die drohend erhobene Hacke erblickte.

Griffen O'Rooney sah Timothy nach, während Michael O'Shea mit seiner Hacke auf den Friedhof geschlendert kam.

»Habe ich eben richtig gehört?« fragte O'Shea erstaunt. »Hat der Junge wirklich gesagt, er habe für den Pfarrer eine Botschaft zu überbringen?«

»Erstaunlich, erstaunlich«, erwiderte Griffen angestrengt nachdenklich und blickte noch immer dem Jungen nach. Er war so taub wie eine Dubliner Hinterhofratte, hätte das aber nie zugegeben. Aber seine Augen waren scharf. Er wußte, was er gesehen hatte. Und er wußte auch, was es bedeutete.

Beide Männer sahen zu, wie der Junge durch Doyles pralle Kohlköpfe raste, dann den Hügel hinunter und quer über Maguires Brachland. Weiter hinten erhoben sich die Sorra Hills im Purpurhauch des Sonnenuntergangs und gaben etwas von ihrem Glanz auch an die Ansammlung alter Cottages zu ihren Füßen ab. Zu ihnen wollte der Junge. Wie vieles in der Grafschaft Lir wurden die flachen Reetdächer, die Mauern aus lehmverputzten Feldsteinen der wilden Schönheit der Landschaft bei weitem nicht gerecht, legten jedoch allein durch ihr Alter ein Zeugnis für geduldige Beharrlichkeit ab.

Leichter Dunst trieb vom Carlingford Lough heran. Unvermittelt fiel Griffen auf, wie eigenartig die Umgebung wirkte. Im heranwogenden Nebel schienen die uralten aufrechten grauen Ogham-Steine der Druiden Leben anzunehmen und zu Schlangen und Geistern zu werden, obwohl sie doch nur Felsblöcke waren.

Er wußte, was kommen würde. Sein ganzes Leben lang hatte er auf diesen Augenblick gewartet. Sein Vater hatte ihm davon erzählt, so vertraulich, als handelte es sich um eine besondere Vorbereitung auf das Erwachsenenleben. Doch obwohl er irgendwie nie ganz ausgeschlossen hatte, daß es tatsächlich geschehen könnte, hätte er doch nicht gedacht, daß es so sein würde. Daß es ihm das Land, Irland selbst, sagen würde, wenn es soweit war. Durch die unheimliche Art, wie die Sonne den Dunst durchglühte, durch die seltsame Weise, wie die Sorra Hills in der Ferne fast in Flammen zu stehen schienen. In den ganzen siebzig Jahren, die er im Freien verbracht hatte, hatte er sie noch nie so gesehen wie jetzt, da der Junge auf sie zulief. Sie waren geheimnisvoll verwunschen, unnatürlich, vermutlich verzaubert.

Durch den heranwabernden Dunst konnte O'Rooney in der Ferne noch immer die See ausmachen, die gischtend gegen die felsige Küste brandete. Es würde eine stürmische Nacht werden. Und während eines Sturms sollte es geschehen.

Er sah auf seine Hände hinunter, die vom Gräberschaufeln und Unkrautjäten alt und verbraucht waren. Im Licht der untergehenden Sonne blitzte ein goldener Ring auf, der so klein war, daß er ihn auf den kleinen Finger stecken mußte. Fast sein ganzes Leben lang hatte er ihn getragen, er war für ihn so etwas wie ein guter Freund geworden, doch nun würde er sich bald von ihm trennen müssen. Es war der mittlere Reif eines Liebesrings, in den ein Herz eingraviert war. Sein Vater hatte ihm das alte Schmuckstück gegeben und von seiner Bestimmung erzählt. Nach der Verlobung trug der Bräutigam einen Reif und die Braut einen anderen. Bei seiner Hochzeit sollte Griffen alle drei Ringe am Finger der Braut vereinen. Das Schmuckstück stammte angeblich aus der vorchristlichen Zeit Irlands.

Es war eine sehr eigentümliche Atmosphäre heute abend. Zu friedlich, auch wenn die See ein Toben der Elemente verhieß. Selbst die Luft fühlte sich irgendwie anders an. Mit dem Dunst wehte der Geruch des Meeres heran. Das salzige, mineralische Aroma kündete von längst vergangenen, aber nie vergessenen Zeiten und Bereichen. O'Rooney empfand einen fast unwiderstehlichen Drang, sich zu bekreuzigen.

»Heute sind die Geister unterwegs, nicht wahr?« flüsterte O'Shea neben ihm und ließ gleichfalls keinen Blick von der sich ständig verändernden Landschaft.

Griffen hatte O'Sheas Anwesenheit fast vergessen. Als er jetzt sah, daß der Junge in der Ferne an die Tür des Pfarrers klopfte, antwortete er nicht. Die Tür des Cottages schloß sich wieder, und Griffen blickte sich um. Der Dunst hatte sich unvermutet aufgelöst, und die Landschaft sah so aus, wie er sie in Erinnerung hatte, ihre vielfältigen Grüntöne wirkten matter unter dem Einfluß des Unwetters, das sich über der Irischen See zusammenbraute.

Entschlossen schien O'Shea als guter Katholik, der er war, alle Gedanken an Geister und Feen aus seinem Kopf zu verdrängen und schlenderte zu seinem Cottage zurück. Nur zögernd nahm Griffen seine Arbeit wieder auf und rupfte das Unkraut vom Grab einer Frau, die er gut gekannt hatte. Hin und wieder sah er sich verstohlen um, als rechnete er damit, daß jeden Augenblick die eigentümliche Vereinigung von Licht und Schatten die Landschaft wieder verändern würde. Und seine Gedanken waren bei dem Jungen und der Botschaft, die er mit Sicherheit zu überbringen hatte.

Father Patrick Nolan saß in einem alten, zerschlissenen Armsessel und hielt die Nachricht von Drummond in den Händen. Seine Haushälterin Moira rührte in dem Topf mit Hammelfleisch und Kohl, der an einem Wandhaken über der Feuerstelle hing. Sie schien sich ganz auf ihren Eintopf zu konzentrieren, aber ihrer gerunzelten Stirn entnahm der Priester, daß sie über die Botschaft aus dem Pfarrhaus der Church of Ireland ebenso besorgt war wie er.

Erneut las Nolan den Brief und bewegte lautlos die gefurchten, rosigen Lippen. Seine offenen, runden und sehr irischen Gesichtszüge, die von sechs Jahrzehnten des Leids und der Freude kündeten, schienen mit jedem Satz älter zu werden. Älter und blasser. Schließlich faltete er das Schriftstück und steckte es in eine verborgene Tasche seiner Soutane.

Mit hochgezogenen Brauen stellte Moira Fennerty den gesprungenen Staffordshire-Teller neben das silberne Eßbesteck, wie sie es seit zwanzig Jahren jeden Abend tat. Doch heute war es anders. Er sah, daß sie vor Neugierde brannte, ihm Fragen zu stellen.

»Heute ist mir das Stew besonders gut gelungen«, sagte sie in der Hoffnung, eine Unterhaltung in Gang zu setzen. »Ich habe etwas Brot von Mistress McGrath bekommen. Sie hat von ihrer Fahrt nach Waterford weißes Mehl mitgebracht. Möchten Sie ein Stück, Father?«

»Sprechen Sie mit mir, Moira?« erkundigte er sich streng auf Gälisch.

Moira zuckte sichtlich zusammen. »Ich ... ich ... Möchten Sie vielleicht eine Scheibe Brot zu Ihrem Essen, Father?« wiederholte sie in Gälisch und zerbrach sich fast die Zunge an ihrer Muttersprache, die nach Jahrhunderten unter der britischen Krone für sie fremder geworden war als das Englische.

Father Nolan schüttelte den Kopf und starrte wieder nachdenklich ins Feuer.

»Was steht denn in dem Brief, Father?« platzte Moira heraus, die ihre Unruhe nicht mehr zügeln konnte.

»Nichts, was Sie vielleicht befürchten«, beruhigte er sie in der Sprache, die sie am besten kannte. »Der Vikar und ich haben etwas zu erledigen, was nicht gleich der ganze Landkreis zu erfahren braucht.«

»Ich sage zu niemandem ein Sterbenswörtchen, das verspreche ich.«

Der Priester wurde zugänglicher. »Moira Fennerty, ich weiß, daß Sie keine Klatschbase sind. Aber nehmen Sie es mir nicht übel, ich kann Ihnen nichts darüber erzählen. Ich habe vor langer Zeit mein Wort gegeben, sehen Sie das ein?« Sie sah es eindeutig nicht ein, und er blickte sich in dem behaglichen Raum um, als suchte er nach den rechten Worten, es ihr begreiflicher zu machen. »Sie sollten vielleicht davon ausgehen, daß ich mit Reverend Drummond heute abend an einem gesellschaftlichen Zusammensein teilnehmen muß.«

Moira ließ die Kelle sinken und sah den Priester an, als hätte er ihr geraten, sich den Teufel austreiben zu lassen. »Sie haben doch nicht wirklich die Absicht, mit diesem ... diesem Mann gesellschaftlich zu verkehren?«

»Dieser Mann war einst mein Jugendfreund. Als wir erwachsen wurden, hat uns die Politik auseinandergebracht, aber das müssen wir für heute abend einmal vergessen.«

»Politik! Und warum bestehen Sie dann darauf, daß wir alle Gälisch sprechen? Sie und Ihresgleichen waren es doch, die insgeheim Schulen einrichten ließen, damit unsere Kinder unsere irische Muttersprache wieder lernen können. Sie und Ihresgleichen sind es doch, die uns an die englische Unterdrückung erinnern. Und nun erklären ausgerechnet Sie mir, Sie müßten mit dem Vikar gesellschaftlich verkehren? Mit dem Mann, dessen Kirche keine Gemeinde hat, aber in ganz Irland Steuern erhebt?«

Der Priester seufzte tief auf. »Reverend Drummond hat nichts damit zu tun, daß die Engländer unser Land gestohlen haben. Schließlich ist er in Lir zur Welt gekommen. Unser anglo-irischer Landadel ist vor Cromwell aus England gekommen. Manche sogar vor Einführung des Protestantismus. Und vergessen Sie nicht, daß selbst Lord Trevallyans Mutter Irin war. Mitunter ist es schwierig, da genau zu unterscheiden ...« Er fuhr mißmutig mit der Hand durch die Luft, als verwirrten ihn seine eigenen Worte. »Ich weiß genau, das ist schwer zu verstehen, und manchmal verstehe ich das alles selbst nicht richtig, aber denken Sie doch einmal an unsere Mythen von den Feniern und den Rittern der Red Branch. Es gibt eben Dinge, die Zeit und Politik überdauern. Und dieses Zusammensein heute abend gehört zu diesen Dingen. Sie sollten verstehen, daß mir keine andere Wahl bleibt. Ich muß mich mit dem Vikar treffen. Wir müssen tun, was getan werden muß. Aber ich verspreche Ihnen, daß es unser letztes Zusammensein in unserem Leben sein wird.«

»Aber wovon reden Sie eigentlich? Was müssen Sie tun?«

Ein seltsam entrückter Ausdruck erschien auf dem Gesicht des Priesters. »Es geht um eine sehr ernste Pflicht. Mein eigener Vater hat mir gesagt, daß davon die Zukunft unseres fruchtbaren Landstrichs abhängt.«

»Und dafür müssen wir unseren Glauben hintanstellen?«

»Nicht unseren Glauben, unsere politischen Überzeugungen.«

Moira starrte ihn an und schlug sich dann leicht mit der flachen Hand auf den grauhaarigen Kopf, als müsse sie sich vergewissern, daß sie trotz ihrer unwirklichen Unterhaltung noch immer leibhaftig vorhanden war. Aus irrwitzigen Gründen empfahl Father Nolan nichts anderes, als daß sich das Lamm zum Löwen legte. Hätte der Sorra Mountain wie der Vesuv Feuer gespien, wäre sie kaum verblüffter gewesen. »Ich verstehe zwar kein Wort von dem, was Sie da sagen, Father, aber wenn Sie heute abend ausgehen müssen, um sich mit dem Vikar zu treffen, werde ich zu niemandem darüber sprechen. Das verspreche ich bei der unvergänglichen Seele der Heiligen Jungfrau.«

Ein heftiger Donnerschlag erschütterte das Tal. Gleich darauf begann es zu regnen. Zunächst leicht, dann immer heftiger.

»Das scheint ein unangenehmer Abend zu werden. Sind Sie sicher, daß sie unbedingt ausgehen wollen?«

Der Priester lächelte. Die Höflichkeit verbot es Moira, auf sein Alter hinzuweisen, aber leicht würde es nicht werden, sich bei diesem Wetter zum anglikanischen Pfarrhaus zu begeben, wenn man nur einen Pony-Karren zur Verfügung hatte.

»Vor langer Zeit hat mich mein Vater auf meine Pflichten hingewiesen. Ich gehöre einem Rat an, der nur äußerst selten zusammentritt. Das Treffen heute ist das erste meines Lebens.«

»Wenn ich nicht wüßte, daß der Vikar Ihnen eine Botschaft geschickt hat, könnte ich annehmen, Sie wollten die White Boys wieder zum Leben erwecken.«

Er musterte sie ernst. »Ich wünsche mir die Selbstbestimmung wie jeder Ire, aber ich habe keineswegs die Absicht, für sie zu stehlen und zu zerstören!« Dann wurde er wieder zugänglicher. »Und jetzt beenden Sie Ihre Mutmaßungen. Ich werde zu dieser Zusammenkunft gehen, mehr ist dazu nicht zu sagen.«

Er wandte sich ab, um ins Feuer zu sehen, aber sein Blick wurde wie magnetisch von seiner rechten Hand angezogen, die lässig über die Sessellehne hing. Die Flammen ließen einen goldenen Ring aufblitzen, der in das dralle Fleisch seines Fingers einschnitt. Es war ein ungewöhnlicher Reif, keltisch und geformt wie eine Schlange. Der Ring einer Braut. Er würde ihn fortgeben, vielleicht noch heute abend. Sobald sie wußten, wer sie war. Sein Vater hatte ihm diesen Ring vor langer Zeit gegeben. »Du bist der Wächter dieses Ringes, mein Sohn«, hatte er gesagt. »Auf deinen Schultern ruht die Verantwortung für ihn.«

Die Verantwortung für ihn ...

Ein weiterer Donnerschlag ließ das fensterlose Cottage erbeben. Moira blickte nach oben, als könnte das schäbige Reetdach jeden Moment auf sie herunterstürzen. »Das ist ja ein furchtbares Wetter«, murrte sie und rührte energisch in ihrem Topf. »Sie sollten auf keinen Fall ausgehen. Ich jedenfalls werde dem nie zustimmen.«

Er öffnete den Mund, aber sie erstickte seinen Protest mit einer Handbewegung. »Sie können mich nicht vom Gegenteil überzeugen, Father.«

»Tun Sie, was Sie nicht lassen können, Moira Fennerty«, sagte er und hob seine alterssteifen Glieder aus dem Sessel. Er warf einen Blick auf sein warmes Abendessen und seufzte bedauernd auf. »Ich werde es heute abend genauso halten.«

Kapitel 3

Father Nolans Pony trabte durch den strömenden Regen die Straße zum Trevallyan Castle hinauf. Das Schloß stand dort seit Menschengedenken und sollte angeblich auf keltischen Ruinen erbaut worden sein. In der großen Halle hatten einst irische Könige getafelt, aber im 14. Jahrhundert war es von den Engländern erobert worden. Als Henry VIII. den Trevallyans das Land zum Lehen gab, hatten sie die eleganten Granittürme errichten lassen. Die Trevallyans waren West Britons im wahrsten Sinne des Wortes, irischer Landadel, dessen Vorfahren aus England stammten. Es gab Menschen in Lir, deren bitterer Haß auf die »Westbriten« auch durch die Jahrhunderte nicht zu besänftigen war, in denen Engländer Irinnen und Iren Engländerinnen geheiratet hatten. Diese Menschen bewahrten die Erinnerung an das Land ihrer Vorväter, das ihnen vor langer Zeit auf höchst brutale Weise geraubt worden war. Aber in den meisten Fällen hatte sich dieser Haß längst gelegt. Nach dreihundert Jahren betrachtete selbst Father Nolan die wühlhabenden Trevallyans, die immer wieder Einwohner von Lir geheiratet hatten, als einheimische Familie. Einheimisch und unbestreitbar irisch.

»Guten Abend, Father!« rief Seamus, der Kutscher der Trevallyans, als er ihm im Schloßhof entgegenkam. Seamus ergriff die Zügel und half dem betagten Priester dann beim Aussteigen. »Was führt Sie denn bei diesem schauderhaften Wetter hierher? Ich kann nur hoffen, .daß es nicht wieder mein Sohn ist. Dieser Tunichtgut! Nichts als Ärger mit den Mädchen!«

Die kalte Nässe ließ den Priester zwar erzittern, aber seine Stimme war so kräftig wie in seinen jungen Tagen. »Nein, heute abend habe ich keine schlechten Neuigkeiten im Hinblick auf den Burschen, Seamus McConnell. Ich würde gern ein Wort mit Ihrem Herrn reden. Ich nehme an, daß Greeves mich an den warmen Kamin führen kann?«

»Bestimmt, Father.« Seamus pfiff nach einem Stalljungen, der den Pony-Karren übernahm, während er selbst den Priester zum schweren Eichenportal geleitete. Dort begrüßte ihn der Butler Greeves, und kurz darauf saß Father Nolan in der Bibliothek vor dem Kamin und schlürfte ein anregendes Gebräu aus Whisky und Sahne.

»Was führt Sie denn an einem solchen Abend zu uns, Father?«

Father Nolan wandte sich um. An der Tür stand der Schloßherr. Obwohl erst neunzehn Jahre alt, wirkte Niall Trevallyan sehr viel älter. Der junge Mann hatte das Gesicht eines Dichters, klar und offen, aber mit einem Hauch von Tragik und einer fast königlichen Ausstrahlung. Wie er da an der Tür stand, warf das Kaminfeuer düstere Schatten über seine gutgeschnittenen, edlen Züge, und den Priester überkam das unheimliche Gefühl, daß so Brian Boni ausgesehen haben mußte, der legendäre keltische Herrscher, der dann Hochkönig von ganz Irland wurde.

»Mylord Trevallyan, wie gut, Sie zu sehen, mein Sohn.« Father Nolan wollte aufstehen, aber Trevallyans Handbewegung ließ ihn wieder in den Sessel sinken.

»Es überrascht mich, Sie hier vorzufinden, Father. Es ist kaum das geeignete Wetter für einen Besuch.«

Trevallyan betrat die Bibliothek, und Father Nolan stellte verblüfft fest, wie sehr der Raum Trevallyans Charakter entsprach. Der Schimmer der vergoldeten Lederbuchrücken spiegelte die kluge, aristokratische Ausstrahlung des jungen Mannes wider. Aber das Dominierende im Raum war nicht das in Tausenden von Bänden angesammelte moderne Wissen, sondern das Portrait seiner toten Mutter über dem Kamin. Der Keltin. Der Nachfahrin eines Volkes von Königen, eines Volkes, das von modernen Spitzfindigkeiten und modernem Verhalten nichts wußte. Eines Volkes, das seine Freunde so ungehemmt leidenschaftlich umarmte, wie es seine Feinde tötete. In Trevallyans meerblauen Augen lag eine gewisse Rücksichtslosigkeit, die Father Nolan wohlvertraut war. Das anglo-irische Trevallyan-Blut war eine erstaunliche Mischung aus Kultiviertheit und Barbarei.

Niall nahm auf dem Ledersessel gegenüber dem Priester Platz. Greeves näherte sich dem jungen Mann mit einem Silbertablett, um auch ihm einen Drink anzubieten, aber der schüttelte den Kopf und deutete auf die Tür. Diskret ließ sie Greeves allein.

»Ich habe heute abend ein seltsames Anliegen, mein Sohn.« Father Nolan streckte fast flehend die zitternde Hand aus. Der Schlangenring an seinem Finger funkelte im Kaminfeuer. »Und eine seltsame Geschichte zu erzählen.«

Trevallyans arrogante Lippen verzogen sich amüsiert. »Sie sind also den langen Weg gekommen, um mir eine Geschichte zu erzählen? Wie bemerkenswert, Father. Ich dachte, in unserer Gegend wäre Griffen O'Rooney derjenige, der Geschichten spinnt.«

»Diese Geschichte unterscheidet sich von seinen Erzählungen. Und Sie tun gut daran, sie sich anzuhören.«

Father Nolan musterte den jungen Mann. Trevallyan trug eine schwarze Hose, eine smaragdgründe Seidenweste und ein gestärktes weißes Hemd, aber kein Halstuch. Er blickte den Priester mit arrogant geneigtem Kopf an. Niall Trevallyans Überheblichkeit war im ganzen Landkreis berüchtigt, aber der Priester sah sie dem jungen Mann nach. Im Alter von fünfzehn Jahren hatte Trevallyan beide Eltern bei einer Diphterie-Epidemie verloren. Damals ging das Gerücht, der Besitz wäre verschuldet, und der Verwalter hätte sich auf Kosten des Jungen bereichert – eine schwere Bürde für einen Fünfzehnjährigen.

Aber Trevallyan hatte die Last auf sich genommen – und bewältigt. Inzwischen waren die Ländereien wieder ertragreich, das Schloß schuldenfrei, der Verwalter hinter Gittern, und Niall Trevallyan hatte gerade sein zweites Studienjahr am Trinity College in Dublin beendet. In den Augen des Priesters war die Arroganz durchaus verständlich, vielleicht sogar berechtigt. Aber Father Nolan nahm an, daß es noch einen anderen Grund dafür gab. Als der Junge seine Eltern in die kalte irische Erde betten mußte, hatte er keine Träne geweint. Father Nolan war zu ihm geeilt, um ihn in dieser Stunde der Not zu trösten, und er hatte fast eine Stunde lang neben dem Jungen gestanden, während der nur schweigend in die beiden frisch ausgehobenen Gräber gestarrt hatte. »Wollen wir nicht ein Gebet für sie sprechen?« hatte er schließlich leise gefragt, um den Jungen aus seiner lethargischen Trauer zu reißen. Daraufhin hatte Trevallyan mit tonloser, kalter Stimme geantwortet, die dem alten Priester noch heute einen Schauer über den Rücken jagte: »Es wäre besser, wenn Sie sich Ihre Gebete für mich aufsparten, Father.« Dann hatte der Junge kein Wort mehr über die Lippen gebracht, während der Wind und die Kälte den Priester schließlich nötigten, ihn allein zu lassen.

Trevallyan war in der Tat arrogant, aber Father Nolan fragte sich, ob er seine Borniertheit nicht als Schutzwall benutzte, um den einsamen, furchtsamen Jungen zu verstecken, der am Grab seiner geliebten Mutter nicht weinen konnte.

»Ich bin aber auch gekommen, um Ihnen zu Ihrem Geburtstag meine Glückwünsche auszusprechen, Mylord«, leitete Father Nolan die Geschichte ein, die er loswerden mußte.

In Trevallyans meerblauen Augen erschien ein argwöhnisches Lächeln. »Der Jahrestag meiner Geburt ist erst morgen, wie Sie sehr wohl wissen, Father. Sie haben mich auf Bitten meiner Mutter getauft, obwohl ich, wie ich gestehen muß, kein Bedürfnis verspüre, die Messe zu besuchen.«

»Ihre Mutter war eine gute Katholikin und weilt jetzt im Himmel, daran hege ich keinerlei Zweifel.«

»Und mein Vater?« Das Lächeln vertiefte sich, wurde fast boshaft.

Unbehaglich verlagerte der Priester sein Gewicht. »Der Earl fühlte sich an seine Wurzeln in der Church of Ireland verbunden. Aber das heißt nicht, daß ich Ihre Seele vernachlässigen werde, Trevallyan.«

Jetzt lächelte Trevallyan wirklich.«Touché, Father, aber Sie haben mich noch immer nicht über den Anlaß Ihres Besuches aufgeklärt. Mein Geburtstag ist es nicht ...«

»In gewisser Weise schon. Sie wurden doch um Mitternacht geboren, ist es nicht so? Sie kamen an Beltaine zur Welt, am magischsten Tag des keltischen Jahres, an dem Abend, an dem die Druiden das Fest von Bel feiern. In wenigen Stunden werden Sie ein Mann von zwanzig Jahren sein. Mehr als alt genug, um sich eine Braut zu erwählen.«

Trevallyan lachte. »Was haben Sie eigentlich vor?«

Der Priester rutschte an den Rand seines Sessels. Seine ernste Miene ließ Trevallyans Lachen verstummen. »Mein Sohn, Sie wissen über geise Bescheid?«

»Ich weiß natürlich, was ein geis ist, wenn Sie das meinen. Wie schnell Sie vergessen, daß ich der Sohn meiner Mutter bin.«

Das Schweigen des Priesters deutete an, daß er es so nicht gemeint hatte.

Trevallyans Miene verdüsterte sich. »Was? Wollen Sie etwa behaupten, ich unterstünde einem geis? Lassen Sie es mich einmal genau definieren ... Dabei geht es um eine Art Verpflichtung, einen Ehrenkodex oder ein Ritual, das vollzogen werden muß, damit seinen Empfänger kein Unglück befällt. Oder irre ich mich?«

»Sie irren sich nicht.«

»Und ich unterliege also einem geis?«

»Alle männlichen Trevallyans unterliegen einem geis. Das ist der Preis für das Land, das Sie jetzt Ihr Eigentum nennen.«

Niall lächelte den Priester ungläubig an. »Ich bitte Sie, Father. Irland hat zwar den Anschluß an die moderne Zeit noch nicht ganz geschafft, aber Sie glauben doch nicht wirklich an diesen keltischen Hokuspokus?«

»Die Römisch-Katholische Kirche glaubt nicht an derartige Dinge.«

»Und das schließt Sie ein, nehme ich an?«

Father Nolan legte dem jungen Mann eine Hand auf den Arm. »Ich lebe schon lange Jahre in Irland. Es ist schwer, in einem uralten Land nicht an uralte Dinge zu glauben.«

»Father«, protestierte Niall. »Wir schreiben das Jahr 1826. Die Gälen sind seit langem ausgestorben. Es gibt keine Druiden mehr, keine Zauberer und Hexen. Auch keine geise.« Er deutete auf die hohen Bücherregale. »In keinem dieser Bücher, und ich habe sie alle gelesen, werden geise für möglich oder wahrscheinlich gehalten. Wenn ich daran denke, was man am Trinity dazu sagen würde, überläuft mich ein Schauder.«

»Ich weiß, daß es phantastisch klingt, aber Sie müssen mich anhören.«

»Aber das ist doch grotesk.«

»Niall, Sie sind ein gebildeter, moderner Mann. Aber ist das alles, was man Sie am Trinity College gelehrt hat? Nur Fakten und Zahlen, nur das, was scheinbar real ist? Aber ich frage Sie, ist Poesie real? Ist die Liebe real? Ist der Himmel über uns real oder ist er ein großes Nichts? Hätte man Sie nicht auch lehren sollen, diese Dinge zu bestaunen und anzuerkennen?«

Der leidenschaftslose Tonfall des Priesters schien Trevallyan zu reizen. Er senkte die Stimme, als müsse er einem Begriffsstutzigen gut zureden. »Derartige Dinge sind selbstverständlich in Erwägung zu ziehen, aber doch nicht Zauberei, Feen und Geister ... diese ganzen dümmlichen Paddy-Lügengespinste.«

Father Nolan donnerte mit der Faust auf die Sessellehne. »Es gibt die Unirdischen! Das ist ein fester Bestandteil unseres gälischen Bewußtseins, das uns niemand nehmen kann!«

Trevallyans Lippen verzogen sich zu einem dünnen Strich. »Die Bewahrung dieser Überlieferungen wird den Griff der Krone nicht lockern, mit dem sie diese Insel festhält. So etwas macht Irland nur lächerlich.« Er sah den alten Priester an, und seine Miene entspannte sich, wenn auch nur geringfügig. »Daran werde ich mich nicht beteiligen, Father. Das möchte ich unserem Irland nicht antun. Wäre der Intellekt bei uns doch nur ähnlich hochgeschätzt wie die Zauberei«, fluchte er.

»Niall, Sie bewerten den Intellekt doch nur so hoch, weil Sie vor dem davonlaufen, was in Ihnen ist. Aber hören Sie mir gut zu: Wie schnell Sie auch laufen, eines Tages wird das, was in Ihnen ist, doch siegen. Ihr Blut ist so irisch wie meins. Das Gälische lebt auch in Ihnen weiter. Bereiten Sie sich auf seinen Sieg vor, sonst werden Sie untergehen.«

»Kommen Sie zur Sache, Father. Sagen Sie mir jetzt endlich, weshalb Sie gekommen sind«, grollte Niall mit funkelnden Augen.

»Vor der Zusammenkunft des Rates weiß noch niemand Bescheid. Wir kommen noch heute abend zusammen. Dann wird Ihnen alles Nötige mitgeteilt, und Sie können sich frei entscheiden.«

»Rat?« erkundigte sich Trevallyan mit gerunzelten Brauen. »Also weiß jeder über den Trevallyan-geis Bescheid, nur wir selbst nicht?«

»Ihre Eltern haben sich aus eigenem Antrieb gefunden und ineinander verliebt. Sie brauchten keinen geis, daher hat man ihnen nie davon erzählt. Aber Sie – Sie sind jetzt zwanzig Jahre alt und haben noch immer keine Braut. Und das Kreuz hat uns zum Handeln gemahnt.«

»Das Kreuz? Was ist das nun wieder für ein Unsinn?«

»Bitte, mein Sohn.« Father Nolans Gesicht drückte die besorgte Unruhe aus, die ihn innerlich zu verzehren schien. »Tun Sie ein paar alten Männern den Gefallen. Nehmen Sie an dem Zusammensein teil. Kommen Sie und erfahren Sie Ihr Schicksal. Dann werden Sie es auch beherrschen können.«

Trevallyan stand auf und starrte den Priester lange an. Dann schloß er wie angewidert die Augen und stieß einen langen Seufzer aus. »Also gut, ich komme zu Ihrer Zusammenkunft, Father.«

Der alte Priester lehnte sich in seinen Sessel zurück und wirkte noch erschöpfter als zuvor. »Gut, mein Sohn. Sehr gut«, sagte er.

»Aber das sollte mir ein Jahr lang die Sonntagsmesse ersparen.« Trevallyan zog an der Klingelschnur, um Greeves die Kutsche vorfahren zu lassen.

Vier alte Männer versammelten sich in Drummonds Pfarrhaus, während über ihren Köpfen das Unwetter tobte. Vier alte Männer, deren Gesichter von der Last ihres Geheimnisses gezeichnet waren. Mrs. Dwyer servierte ihnen Tee und Honigkuchen, während Trevallyan am Kamin stand und eher wie ein distanzierter Beobachter wirkte als wie der Anlaß der Zusammenkunft.

Von seinem Posten aus beobachtete Trevallyan die vier Männer, deren runzlige Gesichter im Geflacker der einzigen Kerze aufleuchteten. Es war in der Tat eine heillose Versammlung. Vier alte Männer, die so verschieden waren wie die vier Bereiche von Lir. Drummond und der Priester unterschieden sich wie das Gelände, das zu den Hügeln führte, und das, das bis ans Meer reichte. Peter Maguire, der Bürgermeister des Dörfchens Lir, wirkte so alltäglich, wie die Felder, auf denen Kohl, Kartoffeln und Roggen angebaut wurden. Und schließlich saß auch noch Griffen O'Rooney bei ihnen, der verhutzelte Totengräber und gelegentliche Märchenerzähler. Er repräsentierte den letzten Bereich von Lir. Das Gelände, das schon so manchen irischen Bauern ruiniert hatte. Das Gelände, auf dem es nur Steine und Felsen gab.

Und ich, dachte Trevallyan verächtlich, bin der Ogham-Stein, der in ihrer Mitte steht.

»Ich denke, ich sollte beginnen.« Reverend Drummond sah seine Tischgenossen an. Sein Gesicht wirkte so bleich und ernst, als wäre er aufgefordert, eine Predigt in der St. Patrick's- Kathedrale in Dublin zu halten.

»Wenn Sie nichts dagegen haben, halte ich mich für geeigneter, ihm die Dinge zu erklären«, widersprach Father Nolan. »Selbst Sie müssen zugeben, Reverend, daß die Church of Ireland sehr wenig von unserer Vergangenheit weiß.«

Griffen O'Rooney schüttelte den Kopf. »Mir ist ganz und gar nicht heiß. Im Gegenteil.«

Peter Maguire unterdrückte mit hochrotem Kopf ein Lachen.

»Nein, Griffen, ich sagte ›weiß‹ von wissen, nicht ›heiß‹«, korrigierte Father Nolan gereizt.

Griffen nickte zum Beweis, daß er verstanden hatte.

»Wer fängt denn nun an?« fragte Bürgermeister Maguire und stopfte sich noch ein Stück Honigkuchen in den Mund. Ein Donnerschlag ertönte; und sein Gesicht verlor jede Farbe. Wie betend blickte er zur Zimmerdecke. »Offen gestanden sollte ich derjenige sein, der den jungen Trevallyan ins Bild setzt. Der geis bezieht sich auf den Bereich von Lir, und ich bin der Bürgermeister.«

»Ihnen wird immer heißer?«

Alle am Tisch schienen sich zu winden.

Diesmal übernahm der Reverend die Erklärung. »Griffen, wir reden nicht von Temperaturen. Wir reden vom geis.«

»Der geis. Ja, natürlich. Wir wollen ihm vom geis erzählen«, nickte Griffen so ernst, als wäre das Kommende so unausweichlich wie der Tod eines weiteren guten Freundes. Er schneuzte sich die Knollennase mit einem roten Taschentuch, und alle verfolgten gespannt, ob seine zittrigen Finger das ausgeblichene Tuch lange genug an der Nase halten konnten. Als er fertig war, sah er sich um. »Wie ich sehe, warten Sie alle darauf, daß ich anfange, da ich der Geschichtenerzähler bin. Also gut, ich beginne ...«

»Nein, Griffen, so etwas sollte er von seinem Seelsorger erfahren«, sagte Father Nolan.

»Aber ich bin der Bürgermeister, und der geis bezieht sich auf Lir«, verteidigte Maguire seinen Anspruch.

»Nein, ich sollte es ihm erzählen, weil meine Familie Wächter des Kreuzes ist«, verkündete Drummond.

»Hören Sie auf, sich zu zanken wie Hunde um einen Knochen.« Trevallyan verließ seinen Beobachtungsposten am Kamin und trat an den Tisch, an dem die vier Männer um die geisterhaft flackernde Kerze saßen. »Keiner von Ihnen braucht die alleinige Verantwortung zu übernehmen, mir den geis zu erläutern, denn ich werde Fragen stellen, und Sie werden der Reihe nach antworten. Welche Bewandtnis hat es mit dem Kreuz, Drummond?«

Drummond reagierte ein wenig verwirrt über die Frage, als wäre er nicht darauf vorbereitet, als erster das Wort zu ergreifen, »Es ist ein altes Kreuz, kein christliches, sondern ein keltisches Kreuz, ein Amulett. Es befindet sich in der Obhut meiner Familie, seit sie hierher gezogen ist. Und ich möchte Sie alle daran erinnern ...« – er blickte betont zu Father Nolan hinüber – »daß die Drummonds seit zweihundertundfünfzig Jahren in der Grafschaft Lir ansässig sind.«

»Gut, gut. Aber was hat es mit diesem Kreuz auf sich?« Trevallyan verlor langsam die Geduld.

»Es hat sich in seinem Glasbehälter bewegt, Mylord«, erwiderte Drummond lakonisch.

»Es hat was?«

»Es hat sich in seinem Behälter bewegt.« Hilfesuchend sah sich Drummond unter seinen Ratsmitgliedern um. »Das Kreuz befand sich in dem Glasbehälter, den mein Vater in der Kirche errichten ließ, als er Vikar war. Das Glas des Behälters war fugenlos verschlossen. Und dennoch hat sich das Kreuz bewegt. Das war das Signal zum Handeln.«

»Zu welchem Handeln?« Niall verschränkte die Arme vor der Brust. Er hatte entschieden etwas von einem unzufriedenen Herren. Drummond schien inzwischen vollends die Sprache verloren zu haben.

»Die Haushälterin Mary Dwyer – Mary – sagte, sie hätte gesehen, daß von dem Kreuz ein Leuchten ausging«, beeilte sich Peter Maguire mit einer gestotterten Erklärung.

»Ja, aber es ist allgemein bekannt, daß diese Frau vor ihrem eigenen Schatten erschrickt«, wiegelte Father Nolan ab. Er warf Drummond einen argwöhnischen Blick zu, als wäre ihm plötzlich ein schrecklicher Gedanke gekommen. »Es hätte ein Signal sein können, aber woher wollen wir wissen, daß es nicht doch eine Sinnestäuschung war? Und Sie ... Auch Sie könnten sich irren, wenn Sie behaupten, das Kreuz hätte sich bewegt. Wo sind Ihre Beweise, daß es sich tatsächlich bewegt hat – jetzt, nachdem Sie den Behälter zerschlagen haben? Unter Umständen haben wir diese Ratssitzung umsonst einberufen – lediglich aufgrund einer weiteren protestantischen Fehleinschätzung.«

»Ich bin weder einer Sinnestäuschung noch einer Fehleinschätzung erlegen!« Drummond stand auf und sah ganz so aus, als wollte er Father Nolan an die Kehle.

»Das können Sie nicht ausschließen!« Auch Father Nolan stand auf. »Und wenn es so ist, haben wir uns alle ziemlich blamiert.«

»Father«, mischte sich Trevallyan ein und legte dem Priester eine Hand auf den Arm. »Warum haben Sie mich dann hergeholt, wenn Sie Zweifel haben?«

Der Priester sah erst Trevallyan, dann Drummond an. Er erblaßte und nahm ernst seinen Platz wieder ein. »Ich habe keine Zweifel«, erklärte er mürrisch. »Reverend Drummond, dieser englische Landräuber, sagt die Wahrheit. Es ist an der Zeit, den geis zu erklären.«

»Dann fangen Sie auch endlich damit an. Unverzüglich«, forderte Trevallyan und funkelte die vier Alten böse an, bis sie zerknirscht die Köpfe senkten.

»Bevor Ihr Land vom englischen Heinrich Ihrer Familie übereignet wurde, gehörte es einer Müllersfamilie«, begann Father Nolan.

»Und als die herausfand, daß ihnen der Grund und Boden nicht mehr gehörte, ließ sie alle männlichen Mitglieder der Familie Trevallyan von einem Zauberer mit einem geis belegen«, sagte Drummond.

»In jeder Generation muß der männliche Erbe vor seinem zwanzigsten Lebensjahr heiraten, sonst wird der geis wirksam«, fügte der Bürgermeister hinzu.

»Nun sagen Sie mir endlich, um was es bei diesem geis geht.« Trevallyan sah jeden der Männer an. Die blickten alle auf Griffen O'Rooney.

Wie aufs Stichwort öffnete Griffen die Lippen. »Ich werde Ihnen alles über den geis erzählen, mein Junge.« Er schaute Trevallyan an, und trotz seines Alters wirkten seine Augen klar und hellwach. »Ihr geis hat vier Bedingungen, da Lir über vier Bereiche verfügt, die durch die vier aufrechten Steine getrennt sind, auf die das ogham geschrieben ist. Die erste Bedingung besteht darin, daß das Kreuz Ihnen eine Braut erwählen muß. Die zweite, daß sie eine Nichtadlige aus unserem geliebten Lir zu sein hat. Und die dritte, daß dieses Mädchen im zwanzigsten Lebensjahr des Erben von Trevallyan gefunden sein muß. Die Einzelheiten des Trevallyan-geis sind geheimgehalten worden. Durch die Jahrhunderte wurden sie vom Vater zum Sohn weitergegeben, und die Männer, die Sie vor sich sehen, sind die einzigen Nachkommen des ursprünglichen Rats.«

Es wurde sehr still im Raum. Alle warteten gespannt auf Trevallyans Reaktion. Der junge Mann wirkte außerordentlich ernst. Dann brach er in helles Lachen aus. »Das ist ein Witz. Das muß ein Witz sein. Sie erwarten doch wohl nicht wirklich, daß ich Ihnen gestatte, mir meine Braut auszusuchen?«

»Wir suchen Ihnen keineswegs ihre Braut aus. Das hier wird Ihnen Ihre Braut erwählen.« Damit zog Drummond das Kreuz aus seiner Rocktasche. Seine Schönheit verschlug den Männern die Sprache. Das Kreuz schien von einem geheimnisvollen Leben erfüllt. Es glühte und funkelte im Kerzenlicht, und die Feinheit seiner Ornamente war zu exquisit, um von menschlichen Händen geschaffen worden zu sein.

Trevallyan griff nach dem Kreuz und hob es in Augenhöhe. Vom Zentrum des Amethysten schienen purpurfarbene Funken zu sprühen und die verschlungenen Verzierungen wirkten so lebendig wie sich windende Schlangen. Er starrte das Kreuz an wie ein König, der seiner Nemesis begegnet.

»Mylord«, hauchte Drummond, »in all den Jahren, in denen ich nun schon über das Kreuz wache, habe ich es nie so gesehen. Der geis muß echt sein. Das ist ein Zeichen.«

»Es ist nur das Licht, das es so seltsam aussehen läßt.« Niall warf das Amulett dem Reverend zu. Die Männer stöhnten entsetzt auf. Drummond reckte sich und griff so behende zu, als müsse er ein kleines Kind vor dem Sturz bewahren.

»Es ist nicht gut, das Jenseitige herauszufordern, mein Sohn«, sagte Griffen. Er beäugte den jungen Mann so mitleidig, als hätte er bereits einen Blick in dessen Zukunft getan und dort das ganze Elend gesehen, über das Trevallyan jetzt spottete.

O'Rooneys Blick schien Trevallyan unsicher zu machen, denn es sah so aus, als hätte er die Überheblichkeit des jungen Mannes durchdrungen und in seine Seele gesehen. Doch stets Herr jeder Lage, riß sich Trevallyan zusammen und erklärte mit kühler Stimme: »Ich kann nichts herausfordern, das es nicht gibt. Das alles ist blanker Unsinn. Ich glaube kein einziges Wort. Das da ...«, damit zeigte er auf das Kreuz, »ist ein herrliches keltisches Kunstwerk, aber es kann keine Wunder wirken und mir eine Braut erwählen. Wie denn auch? Sollen ihm etwa Flügel wachsen, damit es in der ganzen Grafschaft nach ihr suchen kann?«

»Das Kreuz hat das Mädchen bereits gefunden.«

Alle Köpfe wandten sich Drummond zu. Sein Gesicht war totenblaß. »Es ist, wie ich sage. Ich bin heute abend auf eigene Faust losgezogen und dachte, das Kreuz würde mich vielleicht zu dem Mädchen führen ...«

»Und wo haben Sie es gefunden?« flüsterte Peter Maguire.

»Ich hielt das Kreuz in meinen Händen, und es wies mir mit seinem Leuchten wie ein Kompaß den Weg. Vor einem Cottage weit hinter dem Dorf in einem Kiefernhain strahlte es so stark wie nie zuvor.«

»Sie haben das Mädchen gefunden«, stellte Father Nolan fast ehrfürchtig fest.

»Und wer ist es?« fauchte Niall.

»Das Kreuz führte mich zu Granias Cottage.«

Trevallyans dröhnendes Lachen ließ die Wände des Pfarrhauses erbeben. »Grania! Die alte bucklige Grania! Die alle Welt eine Hexe nennt! Nun, das ist stark! Ich soll eine uralte Frau heiraten, die meine Großmutter sein könnte!«

»Es könnte sich um ihre Tochter Brilliana handeln, die das Kreuz auserwählt hat«, wandte Maguire ein. »Grania hat ihre Tochter sehr spät bekommen, Mylord. Sie muß ungefähr in Ihrem Alter sein.«

»So ist es!« bestätigte Drummond.

»Wir müssen uns die Braut ansehen.« Father Nolan erhob sich.

Trevallyan schüttelte den Kopf. »Ich denke gar nicht daran, diese Frauen mitten in der Nacht zu belästigen. Jedenfalls nicht wegen eines absurden geis.«

»Man hat mir einmal von einem jungen Mann erzählt, der sich über den geis lustig machte, mit dem ihn eine alte Frau belegt hatte«, begann Griffen O'Rooney. Beim Klang seiner Stimme schienen sich die anderen Männer aneinanderzudrängen, als hätten sie Furcht vor unbekannten Mächten, die über sie kamen wie der Sturm von der See. »James Fitzherbert war ein prachtvoller junger Mann, groß von Statur und mit gefälligem Gesicht. Er lebte hundert Jahre vor Ihnen in dieser Grafschaft, Trevallyan. Er spottete des geis', und eine große Hungersnot kam über Lir. Als erste starb das Mädchen, das er über alles liebte. Das hübsche Kind schwand dahin, bis es nichts mehr war als ein Skelett mit riesengroßen Augen, die um einen Bissen Essen flehten. Manche sagen, der Hunger hätte Fitzherbert verrückt werden lassen, aber andere meinen, es wäre die Schuld gewesen, die ihn um seinen Verstand gebracht hat.«

Trevallyan starrte O'Rooney schweigend an.

»Wir müssen zu dem Cottage gehen, Mylord«, bat Father Nolan.

»Sie werden um Mitternacht zwanzig Jahre alt«, rief Maguire.

»Sehen Sie doch, wie spät es ist!« ächzte Drummond. Alle Köpfe drehten sich zu der Nußbaumuhr auf dem Kaminsims um. Sie zeigte fünf Minuten vor Mitternacht.

»Es wäre eine unsinnige Annahme, daß ich dieses Mädchen heiraten könnte. Ich habe es noch nie gesehen. Es könnte einen Buckel haben wie die Mutter. Ich liebe es nicht. Ich kenne es nicht ...«

»Aber Trevallyan, Sie haben noch gar nicht nach der vierten Bedingung des geis' gefragt«, unterbrach Griffen O'Rooney.

»Dann sagen Sie sie mir, Sie alter Märchenerzähler. Erzählen Sie mir auch den Rest der Geschichte«, spottete Trevallyan, wenn auch nicht mehr ganz so überheblich wie zuvor.

Griffen blickte den jungen Mann ebenso mitleidig wie hoffnungsvoll an. »Sie werden auch den Rest erfahren. Wenn wir im Cottage sind.«

Kapitel 4

Reverend Drummonds Kutsche hielt vor einem niedrigen, halb verfallenen Cottage, in dessen Tür eine alte Frau stand, als hätte sie auf sie gewartet.

Die Männer betraten das düstere winzige Haus, und Trevallyan blickte sich fast angewidert um. Ein Stück Ölpapier verkleidete die kleine Fensteröffnung. Der Fußboden war festgestampfte Erde, und an den Wänden hatte sich der Herdruß von Jahrzehnten abgesetzt. Überall sah er Katzen. Wohlgenährte, geschmeidige Katzen schliefen vor dem Kamin, äugten von Spindbrettern und kämpften miteinander, während in den dunklen Ecken des Raumes Ratten raschelten und quiekten. Es gab Armut in Lir, aber so etwas wie das hier hatte er noch nie gesehen.

»Gute Frau«, sagte er freundlich und blickte auf ihre Hände. Diese verarbeiteten, gichtigen Finger hätten in der Anwesenheit ihres Herrn zittern müssen, lagen aber still wie schlafende Mäuse. »Diese Männer haben mich hierhergebracht, weil sie annehmen, ich stünde unter einem geis. Sie glauben, es sei mir bestimmt, eine junge Dame aus diesem Cottage zu heiraten. Aus diesem Grund suchen wir Sie zu dieser ungewöhnlichen Stunde auf.« Trevallyan suchte nach einer Reaktion im Gesicht der Frau, konnte hinter ihren vielen Falten aber keine entdecken.

»Ich weiß, weshalb Ihr gekommen seid«, erwiderte sie ruhig.

»Hat es Ihnen der Reverend bereits gesagt?«

»Das hat er nicht getan.«

»Woher wissen Sie dann von unserem Besuch?«

Die alte Frau lächelte ihn seltsam traurig an. »Ich bin Grania, Lord Trevallyan, eine Seherin. Ich weiß viele Dinge, die andere Menschen nicht wissen.«

Verstohlen warf Trevallyan dem Priester einen ungläubigen Blick zu, aber Father Nolan hing an den Lippen der alten Frau, als hätte er vor jedem ihrer Worte den höchsten Respekt.

»Kommt, setzt Euch doch ans Feuer.« Die Greisin deutete auf den einzigen Stuhl im Raum, einen dreibeinigen Eichenstuhl, auf dem Alter und Ruß ihre Spuren hinterlassen hatten.

»Ich weiß Ihre Gastfreundschaft zu schätzen, Mistress Grania, aber wir haben nicht vor, lange zu bleiben«, lehnte Trevallyan ab.

Grania betrachtete sein Gesicht so hingebungsvoll, als würde sie einen goldenen Kelch anschauen. »Ihr seid jetzt ein erwachsener Mann, Lord Trevallyan. Und Ihr seid gekommen, um Euch eine Braut zu erwählen.«

»Ich bin hier, um diesen Herren einen Gefallen zu tun«, berichtigte er. »Ich glaube nicht an den Trevallyan-geis.«

Grania nickte. »Und doch seid Ihr hier. Und Ihr wollt sie kennenlernen.«

»Sie erzählten mir, daß Sie eine Tochter haben.«

»Brilliana wurde durch Zauber empfangen. Die Feen haben sich meines Leibes bemächtigt und schenkten mir ein Kind, als jede Vernunft sagte, ich wäre viel zu alt dafür.«

Trevallyan sah wieder zu Father Nolan hinüber. Diesmal bemerkte der Priester den Blick und trat unbehaglich von einem Fuß auf den anderen.

»Wie alt ist Brilliana?« fragte er in der brennenden Hoffnung, diese lästige Sache so schnell wie möglich hinter sich bringen zu können.

»Vor einem Monat ist Brilliana zwanzig Jahre alt geworden.«

»Ist sie hier?« Trevallyans Blick wanderte zu einem verschlissenen Vorhang, der den Raum teilte.

Grania nahm seine Hand, und er war überrascht, wie weich und warm sich der Druck ihrer schwieligen Finger anfühlte.

»Lord Trevallyan, ich will Euch meine Tochter zeigen. Ich möchte, daß Ihr seht, wie schön sie ist.« Tränen traten in die Augen der alten Frau.

Nialls Miene verdüsterte sich. »Stellen Sie mich Ihrer Tochter vor, gute Frau, aber hegen Sie keine falschen Hoffnungen, denn ich kann nicht versprechen, sie zu heiraten. Ich werde nur die Frau heiraten, die ich liebe.«

Die Greisin lächelte. »Hat man Euch denn noch nicht die vierte Bedingung des geis' mitgeteilt, Mylord?«

Trevallyan schüttelte den Kopf.

»Ihr seid es nicht, der die Wahl hätte. Nein, der vierte Teil des geis' besagt, daß Ihr ihre Liebe erringen müßt. Ob Ihr sie liebt oder nicht ist belanglos. Nur auf sie kommt es an.« Lächelnd führte sie ihn durch den Vorhang.

Eine tropfende Kerze beleuchtete den schäbigen Schlafraum. In einer Ecke verrotteten Lumpen, ein Nachttopf verströmte seine Gerüche, und auf dem schmalen Bett in der anderen Ecke lag eine Frau.

»Das ist meine Tochter, Lord Trevallyan. Nehmt die Kerze und macht Euch selbst ein Bild von ihrer Schönheit.« Grania reichte ihm den Zinnleuchter.