Der Ludicrous-Modus - Edward Niedermeyer - E-Book

Der Ludicrous-Modus E-Book

Edward Niedermeyer

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Beschreibung

Hinter dem Hype Der Hype um den E-Auto-Pionier Tesla und seinen schillernden CEO Elon Musk scheint ungebrochen: Mit seinen innovativen Elektrofahrzeugen erschütterte Musk die Autoindustrie in ihren Grundfesten und erobert den Markt für alternative Antriebe. Während die Märkte weltweit von der Corona-Krise gebeutelt werden, trotzt Tesla dem Abwärtstrend und verkauft mehr Autos als erwartet. Doch der Automobilexperte Edward Niedermeyer weiß um die Diskrepanz zwischen Kult und alltäglichen Realitäten des Unternehmens. So weisen die Fahrzeuge teils ernsthafte Verarbeitungsmängel auf und Serviceprobleme lassen Zweifel an der hohen Marktbewertung aufkommen. In seinem Buch verbindet er bisher unveröffentlichte Insiderberichte mit fundierter Branchenanalyse und erzählt die Geschichte von Tesla, wie sie bisher noch nicht erzählt wurde. »Nach meiner plötzlichen Desillusionierung über Tesla [...] begann ich, in der Vergangenheit und Gegenwart des Unternehmens zu wühlen. Je mehr Fragen ich stellte [...], desto mehr Belege fand ich für den Verdacht, dass Teslas populäres Image eine bewusst konstruierte Fassade war, die tieferliegende Funktionsstörungen kaschieren sollte.« – Aus der Einführung

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Seitenzahl: 449

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Edward Niedermeyer

DER LUDICROUS-MODUS

Edward Niedermeyer

DERLUDICROUS-MODUS

DIE UNGESCHMINKTE WAHRHEIT ÜBER TESLA MOTORS

Übersetzung aus dem Englischen von Almuth Braun

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://d-nb.de abrufbar.

Für Fragen und Anregungen:

[email protected]

1. Auflage 2021

© 2021 by Redline Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH,

Türkenstraße 89

D-80779 München

Tel.: 089 651285-0

Fax: 089 652096

© der Originalausgabe by Edward Niedermeyer. Veröffentlicht in Absprache mit BENBELLA BOOKS, Inc. Die englische Originalausgabe erschien 2019 bei BENBELLA BOOKS, INC. unter dem Titel Ludicrous. Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover.

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Übersetzung: Almuth Braun

Redaktion: Werner Wahls

Umschlaggestaltung: Karina Braun

Umschlagabbildung: shutterstock.com/kloromanam; shutterstock.com/Kaikoro

Satz: ZeroSoft, Timişoara

Druck: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN Print 978-3-86881-808-6

ISBN E-Book (PDF) 978-3-96267-247-8

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-96267-248-5

Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter

www.redline-verlag.de

Beachten Sie auch unsere weiteren Verlage unter www.m-vg.de

Für Andrea

INHALT

An die Leser

Einführung

Kapitel 1DER ÜBERLEBENSKÜNSTLER

Kapitel 2DER HOCHGEHEIME MASTERPLAN

Kapitel 3DER ZUFÄLLIGE FAHRZEUGHERSTELLER

Kapitel 4DIE START-UP-FALLE

Kapitel 5AUTOS HERZUSTELLEN IST SCHWER

Kapitel 6DIE RETTUNG

Kapitel 7VON NULL AUF HUNDERT

Kapitel 8DIE FANS UND DIE HASSER

Kapitel 9SOLARENERGIE, SUPERCHARGER UND BATTERIEAUSTAUSCH

Kapitel 10DER AUTOPILOT

Kapitel 11X MARKIERT DIE (SCHWACH-)STELLE

Kapitel 12MÄNGEL, OFFENLEGUNG UND DRAMEN

Kapitel 13MASTERPLAN TEIL 2

Kapitel 14EINE MASCHINE, DIE DIE MASCHINE BAUT

Kapitel 15DAS IMPERIUM SCHLÄGT ZURÜCK

Kapitel 16DER LUDICROUS-MODUS

Kapitel 17HARTE FAKTEN

Danksagung

Über den Autor

Stimmen zu Der Ludicrous-Modus

Glossar

Anmerkungen

AN DIE LESER

Dieses Buch ist die größte Herausforderung meiner bisherigen beruflichen Karriere gewesen. Die Geschichte von Tesla erstreckt sich nicht nur über ein breites Spektrum an komplexen Themengebieten, sie ist zudem reich an Nuancen, die in den stark kontroversen Debatten, zu denen Tesla immer wieder anregt, leicht verloren gehen.

Zu sagen, diese Geschichte hätte in den Jahren, seit ich mit diesem Buch begonnen habe, verschiedene Wendungen genommen, wäre eine starke Untertreibung. Teslas Fangemeinde sieht Tesla immer kurz vor der Beherrschung der gesamten Automobilindustrie, während die Skeptiker das Unternehmen immer am Rande des Kollapses sehen. Jede neue Entwicklung, ob positiv oder negativ, lässt die Wahrnehmungen und Erwartungen entweder in den Himmel schießen oder in den Keller sinken und weckt mitunter den Eindruck, als würde sie die gesamte Dramaturgie der Geschichte von Tesla verändern.

Die Automobilindustrie ist eine der komplexesten und herausforderndsten Industrien und die Markteintrittsbarrieren sind sehr hoch. Diese Sichtweise hat nicht nur von jeher meine Berichterstattung über Tesla, sondern über alle Fahrzeughersteller bestimmt. Vielleicht liegt es an einem Missverständnis meiner kritischen Perspektive, dass mich Tesla-Fans immer wieder als »Hasser« und meine Arbeit als den Versuch bezeichnet haben, ihr geliebtes Unternehmen zu zerstören. Kaum, dass ich begann, über Tesla zu berichten, wurde ich zur Zielscheibe erbitterter Angriffe – zunächst von den Fans und Investoren und später (genau zu dem Zeitpunkt, als ich mit dem Manuskript zu diesem Buch begann) auch von Tesla selbst.

Üblicherweise vermeide ich es, meine eigenen Beiträge zu kommentieren, weil ich möchte, dass meine Arbeit für sich selbst spricht und allein nach ihrer Qualität bewertet wird (und zum Teil auch, weil ich mich selbst nicht für besonders interessant halte). Weil sich die Angriffe aber mehrheitlich auf meine vermeintlichen Motive konzentrieren, anstatt auf die Substanz meiner Berichte und Analysen, habe ich den Eindruck, dass mir nichts anderes übrig bleibt, als zu erklären, wie ich zu meiner Sichtweise der Geschichte des Unternehmens Tesla gelangt bin. In der Hoffnung, damit die müßigen Spekulationen über meine Motive eindämmen zu können, werde ich in diesem Buch gelegentlich meine persönlichen Erfahrungen schildern.

Teslas schonungslos persönlich eingefärbter PR-Ansatz und die als Folge davon ähnlich aggressive Fankultur erklären auch, warum in diesem Buch praktisch keine Quellen namentlich genannt werden. In das vorliegende Buch sind viele Hundert Stunden an Interviews mit damaligen und ehemaligen Mitarbeitern, Führungskräften, Mitgliedern des Verwaltungsrats und Partnern von Tesla eingeflossen. Fast alle haben mich aus Sorge vor Vergeltung um Anonymität gebeten. Zahlreiche Anekdoten und Einzeldaten wurden auf ihre Bitte weggelassen, da sie Rückschlüsse auf die Identität der jeweiligen Quelle zugelassen hätten.

So frustrierend es ist, einige dieser höchst aufschlussreichen (und oft überaus unterhaltsamen) Geschichten verschweigen zu müssen und nicht zeigen zu können, wie gut informiert diese Quellen sind, kann ich es niemandem verdenken, sich nur unter Zusicherung von Anonymität geäußert zu haben. Nachdem ich erlebt habe, wie viele tatsächliche oder vermeintliche Whistleblower aus dem Unternehmen oder dessen Umfeld beschmutzt, verklagt und eingeschüchtert wurden, halte ich ihre Befürchtungen für begründet. Unter diesen Umständen halte ich es außerdem für ein Zeichen von Courage und Überzeugung, dass sie ihr persönliches und berufliches Wohlergehen aufs Spiel gesetzt haben, um mir ihre Geschichten zu erzählen. Ich bin jedem Einzelnen zu tiefstem Dank verpflichtet und wünsche mir nur, sie würden die Anerkennung erfahren, die sie so sehr verdienen.

EINFÜHRUNG

Als ich im Jahr 2008 begann, mich mit der Automobilindustrie zu beschäftigen und über Automobilthemen zu schreiben, ahnte ich nicht, dass die Mobilität im Allgemeinen und die motorisierte Fortbewegung im Besonderen vor einer umfassenden Transformation standen. Ich war einfach ein junger Mann, der zum falschen Zeitpunkt das College abgeschlossen hatte und aufgrund der tiefen Wirtschaftskrise nicht einmal als Kellner Arbeit fand. Mein Vater, der sein Leben mit Autos verbracht hatte, verfasste in seiner Freizeit Beiträge für einen Auto-Blog mit der Bezeichnung The Truth About Cars (TTAC), der sich mit der Prophezeiung des Niedergangs der Automobilindustrie von Detroit einen Namen gemacht hatte. Als ich die Gelegenheit erhielt, freiberuflich für diesen Blog zu schreiben, willigte ich ein.

Schon nach wenigen Monaten Beschäftigung mit der gebeutelten Autoindustrie wurde mir klar, dass ich das Glück hatte, in eines der faszinierendsten und am meisten unterschätzten Themen unserer Zeit einzutauchen. Ich stellte fest, dass Autos wesentlich mehr sind als die teuren Konsumgüter, für die ich sie immer gehalten hatte; sie sind ein Grundpfeiler unserer materiellen Kultur, der fast jeden Aspekt unserer Gesellschaft berührt. Von der ästhetischen und technischen Seite bis zu Geschichte, Politik, Wirtschaft, Umwelt, Handel und Stadtentwicklung war die Autoindustrie wie eine Brille, durch die ich eine enorme Vielfalt an komplexen Themen und Ideen erkunden konnte.

Das Jahr 2008 war zudem der perfekte Zeitpunkt, um etwas über die verborgenen Kräfte zu erfahren, die die Automobilindustrie lenken. Der gesamte Sektor stand vor dem Zusammenbruch, als die Wirtschaftskrise in Kombination mit einem astronomischen Anstieg der Benzinpreise mit den strukturellen Defiziten der Industrie und den kulturellen und strategischen Problemen der jeweiligen Fahrzeughersteller zusammentraf. Die Fehlentwicklungen, die zum Bankrott und zur anschließenden staatlichen Rettung von GM und Chrysler geführt hatten, sowie die Analyse ihrer nachfolgenden öffentlich durchgeführten »Chirurgie am offenen Herzen« waren ein Lehrbeispiel für die brutalen Realitäten eines ungeheuer kapitalintensiven, aber margenschwachen Geschäfts. Üblicherweise ist es die inhärente Attraktivität des Automobils, die unser Interesse an der Automobilindustrie weckt; mich faszinierte dagegen eher das komplexe System aus Menschen und Ideen, das Autos hervorbringt und definiert.

Ich fing an, mich intensiv mit dem Thema zu beschäftigen, verschlang alles, was ich über Autos und die Automobilindustrie finden konnte, und fasste meine Erkenntnisse in meinen Blogposts zusammen. In meinem ersten Jahr als freier Autor für TTAC wurde ich Redaktionsleiter und in meinem zweiten Jahr Chefredakteur. Zu Beginn meines dritten Jahres wurde ich gebeten, einen Gastbeitrag für die New York Times zu schreiben. Und so katapultierte mich dieses Thema, das ich unter anderen Umständen nie als lebenslanges intensives Tätigkeitsfeld ausgewählt hätte, in eine berufliche Laufbahn, die ich so niemals bewusst geplant hätte.

Im Verlauf der vergangenen elf Jahre hatte ich das Glück, die Leser von Wall Street Journal, Bloomberg View, The Daily Beast, Automotive News und anderen Medien an den Erkenntnissen aus meiner andauernden autodidaktischen Weiterbildung teilhaben zu lassen. Seit ich meine Karriere mit einer kritischen Betrachtung der staatlichen Rettung der Automobilkonzerne GM und Chrysler begann, war es immer mein Ziel, die herrschenden Überzeugungen infrage zu stellen und die verborgenen Geschichten aufzuspüren und ans Licht zu holen.

Im Vergleich zu den hitzigen Debatten und den bitteren Animositäten, die den Zusammenbruch und die Rettung von Detroit prägten, die damals bei TTAC im Mittelpunkt unserer Aufmerksamkeit standen, wirkten meine ersten Berührungen mit Tesla geradezu zahm. Angesichts der Existenzkrise der gesamten US-Automobilindustrie war ein winziges Start-up aus Kalifornien, das importierte britische Sportwagen in Elektroautos verwandelte, kaum einer näheren Betrachtung wert. Rückblickend kann man jedoch sagen, dass die Meinungen über das Unternehmen bereits 2008 auseinandergingen.

Zu einer Zeit, da eine ganze Reihe an Elektroauto-Start-ups versuchte, mit vollmundigen Ankündigungen oder hochgejubelten, in chinesischer Billigfertigung produzierten Kleinstwagen Eindruck zu schinden, setzte sich Tesla bereits von der Masse ab, indem es mit elektrischen Sportwagen das Premiumsegment des Marktes ins Visier nahm. Die Berichte über die atemberaubende Beschleunigung und Popularität des Tesla Roadster bei umweltbewussten kalifornischen Prominenten suggerierten, dass Tesla ein Elektroauto-Start-up war, das zumindest das Potenzial besaß, etwas mehr als ein Strohfeuer zu sein.

Unterdessen befand sich das Unternehmen in einer äußerst angespannten Situation: Tesla verbrannte viel Geld, kritische Komponenten mussten überarbeitet werden, die Unternehmensgründer begannen sich zu befehden, und angesichts der hartnäckig andauernden Rezession wurde das zum Überleben benötigte Kapital knapp. Wie Tesla von heute war auch Tesla von 2008 eine äußerst schwankungsanfällige Mischung aus einem sehr langfristigen Potenzial und gewaltigen kurzfristigen Herausforderungen.

Als Tesla im Verlauf des Jahres 2008 tatsächlich die ersten Autos auf den Markt brachte – für ein E-Auto-Start-up damals eine echte Leistung, denn die meisten gingen schon vorher pleite –, begann TTAC, den Überlebenskampf des Unternehmens in einer kurzen Serie von Blogposts mit dem Titel »Tesla Death Watch« (»Teslas Totenwache«) zu dokumentieren. Zwar erfreute sich diese Tesla-Serie später sehr großer Aufmerksamkeit, damals war sie jedoch kaum mehr als ein beiläufiges Anhängsel der GM, Chrysler und Ford Death Watches, die TTAC schon Jahre vor meiner Zeit initiiert hatte. Wir hatten den Tesla Death Watch aus keiner besonderen Abneigung gegenüber dem Unternehmen begonnen. Im Gegenteil – als ich den Blog im Jahr 2009 übernahm, stoppte ich sogar alle Death-Watch-Serien, weil ich befürchtete, der provozierende Namen würde Leser zu der Annahme verleiten, wir würden den Untergang der betroffenen Unternehmen begrüßen, anstatt unparteiisch die herausfordernde Natur der Automobilindustrie zu dokumentieren. Der Tesla Death Watch war einfach eine interessante Story, die deutlich machte, wie überaus schwer es für neue Fahrzeughersteller war zu überleben. Außerdem bot er uns eine willkommene Abwechslung von den Detroit Death Watches.

Weniger als ein Jahr nach der sporadischen Berichterstattung über Tesla, während dessen wir mehrere Chancen verpassten, Storys nachzugehen, die weitaus interessanter waren, als uns damals klar war, beendete der TTAC -Gründer den Tesla Death Watch mit der Auslieferung des 100. Tesla Roadster. In den folgenden fünf Jahren beobachtete ich verblüfft, wie Tesla sich zäh durch alle möglichen Kontroversen und Widrigkeiten kämpfte und sich zu einem ernst zu nehmenden Fahrzeughersteller mauserte. Zwar war ich ein wenig skeptisch, was Teslas hochfliegende Ambitionen betraf, aber ich entwickelte eine tiefe Bewunderung für seine Fähigkeit, in einem Geschäft zu überleben, in dem die Chancen für Newcomer extrem miserabel sind.

Unabhängig davon, welche Hindernisse Tesla überwand, schien sein Erfolg immer auf wackeligen Füßen zu stehen. Seine Markenpolitik, das Design, die Automobiltechnik und die schnelle Erstellung von Prototypen waren beispiellos. Die nüchternen fertigungs- und finanztechnischen Grundlagen, deren Wichtigkeit ich in jenen finsteren Tagen des Jahres 2008 begriffen hatte, glänzten jedoch fast immer durch Abwesenheit. Diese wenig glamourösen Faktoren, deren Bedeutung dem größten Teil der Öffentlichkeit nicht bewusst waren, konnte eine kleine Premiummarke, die in Handarbeit eine kleine Zahl an Luxusautos fertigte, ignorieren. Wenn das Unternehmen jedoch mittelfristig auf das Volumensegment und eine entsprechende Serienfertigung spekulierte, kam es an diesen Faktoren nicht vorbei.

Eine überraschende Einladung in Teslas Unternehmenszentrale in der Nähe der Stanford University gewährte mir 2014 den ersten realen Blick hinter die Kulissen. Das Open-Floor-Layout des Bürogebäudes hatte ich bei keinem anderen Fahrzeughersteller gesehen: Die Mitarbeiter der PR-Abteilung saßen direkt neben technischen Arbeitsbereichen, in denen sich elektrische und mechanische Komponenten stapelten, und der Schreibtisch des CEO unterschied sich in keiner Weise von allen anderen Schreibtischen. Das Ambiente war dynamisch und unprätentiös; das Layout und die jungen Mitarbeiter passten eher zu den flachen Strukturen und der kreativen Kooperation eines Software-Start-ups. Der Unterschied zwischen Teslas Unternehmenszentrale und der altehrwürdigen, hermetisch abgeriegelten Führungsetage in Fords »Glashaus«-Konzernzentrale oder GMs imposanter Vorstandsetage hoch über der Innenstadt von Detroit war so groß wie die Unterschiede zwischen einem Model S und einem F-150.

So attraktiv, wie die Idee eines Automobil-Start-ups aus dem Silicon Valley auch war, hatte ich aus nächster Nähe erlebt, dass die innovativsten und intellektuell interessantesten Ansätze im Automobilgeschäft oft diejenigen waren, die die größten Probleme hatten, den Anforderungen der harten, nüchternen Grundlagen gerecht zu werden. Zuvor war ich schon einmal von einem israelischen Start-up mit dem Namen Project Better Place fasziniert gewesen, das eine einzigartige und äußerst wagemutige Strategie verfolgt hatte. Gemeinsam mit Renault-Nissan wollte es Elektroautos ohne Batterien verkaufen, um die Kosten auf einem wettbewerbsfähigen Niveau zu halten.* Renault-Nissan baute die Autos und Better Place sollte die Batterien und den Strom über ein unternehmenseigenes Netz an Batterieaustauschstationen liefern. Der Verbrauch sollte nach gefahrenen Kilometern abgerechnet werden. Mithilfe dieses an einen Mobilfunkvertrag angelehnten Geschäftsplans versprach Better Place, die zwei größten Probleme mit Elektroautos zu lösen: Kosten und Ladezeit.

Ich hielt das Potenzial dieser brillanten Idee für so groß, dass ich einigermaßen fassungslos war, als Better Place im Jahr 2013 plötzlich bankrottging.** Daraus lernte ich nicht nur, dass clevere Ideen blind für massive Umsetzungsprobleme machen können; das Schicksal dieses Start-ups führte zu meiner Spontanrecherche über Teslas Supercharger-Batterieaustauschstationen (siehe Kapitel 9), die meine Sicht auf das Unternehmen von Grund auf verändern sollte. Was ich 2015 an einer Autobahnraststätte auf halber Strecke zwischen San Francisco und Los Angeles beobachtete, überzeugte mich davon, dass potenziell gewaltige Lücken zwischen Teslas sorgfältig gepflegtem Image und der nüchternen Realität klafften. Das hielt Tesla aber nicht davon ab, unrealistische Versprechungen zu machen – Hauptsache, es konnte seinen Ruf als disruptives Technologieunternehmen wahren.

Nach meiner plötzlichen Desillusionierung über Tesla zu einem Zeitpunkt, da dessen Popularität neue Höhepunkte erreichte, begann ich, in der Vergangenheit und Gegenwart des Unternehmens zu wühlen. Je mehr Fragen ich stellte und je tiefer ich bei meinen Recherchen vordrang, desto mehr Belege fand ich für den Verdacht, dass Teslas populäres Image eine bewusst konstruierte Fassade war, die tiefer liegende Funktionsstörungen kaschieren sollte. Während ich unter den bestehenden und ehemaligen Tesla-Mitarbeitern weitere Quellen rekrutierte, fand ich aber auch echtes Heldentum: Ohne die hochkompetenten Mitarbeiter, die unter äußerst harten Bedingungen brillante Arbeit leisten, wäre Tesla nie zu dem Phänomen geworden, das es nach wie vor ist.

Während ich all diese Geschichten sammelte und in meinem Blog und auf anderen Kanälen veröffentlichte, entstand allmählich die Idee, daraus ein Buch zu machen. (Meine Beiträge führten übrigens zu einer Flut von hitzigen Kommentaren und erregten E-Mails von Tesla-Fans, die meinten, das Unternehmen verteidigen zu müssen.) Als ich im Sommer 2016 berichtete, dass Tesla seine Kunden im Austausch für »Kulanzreparaturen« an defekten Fahrzeugen zur Unterzeichnung einer Verschwiegenheitserklärung nötigte (siehe Kapitel 12) und die Geschichte es in die landesweite Berichterstattung schaffte, beschloss das Unternehmen zurückzuschlagen.

In einem offiziellen Blogpost bezichtigte mich Tesla, die Geschichte »fabriziert« zu haben und die nationalen Medien in die Irre zu führen, und suggerierte, ich würde damit finanzielle Interessen verfolgen. Die Beziehung zwischen einem investigativen Journalisten und dem Objekt seiner Recherchen ist selten herzlich, aber üblicherweise herrscht das grundlegende Einvernehmen, dass beide Seiten nur ihren Job machen. Teslas Blogpost und die nachfolgende Flut an Beschimpfungen, die meinen E-Mail-Eingang und meine Konten in verschiedenen sozialen Netzwerken verstopften, sandten eine eindeutige Botschaft: Ich war nun ein Feind des Unternehmens.

Zwischen der Serie an beunruhigenden Taktiken, die ich aufgedeckt hatte, und den extrem persönlichen Angriffen, die daraufhin erfolgten, festigte sich meine ursprüngliche Vision für dieses Buch: Es sollte das »wahre Tesla« enthüllen und den Zynismus und die Dysfunktionen aufzeigen, die hinter der kalkulierten Fassade des Hightechökoaltruismus liegen. In den folgenden Monaten, in denen ich meine Recherchen und Interviews fortsetzte, stieß ich auf eine Fülle von Geschichten und Einzeldaten, die diese Vision stützten. Je tiefer ich in Teslas Geschichte eintauchte und je mehr ich mit Personen sprach, die viele Jahre bei Tesla gearbeitet hatten oder noch dort arbeiteten, desto klarer wurde mir, dass die gesamte Story zwischen die Fronten der Feindseligkeit zu geraten drohte, die zwischen Tesla und mir inzwischen herrschte.

Mit der Zeit bekam ich ein wenig Distanz zu dieser Konfrontation und mir fielen zunehmend die vielen Zwischentöne und eigenartigen Widersprüche in der Story auf. Einerseits beklagten sich Tesla-Kunden über aberwitzig miese Verarbeitungsqualität oder Serviceprobleme, im selben Atemzug priesen sie das Unternehmen aber als Zukunft der Automobilindustrie. Die Quellen, mit denen ich sprach, erzählten mir sehr aufschlussreiche Geschichten über die hässliche Unternehmenskultur und die tiefgreifenden Dysfunktionen. Und im nächsten Satz schwärmten sie, die Arbeit bei Tesla sei die inspirierendste und motivierendste Erfahrung ihrer beruflichen Laufbahn gewesen. Ein tieferes Verständnis der Geschichte des Elektroautos in den Vereinigten Staaten ließ mich allmählich erkennen, warum sich so viele Menschen so vehement und leidenschaftlich für Tesla begeisterten und so sehr von seinem unvermeidlichen Erfolg überzeugt waren. Der aufblühende Mobiltechnologiesektor, der sich rasant weiterentwickelte, lieferte einen komplexen und differenzierten Kontext für Teslas Angriff auf die traditionelle Automobilindustrie.

Anders als einige andere Geschichten über selbstüberschätzte Hightech-Start-ups aus der jüngsten Vergangenheit passt die Tesla-Story in keine der vorhandenen Schubladen. Vielmehr handelt es sich um eine ausufernde komplexe Saga mit heldenhaften Schurken und schurkenhaften Helden, und meine Version der Geschichte wird möglicherweise sowohl die eingefleischten Tesla-Fans als auch seine überzeugten Skeptiker enttäuschen. Diese Komplexität kann uns aber auch eine Reihe wichtiger Lektionen vermitteln über Technologie, Rentabilität und die Autoindustrie im Allgemeinen, über Mobilität, Gesellschaft und unsere individuelle Weltanschauung.

Immerhin ist Tesla nur Teil einer größeren Erzählung, die nicht minder komplex und ungewiss ist wie die Zukunft dieses Unternehmens. Bei aller Begeisterung für Elektroautos sowohl bei Verbrauchern als auch in zunehmendem Maße bei den Fahrzeugherstellern sagt uns ihr einstelliger Marktanteil, dass die lang ersehnte Automobilrevolution immer noch in den Kinderschuhen steckt. Zwar werden bereits massive Investitionen in Elektroautos getätigt, aber Technologien wie Smartphone-basiertes Ridehailing und Carsharing, autonomes Fahren und Mikromobilität suggerieren, dass es noch weitaus sozialere und umweltfreundlichere Chancen gibt als der schlichte Umstieg von Benzin auf Strom.

Wir befinden uns immer noch in der frühesten Phase einer potenziell massiven Transformation der Individual- und Massenmobilität, wobei die Unwägbarkeiten des technologischen Fortschritts, der Regierungspolitik und der Verbraucherakzeptanz uns zu völlig unerwarteten Ergebnissen führen könnten. Ob Tesla diese Transformation auch weiterhin anführen wird oder ob es unterwegs auf der Strecke bleibt, wird sich zeigen. Seine bisherigen Erfolge und die Herausforderungen, mit denen es in dieser frühen Phase der Transformation konfrontiert gewesen ist, haben bereits viele neue Akteure inspiriert, die darauf hoffen, die Mobilität neu erfinden zu können – sie haben ihnen aber auch wichtige Warnsignale gesendet.

In diesem hochdynamischen Moment voller Unvorhersehbarkeiten ist nur eines gewiss: Die kommenden Jahrzehnte werden, was Autos und Mobilität betrifft, die faszinierendste Zeit zur Beobachtung dieser Themen seit einem Jahrhundert sein. Und die Story von Tesla Motors mit all ihren überraschenden Wendungen ist eine perfekte Einführung in die Kräfte, die die Zukunft unserer Fortbewegung prägen werden.

* Zu diesem Zweck baute Renault-Nissan 100 000 Elektroautos nach den Spezifikationen von Better Place, das die Batterie-Infrastruktur liefern sollte. (A. d. Ü.)

** Laut Presseberichterstattung waren dafür unter anderem folgende Probleme verantwortlich: 1. Von den beiden Ladeoptionen für die Batterie – Aufladen oder Austausch – habe Better Place mit dem kompletten Batteriewechsel auf eine sehr kostspielige Lösung gesetzt; das Start-up habe viel zu wenig von diesen Batterien mit einem Anschaffungswert von 10 000 Euro pro Stück gekauft, und der Verschleiß sei aufgrund der geringen Reichweite entsprechend groß gewesen. 2. Der Anschaffungspreis der E-Autos sei gegenüber einem herkömmlichen Auto nicht deutlich attraktiver und die Verkaufsprognosen überzogen gewesen.1

KAPITEL 1DER ÜBERLEBENSKÜNSTLER

Hier geht es nicht um Silicon Valley versus Detroit.

ELON MUSK, 15. JANUAR 2009

»You did it!«,

schallte es über das Tosen der Massen hinweg und löste immer neue Jubelwellen aus.

»Whoooo!«

Elon Musk zögerte und stieß ein kurzes Lachen aus, während er die wilden Beifallsbekundungen entgegennahm. Mit ausgebreiteten Armen nickte der CEO von Tesla Motors der Menge anerkennend zu. »So«, sagte er und versuchte zu seinen vorbereiteten Sätzen zurückzukehren, bevor er erneut von einem ohrenbetäubenden ekstatischen Jubel unterbrochen wurde.

»YOU DID IT!«

»Danke«, antwortete Musk und lachte leise in sich hinein. Es war das erste Wort, das er hervorbringen konnte, seit er Sekunden zuvor verkündet hatte, dass Tesla 115 000 Vorbestellungen für das Model 3 erhalten hatte. »Ja, das ist eine Menge«, grinste er. Wieder tobte die Menge, während Musk von der Bühne sein Publikum anstrahlte.1

In den Augen der meisten Beobachter hatte Musk es tatsächlich geschafft. Den ganzen Tag verbreiteten sich im Internet lauffeuerartig Bilder von Fans, die vor Tesla-Autohäusern auf der ganzen Welt Schlange standen, um eine Vorbestellung für ein Auto aufzugeben, das sie noch nicht einmal gesehen hatten. Am Ende des folgenden Tages sollte sich die Zahl der Vorbestellungen bereits auf 230 000 verdoppeln, und die Schlagzeilen priesen die Nachfrageflut als »ersten iPhone-Moment der Automobilindustrie«. Innerhalb einer Woche verkündete Tesla, es habe 325 000 Vorbestellungen für Model 3 erhalten, was mehr als 10 Milliarden Dollar an potenziellen Umsätzen bedeutete. Am Ende betrug die Zahl der Reservierungen schwindelerregende 450 000 Fahrzeuge. In einem Jahrhundert Automobilgeschichte hatte es nie etwas gegeben, das auch nur annähernd mit der Model-3-Manie vergleichbar gewesen wäre.

In der Tat hatte es überhaupt noch nie einen Fahrzeughersteller wie Tesla gegeben. Zu einer Zeit, da Autos als technisch reife Standardprodukte galten, hatte Musk sein E-Auto-Unternehmen an der Spitze einer Automobilrevolution positioniert und die öffentliche Leidenschaft, die schon seit Langem in einen Dornröschenschlaf gefallen war, neu entfacht. Jedes neue Tesla-Modell, das auf den Markt kam, war mehr als eine reine Verbesserung des Vorgängermodells; es war eine hochdynamische, hochattraktive Weiterentwicklung auf dem Weg in eine umweltfreundlichere, bessere Zukunft mit mehr Sicherheit.

Nun war mit dem Model 3 zum Preis von 35 000 Dollar und Musks Versprechen, ein erschwingliches Elektroauto zu produzieren – das er mantraartig bereits seit zehn Jahren wiederholte –, ein Stück dieser verheißungsvollen Zukunft für jeden in erreichbare Nähe gerückt, der eine erstattungsfähige Reservierungszahlung von 1000 Dollar leisten konnte. Umgeben von Model-3-Prototypen und umspült von einer Welle der Bewunderung wirkte Musk wie der lächelnde Prophet einer erdrutschartigen Verschiebung in dem 4 Billionen Dollar schweren Automobilgeschäft.

Der Glaube, Tesla sei am Ende seiner heldenhaften Reise angekommen und Musk habe es wirklich »geschafft«, war verständlich. Bei Teslas Gründung 13 Jahre zuvor hätten sich selbst seine Gründer kaum träumen lassen, dass ihr Start-up eines Tages Reservierungszahlungen für ein erschwingliches Elektroauto entgegennehmen würde. Das Unternehmen hatte bereits verschiedene außerordentliche Herausforderungen gemeistert, aber sich noch nie so nahe an der scheinbaren Erfüllung seines revolutionären Versprechens befunden.

Als der frenetische Jubel allmählich verebbte und sich die Menge auflöste, um auf die Auslieferung des Model 3 zu warten, blieb eine unbequeme Frage in der Luft hängen: Hatte Tesla es wirklich geschafft? Jahre harter Arbeit, gewaltige Herausforderungen und massive Fehltritte lagen zwischen Tesla und seinem Traum eines bezahlbaren, seriengefertigten Model 3. Doch trotz aller bisher überwundenen Hindernisse war Tesla auf dem Weg ins Ungewisse, und das in einem Maße, wie es sich selbst sein visionärer CEO nicht in seiner ganzen Tragweite vorstellen konnte.

Nach Jahren der unermüdlichen Anstrengungen ist das Model 3 heute Realität, und die Fertigungsrate beträgt zum Zeitpunkt der Manuskripterstellung zu diesem Buch 5000 Stück pro Woche.2 Dafür waren allerdings 4,5 Milliarden Dollar an frischem Kapital nötig (genug für mindestens zwei neue Werke),3 und es bleibt die Tatsache, dass diese Fertigungsrate umgerechnet auf die Jahresproduktion lediglich etwas mehr als die Hälfte der 500 000 Fahrzeuge beträgt, die Tesla nach eigenen Worten bis 2018 erreichen wollte. Im ersten Quartal 2019 war die Nachfrage in Nordamerika – Teslas größtem Absatzmarkt – für alle Versionen bis auf die günstigste erschöpft und die Auslieferung um mehr als 30 Prozent gegenüber dem vorhergehenden Quartal gesunken.4*

Das Unternehmen hat sich schon immer sehr erfolgreich die Erwartungen und Hoffnungen der Öffentlichkeit zunutze gemacht, allerdings haben die Herausforderungen, die mit dem überaus ehrgeizigen Design und der zukunftsweisenden Technik seiner Fahrzeuge verbunden waren, Tesla immer wieder daran gehindert, seine wichtigsten Versprechen zu erfüllen. Über mehr als 15 Jahre gelang es Tesla, sich trotz aller Rückschläge mithilfe eines sorgfältig gesteuerten öffentlichen Images am Markt zu behaupten. Mit dem Model 3 hat das Unternehmen jedoch den Punkt erreicht, an dem sich die grimmigen Realitäten des Automobilgeschäfts nicht mehr länger ignorieren lassen. Zwischen der öffentlichen Wahrnehmung, Tesla habe sein Versprechen eingelöst, ein wirklich erschwingliches seriengefertigtes Elektroauto für den Massenmarkt zu entwickeln, und der Realität des Unternehmens klafft eine große Lücke. Diese Lücke ist praktisch von Anfang an eines der bestimmenden Merkmale des Unternehmens gewesen.

Als ich im Jahr 2008 begann, über die Automobilindustrie zu schreiben, fiel mir als Erstes auf, welche außerordentlichen Herausforderungen mit dem Automobilgeschäft verbunden sind. Unternehmen müssen viele Milliarden Dollar in die Entwicklung von neuen Fahrzeugmodellen investieren, die sie in ungewisse Marktbedingungen ausliefern werden, denn von der Entwicklung eines neuen Fahrzeugs bis zu seiner Auslieferung dauert es im Schnitt vier Jahre. Außerdem müssen sie ihre neuen Modelle auf einem riesigen, hart umkämpften Weltmarkt platzieren. Das ist vermutlich eine der schwierigsten Methoden, um sich sein Geld zu verdienen. Wenn alles gut läuft, kann ein Fahrzeughersteller vielleicht eine solide (aber keineswegs aufregende) Rendite erzielen. Wenn es schlecht läuft, summieren sich die Verluste schnell zu schwindelerregenden Beträgen – wie die amerikanischen Hersteller damals gerade feststellten.

Um in diesem Fleischwolf zu überleben, begannen die traditionellen Fahrzeughersteller zu fusionieren, um ihre gewaltigen Kapitalausgaben auf möglichst viele Autos zu verteilen. Sergio Marchionne, der Kopf hinter einer der größten Fusionen jener Zeit, dem Zusammenschluss der italienischen Automarke Fiat mit dem soeben geretteten US-Hersteller Chrysler, verkündete lautstark, ein Fahrzeughersteller müsse 5 Millionen Autos pro Jahr produzieren, um langfristig überhaupt überleben zu können.5 Die drei größten Hersteller GM, Toyota und VW erreichten in den meisten Jahren einen Absatz von knapp doppelt so vielen Fahrzeugen.

Diese Industrie aus traditionsreichen Kolossen machte milliardenschwere Verluste. Dennoch ereignete sich in der Zeit um das Jahr 2008 ein bizarres Phänomen: Neue Start-ups versuchten, in das undankbare Automobilgeschäft vorzudringen. Die astronomisch ansteigenden Benzinpreise hatten die amerikanischen Fahrzeughersteller, die in erster Linie große Spritfresser wie Pick-ups und SUVs herstellten, auf dem falschen Fuß erwischt und inspirierten eine neue Generation an Unternehmern zur Gründung von Start-ups, die für das kommende Zeitalter der Ölverknappung »grüne Autos« produzieren wollten. Egal, ob diese neuen Akteure wirklich verstanden, wie hart das Automobilgeschäft war, ihr grenzenloser Optimismus und ihre oft wilden experimentellen Ideen bildeten auf jeden Fall einen scharfen Kontrast zu der homogenen, standardisierten traditionellen Automobilindustrie.

Zwar war die Explosion an neuen Ideen und Unternehmensgründungen im Automobilbereich ein Hinweis auf die Revolution der »Mobilitätstechnologie«, die wir heute erleben, aber sie war noch fest im Paradigma der Individualmobilität im eigenen Auto verankert (mit Ausnahme von Carsharing-Pionieren wie Zipcar.) Einige dieser neuen Start-ups für grüne Autos wie ZAP, Miles und Coda importierten billige Elektroautos aus China. Andere, wie zum Beispiel Aptera, designten aerodynamische und hypereffiziente Fahrzeuge, die aussahen, als seien sie frisch aus einer Folge der futuristischen Zeichentrickserie Die Jetsons entsprungen. Unternehmen wie Brammo und Zero verlegten sich auf elektrische Motorräder; ein norwegisches Start-up namens Think Global entwickelte einen leichten, elektrischen, zweisitzigen Kleinstwagen mit Kunststoffkarosserie auf Alurohrrahmen mit der Bezeichnung TH!NK, und das israelische Start-up Project Better Place schickte sich an, ein ehrgeiziges Netzwerk aus Batteriewechselstationen zu entwickeln, das versprach, Elektroautos so kostengünstig und schnell mit Energie zu versorgen, wie der Tankvorgang für herkömmliche Autos dauert.

Es war nicht das erste Mal, dass Elektroautos die Fantasie der Menschen beflügelten. Seit der Ölkrise in den 1970er-Jahren galten batteriebetriebene Autos als Antwort auf die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen und die damit einhergehende Umweltverschmutzung – und als Allheilmittel für den Erhalt der autoverrückten amerikanischen Kultur bei gleichzeitiger Lösung der damit verbundenen Probleme. Tatsächlich wurden zu Beginn des Automobilzeitalters mehr Elektroautos verkauft als Autos mit Benzin- und Dieselmotoren, daher war es für viele Amerikaner nur eine Frage der Zeit, bis sie wieder in Mode kommen würden – eine Art Rückkehr König Arthurs –, um uns von den Sorgen der Verbrennungsmotoren zu erlösen.

Bereits in den 1990er-Jahren hatten sich das Gefühl und die Erwartung breitgemacht, die Zukunft der Automobilindustrie liege unvermeidlicherweise im Elektroantrieb, vor allem, seit die kalifornische Umweltbehörde California Air Resources Board (CARB) festgestellt hatte, dass Elektroautos technologisch realisierbar seien und die steigenden Emissionen des stetig zunehmenden Verkehrs senken könnten. CARB ist in Bezug auf die Abgasnormen schon immer die strengste Behörde der Vereinigten Staaten gewesen. Ihre Abgasstandards sind so hoch, dass sie oft genug den Anstoß für neue Bundesgesetze geben (zur anhaltenden Verärgerung der großen Fahrzeughersteller), wobei ihr ZEV-Standard – die strengste Vorgabe für hundertprozentig abgasfreie Fahrzeuge (»Zero Emission Vehicle« – einen besonders großen Einfluss hat. Dieser Standard sieht vor, dass eine bestimmte Quote aller in Kalifornien verkauften Neuwagen Elektroautos sein müssen. Damit soll ein Anreiz zur Entwicklung, Produktion und Verkauf von emissionsfreien Fahrzeugen geschaffen werden. CARB setzt diese Vorgabe mit einer Art Punktesystem um, mit dem Fahrzeughersteller sogenannte Creditpoints für den Verkauf von ZEV-Fahrzeugen sammeln können. Mit diesen Credit-Points können sie die negativen Punkte ausgleichen, die sie durch den Verkauf von nicht emissionsfreien Fahrzeugen ansammeln.

Acht weitere US-Bundesstaaten haben CARBS ZEV-Standard übernommen, aber keiner hat einen so großen Automobilmarkt – und erzielt daher nicht die gleiche Wirkung – wie Kalifornien.6 Und so veranlassten die Vorgaben eines einzigen Bundesstaates die großen Fahrzeughersteller zur Entwicklung reiner Elektroautos. Zu diesen Herstellern gehörte General Motors, das Elektroautos für ein kleines, wohlhabendes Kundensegment produzierte. Aus Sorge, vom größten Automarkt in den Vereinigten Staaten ausgeschlossen zu werden, schlossen sich andere Fahrzeughersteller dem technologischen Wettrennen an, das einen Großteil der Bevölkerung schließlich davon überzeugte, dass die Automobilindustrie vor einem grundlegenden Wandel stand.

Das Konzeptfahrzeug Impact, das ursprünglich von einer Gruppe kalifornischer Ingenieure erdacht und entwickelt wurde, die später einige von Teslas frühen Technologien entwickelten, war der Ausdruck reinster futuristischer Technik. Aufgrund seiner geschmeidigen Aerodynamik und der Verwendung leichter Materialien gelang es den Ingenieuren, aus den Blei-Säure-Batterien eine Reichweite von 80 bis 100 Meilen (130 bis 160 Kilometer) und eine sportliche Beschleunigung herauszuholen – selbst nachdem die Ingenieure von General Motors aus der Studie ein seriengefertigtes Elektroauto gemacht hatten, das sie auf den Namen EV1 (»Electrical Vehicle 1«) tauften (ein Schritt, über den sein visionärer Ingenieur Alan Cocconi sehr verstimmt war). Seine hohen Kosten und das niedrige Produktionsvolumen, aber auch GMs interne Ambivalenz gegenüber dieser Neuentwicklung machten den EV1 jedoch unprofitabel. Lobbyarbeit und Klagen führten zu einer Verschleppung und Verwässerung der Vorgaben der kalifornischen Umweltbehörde für den Verkauf von ZEV-Fahrzeugen, und als GM im Jahr 2003 auch noch in finanzielle Schwierigkeiten geriet, wurde das EV1-Programm eingestellt.

Als GM den EV1 aufgab und die verbliebenen Fahrzeuge nach Auslaufen des Leasingvertrags wieder einsammelte und verschrottete, protestierten die verärgerten vormaligen Besitzer mit einem Scheinbegräbnis für das Elektroauto. Ihrer Meinung nach hatte der EV1 bewiesen, dass Elektroautos das Potenzial besaßen, zukunftsfähig und profitabel zu sein, aber die Lobbyarbeit der Automobilindustrie gegen die ZEV-Vorgabe habe gezeigt, dass die Fahrzeughersteller sie einfach nicht bauen wollten. Der Filmemacher Chris Paine fing ihren Ärger in dem Dokumentarfilm Who Killed The Electric Car? ein, in dem die in das Auto verliebten Prominenten zu Wort kamen und die möglichen Schuldigen für sein Scheitern genannt wurden. Die verschwörerische Leidenschaft dieses Films, der im Jahr 2006 erschien, trug dazu bei, die vielen, neu entstandenen Green-Car-Start-ups bekannt zu machen.

Die Logik, die in diesem Dokumentarfilm vermittelt wurde, hatte durchaus etwas Ansteckendes: Die elektrische Antriebstechnologie war marktreif und batteriebetriebene Autos waren realisierbar und populär, aber eine Verschwörung aus Fahrzeugherstellern und Ölgesellschaften verhinderte die Erfüllung ihrer utopischen Versprechen. Dieser Glaube hatte eine gewisse revolutionäre Dimension: Elektroautos brauchten politische Unterstützung, um sich gegen ihre hartnäckigen Feinde wehren zu können. Sobald diese besiegt wären, würden Elektroautos von der breiten Öffentlichkeit mit Begeisterung angenommen und ihre Hersteller die neuen Branchenführer. Außerdem suggerierte er, Branchenführer könnten nur Unternehmen sein, die nicht zu den etablierten Akteuren der Automobilindustrie gehörten, deren Investitionen in herkömmliche Verbrennungstechnologie sie zu Feinden dieser unaufhaltsamen Revolution machten.

Im Jahr 2010 brachen die Benzinpreise jedoch fast so stark ein, wie sie zuvor angestiegen waren. Die Folge war, dass der Absatz von Pick-ups und SUVs wieder stieg und sich die amerikanischen Automobilkonzerne wieder aufrappelten. Fast alle neuen Green-Car-Start-ups waren inzwischen entweder bankrott oder kämpften um ihr Überleben. Der Traum von einer neuen, umweltfreundlichen Automobilindustrie erwies sich als Schimäre. Die niedrigen Benzinpreise machten Elektroautos plötzlich so unattraktiv wie die Spritfresser von Detroit zu Zeiten der hohen Benzinpreise. Eine der grundlegenden Herausforderungen der Automobilindustrie, nämlich Fahrzeuge für Marktbedingungen entwickeln zu müssen, die in weiter Ferne lagen, machte vielen der optimistischen neuen Start-ups den Garaus. Die hohen Kapitalanforderungen, die regulatorischen Barrieren und der eisenharte Wettbewerb taten ein Übriges. Von allen Unternehmen, die während dieser turbulenten Phase entstanden waren, überlebte jedoch eines den »Green Car Winter«, behauptete sich gegen alle Widrigkeiten und entwickelte sich zu einem ernst zu nehmenden Marktteilnehmer in der Automobilindustrie: Tesla Motors.

Tesla hatte sich schon immer von seinen Green-Car-Konkurrenten abgehoben: Das Unternehmen, gegründet von erprobten Hightechunternehmern, konnte die florierende Risikokapitalszene von Silicon Valley nutzen und konzentrierte sich auf das Premiumsegment des Marktes. Das typische Elektroauto seiner Zeit war ein überteuerter Cityflitzer mit suboptimalem Design, der entweder von einem billigen Verbrennungsfahrzeug in ein Elektroauto umgewandelt wurde oder wenig mehr als ein Kleinstwagen war, der nur absolut überzeugte Umweltschützer ansprach. Indem sich Tesla von der Masse unterschied und einen schnellen elektrischen Sportwagen mit schnittigem Design baute, zog es Kunden an, die aus Prestigegründen Qualitätsprobleme verziehen, weniger preisbewusst waren und ständig auf der Suche nach einem Auto, mit dem sie auffallen konnten.

Teslas erstes Auto, der Roadster, bot eine größere Reichweite als jedes andere Elektroauto auf dem Markt, hatte ein elegantes Design und eine Beschleunigung, die mit den besten Sportwagen mithalten konnte. Sein sechsstelliger Preis ließ einem die Augen tränen, aber es gab einfach kein besseres beziehungsweise begehrenswerteres Elektroauto, egal für welchen Preis. Obwohl es auf seinem langen Weg auf jedes nur erdenkliche Hindernis stieß (mehr dazu in den folgenden Kapiteln), kam es 2008 auf den Markt, und zwar mit einer prall gefüllten Warteliste voll klingender Namen von Prominenten und bekannten Persönlichkeiten aus Politik und Finanzwelt. Es schadete auch nicht, dass seine Markteinführung mit den ersten erfolgreichen privaten Raketenstarts seiner Schwestergesellschaft SpaceX zusammenfiel, was die Bekanntheit des Gründers und der zentralen Figur beider Unternehmen, Elon Musk, dramatisch steigerte.

Vor 2008 hatte Tesla außerhalb der einschlägigen Blogs und Foren zu elektrischen und anderen umweltfreundlichen Autos kaum öffentliche Aufmerksamkeit erhalten. Im Verlauf des Jahres 2008, als die Roadster endlich an ihre neuen Besitzer ausgeliefert wurden und SpaceX den Weltraum eroberte, war der Name Tesla plötzlich in aller Munde. Allerdings gingen schon damals die Meinungen auseinander. Der Roadster kam mit einem zweistufigen Vorseriengetriebe auf den Markt, das nach der Auslieferung gegen ein Einganggetriebe ausgetauscht wurde. Tesla verbrannte viel Geld, Musk musste als vierter CEO in zwei Jahren selbst die Unternehmensführung übernehmen, und sein Privatleben wurde in den Klatsch-Blogs von Silicon Valley zum Standardthema. Trotzdem gelang es ihm irgendwie, auf der Höhe der Finanzkrise weiteres Finanzkapital einzusammeln, und in den folgenden schwindelerregenden Jahren hielt eine Kombination aus Glück und atemloser Hektik das Unternehmen am Leben.

Im Jahr 2013, zehn Jahre nach seiner Gründung, hatte das Model S Tesla zum erfolgreichsten amerikanischen Automobil-Start-up seit der Gründung der Chrysler Corporation vor gut 90 Jahren gemacht. In der Breite begann sich die Wahrnehmung durchzusetzen, Tesla sei auf dem besten Wege, sich als dominante Kraft in der Automobilindustrie zu etablieren. Die Zahl seiner überzeugten Anhänger wuchs und seine Fans fühlten sich dank ihrer Investitionen in die Tesla-Aktie in ihrem Optimismus gestärkt. Tesla gelang es sogar, die wachsende ideologische Kluft in Amerika zu überbrücken, indem es libertäre Technikfreaks und linksgerichtete Umweltschützer gleichermaßen überzeugte.

Endlich war da der Champion, den sich die Fans von Elektroautos seit Jahrzehnten herbeigesehnt hatten: Nachdem Tesla große technische, finanzielle und organisatorische Probleme gemeistert hatte, florierte der Absatz, das Unternehmen genoss den Rückhalt zwei der angesehensten Fahrzeughersteller der Welt, und sein hochfliegender Aktienkurs und das Rampenlicht der Medienberichterstattung machte es zum Neidobjekt der gesamten Automobilindustrie. Trotz seiner bisherigen großen Leistungen schien die Zukunft des Unternehmens nach wie vor keine Grenzen zu kennen – dank einer Reihe von Ankündigungen über wagemutige Innovationen.

Teslas Triumph schien die lang ersehnte Rückkehr des tot geglaubten Königs und die Erfüllung der Prophezeiungen zu sein, die seit Jahrzehnten immer wieder erneuert worden waren. Außerdem profitierte Tesla von der populärsten neuen Ideologie, die das amerikanische Leben beherrschte. Als mit der Verbreitung des Internets, der sozialen Medien und Smartphones einige der profitabelsten und mächtigsten Unternehmen in der Geschichte entstanden, glaubten viele, die softwarezentrierten Start-ups würden eine unvermeidliche »Disruption« aller traditionellen Geschäftsfelder auslösen. Nachdem Musk Tesla in der öffentlichen Wahrnehmung erfolgreich als Vorkämpfer in Sachen Umweltschutz verankert hatte, machte er sich daran, das Unternehmen als Avantgarde der anstehenden Eroberung der Automobilindustrie durch das Silicon Valley zu positionieren.

Bis zum Jahr 2013 hatte er Tesla zu einer der mächtigsten Marken des 21. Jahrhunderts aufgebaut. Zwischen der Mission, die Erde zu retten, und dem potenziell disruptiven Potenzial, die billionenschwere Automobilindustrie zu beherrschen, fand fast jeder irgendeinen Grund, um Tesla zu unterstützen, und es gab immer einen Weg, die Nachrichten über das Unternehmen in einem positiven Kontext zu präsentieren. Die Schlagzeilen priesen Teslas Mission, den Planeten zu retten, aber auch die außerordentlichen Merkmale seiner Autos, zum Beispiel die atemberaubende Beschleunigungsoption – mit der es das Model S in nur 2,5 Sekunden von null auf fast 100 km/h schafft –, die Musk augenzwinkernd »Ludicrous-Modus«, wahnwitziger Modus, nannte. Zu einer Zeit, in der öffentliche Heldenfiguren zur Seltenheit geworden waren, steigerte die zentrale Bedeutung der Person Elon Musks für Teslas kapitalistische, technologische und umwelttechnische Ambitionen (ganz zu schweigen von seinen zahlreichen weiteren techno-utopischen Vorhaben, darunter die Besiedelung des Mars, das Transportkonzept Hyperloop, The Boring Company, Neuralink* … und natürlich von dem Unternehmen, dessen Erfolg die Finanzierung für all diese hochfliegenden Pläne lieferte: PayPal) nicht nur seine eigene Attraktivität, sondern auch die seines Automobilunternehmens.

Als sich die Marke Tesla etabliert hatte und der Aktienkurs des Unternehmens anzog, legte Musk noch einmal nach. Mit Beginn im Jahr 2013 startete er eine Hype-Kampagne, in deren Rahmen er immer ehrgeizigere Ziele verkündete, die ihn zu einem einzigartigen Phänomen machten. Seine aberwitzigen Produktionsziele, die scheinbar unmöglichen technologischen Versprechen, sein eigenartiger Sinn für Humor und seine unermüdlichen Anstrengungen, stets im Rampenlicht der Medien zu stehen, entwickelten eine Dynamik, die immer mehr an einen führerlosen Hochgeschwindigkeitszug erinnerte. Musk und Tesla begaben sich in eine Art »Ludicrous-Modus«, einen Rausch um ein grenzenlos hochgejazztes Unternehmensimage und einen ebensolchen Aktienkurs, der eine unaufhaltsame Spirale aus Ehrgeiz und Erwartung in Gang setzte, die außer Kontrolle geraten zu sein schien.

Das Bild, das die von diesen einflussreichen kulturellen und technologischen Trends bestimmte Öffentlichkeit von Tesla hatte, war überwältigend positiv, entsprach aber schon bald nicht mehr den Tatsachen. Wenn man Tesla einer nüchternen Betrachtung als Fahrzeughersteller unterzog, bot sich plötzlich ein ganz anderes Bild: Das Unternehmen verdiente kein Geld, seine operativen Prozesse waren chaotisch, die Zulieferbeziehungen instabil, die Mitarbeiterfluktuation hoch, die Fertigungsqualität schlecht und die zunehmend aberwitzigen Versprechen beeinträchtigten seine Glaubwürdigkeit. Zwar hatte seine softwaregeprägte Kultur dazu beigetragen, äußerst attraktive Autos und eine einflussreiche Marke zu entwickeln, die die gesamte Automobilindustrie vor sich her trieb, aber wenn man die Kernherausforderungen betrachtete, die das Schicksal großer Fertigungsunternehmen bestimmen, war Tesla weit davon entfernt, eine branchenführende Stellung einzunehmen; vielmehr hinkte es deutlich hinter dem Industriestandard hinterher. Um dem Ziel näher zu kommen, erschwingliche Elektroautos für das Volumensegment zu produzieren und zu verkaufen, musste Tesla einen Weg finden, seine bekannten Stärken mit diesen ganz andersartigen und oft vernachlässigten Herausforderungen in Einklang zu bringen. Das ist Tesla bis heute nicht gelungen.

Erstens ist Tesla wie so viele Start-ups aus dem Silicon Valley in seinem Kern ein innovations- und designzentriertes Unternehmen. Die Automobilindustrie ist im Kern aber ein margenschwaches, fertigungsbasiertes Geschäft. Von Anfang an lehnte Tesla die Werte ab, die für einen Erfolg in dieser Branche nötig sind, und bis heute gibt es keine Anzeichen, dass sich das geändert hätte. Eine disziplinierte, prozessbasierte Kultur, nicht kreativer und innovativer Wildwuchs, ist der Schlüssel zur erfolgreichen Bewältigung dieser Herausforderungen.

Zwar gelingt es Tesla immer wieder, sich frisches Kapital zu beschaffen, und es hat sogar bescheidene Quartalsgewinne ausgewiesen, aber es ist ihm nie gelungen, die grundlegendste Herausforderung der modernen Automobilindustrie zu meistern: die Erzielung einer nachhaltigen Investitionsrendite. Wie wir sehen werden, muss Elon Musk seine ursprüngliche Unternehmensvision – zunächst ein Auto für das Premiumsegment bauen, mit den Gewinnen schrittweise ins Volumensegment vordringen und mit jeder Modellgeneration preisgünstigere Fahrzeuge auf den Markt bringen – erst noch verwirklichen. Bisher war der wichtigste Faktor für Teslas Überlebensfähigkeit Musks Talent, immer wieder neues Finanzkapital von Risikokapitalgebern, der Regierung und der Wall Street einzusammeln.

Und schließlich hat sich die idealistische Mission, die für Teslas Attraktivität von zentraler Bedeutung ist, im Verlauf der Zeit in die Überzeugung verwandelt, sein edles Ziel heilige die Mittel. Dazu gehören auch öffentliche Erklärungen, Ankündigungen und Äußerungen, die entweder nachweislich unwahr oder zumindest sehr unwahrscheinlich sind. Von außen betrachtet manifestiert sich Teslas zunehmende Überheblichkeit immer deutlicher in seinen verpassten Zeitplänen, aufgegebenen Zielen und immer unglaubwürdigeren Versprechen. Innerhalb des Unternehmens spiegelt sich das in einer dysfunktionalen Kultur wider, die verhindert, dass die unternehmenseigenen Experten ihren exzentrischen CEO und seine ungezügelten Impulse mit ihrer Erfahrung und Fachkompetenz einhegen.

Diese Widersprüche zwischen Teslas populärem Image und der Realität sind umso unglücklicher, wenn man bedenkt, wie viel Tesla getan hat, um die öffentliche Aufmerksamkeit und das Interesse für die Automobilindustrie zu wecken. Lange wurden Autos nur auf der oberflächlichsten Ebene verstanden und gewürdigt, ohne Aufmerksamkeit für die Frage, woher sie kommen, von welchen Kräften sie geprägt werden, und die Art und Weise, wie sie ihrerseits das moderne Leben prägen. Tesla hat nicht nur die Bedeutung von Autos, sondern auch die Relevanz der Automobilindustrie mehr gestärkt, als es in Jahrzehnten der Fall war – allerdings auf eine Weise, die eher dazu angetan ist, seinen eigenen Mythos zu kultivieren, als ein tieferes Verständnis zu vermitteln. Wie wir sehen werden, läuft Tesla inzwischen selbst Gefahr, von der »Mobilitätstechnologie« abgehängt zu werden, die es einst angeführt hat.

Teslas beispiellose Positionierung macht das Unternehmen zur perfekten Fallstudie für diesen einzigartigen Moment in der Geschichte der Mobilität und der Automobile. Das Unternehmen steht an der Spitze der Veränderungen, die dabei sind, jahrhundertealte Vorstellungen vom Automobil zu transformieren. Es weist den Weg in eine Zukunft der intelligenten, abgasfreien Autos und weckt ein öffentliches Interesse an der Automobilindustrie, wie wir es seit Jahrzehnten nicht erlebt haben. Gleichzeitig verdeutlichen die Defizite der Start-up-Kultur, die die Marke Tesla und ihre Fahrzeuge so attraktiv macht, die Bedeutung der »langweiligen« kulturellen Werte der traditionellen Autobauer, die in Jahrzehnten des eisigen Wettbewerbs immer ausgefeilter geworden sind.

Aus den Triumphen und Misserfolgen Teslas hochfliegender Versuche, ein Hightech-Fahrzeughersteller zu sein, lassen sich wichtige Lehren für die Zukunft ziehen. Sie zeigen die Gebiete, auf denen Start-ups Beiträge zum Design und zur Entwicklung innovativer Fahrzeuge leisten können, machen aber auch deutlich, welche Aufgaben am besten weniger kreativen, aber disziplinierteren und stärker reglementierten traditionellen Fahrzeugherstellern überlassen werden sollten. Teslas Erfahrung beweist, dass der antizipierte Konflikt über die Zukunft der Mobilität – zwischen Start-ups und etablierten Unternehmen, Disruptoren und traditionellen Akteuren, dem Silicon Valley und Detroit – stattdessen in eine Konvergenz münden sollte. Die Unternehmen, die die Mobiltechnologie dominieren, werden die besten Teile Teslas dynamischer, kreativer Kultur mit dem methodischen Tempo, dem disziplinierten Fokus und der operativen Exzellenz kombinieren müssen, die für die Entwicklung, Validierung und Fertigung moderner Fahrzeuge nötig sind.

Egal, wie sich die weitere Zukunft entwickelt, Tesla wird in die Geschichte der Automobilindustrie als historisch bedeutendes Unternehmen eingehen, das seine Blütezeit in einer ihrer größten Schlüsselphasen hatte. Allein durch die Entwicklung und den Bau derart attraktiver elektrischer Premiumfahrzeuge hat Tesla einen völlig neuen Markt geschaffen; es hat dazu beigetragen, die selbstgefälligen etablierten Fahrzeughersteller aufzurütteln, und seine Mission erfüllt, den Wechsel zum Elektroantrieb zu beschleunigen.

Seit einem Jahrzehnt beschäftige ich mich intensiv mit der Automobilindustrie und der Mobilitätstechnologie und schreibe über sie. In dem Versuch, die Wahrheit von den Mythen und Lügen zu trennen, die Tesla gesponnen hat, habe ich einen guten Teil dieser Zeit damit verbracht, Dokumente zu prüfen, Teslas Online-Communitys zu verfolgen und Quellen zu verifizieren. Ich würde wahnsinnig gern erleben, dass Tesla Erfolg hat und es dem Unternehmen gelingt, ein besseres Gleichgewicht zwischen ungezügelter Innovation – die es so gut beherrscht – und den Bereichen zu erzielen, in denen es nachweislich Defizite hat.

Aus diesem Grund ist es gut, wenn man das Gute, das Schlechte und das Hässliche dieses beispiellosen Unternehmens versteht. Eine nachhaltige motorisierte Fortbewegung hängt womöglich nicht von Teslas Überleben ab, wie Teslas eigene PR-Abteilung behauptet, allerdings hat in den letzten Jahren niemand sonst einen derart großen Einfluss auf die Automobilentwicklung gehabt … beziehungsweise so viel über die Wahrnehmungen und die Realität von Automobilen im 21. Jahrhundert offenbart.7 Die Tatsache, dass Teslas Geschichte so dramatisch ist wie ein großes Historienepos, ist nur das Tüpfelchen auf dem i.

* Im Quartal 2 2019 wurden die Erwartungen der Analysten und die Auslieferung gegenüber Quartal 1 um 50 Prozent übertroffen. (A. d. Ü)

* Hyperloop bezeichnet ein Hochgeschwindigkeitsverkehrssystem, mit dem Musk den öffentlichen Transport unter die Erde verlegen will und Beförderungskapseln in Schallgeschwindigkeit durch ein Netz an unterirdischen Tunnelröhren gleiten. Das von Musk mitgegründete Unternehmen Neuralink will eine Mensch-Computer-Schnittstelle (»Brain-Computer-Interface«) entwickeln. (A. d. Ü.)

KAPITEL 2DER HOCHGEHEIME MASTERPLAN

Wir sagen Dinge, an die wir glauben, selbst wenn diese Dinge wahnhaft sind.

ELON MUSK, 31. MAI 2016

Die Geschichte des Unternehmens Tesla Motors beginnt mit seiner Gründung durch Martin Eberhard und Marc Tarpenning im Jahr 2003. Der Mythos, der aus Tesla eines der wertvollsten und bekanntesten Automobilunternehmen der Welt machen sollte, bahnte sich aber erst drei Jahre später seinen Weg in das Bewusstsein der breiten Öffentlichkeit, als Teslas Chairman und Hauptkapitalgeber Elon Musk einen Beitrag im Unternehmensblog veröffentlichte.

Dieser Beitrag mit der Überschrift »The Secret Tesla Motors Master Plan (just between you and me)« wurde am 2. August 2006 gepostet, genau zu dem Zeitpunkt, als die erste Welle der Medienberichterstattung das Elektroauto-Start-up der breiten Öffentlichkeit bekannt machte.1 Dieser Beitrag, in dem sich Musk als zentrale Figur des Unternehmens präsentierte, markierte seinen ersten Schritt auf dem Weg zur vollständigen Übernahme der Kontrolle über Tesla und sein Image. Musk schrieb:

Hintergrund: Tagsüber leite ich ein Raumfahrtunternehmen namens SpaceX, aber daneben bin ich außerdem Chairman von Tesla Motors und unterstütze Martin und das übrige Team bei der Formulierung der Geschäfts- und Produktstrategie. Ich bin zudem der größte Kapitalgeber von Tesla Motors, und zwar seit der Zeit, als das Unternehmen nichts weiter hatte als drei Gründer und einen Businessplan.

In dem für ihn so charakteristischen weitschweifigen Stil fuhr Musk anschließend fort, die Vorteile von Elektroautos darzulegen und einige der Hauptkritikpunkte aufzugreifen, die gegen die Elektrotechnologie erhoben wurden. Musks technikversessene Ausflüge in die Berechnung der sogenannten Well-to-Wheel-Effizienz (WtW) – das ist der Wirkungsgrad der gesamten Energieumwandlungskette unter Berücksichtigung aller direkten und indirekten Emissionen von der Energiegewinnung über die Energiebereitstellung bis zum Verbrauch – und seine Kritik an Hybridantrieben waren im Wesentlichen eine Wiederaufbereitung einer früheren Diskussionsschrift von Eberhard und Tarpenning. Die prägnante Formel, mit der er seinen Beitrag schloss, sollte in der öffentlichen Erinnerung jedoch als sein zentraler Beitrag zu Teslas Strategie bleiben und zum Eckpfeiler des Images von Tesla Motors werden:

Baue einen Sportwagen.

Nimm das Geld, um ein preisgünstiges Auto zu bauen.

Nimm das Geld, um ein noch preisgünstigeres Auto zu bauen.

Und sorge gleichzeitig dafür, dass es Lademöglichkeiten für emissionsfrei produzierten Strom gibt.

Aber sag es niemandem.

Falls Musk diese Strategie vor 2006 entwickelt hatte, war er nicht der einzige Tesla-Gründer, der auf diese Idee gekommen war. Eberhard und Tarpennings ursprünglicher Geschäftsplan, der entstanden war, lange bevor Musk Chairman des Unternehmens wurde, enthielt den gleichen Top-down-Ansatz.2 Letztlich wurde die Strategie, sich schrittweise vom Premium- in das Volumensegment vorzuarbeiten, von der Technologie bestimmt: Da Lithium-Ionen-Akkus immer noch relativ neu und unglaublich teuer waren, blieb Tesla gar nichts anderes übrig, als mit einem Sportwagen aus dem Premiumsegment zu beginnen und sich im Rahmen der Weiterentwicklung der Akkutechnologie allmählich dem Massenmarkt zu nähern.

Dies war außerdem der klassische Silicon-Valley-Schlachtplan zur Vermarktung neuer Technologien, und Eberhard und Tarpenning waren ein klassisches »Hardware-Software-Team« aus dem Valley. Eberhard, ein hochgewachsener bärtiger Ingenieur, dessen charismatischer Charme nur mit Mühe sein heftiges Temperament kaschierte, hatte seine ersten Erfahrungen mit dem Design von Computerterminals bei dem IT-Unternehmen Wyse Technology Inc. (das 2012 von Dell übernommen wurde) gesammelt. Tarpenning, der gelassenere und humorvollere der beiden Männer, hatte sich einen Namen mit der Entwicklung von Software und Firmware für Unternehmen wie Seagate und Packet Design gemacht.

Gemeinsam hatten sie NuvoMedia gegründet und sich die Verbesserungen an den Lithium-Ionen-Akkus zunutze gemacht, um mit dem Rocket eBook einen der ersten kommerziell vertriebenen E-Reader zu entwickeln. (Das Produktsegment, das sie kreierten, wurde zum Eckpfeiler von Amazons Umstellung von physischen Produkten wie gedruckten Büchern auf softwarebasierte Produkte, die sich online bereitstellen lassen, wie elektronische Bücher, Musik und Filme.) Ihre Fähigkeit, aus der Verbindung von Hardware und Software überzeugende neue technologische Produkte zu kreieren, war im Hightechsektor bekannt, und nachdem sie NuvoMedia im Jahr 2000 verkauft hatten, suchten sie nach neuen Möglichkeiten, ihrer Leidenschaft zu frönen.

Der frisch geschiedene und zu neuem Reichtum gelangte Eberhard wollte sich einen Sportwagen gönnen, verzichtete am Ende aber darauf, weil er sich – wie er Drake Baer von der Nachrichten-Website Business Insider anvertraute – nicht dazu durchringen konnte, eine »solche Spritschleuder« zu kaufen. Hin- und hergerissen zwischen seiner Liebe zu schnellen Autos und seinem wachsenden Bewusstsein für die Umwelt und die sozialen Kosten der Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen, begann er die Well-to-Wheel-Effizienz jeder möglichen Energieform zu analysieren. Seine Recherchen zeigten nicht nur, dass Elektroautos das Versprechen hielten, leistungsstark und zugleich unglaublich effizient zu sein, sondern auch, dass es keinem Elektroautohersteller seit dem Zweiten Weltkrieg gelungen war, ein erschwingliches Auto zu bauen, das gegenüber herkömmlichen Verbrennungsmotoren konkurrenzfähig war. Im Rahmen dieser Kombination aus persönlichem Antrieb und Recherchen über die technologischen Möglichkeiten nahm die Idee, einen Premium-Sportwagen mit Lithium-Ionen-Akkus zu bauen, allmählich Gestalt an.

Eberhard entdeckte schließlich ein kleines Unternehmen namens AC Propulsion mit Sitz in Los Angeles, das den tzero (Eigenschreibweise des Herstellers: tzero, sprich tisiero) herstellte, ein Elektroauto mit Blei-Säure-Batterie, das in knapp vier Sekunden von null auf 100 km/h beschleunigen konnte. AC war zwar nur ein winziges Unternehmen, besaß aber ein umfassenderes Wissen über Elektroantrieb als die meisten Fahrzeughersteller seiner Zeit. Der Mitgründer Alan Cocconi hatte im Alleingang einen Großteil der Elektronik des Antriebsstrangs für den Impact/EV1 von GM designt. Cocconi war allerdings eher Ingenieur als Geschäftsmann, und daher war AC auch eher Kult für die aufkommende EV-Umrüstungsszene in Südkalifornien als ein ernsthafter Versuch, seine bahnbrechende Elektroantriebstechnologie kommerziell zu vertreiben. Eberhard, der erkannte, dass AC wichtiges Know-how besaß, aber in argen finanziellen Schwierigkeiten steckte, bot dem Unternehmen 500 000 Dollar, damit es ihm die neueste Version des tzero baute, dessen Blei-Säure-Batterie gegen eine Anordnung kleiner zylindrischer Lithium-Ionen-Akkuzellen ausgetauscht worden war.3 Der grobschlächtige, hässliche gelbe Sportwagen, der daraus entstand, bot eine atemberaubende Beschleunigung und für ein Elektroauto eine erstaunliche Reichweite. AC lehnte Eberhards Angebot ab, in das neue Sportwagen-Unternehmen einzusteigen, wahrscheinlich wegen Cocconis bitterer Erfahrung mit dem EV1-Programm (siehe Kapitel 1).4 Allerdings wurde der tzero Teslas Proof of Concept und bildete die Grundlage seiner Antriebstechnik.

Während Eberhard die technischen Spezifikationen eines Elektroautos austüftelte, begann Tarpenning, die Marktchancen für einen Sportwagen im Premiumsegment zu recherchieren, der das Umweltimage eines Toyota Prius und die Leistung eines Porsches bieten würde. Tarpennings Recherchen ergaben, dass die Käufer der ersten grünen Autos zumeist so wohlhabend waren, dass sie sich so gut wie jedes Auto leisten konnten, wie die Prius-Modelle bewiesen, die sich im Silicon Valley die Garagenauffahrt mit teuren Sport- und anderen Luxuskarossen teilten. Nachdem Eberhard und Tarpenning hier eine technische und kommerzielle Chance erkannt hatten, gründeten sie im Jahr 2003 Tesla Motors und gaben ihrem Unternehmen den schicksalhaften Namen des brillanten Elektroingenieurs, der nie die finanzielle Ernte seiner bahnbrechenden Erfindungen einfahren konnte.

Laut Elon Musk waren Elektroautos der Grund, der ihn überhaupt ins Silicon Valley gebracht hatte.5 Musk behauptet, bereits als er in Wharton seinen Bachelor in Physik und BWL gemacht habe, sei er von der Idee fasziniert gewesen, Autos mit Superkondensatoren zu betreiben. Nach seinem Abschluss zog er nach Kalifornien und begann, bei einem Unternehmen namens Pinnacle Research an Energiespeichertechnik zu arbeiten.

Musk war mit Technologie groß geworden. Er wurde 1971 in Pretoria, Südafrika, in eine wohlhabende Familie geboren (sein Vater Errol besaß 50 Prozent einer sambischen Smaragdmine) und floh aus einer, wie er es nannte, schwierigen Kindheit, indem er sich in Bücher und Computerprogrammierung vertiefte.6 Selbst als weltberühmter Milliardär umgibt ihn immer noch eine gewisse soziale Unbeholfenheit – die aus seiner einsamen Kindheit herrührt –, wenn er mit viel »ähem« und »äh« neue Produkte ankündigt oder die Quartalsergebnisse bekannt gibt. Hinter diesen bisweilen ungelenken sozialen Auftritten versteckt sich aber ein immenses Selbstbewusstsein; immerhin verkaufte er sein erstes Computerspiel im Alter von zwölf Jahren und lebte bereits mit 17 Jahren, als er Südafrika verließ, um der Wehrpflicht zu entgehen, allein.7

Sein Interesse an Superkondensatoren und sein Gespür für neue Chancen führten ihn schon bald nach Stanford, wo er für ein Graduiertenstudium in Materialwissenschaften angenommen wurde. Allerdings schrieb er sich nie ein, sondern beschloss stattdessen, sein erstes Start-up zu gründen. Er war davon überzeugt, dass die Internetrevolution große Chancen bot, die man auf keinen Fall verpassen sollte, und dass er jederzeit zu seiner alten Leidenschaft zurückkehren konnte – hoffentlich mit Geld aus seinen Internetgeschäften.

Nachdem er mit Erfolg zwei Start-ups verkauft (Zip2, das Online-Listings für lokale Unternehmen erstellte, und X.com, eine »Online-Bank«, die schließlich mit dem Softwareunternehmen Confinity fusionierte, woraus PayPal hervorging) und dem Internetboom mit einem höheren fünfstelligen Millionenbetrag in der Tasche den Rücken gekehrt hatte, gründete Musk als Nächstes ein Raumfahrtunternehmen namens SpaceX, mit dem er eines Tages den Mars zu besiedeln hofft. Seine einzige große Automobilinvestition vor Tesla war der Kauf eines McLaren F1, ein V12-Hypercar, das zu den schnellsten und teuersten Autos der Welt gehörte. »Es ist ein Millionen-Dollar-Auto«, sagte seine erste Frau Justine einer Dokumentarfilm-Crew von CNN, das die Übergabe im Jahr 1999 filmte. »Es ist dekadent … meine Sorge ist, dass wir das Gefühl für Dankbarkeit und Perspektive verlieren.«8

Was Musk auf jeden Fall nicht verloren hatte, war sein Ehrgeiz. »Ich würde gerne auf dem Cover des Magazins Rolling Stone