Der Mädchenfänger - Peter Schmidt - E-Book

Der Mädchenfänger E-Book

Peter Schmidt

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Beschreibung

Der Ästhet als Gewalttäter: "Vielleicht hasst du ja seitdem die Frauen?" –– "Ganz im Gegenteil, es gibt nichts Größeres als weibliche Schönheit für mich. Mehr hat uns dieses öde Universum leider nicht zu bieten." Befangen in grenzenloser Faszination für die weibliche Schönheit, versucht der junge Robert Quant sich auf makabre Art und Weise von seiner Obsession zu befreien. Ein beklemmender, in seiner Konsequenz beängstigender Psychothriller – bösartig und hintergründig –, dessen Thema das Verfallensein an die weibliche Schönheit ist. –– Gab Peter Schmidts Psychothriller "Der Mädchenfänger" vielleicht sogar das Vorbild ab für den Fall der jungen Natascha Kampusch in Österreich, die der arbeitslose Nachrichtentechniker Wolfgang Priklopil in Wien mehr als acht Jahre lang in einem Kellerverlies gefangen hielt? – Das wird wohl nie zu klären sein. Aber Ähnlichkeiten und Übereinstimmungen sind kaum zu übersehen … –– Ungekürzte, überarbeitete Neuauflage der Hardcover-Fassung im Rasch und Röhring Verlag, Hamburg; Copyright © 2013 Peter Schmidt

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Peter Schmidt

Der Mädchenfänger

Psychothriller

 

 

 

Dieses eBook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

ZUM BUCH

ÜBER DEN AUTOR

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WEITERE TITEL

Impressum

ZUM BUCH

Der Ästhet als Gewalttäter

Ein der weiblichen Schönheit verfallener Psychopath (?) pflegt in seinem Keller ein obskures Steckenpferd. Doch eines Tages gerät er an eine ebenbürtige Gegnerin …

"Vielleicht hasst du ja seitdem die Frauen?" –– "Ganz im Gegenteil, es gibt nichts Größeres als weibliche Schönheit für mich. Mehr hat uns dieses öde Universum leider nicht zu bieten."

Befangen in grenzenloser Faszination für die weibliche Schönheit, versucht der junge Robert Quant sich auf makabre Art und Weise von seiner Obsession zu befreien. Ein beklemmender, in seiner Konsequenz beängstigender Psychothriller – bösartig und hintergründig –, dessen Thema das Verfallensein an die weibliche Schönheit ist.

Gab Peter Schmidts „Der Mädchenfänger“ vielleicht sogar das Vorbild ab für den Fall der jungen Natascha Kampusch in Österreich, die der arbeitslose Nachrichtentechniker Wolfgang Priklopil in Wien mehr als acht Jahre lang in einem Kellerverlies gefangen hielt? – Das wird wohl nie zu klären sein. Aber Ähnlichkeiten und Übereinstimmungen sind kaum zu übersehen …

_________________

PRESSESTIMMEN:

"Muss man lesen!"

(Chemnitzer Blick)

"Der Roman Der Mädchenfänger" von Peter Schmidt erhält das Prädikat ‚Krimi des Monats’“

(SFB, Pulp-Magazin/ Kultur aktuell)

„Das Buch ist ein beklemmender, in seiner Konsequenz beängstigender Psychothriller, der alle Freunde diese Genres begeistern wird.“ (Fränkisches Volksblatt)

"Schmidts Stärke liegt in der Präzision, mit der er Charaktere und Situationen beschreibt." (WAZ)

„Unter den deutschen Kriminalschriftstellern ist der Westfale Schmidt fraglos einer der wenigen, die wirklich erzählerisches Format besitzen.“ (Hamburger Abendblatt)

Ungekürzte, überarbeitete Neuauflage der Hardcover-Fassung im Rasch und Röhring Verlag, Hamburg

ÜBER DEN AUTOR

Peter Schmidt, geboren im westfälischen Gescher, Schriftsteller und Philosoph, gilt selbst dem Altmeister des Spionagethrillers, John le Carré, als einer der führenden deutschen Autoren des Spionageromans und Politthrillers. Darüber hinaus veröffentlichte er Kriminalkomödien, aber auch Medizinthriller (zuletzt „Endorphase-X“), Wissenschaftsthriller, Psychothriller und Detektivromane.

Bereits dreimal erhielt er den Deutschen Krimipreis („Erfindergeist“, „Die Stunde des Geschichtenerzählers“ und „Das Veteranentreffen“). Für sein bisheriges Gesamtwerk wurde er mit dem Literaturpreis Ruhr ausgezeichnet.

1

Mir scheint, das wahre Leben ist der Hunger, alles andere ist eine Vision. Während der Hungersnot zeigten die Leute ihr wahres Gesicht, sie taten den äußerlichen Flitter ab: Die einen erwiesen sich als wunderbare, beispiellose Helden, die anderen als Böse, als Kriminelle, Mörder, Menschenfresser. Eine Mitte gab es nicht. Die Wolken rissen auseinander, und sichtbar wurde Gott.

D. Lichatschow

Er hätte das Mädchen in den Kellerraum unter der Treppe sperren können, weil er keine Fenster besaß. Das wäre bequemer gewesen, und wenn es läutete, war er von dort aus schneller an der Haustür …

Aber dann würde man draußen vielleicht ihre Schreie hören. Außerdem schienen die Grundmauern nebenan noch ein wenig dicker zu sein. Wahrscheinlich wusste überhaupt niemand mehr etwas vom Durchgang zum Anbau. Um die Kellerräume im Anbau zu finden, musste man erst eine ausgemusterte Flurgarderobe neben dem Heizöltank beiseite schieben.

Quant fragte sich ernsthaft, warum sie manchmal so schrieen, obwohl er sie weder umbrachte noch vergewaltigte. Ob das so etwas wie ein hysterischer Hang in der weiblichen Natur war?

Selbst die Sache mit den Schmerzen sollte eigentlich nicht der Rede wert sein, weil er ihnen genügend Betäubungsmittel gab.

Um sie nach unten zu bringen, fuhr er so dicht wie möglich ans Haus heran. Das Schloss am Garagentor klemmte seit ein paar Tagen, sonst wäre es unauffälliger gewesen, sie durch die Garage zu schaffen.

Er warf einen Blick zum Himmel – der Gedanke, dass die Spionagesatelliten der Amerikaner inzwischen Gegenstände von der Größe eines Tennisballs fotografieren konnten, war nicht gerade beruhigend.

Aber dann sagte er sich, dass es verrückt sei, sich deswegen Sorgen zu machen. Die NSA hatte sicher Wichtigeres zu tun, als einen Blick in seinen Garten zu werfen.

Er hatte das Mädchen eine ganze Woche lang beobachtet.

Zum ersten Mal war sie ihm im Lesesaal der Bibliothek aufgefallen, und er hatte nur schwer den Blick von ihrer zierlichen Gestalt mit dem schmalen Gesicht und dem dunklen Haar abwenden können.

Es war, als gehe eine geheimnisvolle Kraft von ihr aus. So musste sich ein Stück Eisen fühlen, das von einem sehr starken Magneten angezogen wurde.

Danach war sie plötzlich verschwunden – durch einen Seitenausgang hinausgegangen oder in einem der Bibliotheksbüros untergetaucht.

Doch dann hatte er sie unerwartet auf dem Markt unterhalb der Kathedrale wiedergetroffen und war ihr jeden Tag von der Wohnung zur Schule gefolgt. Sie hatte sich nicht ein einziges Mal nach ihm umgeblickt. Der Platz an der Bibliothek war voller Tauben gewesen. Tauben, Tauben, wohin man sah.

Es war fast unmöglich, nicht auf eine dieser Tauben zu treten.

Sie waren so degeneriert und versessen darauf, gefüttert zu werden, dass sie alles um sich herum vergaßen.

Seit dem Gartenhaus auf der Insel war es sein erster Fang, und er beglückwünschte sich dazu, dass alles reibungslos geklappt hatte.

Das Haus war nach seinem Auszug an einen Millionär, einen ehemaligen Antiquitätenhändler, vermietet worden, der es später kaufen und zum komfortablen Altersruhesitz umbauen wollte, falls es ihm gefiel, und Quant fragte sich, wie tief man wohl beim Ausheben des neuen Swimmingpools graben würde. Der beste Platz dafür lag sicher auf der Rückseite, zum Waldhang hin.

Er bedauerte es, das Gartenhaus verloren zu haben.

Vielleicht würde er niemals wieder so ungestört sein wie in diesem Haus mit seiner holzverschalten Fassade, die graugrün gestrichen war wie die amerikanischen Landhäuser an der Ostküste. Es gab sogar eine stilgetreue Veranda mit Schaukelstuhl, auf der man an warmen Abenden sitzen und den Sonnenuntergang genießen konnte.

An keinem anderen Ort war es so leicht gewesen, unbehelligt seinen Interessen nachzugehen. Wenn jemand vorbeikam, ein Spaziergänger, der auf dem Weg zum Inselmuseum oder zum Treibhaus mit seinen exotischen Pflanzen war, oder wenn ein Auto vorüberfuhr, war das nicht mehr als eine unbedeutende kurze Störung in der endlos scheinenden Ruhe der Insel gewesen – und das, obwohl es eine zweispurige Brücke zum Festland gab.

Hier dagegen musste man sich darauf einrichten, dass plötzlich jemand an der Haustür stand, der die Gasuhr oder den Wasserzähler ablesen wollte oder im Auftrag des Vermieters das Kellergemäuer gegen Feuchtigkeit isolieren sollte.

Der Fahrer des Paketwagens, der ihm seine Arzneimittelbestellungen brachte, war aufdringlicher als jeder Vertreter. Er glaubte wohl, Quant sei erpicht darauf, sich mit ihm darüber zu unterhalten, wer in der Nachbarschaft gekündigt, überfahren oder durch den Kanaldeckel gerutscht war.

Man konnte leicht Vermutungen darüber anstellen, wie oft er selbst schon zum Opfer seines niemals abreißenden Geschwätzes geworden war.

Er stand manchmal vor dem Spiegel im Badezimmer und versuchte sich vorzustellen, wie er auf andere Menschen wirkte. Was dachten seine Nachbarn über ihn?

Dass er genug Geld besaß, um nicht arbeiten zu müssen. Soviel war jedenfalls sicher. Dass er sich dieses Haus erlauben konnte. Vielleicht fanden sie ja gar nichts an ihm auszusetzen.

Er war glatt und makellos, ohne körperliche Gebrechen, ein schmaler junger Mann, durchschnittlich groß, mit blauen Augen, dunklem, zurückgekämmtem Haar und einem angenehmen Gesicht.

Was hätte man schon an ihm kritisieren können! Er hatte weder abstehende Ohren noch schiefe Zähne. Er war die verkörperte Unauffälligkeit. Er bewegte sich ohne Hast, er dachte nach, bevor er etwas in Angriff nahm. Er wusste sich Respekt zu verschaffen, indem er seinen Gegenüber einfach auf freundliche, ruhige Weise anblickte – ihn wissen ließ, dass er beobachtet wurde. Dass man sich Gedanken über ihn machte und sich ein Urteil bildete.

Andere kamen mit vielen Worten und barschem Auftreten nicht halb so weit wie er.

Er war mit sich zufrieden. Quant nickte, als müsse er sich das selbst noch einmal bestätigen, und zog den Körper des Mädchens – warum dachte er eigentlich nur an ihren Körper? Es war ein Mädchen, ein lebendes Mädchen! – bis an den Rand der Ladefläche.

Dann warf er einen prüfenden Blick zur Straße …

Drüben fuhr ein Transporter vorüber. Man sah seinen Aufbau über die Mauer ragen. Quant berührte die Schulter des Mädchens. Es war nicht unangenehm, sie zu berühren. Ihr Gesicht sah friedlich und entspannt aus. Sie war schön. Es hätte ihn auch geärgert, im nachhinein entdecken zu müssen, dass sie weniger schön war, als er auf dem Platz vor der Bibliothek geglaubt hatte.

Sein Instinkt für schöne Mädchen war meist untrüglich.

Ihre Gesichter, die Struktur ihrer Haut, ihr Haar veränderten sich mit den Hormonen. Manche wirkten an einigen Tagen geradezu hässlich, obwohl sie vorher hübsch oder attraktiv gewesen waren. Er bevorzugte Mädchen, deren Schönheit nicht davon abhing, ob sie die richtigen Augenbrauen- oder Lippenstifte fanden.

Dieses hier war selbst noch im Schlaf so ansehnlich, dass er sich nur zu seiner Wahl beglückwünschen konnte.

Sie hatte ein intelligentes Gesicht, fand er. Das ließ auf ein paar interessante Wochen schließen. Man würde sie nicht nur anstarren, sondern auch mit ihr reden können. Reden war wichtig, weil man nur so erfahren konnte, was in ihnen vorging.

Als er sie auf das Sofa im Vorraum legte, spürte er, wie ein leichtes Zittern durch ihren Körper lief. Das waren die Nachwirkungen des Medikaments; erst zitterte man, und dann bekam man Schweißausbrüche. Am nächsten Morgen würde ihr Kopfkissen so feucht sein wie nach einem schweren Fieberanfall.

Er hatte das Compremol einmal am eigenen Körper ausprobiert. Die Wirkung setzte innerhalb von Sekunden ein. Zuerst glaubte man, es sei nur ein leichter Schwindelanfall. Danach machten Decken und Wände einen Sprung, der so täuschend echt wirkte, dass man abwehrend seine Arme hob; gleichzeitig spürte man sein Herz und wie es von einer warmen, festen Faust umschlossen wurde.

Dann war auch schon alles vorüber. Wenn man erwachte, fühlte man sich matt, aber im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte.

Der Gang blieb noch ein paar Stunden unsicher, und man griff manchmal daneben, wenn man seine Hand nach etwas ausstreckte, weil die Augenmuskeln Schwierigkeiten mit der Anpassung hatten.

Das Mittel war ein wahrer Glücksgriff. Er hatte einmal in einem amerikanischen Spielfilm gesehen, wie ein Gangster ein Mädchen mit seinem falschen Gipsarm niederschlug, um sich an ihm zu vergehen, während es ihm beim Beladen des Lieferwagens behilflich war, und die Vorstellung, jemanden so brachial in seine Gewalt zu bringen, hätte ihm vermutlich jeden Spaß an der Sache genommen.

Es verhinderte von Anfang an, dass ein Vertrauensverhältnis zwischen Opfer und Täter entstand. Es machte Gefühle von Sympathie und Zuneigung für immer unmöglich, weil so ein armes Ding niemals vergessen konnte, was ihm bei seiner Überwältigung angetan worden war. Das Compremol dagegen hinterließ mehr Fragen als Antworten.

Was genau war eigentlich passiert? Warum war man ohnmächtig geworden?

Das Compremol war wie ein sanfter Tod, ein friedliches Entschlafen, bei dem man mit der Welt im Einklang blieb.

Als er zum ersten Mal im Labor die einzelnen chemischen Komponenten nach der Formel aus dem Tresor zusammengestellt und an sich selbst ausprobiert hatte, war das für ihn eine mindestens genauso bahnbrechende Angelegenheit gewesen wie für andere die Entdeckung Amerikas oder die Landung auf dem Mond.

Quant nahm die Papiere aus ihrer Handtasche, um sie im Keller zu verbrennen. Der Pass war abgelaufen, und im Führerschein fand er eine zusammengefaltete Quittung über eine Geldspende an Amnesty International.

Als er die Eisentür des alten Koksbrenners öffnete, der erst kürzlich von der Heizung abgekoppelt und durch eine moderne Ölheizung mit eigenem Kamin ersetzt worden war, hörte er es an der Haustür läuten.

Verdammt, dachte er. Franziska lag oben auf dem Sofa. Wahrscheinlich konnte man sie sogar durch das Fenster des Vorraums sehen.

Allerdings musste man sich dazu weit übers Treppengeländer beugen …

Er ging eilig hinauf, warf einen Blick in den Vorraum – mit seinen angezogenen Beinen sah das Mädchen aus, als wenn es friedlich schliefe – und öffnete die Tür.

"Hallo, Robert – Sie haben sicher nichts dagegen, wenn ich kurz hereinkomme, um mit Ihnen über den Mietvertrag zu reden?"

Quant sah wortlos in das Gesicht seines Vermieters. Witzigmann war eigentlich ein ganz sympathischer alter Bursche, der immer vergeblich versuchte, "eine Seele von Mensch" zu sein, obwohl sie ständig irgendwelche Reibereien miteinander hatten. Bei seinem letzten Anruf hatte er den Bogen wohl ein wenig überspannt. Quant verglich ihn unwillkürlich mit Martha Sommer, sobald er wieder mal vor seiner Tür stand, und der Vergleich fiel nicht zu Witzigmanns Gunsten aus.

Die alte Ulknudel war Besitzerin des Gartenhauses auf der Insel und immer zu Späßen aufgelegt. Sie hatte ihn manchmal mitten in der Nacht angerufen, um ihm mitzuteilen, auf ihrem Grundstück seien Außerirdische gelandet – in einem Ding, das aussehe wie eine überdimensionale Orange.

Oskar Witzigmanns harte blaue Augen dagegen, seine weißen Haare die in vorstehenden Büscheln aus den Ohren sprossen, das faltige Gesicht mit der stark gebogenen Nase!

So ungefähr stellte man sich einen Mietwucherer vor, obwohl die Miete eigentlich erstaunlich niedrig war für ein Haus dieser Größe. So niedrig, dass man sich unwillkürlich fragte, welchen Haken die Sache wohl haben mochte.

"Hat's Ihnen die Sprache verschlagen, Robert?"

"Wie? Nein … bitte kommen Sie herein."

Er ging ein Stück in den Flur voraus und wandte sich nach Witzigmann um.

"Ich bin momentan ziemlich beschäftigt – wenn Sie vielleicht doch ein andermal wiederkommen könnten?"

"Sie und beschäftigt? Sie sind doch Privatier. Sie können von Ihrer Erbschaft leben, während wir gewöhnliche Sterbliche uns mit schadhaften Wasserleitungen und unpünktlich zahlenden Mietern herumschlagen müssen." Witzigmann warf einen Blick in den Vorraum, schien Franziska auf dem Sofa aber gar nicht wahrzunehmen.

"Hier entlang …" Quant zeigte in das Kaminzimmer. "Haben Sie den Vertrag mitgebracht?"

"Bitte? Ja, natürlich." Er strich mit dem Finger über den Kaminsims. "Junggesellenstaub, was? Eine Frau im Haus erspart die Raumpflegerin", meinte er und hob sibyllinisch seine Augenbrauen. "Heiraten ist heutzutage wohl ein wenig aus der Mode gekommen, aber wenn Sie mich fragen, immer noch der beste Weg, um ein geordnetes Leben zu führen. Wie denken Sie darüber?"

"Ich war nie verheiratet."

"Genau das will ich damit andeuten. Also …", erklärte er seufzend und glättete den Mietvertrag mit dem Handrücken. "Wir haben ja schon am Telefon darüber gesprochen. Es geht um eine kleine Zusatzklausel. Ich hoffe, Sie nehmen mir meinen Anruf nicht übel?"

"Wenn er nicht persönlich gemeint ist? Sie verstehen – ich bin niemals auch nur annähernd in der Situation gewesen, dass ich …"

"Nein, bewahre. Nur eine Formalität."

Witzigmann schrieb: … erklärtsichhiermiteinverstanden, keineeheähnlichenVerhältnissemitPersonenmännlichenGeschlechtsindiesemHauseeinzugehen …

Er schob ihm den Vertrag hin. "Bitte unterschreiben Sie hier am Rand. Sie können die Klausel in ihrem eigenen Vertrag selbst eintragen. Das ist kein Eingriff in Ihr Persönlichkeitsrecht, wie uns diese neunmalklugen Fritzen vom Mieterschutzbund immer weismachen wollen, sondern lediglich eine Vorsichtsmaßnahme. Mein Schwager hat sich jahrelang mit einer Clique warmer Brüder herumschlagen müssen, die ihm das Haus von der Dachrinne bis zum Keller ruiniert haben.

Was glauben Sie, was die Handwerker im Abflussrohr fanden, als sie eine Verstopfung, beheben wollten? Es ist mir fast peinlich, darüber zu reden."

"Keine Ahnung", sagte Quant.

In diesem Augenblick hörte er ein Geräusch aus dem Vorraum. Es klang wie Franziskas Stöhnen. Sie war erwacht, vielleicht hatte sie aus dem Nebenzimmer Stimmen gehört? Um Gottes willen, dachte er. Ich habe doch verdammt noch mal genug Erfahrung in diesem Gewerbe. Wie kann mir so etwas bloß passieren? Es war immer dasselbe. Wenn alles zu glatt ging, wurde man leichtsinnig.

"Haben Sie das eben auch gehört?" Witzigmann blickte sich suchend um.

"Bitte, was meinen Sie?"

"Ein Wimmern, als wenn wieder eine von diesen verdammten Katzen in meinem Garten wildern würde." Er trat ans Fenster und sah hinaus. "Sie sollten unbedingt das Laub zusammenfegen. Es weht sonst in die Nachbargärten, und ich bekomme Ärger, weil ein paar kleinkarierte Seelen … nein, ich sehe nichts, rein gar nichts – weit und breit keine Katze!"

"Wird schon wieder zurück über die Mauer sein", sagte Quant. Er unterschrieb den Vertrag und brachte Witzigmann zur Haustür. Dabei ging er so neben ihm her, dass er sich zwischen ihm und dem Vorraum mit Franziskas Sofa befand.

Witzigmann kam plötzlich auf die Idee, im Keller nach dem Ölanzeiger zu sehen. Er hatte sich beim letzten Mal den Stand notiert, weil das, wie er unumwunden zugab, die einzige Möglichkeit für ihn war, um herauszufinden, ob im Haus genügend geheizt wurde und das morsche alte Gemäuer keine Feuchtigkeit zog.

Seine Frau lag ihm immer in den Ohren, dass manche Mieter es damit nicht genau genug nähmen und Räume, die wenig benutzt wurden, einfach "verkommen" ließen. Quant kannte Klara nicht persönlich, aber er nahm an, dass die Bekanntschaft mir ihr genauso unerfreulich sein würde wie mit ihrem Mann.

"Ich bin wirklich in Zeitnot", protestierte er. "Wenn Sie bitte entschuldigen wollen?"

"Gut, dann eben beim nächsten Mal."

Er sah zu, wie der andere den Gartenweg zur Straße entlangging. Vor dem Tor wandte Witzigmann sich noch einmal nach dem Haus um, studierte irgend etwas auf dem Dach – die morschen Ziegel oder den abbruchreifen alten Kohlenkamin –, schüttelte resigniert den Kopf und verschwand durch die Pforte.

Großer Gott, dachte Quant. Er hätte sich lieber ein eigenes Haus angeschafft. Das Geld seiner Eltern reichte sicher zwei- oder dreimal dafür. Aber sein "kleines Hobby", wie er es fast liebevoll nannte, erlaubte es ihm nicht, ständig an einem Ort zu bleiben.

Die Polizei war ziemlich raffiniert, wenn es darum ging, den Kreis immer enger zu ziehen und jemanden wie ihn zu fassen. Er hatte sich eine kleine Bibliothek zugelegt, um ihre Arbeitsmethoden aus erster Hand zu studieren und dagegen gewappnet zu sein.

Sehr aufschlussreich war "Horwells Führer für Anwärter des gehobenen Polizeidienstes". Dort konnte man nachlesen, wie erfindungsreich sie waren, um auch noch aus den kleinsten Spuren Kapital zu schlagen.

Er ging in den Vorraum und berührte Franziskas Wange. Sie hatte sich auf die Seite gedreht; ihr Körper lag schräg über der Kante, als drohe sie jeden Moment vom Sofa zu rutschen. Die rechte Hand war herabgesunken und auf den Boden gefallen …

Vielleicht war sie dabei kurz erwacht? Quant nahm ihre Hand und betrachtete sie – ihre unlackierten, sauber manikürten Fingernägel. An den Fingerknöcheln waren winzige Spuren einer Prellung zu erkennen.

2

Sobald er den Eisenwarenladen im Zentrum mit seinen düsteren Schaufenstern betrat, fühlte er sich schlagartig in die Zeit zwischen den beiden Weltkriegen zurückversetzt. Er liebte den Geruch der gebohnerten Parkettbodens und die alten Werbegraphiken, auf denen die Mädchen sinnlich rote, leicht geöffnete Lippen hatten, obwohl sie doch nichts weiter als banale Messingkupplungen oder Sägeblätter anpriesen.

Die Verkäufer in ihren blauen Arbeitskitteln gingen so gewissenhaft und umständlich vor, wenn sie auf ihren Schiebeleitern zu den kleinen Holzschubladen hinaufstiegen, dass man unwillkürlich zögerte, nach einer Schraube mit Sechsmillimetergewinde und passenden Eisenwinkeln zu fragen, denn dabei wurde einem unweigerlich ein Vortrag über Warenkunde gehalten.

Zuerst zog der Verkäufer einen zerfetzt aussehenden Katalog mit verblassten Zeichnungen und Fotos unter der Ladentheke hervor. Dann begann er endlos darin zu blättern und gab zu jeder ähnlich aussehenden Abbildung einen fachkundigen Kommentar ab, wobei sein Zeigefinger lange Zahlenkolonnen entlang fuhr.

Das Ergebnis war meist von der Art, dass Sechsmillimeterschrauben zwar momentan ausgegangen seien, dass es aber Achtmillimeterschrauben und passende Eisenwinkel gab, die genau den gleichen Zweck erfüllten.

Quant steuerte auf den Teil der Theke zu, wo die wenigsten Kunden warteten. Ein Mädchen mit Sommersprossen und pinkfarbenen Perlonstrümpfen – das einzige weibliche Geschöpf unter all den altgedienten Verkäufern – stand gerade hoch oben auf der Leiter vor einer herausgezogenen Schublade, so dass man einen Blick auf ihre wohlgeformten Beine werfen konnte.

"Wir schicken Sie immer ganz nach oben, da wo die seltenen Schrauben sind", sagte der Mann mit der Schlägermütze vor ihm und lächelte anzüglich. "Der Ausblick ist eine kleine Sünde wert, oder?" Er musste um die Sechzig sein, hatte nikotingelbe Finger und kleine blaue Einsprengsel im frühzeitig gealterten Gesicht, wie man sie manchmal bei Bergleuten findet.

Quant war immer wieder überrascht, mit welcher schlafwandlerischen Sicherheit alte Kerle wie er, die sicher längst an Prostatabeschwerden und chronisch wiederkehrenden Leistenbrüchen litten, das Gespräch auf die einzige Sache in der Welt brachten, die sie physisch überforderte und ihnen weniger Vergnügen bereiten würde als ein gutes Abendessen.

Er betrachtete wortlos die angeschraubten Muster der Eisenwarenkollektion an den Wänden. Ihre Dekoration sah so verstaubt aus, als wenn sie dort schon seit einem halben Jahrhundert hingen. Was er brauchte, waren Schienen, an denen man die Flurgarderobe im Keller bequem auf Rollen zur Seite bewegen konnte.

Die Schienen sollten zusammen mit den Rollen im Sockel und hinter der Deckenverblendung verborgen sein. Und die Garderobe musste einen versteckten Riegel haben, dann würde es nämlich so aussehen, als sei sie bombenfest an der Wand montiert – damit niemand auf den Gedanken kam, dahinter einen Durchgang zu suchen.

Für Fremde bestand der Keller aus nichts weiter als einem unverdächtig wirkenden Gang, der praktisch die Verlängerung der Kellertreppe darstellte, einem Verschlag unter der Treppe und drei Holztüren in der rechten Wand.

Hinter der einen war die ehemalige Waschküche, daneben lag der Heizungskeller, dessen Öltank aus Platzmangel wie die eine Hälfte einer überdimensionalen weiblichen Brust in die Wand des Nachbarkellers hineinragte, und hinter der dritten Tür befand sich sein Werk- und Studioraum, das sogenannte "Labor", in dem auch seine Aufnahmegeräte standen.

Die Keller im Anbau hatten den Vorteil, dass sie nur vom Durchgang des Labors aus zugänglich waren, wo jetzt die ausgemusterte Garderobe hing. Er würde einfach seine Arbeitskleidung in der Garderobe unterbringen, weil sie dann so aussah, als erfülle sie einen Zweck.

"Sechsmillimeterschrauben sind ausgegangen", sagte der Verkäufer.

"Dann nehme ich Achtmillimeterschrauben und passende Winkel", erklärte er schnell, ehe der andere seine zerfledderten Musterbüchern hervorholen konnte.

Als er mit seinem Paket und den Schienenstangen den Laden verließ, sah der Himmel blauviolett aus – als wenn es gleich ein schweres Gewitter geben würde. Er hatte eben das schützende Dach des Taxistands erreichte, da klatschten auch schon die ersten Tropfen auf den Asphalt.

Quant ließ sich mit seinem Paket und den Schienen an der Ecke vor dem Haus absetzen. Taxis, das hatte er herausgefunden, waren sicherer, weil man so keine unnötige Vorstellung mit dem eigenen Wagen gab, an den sich später vielleicht einmal jemand erinnern würde.

Der Faktor "Erinnerung" bei Zeugen wurde meist unterschätzt. Er ließ den Chevrolet so oft wie möglich in der Garage und benutzte ihn nur, wenn er seinen geschlossenen Laderaum brauchte.

Franziska war noch nicht wieder aus ihrer Bewusstlosigkeit erwacht – vielleicht hatte er die Dosis doch ein wenig zu hoch gewählt? Selbst wenn man sich gründlich mit der Materie befasste und die richtigen Lehrbücher studierte: ein erfahrener Anästhesist hatte einem einfach ein paar Jahre Praxis voraus.

Er entschloss sich, nachmittags zum Schlittschuhlaufen zu fahren. Es war immer sehr anregend, den jungen Mädchen beim Laufen zuzusehen – wie sie ihre Pirouetten zogen, vor Kälte in der ungeheizten Halle in die Fäustlinge bliesen oder in der Kurve ihre Wollmützen verloren.

Er fand, es gab nichts Interessanteres auf der Welt als weibliche Schönheit.

3

Weil die Tribüne ungeheizt war, ging er lieber nach unten ins Café. Von den Tischen hinter der Scheibe waren die Läufer auf der Eisfläche sogar noch besser zu beobachten. Er brauchte Ruhe für seine Studien. Selbst zwischen all den anderen über die Bahn zu kurven, während man dauernd von dicken Hintern angestoßen wurde oder Gefahr lief, beim Sturz eine spitze Metallkante in die Halsschlagader zu bekommen, hätte ihn nur abgelenkt.

Seinem geübten Blick entging nichts, keine Falte um den Mund.

Ob ihre Beine in den falschen Proportionen zum Körper standen.

Oder ob sie durch ihre unbeholfenen Bewegungen zu erkennen gaben, dass sie für seine Experimente ungeeignet waren.

Es war ihm schleierhaft, wie jemand es fertigbrachte, ein unvollkommenes Mädchen zu lieben.

Die Natur hatte den Mann mit einem starken Hang zur weiblichen Schönheit ausgestattet, aber die Kerle mancher fetten Frauen und albernen Töchter mussten schon an einem genetischen Defekt leiden, sonst hätten sie es nicht so lange mit ihnen ausgehalten.

Na ja, dachte er, vielleicht sollte ich doch etwas weniger rigoros darüber urteilen … jeder nach seinem Geschmack und seinen Fähigkeiten! Das war seine Devise. Leben und leben lassen. Verdammt noch mal, es gab so viele hübsche Mädchen auf der Welt, dass man wirklich keinen Gedanken an all die hässlichen zu verschwenden brauchte.

Ein Teil ihres Reizes schien in den sanften Linien ihrer Stirn und Nase zu liegen, besonders, wenn man ihr Gesicht im Profil betrachtete. Der Mund war ebenfalls wichtig, kein Zweifel, ebenso wie die Augen und das Haar. Genaugenommen bildete alles eine unverwechselbare, einzigartige Einheit, und es war schwer oder sogar unmöglich, die Dinge getrennt zu betrachten. Jedes Mädchen entpuppte sich schnell als unverwechselbares Individuum. Man brachte etwas in seinen Besitz, das es kein zweites Mal auf der Welt gab.

Reife Frauen waren wie die Entdeckung eines neuen Erdteils. Sie unterschieden sich von jungen Mädchen vor allem dadurch, dass sie mehr Erfahrung besaßen. Es überraschte ihn, wie verschieden ältere Frauen auf ihre Situation reagierten, falls er überhaupt eine fand, die attraktiv genug war.

Denn leider hinterließ das Leben nur allzu schnell seine Spuren in ihren Gesichtern. Zwei, drei Jahre Schlampigkeit, ungesunde Ernährung und zuviel Zigaretten, und ihre Haut hatte für immer ihre Spannkraft verloren.

Manche gaben sich in der Gefangenschaft den Anschein, sie seien ihm plötzlich hörig geworden und zu allem, aber auch allem bereit, was sich die Phantasie eines Mannes nur ausmalen konnte. Andere benahmen sich ruhig und vernünftig, fast mütterlich, und wollten ihn über ihre Zukunft aushorchen. Oder sie beschimpften ihn oder versuchten an seine moralischen Prinzipien zu appellieren.

"Was auch immer du mit mir vorhast, du verdammter räudiger Hund, es bringt dir mindestens fünf Jahre ein", hatte einmal eine schlanke Rothaarige gedroht. Damals war er so leichtsinnig gewesen, sich in einem ruhigen Fünfhundertseelendorf an der Küste einzuquartieren, wo ein einziger Schrei eines Mädchens aus dem Keller sofort die Polizei alarmiert hätte.

Er sah noch wie heute ihr hageres hübsches Gesicht und ihre etwas zu schmale, lange Nase vor sich. Beim erstenmal, an der Theke des Schnellrestaurants, hatte er ein beinahe unwiderstehliches erotisches Kribbeln in der Magengegend verspürt.

Es war etwas in der Haltung, wie sie mit der Zange die Fleischstücke wendete und sie dann zwischen die aufgeschnittenen Hälften des Weißbrots legte, das ihm wie ein Symbol für eine gelungene "Operation" oder "Öffnung" vorkam. Öffnung war das Wort, das er selbst am liebsten dafür gebrauchte. Ihr rotes Haar lugte unter der weißen Haube hervor, und ihr dezenter rosafarbener Lidschatten passte so gut zu ihrem Lippenstift und den lackierten Fingernägeln, dass er den Atem anhielt.

Er brauchte die grenzenlose Faszination, die vom Aussehen einer Frau und ihrer Art sich zu bewegen ausging, um sein kleines Steckenpferd betreiben zu können. Die Rothaarige war widerspenstiger als alle anderen gewesen, jemand der lieber innerlich zerbrach, als zuzugeben, dass er besiegt worden war oder verloren hatte. Junge Mädchen waren meist weniger raffiniert. Sie konnten sich nicht so gut verstellen.

Er sah einem blonden Mädchen mit weißem Strickschal zu. Ihre Pirouetten hatten Klasse, Donnerwetter. Und dann erst die langen elliptischen Bahnen an der Bande entlang, wenn sie ihm hinreißend zulächelte, die makellosen weißen Zähne wie ein Fohlen entblößt, das endlich in die Gemeinschaft der Erwachsenen aufgenommen werden wollte!

Er hätte schon dafür gesorgt, weiß Gott, ja, wäre Franziska nicht gewesen.

Bisher hatte er sich nur ein einziges Mal mit zwei Mädchen gleichzeitig eingelassen. Ein Fiasko, die Katastrophe schlechthin.

Zu seiner Verblüffung stoppte das Mädchen genau vor seinem Tisch, die Spitze des einen Schlittschuhs als Bremse senkrecht ins Eis gebohrt. Er sah, wie ihr Atem das Glas beschlug. Aus der Nähe betrachtet wirkte sie sogar noch schöner, als er geglaubt hatte. Ein richtiges Prachtexemplar in seiner Sammlung. Ihr Finger deutete auf das Heft vor ihm. Er nahm immer Magazine mit, deren Titelseiten Rockidole zeigten, weil das die Mädchen neugierig machte.

"Tom Sighcore", sagte er halblaut, obwohl sie es wohl kaum durch die Scheibe hören konnte. Es war eine zwei Jahre alte Ausgabe und unter Sammlern bereits eine Rarität, weil sie Sighcore unbekleidet vor dem Kamin seines Hauses in Los Angeles zeigte. Er lag auf einem hellen Flokatiläufer und starrte etwas debil in die Linse. Sighcore war gut gebaut und hatte Muskeln wie ein Athlet, das musste man zugeben. Aber wieso sein Gesicht und seine affigen Beckenbewegungen auf der Bühne bei Frauen so gut ankamen, war ihm ein Rätsel.

Das Mädchen lächelte ihn an und klopfte gegen das Glas. "Kommen Sie zum Ausgang?", hörte er ihre Stimme durch die Scheibe. "Bitte, es ist wichtig."

"Ja, natürlich …"

Als er zur Treppe ging, sah er Trevian an einem Tisch auf der Zwischenetage sitzen. Der junge Trevian war außer dem Restaurantbesitzer Bally seine erste wirkliche Bekanntschaft in der Stadt. Von früher kannte er hier niemanden mehr.

Er versuchte an jedem Ort möglichst viele Kontakte zu knüpfen, weil er es verabscheute, als Einzelgänger angesehen zu werden. Man musste tausend Freunde haben und ausschweifende Feste feiern, um seinem Ruf gerecht zu werden, ein Mensch wie jeder andere zu sein. Außerdem fühlte er sich wohl, wenn er von Freunden umgeben war, mit denen man nächtelange Gespräche über weltanschauliche Fragen führen konnte.

Trevian stand auf und streckte enthusiastisch seine Hand aus. Er saß mit seiner Neuerwerbung Elsa Marten am Tisch, ein Mädchen, das Quant etwa genauso interessant und anziehend fand wie die Ehefrau des amerikanischen Präsidenten, aber Elsa hatte nette Freundinnen.

"Setz dich zu uns, Robert. Darf ich dir meinen neuen ‚Schatten’ vorstellen …"

Er liebte es, sich wie Johnny Obercool auszudrücken, und Quant imitierte Trevian gern, obwohl er seinen Stil ziemlich antiquiert und scheußlich fand …

"Moment", sagte er und zeigte mit dem zusammengerollten Magazin zur Eisfläche. "Hab' da gerade einen entsetzlich hübschen jungen Zahn aufgetan, der mich dringend sehen will. Und jetzt muss ich mal eben herausfinden, ob sie auch wirklich minderjährig ist."

"Verstehe." Trevian lächelte nachsichtig – das war genau die Art von Sprache, die er verstand – und steckte seine goldberingte Hand schwungvoll in die Hosentasche zurück. Sein Vater stattete ihn zu Weihnachten und an Geburts- und Namenstagen immer mit mindestens einem Viertelpfund Gold aus, um allen zu beweisen, was für ein erfolgreicher Spediteur er war.

"Dann bis gleich."

"Ach hör mal, Robert, falls du immer noch an einem guten Sprachlehrer interessiert bist …?"

"Lass uns nachher darüber reden, ja?" Quant ging ohne ein weiteres Wort zur Treppe.

Das Mädchen erwartete ihn im Kassenraum, die Schlittschuhe unter dem Arm. Es stand vor einem Schaukasten, in dem Silberpokale ausgestellt waren.

Wann hatte er Trevian eigentlich gesagt, dass er sein Englisch verbessern wollte? Englisch war die ideale "Fluchtsprache", damit kam man genauso gut in Kanada wie in Südafrika oder Australien zurecht, falls man unverhofft das Land verlassen musste, vorausgesetzt, man sprach es so akzentfrei, dass niemand einem nachweisen konnte, woher man wirklich stammte.

Er dachte an den gültigen neuseeländischer Pass mit seinem Foto auf den Namen Jeremias Gordon, der hinter einem losen Backstein im Keller versteckt war. Dort lag auch ein in Zeitungspapier verschnürtes Notizbuch mit der Durchschrift eines Briefes, das er entwendet hatte, als er in Franziskas Wohnung eingestiegen war.

Nein, Trevian konnte gar nichts von seinem Englisch wissen, es sei denn, er hatte es von der geschwätzigen kleinen Kassiererin in der Volkshochschule erfahren.

"Da bin ich – also, was kann ich für dich tun?“, fragte er und tippte dem Mädchen von hinten mit dem Magazin auf die Schulter.

"Oh, ich dachte schon, Sie würden gar nicht kommen?"

"Lassen wir doch das förmliche Sie, ja? Ich bin gerade mal zweiundzwanzig und noch kein alter Mann."

Das war gelogen, in Wirklichkeit war er schon achtundzwanzig. Aber er fand, man sah es ihm nicht an. Bei diesem jungen Gemüse zählte jedes Jahr. Ein jugendlich aussehender Mensch von Dreißig war garantiert ein uralter Knacker für sie, den sie sofort verdächtigen würden, Schwierigkeiten mit den Gelenken oder beim Wasserlassen zu haben.

"Angela." Sie zog ihren Fäustling aus und gab ihm die Hand. Als er ihr in die Augen sah, spürte er, dass sich mit ihr etwas anbahnen würde.

Man sah es einfach. Es stand da in einer Sprache, die jeder verstehen konnte - in unmerklichen, aber verräterischen Zeichen. Genau jenes Lächeln zuviel, das Interesse signalisierte. Genau jene für Sekundenbruchteile geweiteten Pupillen, die anzeigten, was sie fühlte.

Großer Gott, es war verdammt noch mal immer dasselbe. Er las darin wie in einem offenen Buch. Es gab keine Geheimnisse für ihn. Er war der Herr des Universums. Natürlich hielt sie ihn für viel zu alt.

"Tom Sighcore." Sie deutete auf die Rolle in seiner Hand. "Es ist nur wegen des Heftes."

"Ja, natürlich, wegen des Heftes. Darf ich dich zu einem Kaffee einladen?"

"Ich würde Ihnen das Magazin gern abkaufen."

"Abkaufen? Kommt gar nicht in Frage. Du trinkst jetzt mit mir und meinen Freunden oben auf der Zwischenetage einen Kaffee, und das ist dann die Gegenleistung dafür, dass ich dir das Heft schenke."

"Wirklich?" Sie fiel ihm vor Glück fast um den Hals, nestelte dann aber sofort verlegen an ihrem linken Handschuh (der rechte war zu Boden gefallen), vielleicht, weil ihr bewusst geworden war, wie einladend und voreilig das auf Quant wirken musste. Er hob den Handschuh auf und drückte ihn ihr mit dem Magazin in die Hand.

Als er auf Trevians Tisch zusteuerte, wusste er, dass Angela bis in alle Zukunft für seine Kellergeschichten gestorben war, verbrannt wie ein Agent, den die Gegenseite enttarnt hatte, denn das Risiko, mit einem seiner Mädchen gesehen zu werden, würde er niemals eingehen. Angela war sicher wie in Abrahams Schoß vor ihm. Aber eine Freundin, eine junge, über die man sich das Maul zerreißen und die man in der Öffentlichkeit vorzeigen konnte, war genau das Richtige für ihn.

Trevian nickte anerkennend, als er mit Angela an ihrem Tisch auftauchte. Man sah seinem Gesicht an, dass ihm Quants Neuerwerbung imponierte. Er gebrauchte immer diesen Ausdruck, wenn er ein neues Mädchen aufgetan hatte.

Angela ist auch wirklich ausgesprochen hübsch, dachte Quant, ein Glücksfall wie das Compremol.

Es gab nicht vieles auf der Welt, das so perfekt war. Er stellte sich vor, wie er mit ihr durch die Szenekneipen tingelte und wie sich die Köpfe der pickeligen Fünfzehn- bis Achtzehnjährigen von ihren abgestandenen Colagläsern wegdrehten, um ihnen verstohlen nachzublicken. Von den überschminkten Diskoschönheiten ganz zu schweigen, die bei Angelas jugendlicher Anmut vor Neid erblassen mussten.

"Das ist Elsa", stellte Trevian vor. "Ein Pferd aus bestem Stall. Ihr Vater hat sich kürzlich in der Stadt als Anwalt niedergelassen."

Elsa sah etwas dicklich, fast mütterlich aus, schien aber doch viel weniger Ähnlichkeit mit der Frau des amerikanischen Präsidenten zu haben, als er geglaubt hatte. Sie lächelte bei Trevians Worten so debil und schicksalsergeben, dass er sich unwillkürlich an Tom Sighcore auf seinem Flokatiläufer erinnert fühlte.

Trevian versuchte immer vergeblich den gleichen drastischen Humor zu zeigen wie er – als gäbe es so etwas wie einen verwandten Zug in ihrer Natur. Als müssten sie einander in ihren saloppen Kommentaren über das weibliche Geschlecht den Rang ablaufen. Doch was dabei herauskam, hatte glücklicherweise wenig Ähnlichkeit mit seiner eigenen Art, die Frauen zu sehen. Es wirkte höchstens blasiert auf seine Zuhörer.

"Ihr seid noch nicht miteinander bekannt, oder?“, erkundigte sich Trevian.

"Aber wir haben voneinander gehört", sagte Quant und gab Elsa die Hand. "Wenn ich Sie Trevian abspenstig machen will, dann auch wegen Ihrer vielen hübschen Freundinnen. Schöne Frauen bringen mich um den Verstand. Was soll man da machen?" Er lächelte schicksalsergeben und dachte, dass es eine schon peinliche Ähnlichkeit mit Elsas Lächeln bei Trevians Vorstellung hatte – als äffe er sie nach, um sie zu verspotten. Aber niemand schien etwas davon zu bemerken.

"Oh, Sie meinen wahrscheinlich meine Freundinnen aus dem Kurs?"

"Ja, ich hab' Sie alle kürzlich zusammen in einem Lokal sitzen sehen. Warten Sie mal, das war bei …"

"Was für ein Kurs denn?“, erkundigte sich Trevian. "Davon weiß ich ja noch gar nichts."

"Alte Benimmformen", sagte Elsa, man merkte ihr an, dass sie ungern darüber sprach. "Klassische Konventionen."

"Was soll das nun wieder sein?" Trevian beugte sich verständnislos vor. Sein Blick schien sagen zu wollen: BinichvielleichtimfalschenUniversum? "Etwa ein waschechter Weiberklub? Und Ihr trefft euch heimlich in Lokalen?"

"Ich glaube, ich weiß, wovon Elsa spricht", meinte Angela. Sie rührte in ihrer Kaffeetasse und sah etwas verlegen aus, weil sie plötzlich in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit rückte. "war stand zu Beginn des Semesters überall an den Plakatsäulen zu lesen. Ein Volkshochschulkurs, in dem man alte Höflichkeitsformen und Verhaltensweisen lernen kann."

"Sie werden analysiert", berichtigte Elsa. "Und natürlich kann man sie auch lernen. Wir machen kleine Gruppenspiele wie beim Schauspielunterricht. Wir wollten einfach weg von all dem öden Diskotheken- und Videoclipkram und uns mal um was anderes kümmern. Nicht weil wir altmodische Jungfern sind, sondern weil es Spaß macht. Wusstet ihr, dass man vor hundert Jahren völlig andere Konversationsformen pflegte? Man versuchte die Argumente des anderen zu verstehen. Heutzutage hat jeder zu allem und jedem sofort eine fertige Meinung. Oder dass es in Spanien als ungehörig gilt, jemanden, der anwesend ist, zu verspotten?"

"Und Sie und Ihre Freundinnen können damit was anfangen?“, fragte Quant. "Hat das denn irgendeinen praktischen Wert? Ich meine, ich käme mir etwas blöd vor, wenn ich mich jetzt plötzlich wie ein Mensch aus dem achtzehnten oder neunzehnten Jahrhundert benehmen sollte. Ach hör mal, Angela, was hältst du eigentlich davon, wenn du morgen Abend mit mir ins Kino gehst?"

"Morgen Abend?"

"Vielleicht läuft ja sogar irgendwo ein Musikfilm mit Tom Sighcore. Na, wie auch immer. Ich gebe dir mal meine Telefonnummer."

Angela steckte Quants Visitenkärtchen ein. "Vielen Dank für das Heft. Jetzt muss ich aber gehen – bevor mein Bus fährt. Nein, Sighcore dreht überhaupt keine Musikfilme. Nur diese scheußlichen Videoclips", sagte sie und bedachte Elsa mit einem Blick, als sei sie nicht ganz richtig im Kopf.

"Lieber Himmel, hast du ihren Blick gesehen?“, fragte Trevian. "Die Kleine ist verknallt in dich."

4

Bevor er das Haus betrat, beobachtete er immer sorgfältig die Umgebung. Hatte sich irgend etwas verändert? Er ging die Allee bis zum Kiosk entlang, kaufte bei der freundlichen alten Frau mit den Goldzähnen, einer Aussiedlerin aus Kasachstan, irgend etwas Belangloses, eine Zeitung oder eine Schachtel Zündhölzer, plauderte über Gott und die Welt mit ihr und versuchte sich ein möglichst genaues Bild zu machen.

Wer beobachtete ihn aus den umliegenden Häusern? Stand dort jemand hinter der Gardine? Welche parkenden Fahrzeuge waren auffällig?

Am auffallendsten waren die, die betont unauffällig wirken wollten. Drückte sich vielleicht sogar irgendwo ein verdammter Privatdetektiv herum, der ihm auf die Spur gekommen war?

Zwischen den Obstbäumen und alten Platanen sah das Haus mit seinen beiden Backsteinkaminen und dem provisorischen Stück Maschendraht in der Mauer immer etwas düster aus, besonders in der Dämmerung und wenn man sich noch nicht an seine altmodischen Erker und die kuriosen roten Zinnen auf den Türmen gewöhnt hatte. Daran änderte auch der großzügige Anbau mit den modernen dunkelbraun eloxierten Aluminiumfenstern nichts.

Die Baumkronen an der Straße waren so stark beschnitten, dass um diese Jahreszeit nur noch ein paar kahle schwarze Äste in den Himmel ragten. Eigentlich bevorzugte er freundliche Häuser wie das Gartenhaus auf der Insel, aber von den Häusern, die er in den letzten sechs Jahren gemietet hatten, waren ein paar noch schlimmer gewesen als dieses hier.

Vermutlich war das nur eine Art von Projektion seiner Furcht, diesmal könnte doch noch etwas schiefgehen.

Die Sache hatte zu oft geklappt, als dass er sich nicht manchmal fragte, ob er immer so ungeschoren davonkommen würde wie bisher.

Bevor er hinunter in den Keller ging, nahm er die tiefgefrorene Pizza aus dem Kühlschrank. Er wusste nicht, ob Franziska Pizza mochte. Junge Lehrerinnen hatten oft einen verrückten Geschmack und benahmen sich ganz anders, als man erwartete.

Wahrscheinlich hing es damit zusammen, dass sie Freigeister sein wollten und ihre Bildung einsetzten, um sich von den Konventionen zu befreien, soweit das überhaupt möglich war, ohne den Dingen wirklich auf den Grund zu gehen.

Und dazu gehörte es auch, bestimmte Essensgewohnheiten abzulehnen, die gerade envogue waren. Kein weißes Brot, weil das zu wenig Vitamine und Mineralstoffe enthielt. Keine polnischen Gänse, weil die Polen ihre Gänse stopften. Kein Kaffee aus Kolumbien, sondern lieber aus den armen Ländern Mittelamerikas – und falls doch, dann nur von unabhängigen, privaten Genossenschaften mit eigenem Vertrieb in Europa, um ein Zeichen gegen den Weltkaffeeimperialismus zu setzen.

Er hoffte, dass Franziska zu der Sorte Frauen gehörte, die lieber an ihren Körper und an ihre Gefühle dachten, als sich damit zu beschäftigen, wie man die Welt verändern konnte.

Als er die Kellertür aufgeschlossen hatte und vor seinem "Labor" stand, dem Werk- und Studioraum, in dem sich auch seine Dampfzentrifuge und die Operationsgeräte befanden, horchte er einen Moment lang auf Geräusche.

Aber im Haus war nur das Summen der neuen Ölheizung zu hören. Wenn Wasser in die Badewanne einlief und die Waschmaschine arbeitete, schlug manchmal irgendwo eine Leitung in der Wand. Oder über dem Trockenboden zwischen dem alten und dem neuen Kamin pfiff der Wind. Er hoffte inständig, dass Witzigmann nicht auf die Idee kam, den baufälligen Backsteinkamin der Koksheizung abreißen zu lassen, weil solche Arbeiten eine Menge Handwerker ins Haus bringen und alle seine Pläne mit Franziska über den Haufen werfen würden.

Das Vorhängeschloss an der Labortür sah zwar unscheinbar aus, war aber mit seinem gehärteten Bügel und dem Aufbohrschutz so ungefähr das Beste, was es auf dem Gebiet gab. Und die Beschläge an der Tür und im Rahmen hatte er gleich nach seinem Einzug von einem Schlosser austauschen lassen. Nein, um in das Labor zu kommen und den Durchgang zum Anbau zu finden, musste man schon professionelle Geräte einsetzen und genau wissen, wonach man suchte.

Quant schob die Garderobe beiseite – sie lief ganz leicht auf den neuen Schienen – und warf einen Blick durch den Türspion in Franziskas Keller.

Er hatte sich alle erdenkliche Mühe gegeben, um die beiden Räume so gemütlich wie ein kleines Apartment wirken zu lassen. Nur das Badezimmer machte einen etwas provisorischen Eindruck mit der eingebauten Dusche aus Leichtmetall und Kunststoffscheiben. Die Toilette dagegen war zwar genauso alt wie das Haus, aber von der gediegenen Art, die heutzutage ein Vermögen kostete.

Er nahm an, dass hier unten früher ein Partykeller gewesen war und dass man die anderen Räume als provisorische Gästewohnung benutzt hatte, obwohl sie keine Fenster besaßen, denn im Keller nebenan stand eine Theke mit Barhockern, und die Decken und Wände waren wie bei einer Heimsauna mit Fichtenholz verschalt.

Sonst wäre es auch ganz unverständlich gewesen, warum die Toilette schwarz gekachelt war. Die Kacheln hatten feine Goldränder, und die Deckenlampe aus Muschelpatt verbreitete anheimelndes gelbgrünes Licht.

Franziska saß auf der Couch und las in seinem "Tagebuch", die langen Beine übereinandergeschlagen. Ihr Rock war hochgerutscht, und darüber sah man etwas von ihrem hellen Slip. Er spürte ein Kribbeln in der Leistengegend, als sein Blick zu ihrem Gesicht hinaufglitt. Es war feucht von den Nachwirkungen des Compremols. Genauso feucht wie ihr Haar …

Sie war schön. Er hätte sich selbst die Hand geben können vor Begeisterung. Die Sache nahm sich wirklich gut aus. Als er damals damit angefangen hatte, vor etwa sechs Jahren, war alles viel schwieriger gewesen. Plötzlich musste man tausend Dinge berücksichtigen: Essen, Hygiene, Kleidung, Unterhaltung. Frauen bekamen die Tage, und dann waren keine Tampons im Haus. Oder sie hatten Migräne. Manche Frauen reagierten auf Kopfschmerzen, als ginge die Welt unter. Schon ein einziger verschwundener Slip konnte den Untergang des Abendlandes für sie bedeuten.

Er hatte eine Weile gebraucht, um zu begreifen, dass man sie mit Platten und Videofilmen, mit Illustrierten und Büchern bei Laune halten musste. Es war wichtig, eine Atmosphäre des Vertrauens und der Sympathie zu schaffen. Natürlich hatten sie am Anfang immer Probleme, sich an ihre neue Situation zu gewöhnen.

Aber überraschenderweise verhielten sich die meisten Mädchen so ähnlich wie bei Geiselnahmen in Banken oder bei Flugzeugentführungen.

Das Opfer ging eine Art Komplizenschaft mit dem Täter ein. Vor die Alternative gestellt, ständig mit der Todesangst leben zu müssen oder ihm einfach zu Willen zu sein, keimte plötzlich so etwas wie Sympathie und sogar Identifikation auf.

Das war der Zustand, den er anstrebte. Jedenfalls am Anfang. Und er war nicht ganz einfach zu erreichen, weil man jedes seiner Worte genau abwägen musste.

"Hallo, Franziska", sagte er, als er aufgeschlossen hatte. "Mein Name ist Robert …"