Der Mensch in Umwelt, Familie und Gesellschaft - Karl Wittmann - E-Book

Der Mensch in Umwelt, Familie und Gesellschaft E-Book

Karl Wittmann

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Beschreibung

Das Werk umfasst die Grundlagen der äußeren Ursachen von Krankheiten, der evolutionsbiologischen, psychischen, sozialen und transkulturellen Bedingtheit von Gesundheit und Krankheit sowie familienmedizinische Aspekte in aktualisierter Form. Es gliedert sich in drei Abschnitte: ► Der Mensch in Umwelt und Arbeitswelt Umwelteinflüsse und Gesundheit ► Der Mensch im sozialen und evolutionären Kontext Grundlagen der Epidemiologie, Evolution, Prävention und Soziogenese von Krankheiten ► Psyche, Lebenszyklus und Familie Der Mensch im psychosozialen Kontext

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Ursula Kunze und Karl J. Wittmann (Hg.)

Der Mensch in Umwelt, Familie und Gesellschaft

Ein Lehr- und Arbeitsbuch für den ersten Studienabschnitt Medizin

13., stark veränderte Auflage

Autoren der Einzelbeiträge

Borsoi Livia

Degn Barbara

Dorner Thomas E.

Egger Andrea

Fischer-Kern Melitta

Frischenschlager Oskar

Godnic-Cvar Jasminka

Grabovac Igor

Gundacker Claudia

Hagemann Sylvia

Haidinger Gerald

Hexel Martina

Hladschik-Kermer Birgit

Hoffmann Kathryn

Holzhammer Elisabeth

Homolka Peter

Hutter Hans-Peter

Jordakieva Galateja

Kadi Ulrike

Kirschner Alexander

Kunze Ursula

Kutalek Ruth

Litschauer Brigitte

Maier Manfred

Miller Wolfgang

Niederkrotenthaler Thomas

Pinsker Wilhelm

Retschitzegger Harald

Rieder Anita

Schoberberger Rudolf

Schwarz Bernhard

Sommer Regina

Strasser Ingwald

Till Benedikt

Waldhör Thomas

Wallner Peter

Wittmann Karl J.

Alle an der Medizinischen Universität Wien

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

13., stark veränderte Auflage 2018Copyright © 2018 Facultas Verlags- und Buchhandels AG, Wien, Austriafacultas Universitätsverlag

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und der

Verbreitung sowie der Übersetzung sind vorbehalten.

Satz: Facultas Verlags- und Buchhandels AG; Druck: Finidr, Tschechien

Umschlag: © artdee2554 – istock.com

eISBN 978-3-99111-020-0

ISBN 978-3-7089-1692-7

Vorwort

Bei der Planung des Medizin-Curriculums (MCW) hat die Medizinische Universität Wien mit dem Block 6 „Der Mensch in Umwelt, Familie und Gesellschaft“ im zweiten Studiensemester eine inhaltlich besonders breit gefächerte Unterrichtseinheit angesiedelt. Als Ausbildungsziele wurden vorgesehen:

„Nach tendenziell detail-wissenschaftlich zentrierten Inhalten soll das bisher im ersten Studienjahr Gelernte zusammengeführt werden und in eine Synthese aus ökologischen, humanwissenschaftlichen, psychologischen und geisteswissenschaftlichen Inhalten münden. Die mit dieser Synthese verbundenen Kenntnisse, Haltungen und Einstellungen sollen ein geistiges Fundament für klinisches Denken und Handeln legen, wie es in den folgenden Studienabschnitten zunehmend vermittelt wird. Im einzelnen sollen Grundlagen der äußeren Ursachen von Krankheiten sowie der evolutionsbiologischen, psychischen, sozialen und transkulturellen Bedingtheit von Gesundheit und Krankheit und der Familienmedizin gelehrt werden. Nicht zuletzt soll die individuelle ärztliche Haltung durch Motivation und Sensibilisierung für ethische Fragen gefördert werden“.

Derart breit gefächerte Inhalte, wenn auch nicht bei sehr großer Detailtiefe, hätten bereits im ersten Studienjahr einen breiten Fächer an zu empfehlenden Lehrbüchern erfordert, da die meisten verfügbaren Lehrbücher fachspezifisch, aber kaum fächerübergreifend ausgelegt sind, und keines die Gesamtheit der obigen Lehrziele umfasst. Das Planungsteam von Block 6 hatte sich daher zur Herstellung eines eigenen Lehrbuches entschlossen. Dieses soll eine wertvolle Hilfe im Unterricht und beim Selbststudium darstellen, aber weder den Besuch der Lehrveranstaltungen ersetzen noch das Spektrum möglicher Prüfungsfragen einengen oder erweitern. Auch soll es nicht als Lehrveranstaltungsskriptum verstanden werden, das man vor der Prüfung schnell einmal durchpaukt. Vielmehr enthält es neben dem Prüfungsstoff viel Anschauungsmaterial, Begleitinformation und Anregungen für weitergehend Interessierte.

Nach einer Vorausversion im Jahre 2002 wurde das revidierte und erheblich erweiterte Werk im Jahre 2003 an einen einschlägig tätigen Verlag übergeben, um damit die Nachhaltigkeit von Herstellung und Vertrieb zu gewährleisten. Das Autorenteam sieht es als Bestätigung seines Konzeptes, dass seit der Erstausgabe dieses Buches zahlreiche weitere “Blockbücher“ zur Unterstützung der Lehre im Rahmen des Wiener Curriculums erschienen sind.

Die bisherigen Auflagen wurden von den Studierenden als Vorbereitung für den Unterricht in Vorlesungen, Seminaren und Praktika, als Arbeitsunterlage und zur Prüfungsvorbereitung stark nachgefragt und haben sich in diesen Bereichen bewährt. Zahlreiche positive Rückmeldungen haben AutorInnen und HerausgeberInnen ermutigt mit der nunmehr vorliegenden Auflage weiterzumachen. Vielen Dank an alle LeserInnen, die Änderungen und Korrekturen vorgeschlagen haben. Die wenigen negativen Rückmeldungen haben wir uns, so wie bisher, besonders zu Herzen genommen. Neben den direkten Rückmeldungen gab auch die Prüfungsstatistik des MCW wichtige Hinweise, wo Bedarf an klarerer oder ausführlicherer Darlegung der Inhalte besteht.

Im Vergleich zur vorhergehenden Auflage wurden Text und Abbildungen im Ausmaß von ca. 25% erneuert, wobei der Gesamtumfang beinahe gleichblieb. Am meisten geändert wurden die Themen 1, 4, 5, 7, 9, 11 und 12. Das Thema 7 wurde weitgehend, die Themen 5, 11 und 12 hingegen völlig neu angelegt. Die Themen 4, 9 und 12 wurden außerdem gekürzt. Teile von Thema 4 wurden vom Thema 1 in wesentlich überarbeiteter Form übernommen. Die Kürzungen, Verlagerungen und Neufassungen von Inhalten reflektieren Änderungen im Unterrichtsplan, welche ab dem Sommersemester 2018 wirksam werden.

Ursula Kunze und Karl Wittmann

Wien, im März 2018

INHALTSÜBERSICHT

Kapitel I: Der Mensch in Umwelt und Arbeitswelt

Thema 1: Umwelteinflüsse und Gesundheit

1.1 Grundbegriffe von Umwelt und Gesundheit

1.1.1 Gesundheitsdefinitionen

1.1.2 Definition von „Umwelt“ und „Ökologie“

1.1.3 Interaktion Umwelt-Mensch-Umwelt

1.1.4 Geschichtliche Entwicklung

1.1.5 Definitionen und Aufgaben von Umwelthygiene/Umweltmedizin

1.1.6 Ärztliche Aufgaben und Tätigkeitsbereiche

1.2 Umweltmedien und ihre Bedeutung für den gesunden Menschen

1.2.1 Transport und Verhalten von Schadstoffen

1.2.2 Aufnahme, Verteilung und Ausscheidung von Stoffen

1.2.3 Wirkung und Wirkungsschwellen – Exposition und Dosis – Dosis-Wirkungs-Beziehungen

1.2.4 Exposition und Festlegung von Richt- und Grenzwerten

1.3 Einflussfaktoren

1.3.1 Positive und negative Effekte physikalischer, chemischer, biologischer und psychosozialer Einflussfaktoren

1.3.2 Systematische Übersicht über Umweltfaktoren

1.3.3 Risiko und Risikoabschätzung

1.3.4 Subjektive Wahrnehmung von Risiken und Risikokommunikation

1.3.5 Ziel-, Richt- und Grenzwerte

1.3.6 Prävention/Vorbeugung (prevention) und Vorsorge (precaution)

1.3.7 Umweltethik und Umweltgerechtigkeit

1.4 Umweltmedien / Problemfelder

1.4.1 Luft

1.4.2 Klima

1.4.3 Strahlung und Mutagentien

1.4.4 Lärm und Schall

1.4.5 Gerüche

1.4.6 Ernährung

1.4.7 Verkehr und Transport

1.4.8 Wohnen und Innenraumhygiene

1.4.9 Wasser

1.4.10 Boden

1.5 Zusammenfassung

Thema 2: Bestimmung und Messung von Umweltbelastungen

2.1 Messstrategie

2.1.1 Kenngrößen für Messverfahren

2.1.2 Auswahl des Messverfahrens

2.2 Ionisierende Strahlung und Strahlenschutz

2.2.1 Allgemeines

2.2.2 Beschreibung der Dosis

2.2.3 Strahlungswirkungen

2.2.4 Die effektive Dosis

2.2.5 Strahlenquellen

2.2.6 Strahlenschutz

2.2.7 Vergleich von Effektivdosiswerten in der Medizin

2.2.8 Messmethoden im Strahlenschutz

2.3 Luftschadstoffe (Air Pollution)

2.3.1 Allgemeines

2.3.2 Messung von Gasen

2.3.3 Messung von Particulate Matter (PM)

2.4 Darstellung von Messergebnissen

Thema 3: Arbeitsmedizin

3.1 Aufgaben der modernen Arbeitsmedizin

3.1.1 Definition der Arbeitsmedizin

3.1.2 Der Wandel in der Arbeitswelt

3.1.3 Belastung, Prävention, Grenzwerte

3.2 Belastungs-Beanspruchungs-Konzept

3.3 Präventionskonzepte in der Arbeitsmedizin

3.4 Biomonitoring und Arbeitsmedizinische Grenzwertkonzepte

3.4.1 Biomonitoring und Biomarker

3.4.2 Arbeitsmedizinische Grenzwertkonzepte

3.5 Berufskrankheiten

3.6 Ergonomie und Menschliche Faktoren

3.6.1 Zuverlässigkeit des Systems

3.6.2 Mensch-Maschine und Mensch-Computer Interaktion

3.6.3 Spezialgebiete im Bereich der Ergonomie

Thema 4: Einführung in die Medizinische Ökologie

4.1 Aufgaben der Medizinischen Ökologie

4.2 Medizinische Aspekte der globalen Umweltbelastung

4.2.1 Umwelt- und Ressourcenverbrauch

4.2.2 Umweltbelastungen

4.2.3 Stoffkreisläufe und Anreicherung

4.2.4 Globaler Umweltwandel (environmental change)

4.3 Ökologie von Entwicklungszyklen und Infektionswegen

4.3.1 Parasitismus als enge ökologische Nische

4.3.2 Lokalisation und Übertragungswege von Parasiten

4.3.3 Wirtszyklen, Wirtstypen und Parasitenreservoirs

4.4 Anpassungsformen und Strategien der Giftwirkung von Organismen

4.4.1 Ökologische Strategien von Giftorganismen

4.4.2 Bakterientoxine

4.4.3 Pilztoxine

4.4.4 Pflanzentoxine

4.4.5 Tiergifte

Kapitel II: Der Mensch im sozialen und evolutionären Kontext

Thema 5: Einführung in das Stressmodell

5.1 Einleitung

5.2 Physiologische Grundlagen

5.3 Stress und Geschlecht

5.4 Umgang mit eigenem Stress

Thema 6: Grundlagen der Epidemiologie

6.1 Demografie

6.1.1 Fertilität

6.1.2 Zahl der Lebendgeborenen

6.1.3 Lebenserwartung

6.1.4 Mortalität (Sterblichkeit)

6.1.5 Wanderbewegung (Migration)

6.1.6 Bevölkerungsentwicklung

6.2 Grundlagen der Epidemiologie

6.2.1 Epidemiologische Maßzahlen

6.2.2 Statische Population

6.2.3 Dynamische Population

6.2.4 Zusammenhang zwischen Inzidenz, Prävalenz und Letalität

6.3 Deskriptive Epidemiologie

6.3.1 Ziele deskriptiver Studien

6.3.2 Standardisierung

6.3.3 Deskriptive Studien

6.3.4 Gesundheitsbericht

6.3.5 Mikrozensus

6.4 Analytische Epidemiologie

6.4.1 Querschnittsstudie

6.4.2 Fall-Kontroll-Studie

6.4.3 Kohorten-Studie

6.4.4 Risiko

6.5 Nachweis kausaler Zusammenhänge, Bias, Confounder

6.5.1 Zufallsfehler

6.5.2 Systembedingte Fehler (Bias)

6.5.3 Störfaktor (Confounder)

6.5.4 Kontrolle von Störfaktoren bei der Studienplanung

6.5.5 Kontrolle von Störfaktoren bei der Auswertung von Studien

6.6 Experimentelle Epidemiologie

6.6.1 Randomisierte klinische Studie

6.6.2 Bevölkerungsbezogene Interventionsstudien

6.6.3 Evaluation und Qualitätssicherung ärztlicher Leistungen

6.7 Früherkennung – Screening

6.7.1 Screening – Voraussetzungen

6.7.2 Screening – qualitative Kriterien

6.7.3 Screening – Berechnung der Kenngrößen

6.7.4 Screening – Überprüfung der Wirksamkeit

6.7.5 Screening – Organisation

Thema 7: Einführung in Gesundheitsförderung und Prävention

7.1 Gesundheit und Gesundheitsdeterminanten

7.2 Gesundheitsförderung und Prävention

7.2.1 Gesundheitsförderung

7.2.2 Risikofaktoren und Modifikation von Risikofaktoren

7.2.3 Primäre Prävention

7.2.4 Sekundäre Prävention

7.2.5 Tertiäre Prävention

7.2.6 Verhaltensprävention und Verhältnisprävention

7.3 Gesundheitsförderung und Prävention am Beispiel Ernährung

7.3.1 Determinanten in Bezug auf Ernährung

7.3.2 Prävention und Gesundheitsförderung und Ernährung

7.4 Gesundheitsförderung und Prävention am Beispiel Bewegung

7.4.1 Determinanten in Bezug auf Bewegung

7.4.2 Prävention, Gesundheitsförderung und Bewegung

7.5 Reduktion von Risikofaktoren am Beispiel Rauchen

7.5.1 Tabakassoziierte Krankheiten

7.5.2 Tabakkontrolle

7.5.3 Jugendliches Rauchen

7.5.4 Raucherdiagnostik

7.5.5 Rauchertherapie

7.6 Reduktion von Risikofaktoren am Beispiel Alkohol

7.6.1 Gesellschaftliche Einbettung des Alkoholkonsums

7.6.2 Die „Harmlosigkeitsgrenze“ und die „Gefährdungsgrenze“

7.6.3 Akute Auswirkung von Alkohol

7.6.4 Individuelle Unterschiede der Alkoholverträglichkeit

7.6.5 Jugend und Alkohol

7.6.6 Alkohol und Straßenverkehr

7.6.7 Alkohol am Arbeitsplatz

7.6.8 Klassifikation und Epidemiologie des Alkoholismus

7.6.9 Mortalität durch Alkohol

7.7 Prinzip der primären Prävention am Beispiel Impfungen

7.7.1 Immunsystem: ein kurzer Überblick

7.7.2 Der österreichische Impfplan

7.7.3 Impfung spezieller Personengruppen

7.7.4 Der Impfpass

7.7.5 Ziele von Impfprogrammen

7.7.6 Herauforderungen für das österreichische Impfwesen

7.8 Prinzip der Prävention am Beispiel von Herz-Kreislauferkrankungen

7.8.1 Einflussfaktoren auf die KHK und primäre Prävention

7.8.2 Screening bei Herz-Kreislauferkrankungen (Sekundäre Prävention)

7.8.3 Tertiäre Prävention bei Herz-Kreislauferkrankungen

7.9 Prävention am Beispiel Arbeitsmedizin

7.9.1 Arbeitsinduzierte Erkrankungen

7.9.2 Suchterkrankungen am Arbeitsplatz

7.10 Suizidalität und Suizidprävention

Thema 8: Evolution des Menschen und seiner Krankheiten

8.1 Evolutionstheorien und Evolutionsmechanismen

8.1.1 Evolutionstheorien

8.1.2 Evolutionsmechanismen

8.1.3 Ähnlichkeit und Verwandtschaft

8.2 Hominidenevolution

8.2.1 Die Stellung des Menschen innerhalb der rezenten Hominoidea

8.2.2 Die Evolution der Hominiden

8.3 Die Evolution von Genen und Krankheiten

8.3.1 Die Globingene des Menschen und deren Evolution

8.3.2 Veränderungen des Hämoglobins und dadurch bedingte Krankheiten

Kapitel III: Psyche, Lebenszyklus und Familie

Thema 9: Der Mensch im psychosozialen Kontext

Tiefenpsychologische Aspekte

9.1 Was ist Psychoanalyse?

9.2 Metapsychologische Konzepte

9.3 Bemerkungen zur psychoanalytischen Entwicklungstheorie

9.4 Aspekte der psychoanalytischen Behandlungstechnik

Thema 10: Psyche und Lebenszyklus

10.1 Grundlagen der medizinischen Psychologie und Soziologie

10.2 Frühkindliche Entwicklung

10.3 Frühkindliche Bindung und ihre medizinische Bedeutung

10.4 Psychotraumatologie

10.5 Erwachsenenalter

10.5.1 Pubertät und Adoleszenz

10.5.2 Der Einfluss der Familie auf Gesundheit und Krankheit der Mitglieder

10.6 Sterben und Tod

Thema 11: Allgemein- und Familienmedizin

11.1 Einleitung

11.2 Definition

11.2.1 Berufsfelder

11.3 Kernkompetenzen der Allgemein- und Familienmedizin

11.3.1 Schlüsselfach der Primärversorgung im Gesundheitswesen

11.3.2 Spezifische Problemlösungs-Fähigkeiten

11.3.3 Individuelle, patientenzentrierte Betreuung

11.3.4 Ganzheitliche Sichtweise

11.3.5 Umfassende Betreuung der Menschen

11.3.6 Kommunale Ausrichtung

11.4 Spezifische Aspekte in der Allgemein- und Familienmedizin

11.4.1 Definition Begrifflichkeiten

11.4.2 Häufige Beratungs- und Behandlungsanlässe in der allgemeinmedizinischen Ordination

11.4.3 Forschung in der Allgemein- und Familienmedizin

11.5 Ausgewählte spezifische Handlungsfelder der Allgemein- und Familienmedizin

11.5.1 Familienmedizin

11.5.2 Der Hausbesuch

11.5.3 Die Bedeutung der Allgemeinmedizin im Rahmen palliativmedizinischer Maßnahmen

11.5.4 Weitere spezifische Handlungsfelder

Thema 12: Medizinanthropologie und globale Gesundheit

12.1 Was ist Medizinanthropologie?

12.2 Erklärungsmodelle von Krankheit

12.3 Medizinanthropologische Perspektiven von Infektionskrankheiten

12.4 Widerstand gegen Public Health Maßnahmen

12.5 Das Einbeziehen von lokalen Gemeinschaften in Entscheidungsfindungen

Glossar

Stichwortverzeichnis

Quellenverzeichnis

Die Autorinnen und Autoren

Anhang

Kapitel I: Der Mensch in Umwelt und Arbeitswelt

Lehrziele: Die Stellung des Menschen in der Umwelt, wie er diese verändert und wie das auf seine Gesundheit zurückwirkt. Grundlagen der Präventivmedizin; Problematik von möglichen Gesundheitsschäden durch Umweltnoxen und Krankheitserreger bis hin zu psychosozialen Problemen am Arbeitsplatz; Bedeutung des individuellen Verhaltens und von Schutzmaßnahmen.

Thema 1: Umwelteinflüsse und Gesundheit

1.1 Grundbegriffe von Umwelt und Gesundheit

Von Hans-Peter Hutter und Peter Wallner

1.1.1 Gesundheitsdefinitionen

Der Gesundheits- und auch der Krankheitsbegriff sind in das jeweilig vorherrschende Denken eingebettet und unterliegen daher einem zeitlichen Wandel. Nähert man sich dem Begriff „Gesundheit“ zunächst von der Etymologie her, so zeigt sich, dass das Wort „gesund“ ursprünglich „stark, kräftig“ bedeutete.

Auf jeden Fall ist Gesundheit mehr als das Gegenteil von Krankheit und gar nicht so einfach zu definieren. Die heute zumeist verwendete Definition von Gesundheit stammt aus der Gründungserklärung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) vom 22. Juli 1946. Darin heißt es: Gesundheit ist ein Zustand vollständigen körperlichen, seelischen und sozialen Wohlbefindens und nicht bloß das Freisein von Krankheit oder Behinderung.

Diese sehr umfassende, zunächst einleuchtende Definition ist jedoch in der Praxis schwer verwendbar, da auch beim „Gesunden“ Zustände völligen Wohlbefindens wohl die Ausnahme darstellen.

Eine wesentliche Voraussetzung für Gesundheit sind nach jüngerer Auffassung intakte Regulationsmechanismen: Der Organismus kann sich mit Hilfe dieser Regulationsmechanismen bis zu einem gewissen Grad an neue Anforderungen anpassen. Es kommt also zu einer Veränderung oder Reaktion des Organismus innerhalb der physiologischen Schwankungsbreite, ausgelöst durch einen externen Stimulus.

Ziel dieser Adaptation ist die Aufrechterhaltung der Funktion des Gesamtorganismus, wobei quasi die „funktionelle Reserve“ des Organismus bzw. des betroffenen Organsystems durch diese Anpassungsvorgänge geringer wird.

Bei Überschreitung des physiologischen Normbereiches aufgrund von Belastung, die länger andauert oder hohe Intensität aufweist, kann es zu einer Überforderung bzw. Erschöpfung der Regulationsmechanismen und zu entsprechenden, länger anhaltenden (noch reversiblen) Störungen und/oder Beeinträchtigungen des Organismus kommen. Der Übergang zu irreversiblen Veränderungen (Schäden) ist fließend und wird durch weitere Moderatorvariablen (z. B. genetische Suszeptibilität und konstitutionelle Faktoren) beeinflusst. Ab welchem Punkt in diesem Kontinuum von der (zumindest vorübergehend kompensierbaren) Belastung bis zur irreversiblen Schädigung von „Krankheit“ zu sprechen ist, unterliegt vielfachen Konventionen.

Im biologischen Sinne bedeutet Gesundheit, dass sich alle Organsysteme des menschlichen Körpers in einem physiologischen Gleichgewicht befinden und Regelkreise auf Belastung reagieren können. Das physische Wohlbefinden ist allerdings nicht isoliert zu betrachten, sondern ist eng mit dem psychischen, sozialen und kulturellen Wohlbefinden verbunden Der Begriff „Gesundheit“ überschreitet damit die Grenzen der rein physiologischen Betrachtungsweise und ist Ausdruck für das gesamte Wohlbefinden eines Individuums. Ein Mensch ist somit gesund, wenn sich sein Körper, seine Umwelt und seine Psyche im Gleichgewicht befinden. Oder wenn er sich, wie Hurrelmann (2006) formuliert hat, „im Einklang mit den eigenen Möglichkeiten und Zielvorstellungen und den jeweils gegebenen äußeren Lebensbedingungen befindet.“

Insgesamt unterliegt die Definition von Gesundheit neben dem jeweiligen Stand der medizinischen Wissenschaft auch den technischen, religiösen, philosophischen, psychologischen, gesellschaftlichen oder gesellschaftspolitischen Normen einer Zeit. Dabei darf nicht außer Acht gelassen werden, dass „Gesundheit“ auch immer subjektiv empfunden wird und diese subjektiven Gesundheitsvorstellungen einer Person von großer Bedeutung für ihre Gesundheitserhaltung etc. sind.

Schutz, Erhaltung und Verbesserung der Gesundheit sind wesentliche Säulen in der Medizin. Dies soll etwa mit Hilfe der Gesundheitsförderung – im Sinne der Ottawa-Charta der WHO aus 1986 – erreicht werden. Darin heißt es: „Gesundheitsförderung zielt auf einen Prozess, allen Menschen ein höheres Maß an Selbstbestimmung über ihre Gesundheit zu ermöglichen und sie damit zur Stärkung ihrer Gesundheit zu befähigen. Um ein umfassendes körperliches, seelisches und soziales Wohlbefinden zu erlangen, ist es notwendig, dass sowohl Einzelne als auch Gruppen ihre Bedürfnisse befriedigen, ihre Wünsche und Hoffnungen wahrnehmen und verwirklichen sowie ihre Umwelt meistern beziehungsweise verändern können“.

Damit besteht unser ärztliches Handlungsspektrum aus der Heilung und der Verhütung von Krankheiten sowie der Förderung von Gesundheit. Um Prävention und Gesundheitsförderung umzusetzen ist ein starkes Engagement der Medizin hinsichtlich der Gestaltung der gesundheitsrelevanten Faktoren und Umweltbedingungen erforderlich.

Als gesundheitsrelevante Faktoren sind dabei im Sinne eines weit gefassten Umweltbegriffes physikalische, chemische und biologische Faktoren der Umwelt, aber auch psychische und soziale Bedingungen zu sehen, mit denen wir in unserer Umwelt konfrontiert werden. Alle diese Faktoren können unsere Gesundheit, unser Wohlbefinden und Handeln negativ bzw. positiv beeinflussen.

1.1.2 Definition von „Umwelt“ und „Ökologie“

Die Beziehungen zwischen dem Menschen und seiner Umwelt sind vielfältig. Zum besseren Verständnis werden im Folgenden die Begriffe „Umwelt“ und „Ökologie“ dargestellt.

Goethe gebrauchte „Umwelt“ in seiner „Italienischen Reise“ im Sinne von „Umgebung“ oder „umgebende Welt“. Später wurde der Begriff im Sinne von Milieu für das soziale Umfeld in den Humanwissenschaften verwendet.

Nach der von Jakob von Uexküll (1864-1944) begründeten Umweltlehre ist Umwelt als ein System zu verstehen, das sich durch die Beziehungen zwischen Subjekt und Außenwelt ergibt. Danach ist es auch möglich von Umwelten zu sprechen: Jedem Subjekt bzw. jeder Spezies ist eine spezifische Umwelt zu Eigen. Dabei handelt es sich um die Ausschnitte aus der Außenwelt, die für das jeweilige Lebewesen von Bedeutung sind, die seine Existenzgrundlage bilden und auf die es selbst Einfluss ausübt.

Eine modernere Auffassung von Umwelt lautet folgendermaßen: „Gesamtheit aller Prozesse und Räume, in denen sich die Wechselwirkung zwischen Natur und Zivilisation abspielt“ (Wissenschaftsrat; Publ. 1994).

Ökologie nach Ernst Haeckel (1834-1919): „Ökologie ist die gesamte Wissenschaft von den Beziehungen des Organismus zur umgebenden Außenwelt, wohin wir im weiteren Sinne alle Existenzbedingungen rechnen können.“

1.1.3 Interaktion Umwelt-Mensch-Umwelt

Die Interaktion zwischen Umwelt und Mensch darf nicht statisch und eindimensional gesehen werden. Vielmehr stehen Mensch und Umwelt in einem dynamischen wechselseitigen Bedingungsgefüge. Nur wenn ein dynamisches Gleichgewicht zwischen den Bedürfnissen der Menschen und den notwendigen Voraussetzungen für die Erhaltung einer intakten Umwelt gefunden wird, kann mit einer dauerhaften gesundheitsfördernden Umwelt-Mensch-Umwelt Interaktion gerechnet werden.

1.1.4 Geschichtliche Entwicklung

Hygiene ist die Lehre von der Erhaltung der Gesundheit und der Vermeidung von Krankheit. Sie setzt sich mit den Wechselbeziehungen zwischen dem Menschen und seiner belebten und unbelebten Umwelt auseinander. Geschichtlich gesehen hat sich die Medizin schon sehr früh mit Umwelteinflüssen auf die Krankheitsentstehung und Gesunderhaltung befasst. So reicht die Geschichte der Hygiene (neben der Heilkunde) bis in die ersten Hochkulturen zurück.

Beispielsweise waren in ägyptischen Schriftrollen Vorschriften, Gebote und Verbote zur Gesundheitslehre bzw. zur Hygiene enthalten, auch in der heiligen Schrift der Perser, der „Aresta“.

Der römische Arzt Galen (Claudius Galenus, 129-199 n. Chr.) – neben Hippokrates der bedeutendste Arzt der Antike – schuf ein umfassendes System der Medizin, das mehrere Jahrhunderte die Heilkunde beherrschte. Er formulierte erstmals, dass die Hygiene der Krankheitsverhütung dient.

Spätestens mit Max von Pettenkofer (1818-1901), der die Abhängigkeit der Seuchenentstehung von der Beschaffenheit der menschliche Umgebung (von Bodenverunreinigungen und Grundwasserstand) betonte, zeigte sich, dass die „klassische“ Hygiene auch als „Umwelthygiene“ bezeichnet werden könnte.

Seit Beginn der 80er Jahre werden Umweltfaktoren zunehmend als (Teil-)Ursache für unterschiedliche Befindlichkeits- und Gesundheitsbeeinträchtigungen diskutiert. Dies hat im Wesentlichen drei Gründe:

Die Belastung der Umwelt durch eine wachsende Anzahl und Menge an Chemikalien, über deren langfristige Effekte auf die komplexen Zusammenhänge innerhalb der Biosphäre und auf die menschliche Gesundheit wenig gesichertes Wissen vorliegt.

Die teilweise unsachlich geführten Diskussionen in der Öffentlichkeit über tatsächlich nachgewiesene und potenzielle Risiken, die sich aus der Umweltbelastung für die menschliche Gesundheit ergeben können.

Die Tendenz gesundheitliche Beschwerden kausal mit Umweltfaktoren in Verbindung zu bringen sowie das Gefühl in der Bevölkerung durch Umweltnoxen bedroht zu sein.

Dies führte zu einer wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Fragen zu Umwelt und Gesundheit, aber auch auf Patienten- und Arztseite zu vermehrter Nachfrage nach adäquater umweltmedizinischer Versorgung.

Exkurs Geschichtliches: 110 Jahre „Allergie“

Obwohl um die vorletzte Jahrhundertwende Heuschnupfen und Asthma bekannt waren, standen damals doch ganz andere medizinische Probleme im Vordergrund: Infektionskrankheiten wie Pocken, Tuberkulose und Diphtherie grassierten und führten in einer beträchtlichen Anzahl der Fälle zu schweren Erkrankungen oder auch zum Tod (Abb. 1). Jedoch begann man die Erfahrung zu sammeln, dass manche Patienten, die vormals bereits erkrankt waren, nun vor einer weiteren Infektion mit demselben Erreger geschützt waren. Da die Erreger krank machten, wurde ihnen die Produktion von Giften, Toxinen, zugeschrieben und man machte sich auf die Suche nach einem Gegengift, einem Antitoxin. Es wurde vermutet, dass der Körper natürliche Abwehrstoffe produziert, die als Antitoxine fungieren und Schutz vor einer neuen Infektion bieten. Tatsächlich konnte bewiesen werden, dass man Personen durch Infusion gereinigter „Antitoxine“, quasi durch eine Art von Leihimmunität effektiv schützen konnte. Erst viel später wurde erkannt, dass diese Antitoxine eigentlich lösliche Eiweißkörper waren, die heute als Antikörper oder Immunglobuline bezeichnet werden. Stammen sie vom Tier, betrachtet sie unser Immunsystem natürlich als fremd und reagiert dagegen.

Abb. 1 Der Wandel der Gefahren für unsere Kinder im Laufe des letzten Jahrhunderts.

Ein weiterer Meilenstein war die Beobachtung, dass Antitoxine in Tieren generiert werden konnten, indem man diese einem Erreger aussetzte, wobei speziell Pferde dazu herangezogen wurden. Antitoxine wurden in der Folge aus Tierseren in großem Maßstab gereinigt um es Patienten zu verabreichen oder Gefährdete zu schützen. Die Ära der sogenannten passiven Immuntherapie hatte begonnen, die an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert ein industrielles Ausmaß erlangte.

Bald jedoch beobachtete man gefährliche Nebeneffekte solcher Therapien: Wurden Personen mehrmals mit den tierischen Antitoxinen behandelt, hatte die Therapie eine beträchtliche Rate an Todesfällen zur Folge. Im Jahre 1890 lag die Rate negativer Auswirkungen bei immerhin 60 % der Behandelten (Metropolitan Asylums Board, 1911). Man wusste, dass einerseits Symptome wie Fieber und Gelenksschwellungen nach etwa zehn Tagen auftreten konnten (Serumkrankheit) und sich oft von selbst wieder rückbildeten. Andererseits wurde beobachtet, dass sich besonders nach wiederholten Gaben auch gefährliche Schockreaktionen entwickeln konnten, die aber sofort auftraten. Da die Infektionskrankheiten jedoch mit noch einer weit höheren Lebensgefahr einhergingen, und antibiotische Therapie erst mit der Entdeckung des Penicillins 1928 durch Sir Alexander Fleming ihre Entwicklung nahm, nahm man die Risiken einer Antitoxin-Therapie damals in Kauf.

Unabhängig davon, wurde im Jahre 1902 von den Franzosen Paul Portier und Charles R. Richet eine sehr rasche, lebensgefährliche Schockentwicklung experimentell bei Hunden beobachtet. Sie injizierten den Tieren ein Gift aus Seeanemonen und beobachteten, dass die Tiere nach wiederholten Gaben an plötzlich auftretender Atemnot, Kollaps und Herztod verstarben. Ohne jemals den genauen Mechanismus der Auslösung zu kennen, dokumentierten sie diese Zwischenfälle als Anaphylaxie, also sehr rasch einsetzende Schockreaktion.

Zu diesem Zeitpunkt kam Clemens Freiherr von Pirquet ins Bild. Nachdem er das von seinen adeligen Eltern erwünschte Theologiestudium verweigert hatte, studierte er in Wien Medizin, und entschloss sich dann Kinderarzt zu werden. Nach Studien in Berlin und bei Professor Escherich in Graz, wurde er daraufhin nach Wien an die Universitätskinderklinik zurückgerufen, die damals im Hause des St. Anna Kinderspital ansässig war. Dort behandelte er an Diphtherie erkrankte Kinder mit Diphtherie-Antitoxin, also Immunglobulinen aus Tierseren, wobei oft verblüffend gute klinische Resultate erzielt werden konnten. Wie auch seine Vorgänger beobachtete er Serumkrankheit, aber auch Schockreaktionen und erkannte den Zusammenhang mit den Studien Richets und Portiers. Er definierte, dass die Reaktion spezifisch war, also direkt mit der Behandlung durch das Antitoxin zu tun hatte, und nur bei wiederholter Gabe auftrat. Die Reaktion war in diesen Patienten also verändert im Vergleich zur Normalsituation. Aus dem Griechischen allos – verändert und ergos – Aktion setzte er den Begriff Allergie zusammen, worin er eigentlich auch die Serumkrankheit mit einbezog. Seine Erkenntnisse publizierte er in dem angesehenen medizinischen Fachjournal Münchner medizinische Wochenschrift im Jahre 1906 (von Pirquet, 1906). Wenn wir den Begriff „Allergie“ heute verwenden, verstehen wir darunter meist die allergische Sofortreaktion (der dieses Kapitel größtenteils gewidmet ist), sowie das langsamer entstehende Kontaktekzem, aber in jedem Fall meinen wir eine krankmachende Überempfindlichkeit. Laut Allergiebericht (2006) beträgt die Prävalenz von Allergien (selbst berichtet) rund 20 Prozent der Bevölkerung (Tendenz steigend). Hochgerechnet bedeutet das, dass etwa 1,6 Millionen Österreicher an Allergien leiden. 200.000 von ihnen leiden an einer Pollenallergie, gefolgt von Tierallergien mit rund 130.000 Betroffenen. Generell sind Frauen etwas häufiger als Männer von Allergien betroffen.

1.1.5 Definitionen und Aufgaben von Umwelthygiene/Umweltmedizin

Dieses interdisziplinäre Fachgebiet gilt heute bei uns als junge Wissenschaft (Herkunftsfachgebiet: Hygiene) in der Medizin, deren Bedeutung in letzter Zeit zugenommen hat. Umweltmedizin befasst sich in Theorie und Praxis mit den gesundheits- und krankheitsbestimmenden Aspekten der Mensch-Umwelt-Beziehung, also mit der Erforschung, Früherkennung und Prävention umweltbedingter Gesundheitsrisiken und Gesundheitsstörungen und mit Möglichkeiten der Gesundheitsförderung durch Umweltgestaltung. Gegebenenfalls beschäftigt sie sich auch mit der unterstützenden Diagnostik, Therapie und Prophylaxe umweltassoziierter Erkrankungen. Als zentraler Fachgegenstand gelten anthropogene (physikalische, chemische, biologische, psychische und psychosoziale) Umweltveränderungen/-belastungen und deren (schädigende oder fördernde) Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit. Umweltmedizin schafft somit die Verbindung zwischen Gesundheit (als Gleichgewichtszustand und Sollwertstabilität) und Umwelt (als Prozesse und Räume der Zivilisation-Natur-Interaktion).

Innerhalb der Umwelthygiene/Umweltmedizin unterscheidet man einen bevölkerungs- von einem individualmedizinischen Ansatz.

Umwelthygiene/Umweltmedizin hat eine Abwägung der Gesundheitsrisiken vorzunehmen, auf deren Grundlage individuelle und kollektive Maßnahmen zum Schutz vor Schadwirkungen erarbeitet werden können und diese Maßnahmen hinsichtlich ihrer Effizienz, ihrer Effektivität und ihrer Akzeptanz zu evaluieren.

Interdisziplinär bedeutet, dass neben Medizinern auch Fachleute aus nicht medizinischen Disziplinen (z. B. Biologie, Psychologie, Soziologie, Technik) am Fach Umwelthygiene/Umweltmedizin wesentlichen Anteil haben.

Zur Erforschung der Zusammenhänge zwischen Umwelteinflüssen und Gesundheit bedienen sich Umweltmedizin und Umwelthygiene v. a. epidemiologischer, toxikologischer, klinischer und psychologischer Methoden.

1.1.6 Ärztliche Aufgaben und Tätigkeitsbereiche

Probleme des umweltbezogenen Gesundheitsschutzes sind nicht nur für die Umweltpolitik von erheblicher Bedeutung, sondern haben auch in der Bevölkerung einen hohen Stellenwert. So werden immer mehr umweltbezogene Fragestellungen an die medizinisch Tätigen herangetragen. Deshalb sind Kenntnisse über umweltmedizinische Grundlagen für die ärztliche Arbeit unabdingbar.

Erkennen von Umweltnoxen als Ursache von Erkrankungen, Beratung von Patientinnen bzw. Patienten (Allgemeinmediziner, Dermatologen, Pädiater, Pulmologen usw.)

Stellungnahme zu und Beratung bei kommunalen Umweltproblemen, medizinische Gutachten im Behördenverfahren (Gemeindearzt, Amtsarzt)

Beurteilung, Planung und Abhilfe bei Problemen am Arbeitsplatz (Arbeitsmediziner)

1.2 Umweltmedien und ihre Bedeutung für den gesunden Menschen

Von Hans-Peter Hutter und Peter Wallner

Die Diskussionen über Luftreinhaltung, Boden- und Gewässerschutz, über Reststoffverwertung und -deponierung oder Altlastensanierung beweisen ein zunehmendes Bewusstsein um die Bedeutung des Umweltschutzes für unsere Zukunft. Dabei sind folgende Umweltmedien zu berücksichtigen: Luft (Außen-, Innenraumluft), Wasser (Oberflächen-, Grund-, Trink-, Bade-, Abwasser), Boden, Vegetation, Nahrungsmittel. Ebenso müssen Aspekte der sozialen und gesellschaftlichen Umwelt in ihrer gesundheitlichen Bedeutung untersucht werden.

1.2.1 Transport und Verhalten von Schadstoffen

Alle Fälle von Umweltverschmutzung haben bestimmte Merkmale gemeinsam: 1) ein schädigendes Agens, 2) eine Schadstoffquelle, 3) ein Transportmedium (Luft, Wasser, Boden) und 4) ein Zielobjekt (Organismen, Ökosysteme oder Güter, auf die sich der Schadstoff auswirkt).

Unter einer Umweltbelastung versteht man die von einer Quelle ausgehenden Emissionen (Stoffabgaben wie z. B. Luftverunreinigungen und/oder Energieabgaben wie z. B. Strahlen), welche als Immissionen über die Umweltmedien (Wasser, Boden, Luft) auf Menschen, Tiere, Pflanzen oder Sachgüter einwirken, und Gefahren, nachteilige Wirkungen oder Belästigungen hervorrufen können.

1.2.2 Aufnahme, Verteilung und Ausscheidung von Stoffen

Die Aufnahme eines Stoffes in den Organismus ist abhängig von der Qualität (physikalische, chemische Eigenschaften), vorhandenen Menge und Konzentration, Art und Dauer der Exposition (z. B. Luft, Wasser, Boden, Lebensmittel), Aufnahme (Resorption) durch das Körperorgan, mit dem der Stoff in Kontakt steht (Respirationstrakt [inhalativ], Magen-Darm-Trakt [oral], Haut und Schleimhäute [dermal], über die Sinnesorgane [z. B. aural, retinal]).

Die Verteilung der Stoffe im Organismus ist davon abhängig, ob es sich um fettlösliche (lipophile) oder wasserlösliche (hydrophile) Stoffe handelt. Lipidlösliche Stoffe reichern sich in den Organen je nach Fettgehalt an und verbleiben normalerweise länger im Organismus als wasserlösliche. Allerdings können einige wasserlösliche Fremdstoffe sehr effizient gebunden werden, falls sie Affinität zu spezifischen Bindungsstellen im Organismus besitzen, wie etwa die Affinität bestimmter Schwermetallverbindungen zu SH-Gruppen an Cystein enthaltenden Proteinen.

Die Aktivität der am Stoffwechsel beteiligten Enzyme kann zwischen einzelnen Tierspezies, Tierstämmen und dem Menschen, aber auch genetisch bedingt innerhalb der menschlichen Population große Unterschiede aufweisen. Diese stellen eine der wichtigsten Ursachen für vorhandene Unterschiede in der Empfindlichkeit gegenüber Chemikalien dar.

Die Ausscheidung erfolgt durch Urogenital-, Verdauungs-, Atmungstrakt und Haut.

1.2.3 Wirkung und Wirkungsschwellen – Exposition und Dosis – Dosis-Wirkungs-Beziehungen

Aufgenommene Schadstoffe verursachen nicht notwendigerweise eine Wirkung bzw. Schadwirkung. Von einer Wirkung wird dann gesprochen, wenn eine Veränderung der normalen physiologischen Prozesse messbar, fühlbar oder auf sonstige Weise erkennbar ist. Diese Veränderung kann sofort oder verzögert eintreten, sowie kurz oder lang dauernd sein. Bisweilen umstritten ist, wann eine Wirkung als „advers“ zu bezeichnen ist.

Mit den Begriffen Exposition/Belastung wird die „Ausgesetztheit“ eines Organismus gegenüber chemischen, biologischen oder physikalischen Umwelteinflüssen bezeichnet, die je nach Art, Intensität und Dauer der Einwirkung eine Reaktion im Organismus auslösen und damit (Teil-)Ursache von Beeinträchtigungen des Wohlbefindens, von Gesundheitsstörungen und Krankheiten sein können.

Abb. 2 Dosis-Wirkungs-Beziehung von essentiellen und von toxischen Agenzien. Bei einem essentiellen Agens ist sowohl eine zu geringe als auch (oft) eine zu hohe Dosis für den Organismus schädlich, bei toxischen Agenzien ist (im Allgemeinen) mit zunehmender Dosis eine zunehmend schädliche Wirkung für den Organismus zu verzeichnen.

Die aufgenommene Menge eines Schadstoffes hängt außer von Expositionsdauer und -höhe („äußere Dosis“) von Eigenschaften des Organismus (toxikokinetische Variable wie z. B. Atemminutenvolumen) ab. Die Bestimmung von Körperkonzentrationen (z. B. Blutkonzentration) kann bei Schadstoffen, die erst nach Resorption zur Wirkung kommen, alle Angaben zur äußeren Dosis, Bioverfügbarkeit und Toxikokinetik ersetzen und macht unterschiedliche Expositions- und Aufnahmebedingungen besser vergleichbar, weil durch Wegfall der Variabilität bei der individuell aufgenommenen Dosis die biologische Streuung auf die Seite der Wirkungen reduziert wird. Auch dabei kann aber noch die Kontrolle eines Zeitverlaufes erforderlich sein, wie z. B. durch Bestimmung des Flächenintegrals unter der Plasmakonzentrationskurve als „innere Dosis“. Allerdings kann eine wiederholte oder kontinuierliche Exposition sowohl zu einer Verminderung der Wirkung (Gewöhnungs- bzw. Toleranzeffekt wie z. B. durch Enzyminduktion) als auch zu einer Verstärkung der Wirkung führen, z. B. bei Stoffen, die im Körper akkumulieren oder ihn sensibilisieren.

1.2.3.1 Stoffe mit einer Wirkungsschwelle

Viele Substanzen besitzen bei Mensch und Tier eine Wirkungsschwelle, unterhalb der nach dem aktuellen Wissensstand keine adversen Effekte auftreten (no-effect level). Dieser Schwellenwert ist einerseits abhängig von der Spezies, von individuellen Besonderheiten des Stoffwechsels und andererseits von Abwehr- und Reparaturmechanismen des Körpers.

Die Wirkungsschwelle (untere Schädigungsgrenze) wird nach toxikologischen und epidemiologischen Daten bemessen. Oft basiert dies auf Befunden, die Arbeits- oder Umweltmedizinern aufgefallen waren. Dies kann oder muss nötigenfalls durch Experimente ergänzt werden. Je nach vermuteter Wirkungsart werden Versuche mit niederen (z. B. Bakterien, Hefen) oder höheren Organismen (Tierversuch, meist an Ratten oder Mäusen) oder in sensiblen Fällen auch mit größeren Säugern wie Hund oder Schwein durchgeführt. Der Grad der Notwendigkeit ist jedenfalls gegenüber den sehr ernst zu nehmenden Tierschutz-ethischen Bedenken abzuwägen. Jeder Test bedarf schließlich verpflichtend der Genehmigung durch eine gesetzlich legitimierte Ethik-Kommission.

Beispiele für Stoffe mit festgestellter Wirkungsschwelle sind Kohlenmonoxid, Toluol, Ethanol und Naphthalin.

1.2.3.2 Stoffe ohne Wirkungsschwelle

Es gibt Stoffe, für die sich keine wirkungsfreien Konzentrationen angeben lassen und daher das Konzept eines Dosis-Schwellen-Bereiches zumindest umstritten ist.

Diese Problematik betrifft v. a. kanzerogene Chemikalien (z. B. Benzol, Asbest, Chrom-VI) und ionisierende Strahlung. Die Wirkung ist oft kumulativ, d. h. es treten nach erstem Kontakt mit den entsprechenden Noxen kaum Wirkungen auf. Diese zeigen sich erst nach mehrfacher und/oder langfristiger Exposition. Häufig ist die Wirkung irreversibel.

Folglich bedeuten bereits kleinste Belastungen ein Risiko. In diesem Fall kann das so genannte Unit-Risk-Konzept angewendet werden. Es basiert auf der Abschätzung der zusätzlichen Erkrankungs- (oder Todes-)Fälle bei lebenslanger Exposition gegenüber einer Einheit (meist 1 μg/m3 bei Luftschadstoffen) der Noxe. Oft ist aufgrund der Seltenheit der Erkrankung oder der Exposition das Unit-Risk selbst nur auf Basis von Tierversuchen oder Abschätzungen bei weit höheren Expositionen ermittelbar.

Ein Null-Risiko gäbe es nur bei vollständiger Entfernung des Stoffes aus der Umwelt, was aber häufig aus vielerlei Gründen nicht möglich ist. Somit muss letztlich die Gesellschaft entscheiden (Abwägung der Vor- und Nachteile), welches Risiko zu akzeptieren sie bereit ist. Wenn man dann (durch gesellschaftliche Übereinkunft – ‚politisch’) das akzeptable Risiko festlegt, kann man aus dem Unit-Risk den Beurteilungswert (Richtwert) ableiten. Beträgt das Unit-Risk x und das akzeptable Risiko y, dann ist der Beurteilungswert (unter der Annahme einer linearen Dosis-Wirkungs-Beziehung) gleich y/x. Als akzeptabel wird 1 zusätzlicher Fall pro 100.000 oder 1.000.000 Personen angenommen. Dies entspricht dem üblicherweise gesellschaftlich akzeptierten bzw. akzeptierbaren zusätzlichen Risiko für die Bevölkerung.

Beispielsweise kann für Benzol als ausgewiesenem Kanzerogen keine gesundheitlich unbedenkliche Konzentration angegeben werden. Das zusätzliche Lebenszeit-Risiko für Leukämie bei einer Luftkonzentration von 1 μg/m3 beträgt 6×10-6. Für Gemische aus Polyaromatischen Kohlenwasserstoffen beträgt das Unit-Risk für Lungenkrebs 8,7×10-5 pro ng/m3.

Bei der Beurteilung dieser Akzeptanzniveaus ist zu beachten, dass Bewertungsmaßstäbe wie das Unit Risk nicht ein persönliches Risiko ausdrücken, sondern ausgehend von der kanzerogenen Potenz eines Stoffes das Risiko einer Bevölkerungsgruppe darstellen.

1.2.4 Exposition und Festlegung von Richt- und Grenzwerten

Die Bevölkerung setzt sich aus Personengruppen zusammen, die unterschiedliche Empfindlichkeit gegenüber Umweltexpositionen aufweisen. Besonders sensitive Gruppen sind z. B. Kinder, ältere Personen und Kranke.

Diese Variabilität wird u.a. bei der Richt- und Grenzwertfestlegung unter Einbeziehung von Sicherheitsfaktoren berücksichtigt. Die Festlegung von Richtwerten erfolgt meist auf der Basis experimentell ermittelter Schwellendosen. Richtwerte sollen nach dem Stand der Wissenschaft eine negative Wirkung auf den menschlichen Organismus, aber auch auf die Umwelt ausschließen. Dabei wird versucht, die existierenden Unsicherheiten durch die rechnerische Einführung von „Sicherheitsfaktoren“, durch welche die ermittelte noch unwirksame Dosis zu teilen ist, abzumildern.

Bei der Einführung verbindlicher Grenzwerte werden gesellschaftspolitische Erwägungen und Risiko-Nutzen-Abwägungen vorgenommen, die zu höheren oder niedrigeren Unsicherheitsfaktoren führen können, als sie bei einer rein wissenschaftlichen Ableitung eingeführt würden.

Üblicherweise wird ein Sicherheitsfaktor (Sicherheitsmarge) von 10 oder 100 eingelegt, das heißt die als zumutbar definierte Grenzkonzentration wird durch 10 oder 100 dividiert. Diese Marge ist übrigens weitgehend willkürlich und nur mit dem internationalen Konsensus zu begründen. Zum Beispiel begnügt man sich europaweit beim Quecksilbergehalt von Nahrungsmitteln mit einer Sicherheitsmarge von ca. 10, da die untere Schädigungsgrenze aufgrund vieler dokumentierter Erkrankungsfälle relativ genau bekannt ist und eine höhere Marge zur Verzehrseinschränkung von Speisefisch führen würde. Schweden als europäischer Vorreiter des Konsumentenschutzes hatte vorübergehend eine höhere Sicherheitsmarge für Quecksilber proklamiert, 1983 aber eine niedrigere Marge angenommen, nachdem sich herausgestellt hatte, dass sonst die lokale Fischerei im Vättern-See, einer riesigen Lagune an der Ostsee-Küste, hätte eingestellt werden müssen.

Die Sicherheitsfaktoren sollen vor allem berücksichtigen, dass (1) Tierversuche nicht ohne weiteres auf den Menschen übertragbar sind, (2) unterschiedliche Empfindlichkeiten gegenüber Schadstoffen (z. B. bei Vorgeschädigten, Säuglingen, etc.) nicht ausreichend berücksichtigt werden können, und (3) das Zusammenwirken mehrerer Schadstoffe (Kombinationswirkungen) meist nicht ermittelt werden kann. Die Wirkung von mehreren Schadstoffen ergibt sich oft nicht aus der Summe der Einzelwirkungen, da es auch zu einer Wirkungspotenzierung bzw. Vervielfachung kommen kann.

1.3 Einflussfaktoren

Von Hans-Peter Hutter und Peter Wallner

1.3.1 Positive und negative Effekte physikalischer, chemischer, biologischer und psychosozialer Einflussfaktoren

Der englische Begriff „Environment“ umfasst alle äußeren (exogenen) Faktoren (inklusive Ernährung, Arbeitsstoffe etc.) und grenzt sich so gegenüber hereditären (endogenen) Faktoren ab.

Genetische Faktoren und Umweltfaktoren können zum Krankheitsgeschehen beitragen. Will man den vermuteten Zusammenhang zwischen einem Umweltfaktor und einem Gesundheitsindikator untersuchen, so ist stets mit der Beteiligung oder Überlagerung durch andere Umweltfaktoren oder Störgrößen zu rechnen. Es ist bis heute sehr schwierig, wenn nicht unmöglich, im Einzelfall abzuschätzen, welchen Beitrag Umweltfaktoren zu Entstehung und Verlauf einer Erkrankung leisten (multifaktorielle Krankheitsgenese).

1.3.2 Systematische Übersicht über Umweltfaktoren

Chemische Faktoren:

Gasförmige Stoffe: z. B. Kohlenstoffmonoxid, Schwefeldioxid, Stickstoffoxide, Ozon, Photooxidantien, Kohlenwasserstoffe (u.a. Benzol, Toluol, Xylol, Benzo(a)pyren)

Schwermetalle: z. B. Blei, Cadmium, Quecksilber

Organische Kohlenwasserstoffe: z. B.

Lösemittel (z. B. Alkane, Aromaten, Aldehyde)

Polychlorierte Biphenyle (PCB), Dioxine und Furane

Pflanzenschutzmittel (Insektizide, Herbizide, Fungizide, Holzschutzmittel)

Industriechemikalien (z. B. Phthalate, Trisphosphate, Polybromierte Diephenylether, Bisphenol A)

Nitrat/Nitrit (Nitrosamine)

Stäube:

Faserstäube (Asbest, künstliche Mineralfasern, z. B aus Glaswolle), Staubpartikel (Teilchen und adsorbierte Schadstoffe)

Physikalische Faktoren:

Lärm (als physikalischer und psychosozialer Faktor)

Strahlung: Ionisierende (natürliche und künstliche Radioaktivität), nicht-ionisierende Strahlung, Licht und UV-Strahlung

Klimafaktoren: Temperatur, Feuchtigkeit, Luftdruck, Luftbewegung, etc.

Biologische Faktoren: Prionen, Mikroorganismen (Viren, Bakterien, Protozoen, Pilze) und Metazoen (Helminthen, Arthropoden, Pollen und andere Pflanzenteile

Psychosoziale Faktoren: z. B. Familienverhältnisse, Arbeitsplatz, Einkommen

Kulturelle Faktoren: z. B. Ernährung, Gesundheits- und Suchtverhalten (Lifestyle)

1.3.3 Risiko und Risikoabschätzung

Gefahr und Risiko, Wagnis und Chance bezeichnen im allgemeinen Sprachgebrauch die Möglichkeit, dass ein bestimmtes unerwünschtes bzw. erwünschtes Ereignis eintritt. Gefahr wird immer im Zusammenhang mit dem möglichen Eintritt eines negativen, unerwünschten Ereignisses verwendet, Risiko wird zwar ebenfalls oft mit Befürchtungen verbunden, kann aber auch positiv empfunden werden (Wagnis, Chance).

Gefahr (englisch: hazard) bedeutet eine unmittelbare Bedrohung für den Menschen selbst oder für Dinge, die von wesentlicher Bedeutung für ihn sind (z. B. sein Besitz oder die Umwelt). Gefahr bezeichnet also einen drohenden Schaden.

Durch den Begriff des Risikos versucht man, Gefahren berechenbar zu machen. Das Ziel besteht darin, Gefahren (überall da, wo sie nicht ausgeschlossen werden können) als Risiko handhabbar, eingrenzbar, überschaubar und verantwortbar zu machen. Der in der englischsprachigen Fachliteratur verwendete Terminus „risk“ wird in einem viel engeren Sinn als der deutsche Begriff „Risiko” gebraucht: Er beschreibt das Maß für die Größe einer Gefahr, für den Grad oder das Ausmaß einer Gefährdung und versucht damit eine Quantifizierung des Begriffs „Gefahr“.

Risiken im natur- und technikwissenschaftlichen Sprachgebrauch entsprechen dem englischsprachigen Risikobegriff und sind durch zwei Komponenten gekennzeichnet: die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts und den Schweregrad eines möglichen Schadens. Risiko ist demnach zunächst eine zweidimensionale Größe.

Risiko im Sinne der Umweltmedizin ist die Wahrscheinlichkeit des Auftretens einer Gesundheitsstörung oder Erkrankung bei jenem Teil der Bevölkerung, der einem schädlichen Faktor ausgesetzt war.

Die wissenschaftliche Abschätzung des gesundheitlichen Risikos eines Stoffes (toxikologische und epidemiologische Risikoabschätzung) ist die wichtigste Basis für regulatorische Entscheidungen.

Grundlage der toxikologischen Risikoabschätzung eines für den Menschen relevanten Stoffes sind Beobachtungen am Menschen, Daten aus tierexperimentellen Versuchen und Ergebnisse aus In-vitro-Untersuchungen. Diese Informationen müssen im Zusammenhang mit toxikokinetischen Daten beurteilt werden.

Die epidemiologische Risikoabschätzung sucht nach Zusammenhängen zwischen Exposition und dem jeweiligen Zielereignis (Beeinflussung von Laborparametern, Befindlichkeitsstörung, Erkrankung, Tod).

Die wissenschaftliche Risikoabschätzung erfolgt laut National Research Council (1983) in vier Schritten:

(1) Erkennung und Beschreibung von Gesundheitsrisiken und –gefahren (Gefahren-Identifikation; hazard identification), (2) Expositionsschätzung (exposure assessment), (3) die Bestimmung der Dosis-Wirkungs-Beziehung (Gefahren-Charakterisierung; hazard characterisation) und (4) die Formulierung der Risikocharakteristik (enthält u.a. Informationen über die Höhe der Inzidenz in einer bestimmten Gruppe der Bevölkerung; risk characterization).

Die Aufgaben der Naturwissenschaften in dieser Hinsicht sind (Kappos, 2003):

Das Erheben von Daten über die physikalisch-chemischen Eigenschaften einer Noxe und über die Wirkungszusammenhänge zwischen Noxe und menschlicher Gesundheit. Hierzu dienen einerseits gezielte Experimente an Tiermodellen oder In-vitro-Testsystemen, andererseits zufällige oder systematische Beobachtungen an belasteten Einzelpersonen oder Bevölkerungsgruppen.

Die Bewertung der erhobenen Daten hinsichtlich ihrer Qualität (Zuverlässigkeit, Reproduzierbarkeit) und Vollständigkeit.

Die Anwendung rationaler und plausibler Verfahren, um Datenlücken so gut wie möglich zu schließen beziehungsweise deren Konsequenzen für das ermittelte Risiko einzuschätzen.

1.3.4 Subjektive Wahrnehmung von Risiken und Risikokommunikation

Risiko ist in unserer Gesellschaft zu einem zentralen Begriff geworden. In dieser Hinsicht finden Gesundheits- und Umweltrisiken große Resonanz in der Öffentlichkeit.

Risikowahrnehmung ist kein naturwissenschaftlicher Vorgang, sondern sozial und kulturell bestimmt und an den jeweiligen Beobachter gebunden. Die Unterschiede in der Wahrnehmung und Beurteilung von Risiken resultieren aus unterschiedlichen Einstellungen zum Risiko, zum Verursacher und zu den Folgen sowie der Beurteilung der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts. Im Zusammenhang mit Risiken und deren Einschätzung verfügen Menschen in vielen Fällen bereits über intuitive oder erfahrungsbasierte Modelle, die allerdings nicht immer den Erkenntnissen der Wissenschaft entsprechen.

Mit Hilfe der Risikokommunikation können Risikowahrnehmungen vermittelt und reflektiert sowie Meinungen über Risiken ausgetauscht werden. Die Risikokommunikation definiert man als einen Verfahrensprozess, um Menschen bzw. die Öffentlichkeit über Gefährdungen aufzuklären.

Ziel der Umwelthygiene/Umweltmedizin ist es (bei der Information über Umwelteinflüsse und -faktoren), ein sachgerechtes Maß an Besorgtheit hervorzurufen, das zwar zum gesundheitsgerechten Handeln führt, nicht aber dies mit „unnütz“ hohem emotionalen Aufwand verbindet. Risikokommunikation bewegt sich zwischen wissenschaftlicher Erkenntnis, technischem Instrumentarium und einer sensibilisierten Öffentlichkeit (Medien).

Eine angemessen geführte Risikokommunikation ist unbedingt zu gewährleisten. Unabhängig davon, ob die Risiken für Umwelt und Gesundheit tatsächlich zunehmen oder ob die Sensibilität für Gefährdungen nur gesteigert ist. Die Bevölkerung muss frühzeitig über Tatsachen allgemein verständlich informiert werden, damit „Umweltangst“ kein eigenständiges Gesundheitsrisiko wird. Beispielsweise werden scheinbare oder reale Umweltkatastrophen häufig erst dann thematisiert, wenn entweder die Gefahren schon vorüber sind oder sich eine Problemsituation nicht mehr länger verbergen lässt. Aspekte einer erfolgreichen (umweltmedizinischen) Risikokommunikation sind:

Fairness der Kommunikation

Richtigkeit und Vollständigkeit der Informationen über die Risiken

Vermittlung von bewertungsrelevantem Wissen

Relevanz von Risikovergleichen

Angebote sach- und fachlich korrekter sowie kompetenter Hilfe

Gemeinsames Erarbeiten von Strategien zur Konfliktlösung

Initiierung von Verhaltensänderungen und Vorsorgemaßnahmen

Exkurs Toxikopie (Kopie einer toxischen Reaktion):

Von Toxikopie oder Toxikopie-Reaktionen spricht man dann, wenn gesundheitliche Reaktionen auftreten, ohne dass relevante Schadstoffkonzentrationen vorliegen. Die Reaktionen treten in Abhängigkeit vom subjektiven Schadstoffbedrohungsgefühl und dem Wissen um die bei Exposition zu erwartenden gesundheitlichen Reaktionen auf. So können Toxikopie-Reaktionen als Folge von Umweltängsten als Sonderfälle eines allgemeinen Umweltbewältigungsprinzips beschreiben werden. Die Reaktionen entsprechen in etwa den bei tatsächlicher Schadstoffexposition zu erwartenden Reaktionen.

Wesentlich ist, dass eine Diagnose „Toxikopiebedingte Erkrankung“ nur als eine Ausschlussdiagnose gestellt werden darf. Es ist daher immer vor einer solchen Diagnose nachzuweisen, dass keine toxischen Wirkungen vorliegen.

1.3.5 Ziel-, Richt- und Grenzwerte

Die Situation der Umwelt hat sich in den letzten zwanzig Jahren nicht deutlich verbessert. Allerdings gab es doch einige Erfolge der Umweltpolitik wie z. B. in der Luftreinhaltung. Auswirkungen des Klimawandels, des Verlustes an biologischer Vielfalt sowie von Bodenbelastungen und Landschaftseingriffen zeigen sich freilich immer deutlicher. Charakteristisch für diese Umweltprobleme sind ihre Internationalität, ihre Langfristigkeit und die Komplexität ihrer Ursache-Wirkungs-Beziehungen. In seiner Gesamtheit wird der Naturhaushalt strapaziert, überlastet, ausgebeutet und seine Eigengesetzlichkeit vernachlässigt. In Folge sind neben irreversiblen ökologischen Verlusten Schäden für die Gesundheit der Menschen zu erwarten.

Ziel von Regelungen im Umweltbereich ist es, neben Schädigungen von Ökosystemen gesundheitliche Beeinträchtigungen der Bevölkerung hintanzuhalten. Dazu dienen u.a. Empfehlungen (Richtwerte) und gesetzliche Festlegungen (Grenzwerte). Umweltstandards stellen nach wie vor das wirksamste Instrument dar, um umweltpolitische Entscheidungen entsprechend umzusetzen.

Wie bereits ausgeführt ist zu beachten, dass sich die Bevölkerung aus Personengruppen zusammensetzt, die unterschiedliche Empfindlichkeit gegenüber Umweltexpositionen aufweisen. Besonders sensitive Gruppen sind z. B. Kinder, ältere Personen und Kranke. Diese Variabilität ist daher auch bei der Richt- und Grenzwertfestlegung zu berücksichtigten.

Richtwerte sind auf wissenschaftlicher Basis (Risikoabschätzung) abgeleitete Werte. Diese werden anschließend einem administrativ-politischen Prozess unterzogen und fließen in Grenzwerte ein.

Grenzwerte sind gesetzlich festgelegt und gehören zu den Instrumentarien des Umweltrechts, mit dessen Hilfe umweltpolitische Ziele in die Praxis umgesetzt werden können. Sie können zur Vermeidung unmittelbarer Gesundheitsgefahren, zur Vorsorge oder zur Minderung von Belastungen der Umwelt ausgelegt sein.

Grenzwerte sind keine wissenschaftlich bestimmten oder abgeleiteten Größen. Sie haben vielmehr den Charakter von Konventionen auf der Basis wissenschaftlicher Risiko-Abschätzung und gesellschaftlicher Kompromisse über die Vertretbarkeit von Risiken.

Unter Zielwert ist ein Wert (z. B. in einem Gesetz) zu verstehen, der mit dem Ziel festgelegt wird, schädliche Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und/oder die Umwelt insgesamt langfristig zu vermeiden, und der – so weit wie möglich – in einem bestimmten Zeitraum erreicht werden muss.

Beispiel Ozon: Das österreichische Ozongesetz regelt mittels Grenzwerten den Umgang mit erhöhten Ozonkonzentrationen. Zur Vermeidung kurzzeitiger Höchstkonzentrationen von bodennahem Ozon wurden Einstunden-Mittelwerte (180 μg/m3 Informationsschwelle, 240 μg/m3 Alarmschwelle) festgelegt. Kurzzeitige „Ozonspitzen“ verursachen jedoch nur etwa 3% der Schadwirkungen, während die Langzeiteinwirkungen durchschnittlicher Konzentrationen für 97% der Schadwirkungen verantwortlich sind. Daher ist die Absenkung längerfristiger mittlerer Ozonkonzentrationen in der Luft sehr wichtig und nicht nur die Vermeidung kurzfristiger Ozonspitzenwerte. Dazu empfiehlt die Österreichische Akademie der Wissenschaften 120 μg/m3 als maximalen Achtstunden-Mittelwert für den vorsorgenden Gesundheitsschutz, der jedoch „nur“ als Zielwert im Ozongesetz angeführt ist.

1.3.6 Prävention/Vorbeugung (prevention) und Vorsorge (precaution)

Die beiden Begriffe „Prävention/Vorbeugung“ und „Vorsorge“ liegen inhaltlich dicht beieinander, haben eine gemeinsame Schnittmenge und werden manchmal auch synonym verwendet. Für eine Diskussion und Definition der Begriffe ist es sinnvoll, eine Trennlinie zu ziehen. Erste Hinweise liefert die Herkunft der Begriffe. „Prävention“ bedeutet wörtlich „Zuvorkommen“; der Begriff ist vor allem im Gesundheits- und Rechtswesen von Bedeutung und meint Vorbeugung, Verhütung (einer Krankheit, eines Verbrechens).

Prävention beruht auf Erkennung und Reduktion bzw. Beseitigung von Schadeinflüssen sowie der Ausschaltung oder Reduktion von Krankheit begünstigenden Bedingungen.

„Vorsorge“ wird als vorausschauende Fürsorge definiert und unterscheidet sich damit um eine Nuance, da weniger eine bestimmtes Ereignis vermieden, als ein Gut (z. B. die menschliche Gesundheit, eine intakte Umwelt) erhalten werden soll. Der Begriff „Vorsorge“, wie er sich vor allem im internationalen Umweltrecht entwickelt hat, bezieht sich ausschließlich auf vorausschauende Maßnahmen, die ergriffen werden, wenn bezüglich dem Bestehen einer Gefahr oder eines Risikos eine wissenschaftliche Unsicherheit besteht. Es ist dies die engere Fassung des Begriffs.

Das entscheidende Merkmal der Vorsorge im engeren Sinne ist die Tatsache, dass über die mögliche schädliche Wirkung eines Stoffes oder einer Aktivität oder über die Eintretenswahrscheinlichkeit oder die Größe eines möglichen Schadens (noch) keine Aussage mit der nötigen Sicherheit gemacht werden kann. Die Vorsorge will also eine Anleitung zum Umgang mit wissenschaftlicher Unsicherheit geben. Sie orientiert sich dabei am verfügbaren wissenschaftlichen Wissen, am Grad des Nichtwissens und an außerwissenschaftlichen Werten. Allgemein wird jedoch anerkannt, dass zumindest glaubwürdige Indizien für die Möglichkeit einer Gefährdung vorliegen müssen, bevor die Vorsorge zum Zuge kommt. Die europäische Kommission definiert wissenschaftliche Unsicherheit wie folgt:

„Eine wissenschaftliche Unsicherheit ergibt sich in der Regel aus folgenden fünf Merkmalen der wissenschaftlichen Methode: aus den gewählten Variablen, den vorgenommenen Messungen, den gezogenen Stichproben, den verwendeten Modellen oder dem zugrunde gelegten Kausalzusammenhang. Eine wissenschaftliche Unsicherheit kann sich auch daraus ergeben, dass Uneinigkeit darüber besteht, wie die vorliegenden Daten zu deuten sind, oder dass einige wichtige Daten fehlen. Die Unsicherheit kann sowohl mit qualitativen als auch mit quantitativen Elementen der Analyse zusammenhängen.“

Wenn eine Gefahr gut bekannt ist, kann jede einschlägige Regulierung eine präventive Maßnahme sein, doch es handelt sich dann nicht um Vorsorge, da die wissenschaftliche Unsicherheit ja überwunden ist.

Die umwelthygienische Präventionsstrategie beruht auf dem Konzept des Minimierungsgebotes verdächtiger Expositionen. Eine Minimierung von Schadstoffeinwirkungen lässt sich durch Vorsorgemaßnahmen erreichen. Prävention beruht auf Erkennung und Reduktion bzw. Beseitigung von Schadeinflüssen sowie der Ausschaltung oder Reduktion von Krankheit begünstigenden Bedingungen.

International haben sich zwei praktische Vorsorgeprinzipien bewährt: ALARA (engl.: As Low As Reasonably Achievable) und ALATA (engl.: As Low As Technically Achievable).

Die Bezeichnung „ALARA“ steht für „so niedrig wie vernünftigerweise erreichbar“. In der Praxis geht es darum, die Exposition von Menschen (auch unterhalb von Grenzwerten) so gering zu halten, wie dies mit vernünftigen Mitteln machbar ist.

ALATA steht für „so niedrig wie technisch machbar“. Das ALATA-Prinzip fordert, die Exposition von Menschen (auch unterhalb von Grenzwerten) so gering zu halten, wie dies mit technischen Mitteln machbar ist. Beispielsweise findet das ALATA-Prinzip Anwendung in Technischen Richtkonzentrationen (TRK) bei krebserzeugenden Substanzen.

1.3.7 Umweltethik und Umweltgerechtigkeit

Bedingt durch die globale Umweltzerstörung hat die Umweltethik – als eine Teildisziplin der angewandten Ethik – in den letzten Jahrzehnten zunehmend an Bedeutung gewonnen. Umweltethik fragt nach dem sittlich guten Umgang des Menschen mit der (nicht-menschlichen) Natur. Man könnte auch formulieren: „Umweltethik sucht, begründet und entfaltet Kriterien für den menschlichen Umgang mit der Natur“ (Wolfgang Lienemann).

Umweltgerechtigkeit ist ein bei uns noch eher wenig bekannter Begriff, der ursprünglich aus den Vereinigten Staaten stammt (environmental justice). Es geht dabei um das Themenfeld Umwelt, Gesundheit und soziale Lage, also die soziale (Ungleich-)Verteilung von Umweltbelastungen und -ressourcen sowie der gesundheitlichen Folgen. Ein Beispiel für die sozialräumliche Ungleichverteilung von Umweltbelastungen, das weitere Gerechtigkeitsfragen aufwirft: Sozial schwache Menschen, die sich kein Auto leisten können, wohnen nicht selten an viel befahrenen Straßen und sind so einem erhöhten Gesundheitsrisiko ausgesetzt. Eventuell sind auf diesen Straßen auch gut situierte Pendler unterwegs, die auf dem Weg von der Arbeit in der Stadt nach Hause sind, ins Haus im Grünen am Stadtrand.

Auch die Tatsache, dass Menschen mit niedrigem Sozialstatus zu Hause häufiger viel beworbene Produkte verwenden, deren Nutzen fraglich ist und die die Innenraumluft belasten (z. B. Raumsprays, Desinfektionsmittel), fällt unter „Umweltungerechtigkeit“.

Das Bemühen um mehr Umweltgerechtigkeit stellt ein Arbeitsfeld von Public Health dar.

1.4 Umweltmedien / Problemfelder

Folgende Umweltmedien und Problemfelder und deren Wechselwirkungen mit dem Menschen werden exemplarisch behandelt: Wasser, Boden, Abfall, Luft, Strahlung, Klima, Lärm, Ernährung sowie Verkehr, Arbeitsplatz, Wohnen, Freizeit.

1.4.1 Luft

Von Hans-Peter Hutter und Peter Wallner

Die natürlichen Hauptbestandteile trockener Luft sind Stickstoff (78%), Sauerstoff (21%), Argon (0,9%), Kohlenstoffdioxid (0,04%) und verschiedene Spurengase (Edelgase etc.) sowie geringe Mengen radioaktiver Spurenstoffe und biologische Teilchen (Mikroorganismen, Pflanzenteile).

Hauptverursacher anthropogener Luftbelastung sind Industrie (Energiewirtschaft, chemische Industrie), Verkehr, Hausbrand und Landwirtschaft. Die emittierten Luftschadstoffe können in gasförmige und feste Stoffe eingeteilt werden:

Kohlenstoffmonoxid (CO), Stickstoffoxide (NO, NO2), Schwefeldioxid (SO2), Kohlenwasserstoffe (u.a. Benzol, Benzo(a)pyren, Fluorchlorkohlenwasserstoffe [FCKW]) und Ozon [Photooxidantien]).

Feinstaub folgender Herkunft: Verbrennungsprozesse, Umwandlung von Gasen, mineralische (Quarz, Asbest), metallische und radioaktive Staubarten, biogene Stäube (Pollen, Pilzsporen), usw.

Nach einer Definition der WHO liegt eine Luftverunreinigung vor, wenn sich ein oder mehrere Stoffe oder Stoffgemische in solchen Mengen und so lange in der Außenluft befinden, dass sie für Menschen, Tiere, Pflanzen oder Eigentum schädlich sind, zur Schädigung beitragen oder das Wohlbefinden oder die Besitzausübung unangemessen stören können.

Die Wichtigkeit der Luftreinhaltung ist in der österreichischen Bevölkerung tief verankert. Nach Meinung der Österreicher/innen ist die Luftreinhaltung als eines der vordringlichsten Umweltproblem anzusehen.

Smog: Luftzustand, bei dem sich durch eine Inversion der üblichen Luft-Schichtung warme Luft über kalte Bodenluft schiebt. Bei Windstille und fortgesetzten Emissionen (z. B. SO2, NOx, Staub) steigen die Konzentrationen der Schadgase an, so dass direkte Auswirkungen auf die Gesundheit der Bevölkerung zu beobachten sind (z. B. Atemwegserkrankungen).

Sommersmog: Photochemischer Smog („LA Smog“) entsteht durch sogenannte Vorläufersubstanzen, vor allem Stickstoffoxide (NOx) und flüchtige organische Verbindungen (Kfz-Verkehr) unter intensiver Sonneneinstrahlung im Sommer. Es bildet sich bodennahes Ozon (O3) als der wichtigste Schadstoff, der durch diese fotochemische Reaktion entsteht. Gleichzeitig kommt es zur Bildung weiterer sehr reaktiver Schadstoffe (z. B. Formaldehyd, Peroxyacetylnitrat, Salpetersäure).

Wintersmog: Der „London Smog“ entsteht durch SO2-Emissionen bei der Verbrennung schwefelhaltiger Brennstoffe in der Industrie und in Haushalten.

Exkurs: Smog-Katastrophe in London (The Great Smog, 5. – 9. Dezember 1952)

In London sind Inversionswetterlagen häufig. So kam es auch im Dezember 1952 aufgrund einer Hochdruckzone im Süden Englands zur einer Inversionswetterlage. Bodennahe kalte Luft strömte nach London. Kältebedingt wurde in den Haushalten stärker geheizt und so entsprechend massive Kohlenrauch-Emissionen produziert (Hausbrand). Zusätzliche Emissionen kamen aus den Fabriken, Kraftwerken und dem Verkehr. Die emittierten Schadstoffe (SO2, Ruß, etc.) konnten aufgrund der Inversionswetterlage nicht abtransportiert werden, so dass sich die Konzentration immer weiter erhöhte (maximale SO2-Konzentration: 3,82 mg/m3). Zusätzlich kühlte sich die feuchte Luft bis auf den Kondensationspunkt ab und starke Nebelbildung setzte ein (Sichtweite weniger als ein halber Meter). Das SO2 reagiert mit dem Wasser zu Schwefelsäure.

Die Sterberate in London hatte sich in den wenigen Tagen fast verdreifacht, wobei bestimmte Bevölkerungsgruppen besonders stark betroffen waren. (z. B. stieg die Sterberate in der Gruppe der 65-75-Jährigen deutlich). Auch chronisch Lungenkranke waren schwer betroffen. Verschiedenen Berechnungen zufolge verstarben innerhalb weniger Tage zwischen 4.000 und 12.000 Menschen an den Folgen des Smogs.

Chemische Stoffe schädigen bei Inhalation die Atemwege in charakteristischer Weise, die einerseits vom Ausmaß ihrer Wasserlöslichkeit und andererseits von den pathophysiologischen Reaktionsmöglichkeiten der Abschnitte des Atemtraktes (Abb. 3) abhängt.

Abb. 3 Angriffsorte von Reizstoffen im Respirationstrakt.

Moleküle mit hoher Wasserlöslichkeit schlagen sich auf den feuchten Schleimhäuten sehr schnell nieder und gelangen kaum über die Trachea hinaus. Bei mittlerer Löslichkeit werden auch tiefere Abschnitte (Bronchien, Bronchioli) erreicht. Bei sehr geringer Wasser-, aber hoher Lipidlöslichkeit gelangen die Gase bis in die Alveolen.

Exkurs Feinstaub

Staub (atmosphärisches Aerosol, PM: Particulate Matter) zählt zu den klassischen Luftverunreinigungen. Partikel sind feste und flüssige Teilchen in der Luft. Sie können in Hinblick auf ihre Größe in ultrafeine (Durchmesser 0,005-0,1 μm; z. B. enthalten im Dieselabgas), feine (0,1-1 μm; z. B. enthalten in Verkehrsaerosolen mit Nitrat oder Sulfat) und grobe Partikel (110 μm und größer; z. B. Pollen) eingeteilt werden. Die Partikel werden in Mikrometer gemessen und ihre Größe wird tief gestellt nach der Abkürzung angeführt, z. B. PM10, PM2,5 oder PM1,0.

Abb. 4 Der Gesamtschwebstaub (TSP) umfasst alle luftgetragenen Staubteilchen. Feinstaub (PM10) ist eine Teilmenge von TSP und bildet die nächstkleinere Größenordnung. Noch kleiner sind PM0.1 und PM2.5 – jeweils als Teilmengen von PM10.

Bei der Partikelgröße ist zu berücksichtigen, dass Schwebstaubpartikel sehr unregelmäßige Gestalt haben können. Für die Eindringtiefe in den Atemtrakt ist der strömungstechnische Durchmesser der Teilchen relevant. So können z. B. lange und schmale Teilchen (Fasern) tiefer in den Atemtrakt eindringen als es ihrer größten Längsausdehnung entspricht.

Der aerodynamische Durchmesser ergibt sich aus folgender Formel:

Dabei bezeichnet μ die Zähigkeit des Mediums, vs die Sinkgeschwindigkeit, g die Schwerebeschleunigung und Δƿ die Dichtedifferenz zwischen Partikel und Medium (diese wird meistens mit 1 g/cm3 angenommen). Bei sehr kleinen Partikeln (unter 1 μm), muss diese Formel korrigiert werden (Cunningham Korrektur). Bei Teilchen, die von der Kugelgestalt abweichen, kann die Sinkgeschwindigkeit durch Messung oder Berechnung ermittelt werden.

Als aerodynamischen Äquivalentdurchmesser bezeichnet man den Durchmesser eines Teilchens beliebiger Form und Dichte, der jenem Durchmesser entspricht, den eine Kugel mit der Dichte 1 g/cm3 bei gleicher Sinkgeschwindigkeit (in ruhender Luft) hätte.

Die Aufnahme in den Atemtrakt hängt von einigen Parametern ab. Je nach Atembedingungen (Atemparameter, Mund- oder Nasenatmung) ändert sich diese Charakteristik. Für normative Zwecke wurden Kennlinien für einatembaren, extrathorakalen und thorakalen Staub (letztgenannter nochmals unterteilt in tracheobronchialen und alveolengängigen Anteil) definiert. Dabei ist medizinisch bedeutsam, dass nicht jeder Anteil des atembaren Staubes die gleichen Wirkungen besitzt und besonders die Partikelgröße für die Ausprägung gesundheitlicher Effekte von Bedeutung ist.

Je kleiner die Teilchen sind, umso tiefer gelangen sie in den Atemtrakt und desto größer ist ihre potenzielle Gefährlichkeit. Im Blickpunkt stehen derzeit Feinstäube mit einem Durchmesser kleiner als 0,1 μm, die sogenannten ultrafeinen Partikel (PM0,1). So gibt es Anhaltspunkte, dass ultrafeine Partikel eine besonders hohe akute Toxizität aufweisen. Zudem können ultrafeine Partikel als Vehikel für toxische Substanzen dienen, die nach Adsorption an die Partikel tief in die Lunge getragen werden.

Ultrafeine Partikel entstehen besonders bei Verbrennungsprozessen und sind daher überwiegend anthropogener Natur. Eine wichtige Feinstaubquelle der Außenluft ist der Kraftfahrverkehr und hier insbesondere der von Dieselmotoren emittierte Ruß. Nach aktuellen Messungen ist die Zahl ultrafeiner Partikel in der Umgebungsluft in den letzten Jahren angestiegen, obwohl die Staubemissionen insgesamt deutlich zurückgegangen sind. Ultrafeine Teilchen leisten nur einen geringen Beitrag zur Masse eines Aerosols und werden daher in der bisherigen Bewertung von Luftverunreinigungen durch Schwebstäube praktisch nicht berücksichtigt.

Gesundheitliche Wirkungen von Feinstaub lassen sich in kurzfristige (akute) und langfristige (chronische) Effekte unterteilen: So führen kurzfristige Erhöhungen von PM10 zu erhöhter Sterblichkeit, vermehrten Krankenhausaufnahmen, besonders wegen Atemwegs- und Herz-Kreislauferkrankungen, vermehrtem Auftreten von Atemwegssymptomen und erhöhter Medikamenteneinnahme bei Asthmakranken sowie zu verminderter Lungenfunktion.

Langzeitwirkungen von Feinstaub auf die Gesundheit wurden mittels Querschnittsstudien und Kohortenuntersuchungen mit individueller Kontrolle für Störfaktoren analysiert. So zeigte sich beispielsweise bei einem Anstieg der Exposition um 10 μg/m3 PM10 im Jahresmittel eine Erhöhung der Prävalenz der Bronchitis bei Kindern um etwa 20 bis 40%. Langzeitstudien belegen, dass Bevölkerungsgruppen in staubbelasteter Luft eine geringere Lebenserwartung haben. Die Europäische Umweltagentur schätzt, dass 2014 in der EU etwa 400.000 vorzeitige Todesfälle auf Feinstaub (PM2,5) zurückzuführen waren (Europäische Umweltagentur, 2017). Auch in Österreich stellt Feinstaub derzeit das größte umweltmedizinische Problem dar.

Feinstaub bzw. Luftverschmutzung generell haben daher einen enormen gesundheitlichen Impact. Die IARC (International Agency for Research on Cancer) der Weltgesundheitsorganisation hat 2013 Luftverschmutzung offiziell als krebserregend für den Menschen eingestuft (Kategorie 1). Diese Einstufung basiert vorwiegend auf den Daten zu Feinstaubeffekten.

Gesundheitsbenefit durch Feinstaub-Reduktion

Im europäischen Projekt APHEIS (Air Pollution and Health: A European Information System), ein Zusammenschluss von über 30 Städten, versuchte man, die gesundheitlichen Vorteile abzuschätzen, die aus realistischen Szenarien der Immissionsminderung resultierten.

In Wien ließen sich beispielsweise jährlich je nach eingesetztem Model bis zu 335 nichttraumatische Todesfälle vermeiden, wenn man die PM10-Belastung um 5 μg/m3 reduzierte (basierend auf Luftmessdaten des Jahres 2002).

1.4.2 Klima

Von Hans-Peter Hutter und Peter Wallner

Die Atmosphäre ist ein Teil der Umwelt, mit dem sich der menschliche Organismus dauernd auseinander setzen muss, um ein Gleichgewicht seiner Lebensfunktionen zu erhalten. Die Reaktionen des Organismus lassen sich dabei als Reizantwort auf physikalische und chemische Zustandsänderungen auffassen. Unter „Klima“ versteht man die Gesamtheit der meteorologischen Erscheinungen, die den mittleren Zustand der Atmosphäre an irgendeiner Stelle der Erdoberfläche kennzeichnen. Das Wort Klima ist also ein Sammelbegriff für alle Vorgänge in der Atmosphäre, an einem bestimmten Ort, über einen längeren Zeitraum. Klima darf auf keinen Fall mit „Wetter“ oder „Witterung“ gleichgesetzt werden. Das Wetter ist zwar auch ein Sammelbegriff für meteorologische Vorgänge, jedoch unterscheiden sich diese beiden Begriffe bezüglich ihrer zeitlichen Gültigkeit:

Wetter: momentaner Zustand der Atmosphäre (1 Stunde, 1 Tag).

Witterung: Charakter des Wetters über einige Tage oder eine Jahreszeit.

Klima: mittlerer Zustand der Atmosphäre (z. B. 30-40 Jahre).

Tab. 1 Direkte und indirekte Gesundheitseffekte des Klimawandels und deren Prognosesicherheit in Österreich.

Effekte des Klimawandels auf die Gesundheit

Relative Sicherheit

Direkte Effekte

durch erhöhte Frequenz und stärkere Ausprägung von temperaturbezogenen Extremwetterereignisse wie Hitzeperioden, Stürmen

am höchsten

durch erhöhte Frequenz und stärkere Ausprägung von niederschlagsbezogenen Extremwetterereignissen und deren Folgen: Überschwemmungen, Muren etc.

hoch

Indirekte Effekte

verstärktes Auftreten von „alten” und „neuen” Vektor-Krankheiten

niedrig

Zunahme an Allergien durch stärkere Verbreitung pflanzlicher Allergene

niedrig

neue Herausforderungen im Gesundheitswesen durch erhöhte Migrationsbewegungen

am geringsten

Meteorologische Information allein hat noch keine biologisch-medizinische Bedeutung. Im Hinblick auf die Effekte atmosphärischer Bedingungen auf Gesundheit, Wohlbefinden und Leistungsfähigkeit ist vielmehr regelmäßig eine Transformation der „primären“ Informationen in eine biologisch relevante erforderlich. Nicht nur die Lufttemperatur ist für den menschlichen Wärmehaushalt bedeutsam, sondern auch die komplexen Bedingungen der Wärmeabgabe, die mittels Angaben über Windverhältnisse, Luftfeuchtigkeit sowie kurz- und langwelliger Strahlungseinflüsse vollständig und gleichzeitig mitbeschrieben werden müssen.

Wetter- und Klimafaktoren können die subjektive Befindlichkeit des Menschen negativ (wie z. B. Schlafstörungen bei Durchzug von Kaltfronten) und positiv (z. B. Kurorte) beeinflussen. Besonders in den Bereichen Wohnen und Arbeit sind Auswirkungen von Klimafaktoren (= Lufttemperatur, Luftfeuchtigkeit, Luftbewegung, Luftdruck) auf Wohlbefinden, Leistungsfähigkeit und Gesundheit untersucht worden.

Neben diesen unmittelbaren Effekten des Klimas auf die Gesundheit sind auch globale Klimaänderungen durch den Treibhauseffekt von Bedeutung (siehe auch ⇒ 4.2.3.3). Die Veränderungen des Klimas zeigen sich auch in Österreich deutlich: Seit 1880 ist die Temperatur in Österreich um fast 2°C gestiegen. Aus ärztlicher Sicht sind u.a. folgende gesundheitliche Auswirkungen zu berücksichtigen (Tab. 1):

Extreme Wetterereignisse wie Stürme, Niederschläge und Überschwemmungen, sowie Dürreperioden und Feuer haben massive Gesundheitsauswirkungen. Durch die Zerstörung von Lebensgrundlagen (Existenz, Wohnungen, Häuser) kommt es zur Vertreibung von Menschen aus ihren Siedlungsregionen („Klimaflüchtlinge“) und den damit verbundenen Gesundheitsproblemen (z. B. posttraumatische Belastungsstörung, Posttraumatic Stress Disorder). Die gesundheitlichen Folgen dieser Belastungsstörungen sind vielfältig und reichen von Konzentrations- und Schlafstörungen über Angstzustände und Depressionen bis hin zum Suizid. Weiters können Wetterextreme die Ausbreitung von Krankheiten fördern. Durch Überschwemmungen können z. B. mit den Abwässern Krankheitserreger (Durchfallerkrankungen) in Trinkwasserreservoire geschwemmt werden.

Negative Gesundheitseffekte aufgrund sommerlicher Hitzebelastung: Hitzewellen führen zu einer erhöhten Sterblichkeit, wie der heiße Sommer 2003 eindrücklich gezeigt hat. So wurden in Frankreich im August 2003 14.800 zusätzliche Todesfälle beobachtet, in Europa mehr als 70.000. Auch für Österreich konnte ein Anstieg von Todesfällen beobachtet werden. Betroffen sind ältere Menschen, Personen mit Atemwegs- und Herz-Kreislauferkrankungen und Kleinkinder (eingeschränkte Anpassungskapazität). Andererseits könnten in Ländern mit gemäßigtem Klima wie beispielsweise Großbritannien aufgrund der Klimaerwärmung allerdings bei milderen Wintern weniger Kältetode zu beklagen sein.

Luftverunreinigungen: Bei hohen Temperaturen bzw. höherer UV-Einstrahlung steigt die Ozon-Konzentration, was entsprechende Effekte auf die respiratorische Gesundheit der Bevölkerung hat. Außerdem kann eine wärmere, feuchtere Witterung auch zu höheren Konzentrationen von Pollen und Schimmelpilzsporen in der Luft führen und damit zu vermehrten Beschwerden bei Allergikern beitragen.

Höhere UV-Einstrahlung: Es wird eine Zunahme von UV-strahlungsbedingten Haut- und Augenerkrankungen wie Bindehautentzündungen und Katarakt erwartet.

Höhere Temperaturen können auch die Ausbreitung bestimmter Infektionskrankheiten begünstigten (siehe ⇒ 4.2.3.3).

Mit dem vierten Sachstandsbericht des Zwischenstaatlichen Ausschusses für Klimaänderung (Intergovernmental Panel on Climate Change – IPCC) wurden immer weitreichendere Auswirkungen von Veränderungen des derzeit herrschenden Klimas für Europa dokumentiert (Arbeitsgruppe II, IPPC, 2007). Die internationalen ExpertInnen sind sich einig, dass sich die aktuellen Auswirkungen des Klimawandels in den kommenden Dekaden verstärken werden. Selbst eine noch so zügige Umsetzung von Maßnahmen zum Klimaschutz könnte daran nichts ändern.

Der fünfte Sachstandsbericht (2015) bestätigt, dass sich das Klima gegenwärtig ändert und dies vorwiegend auf menschlichen Einflüssen basiert. Die Folgen des Klimawandels sind bereits heute speziell in natürlichen Systemen der Kontinente und Ozeane, aber auch in sozio-ökonomischen Systemen zu beobachten. Für Österreich hat das Austrian Panel on Climate Change (APCC) u.a. einen eigenen Sachstandsbericht (2014) veröffentlicht.

Ein ungebremster anthropogener (durch den Menschen herbeigeführter) Klimawandel – also ohne zusätzliche Maßnahmen zur Vermeidung von Emissionen – hätte bis zum Jahr 2100 einen Anstieg der Temperatur von 3-5°C im globalen Mittel und gewaltige Auswirkungen für die Menschheit zur Folge. Rascher und entschiedener Klimaschutz in den nächsten Jahrzehnten könnte die globale Erwärmung auf 2 Grad Celsius begrenzen und damit die Klimawandelrisiken langfristig mindern. Allerdings können nicht alle negativen Folgen vermieden werden. Daher sind Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel notwendig. Ebenfalls ist klar, dass verzögertes Handeln die Risiken und Kosten des Klimawandels und der Gegenmaßnahmen erhöhen würden.

Aus diesem Grund gewinnt neben dem Klimaschutz die Anpassung an den Klimawandel zunehmend an Bedeutung. Unter Anpassung sind in dieser Studie alle Aktivitäten zu verstehen, die gesellschaftliche Akteure in natürlichen und/oder sozialen Systemen als Reaktion auf aktuelle oder zu erwartende klimatische Stimuli oder deren Effekte setzen, um Schäden zu mildern oder um mögliche Chancen zu nützen, die sich aus dem Klimawandel ergeben.

1.4.3 Strahlung und Mutagentien

Von Hans-Peter Hutter und Peter Wallner

1.4.3.1 Spektrum elektromagnetischer Felder

Das Spektrum elektromagnetischer Felder (EMF) wird nach verschiedenen Gesichtspunkten unterteilt. Eine Unterteilung bezieht sich auf die Energie der Photonen. In diesem Sinne spricht man von ionisierender und nicht-ionisierender Strahlung (statisches Feld, niederfrequentes und hochfrequentes Feld, Infrarot, sichtbares Licht, UV-Strahlung), wobei UV-Licht (bis 200 nm Wellenlänge) den Grenzbereich bildet.

Tab. 2 Frequenzbereiche und Wellenlängen elektromagnetischer Schwingungen.

f : femto (10-15), n: nano (10-9), k: kilo (103), G: Giga (109), T: Tera (1012), P: Peta (1015)

1.4.3.2 Nicht ionisierende Strahlung

Nicht ionisierende Strahlung wird in nieder- und hochfrequente elektromagnetische Felder eingeteilt, wobei die Abgrenzung meistens mit 30 kHz angegeben wird (Tab. 2).

Bei niederfrequenten Feldern sind die Stärken des elektrischen und des magnetischen Feldes getrennt zu berücksichtigen. Die Stärke des elektrischen Feldes wird durch die elektrische Ladung beziehungsweise durch die Spannung im Stromkreis bestimmt, es ist also immer vorhanden, wenn ein Leiter unter Strom steht. Das magnetische Feld entsteht durch bewegte Ladungen und seine Stärke ist abhängig von der Stromstärke. Es tritt daher nur auf, wenn Strom fließt, also wenn ein Verbraucher aktiv ist.