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1766 Einblicke in menschliche Abgründe Eine Geschichte, die auf wahren Begebenheiten beruht und das Leben in Hohenlohe, Ende des 18. Jahrhunderts, beleuchtet. Der Nadler Johann Markus Schmid war lange Zeit ein angesehener Bürger von Weikersheim im Taubertal. Nach einem mysteriösen Treppensturz und später der Erkenntnis, dass es noch einen Mann im Leben seiner Ehefrau gab, schmiedete er einen teuflischen Plan. Am nächsten Morgen war seine Frau tot! Johann Markus Schmid musste daraufhin Weikersheim verlassen. In Hohebach, im Jagsttal, suchte er einen neuen Anfang und eine neue Heimat. Dort fand er auch seine große Liebe Adana, die ebenfalls eine rätselhafte Vergangenheit hat. Neben Hohebach sind in dem historischen Roman auch die Ortschaften Dörzbach, Meßbach und Laibach vertreten, sowie die Kapelle St. Wendel am Stein. Ebenfalls wird auf die geschichtlichen Ereignisse im Hohenloher Land, und speziell auch in Weikersheim, eingegangen
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Seitenzahl: 535
Veröffentlichungsjahr: 2019
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Des Henkers Gesicht ist immer gut versteckt!
Bob Dylan
aus dem Song 'A Hard Rain´s A-Gonna Fall'
Wir loben die gute alte Zeit, leben aber gerne in der Gegenwart.
Ovid (43 v. Chr. - 17 n. Chr.)
Wir sollten die gute alte Zeit nicht grundsätzlich loben! Wenn man sie kritisch beschaut, war auch sie nicht so lobenswert, wie oft, und auch noch teilweise heute, behauptet wird.
Die nachfolgende Geschichte wird es uns zeigen.
Die schönste aller Zeiten bleibt aber immer die Gegenwart, denn sie ist das Fenster, durch das Gott in unser Leben schaut!
Es bleibt aber die Zeit, die unser Leben birgt. Den Anfang, die Mitte und das Ende.
Der Herr über unsere Zeit ist der Herr über unser Leben.
...auch im Jahr 1766!
Ein historischer Roman, ein Heimatkrimi, ein Liebesroman, ein Mystikroman, ein Geschichtsbuch ...
… oder alles zusammen und bunt gemischt!
… aber eigentlich möchte ich dir nur eine Geschichte erzählen …
Prolog
Personen im Roman:
Der Mord von Hohebach
15 Monate vorher
Weikersheim im Taubertal Samstag, 2. Februar 1765 Maria Lichtmess
Weikersheim an der Tauber Sonntag, 3. Februar 1765
Weikersheim an der Tauber Montag, 4. Februar 1765
Weikersheim an der Tauber Dienstag, 5. Februar 1765
Das Urteil Gerichtssaal im Schloss zu Weikersheim Montag, 15. April 1765
Weikersheim an der Tauber Mittwoch, 17. April 1765
Weikersheim und im Taubertal Donnerstag, 18. April 1765
Dörzbach an der Jagst Freitag, 19. April 1765
Bauernhof Öchslen, Dörzbach Samstag, 20. April 1765
Dörzbach an der Jagst Donnerstag, 21. November 1765 am frühen Morgen
Zwischen Dörzbach und Hohebach St. Wendel am Stein Donnerstag, 21. November 1765
Gendarmerie Dörzbach Freitag, 22. November 1765
St. Wendel am Stein Freitag, 22. November 1765
Meßbach am Schloss Freitag, 22. November 1765
Hohebach an der Jagst 22. und 23. November 1765
Bachmühle zu Hohebach Dienstag, 10. Dezember 1765
Gasthaus Linde zu Hohebach Sonntag, 22. Dezember 1765 Am Abend
Jakobuskirche Hohebach und Gaststätte Linde Mittwoch, 25. Dezember 1765 Am Ersten Weihnachtsfeiertag
Hohebach an der Jagst Dienstag, 31.12.1765, Silvester
Hohebach, Jakobuskirche Sonntag, 5.1.1766
Hohebach, Obere Gasse Sonntag, 2. Februar 1766 Maria Lichtmess
Hohebach, Obere Gasse Montag, 3. Februar 1766
Hohebach an der Jagst Sonntag, 2. März 1766
Hohebach an der Jagst, Sonntagabend, 2. März 1766,
Pfarrhaus Hohebach Montag, 3. März 1766
Hohebach, Obere Gasse Montagabend, 3. März 1766
Hohebach, Obere Gasse 4. und 5. März 1766
Eine Hochzeit in Hohebach Ostersonntag, 30. März 1766
Hohebach, Steinerhaus und Gasthaus Zur Linde Dienstag, 29. April 1766
Hohebach, Obere Gasse Mittwoch, 30. April 1766
Weikersheim, Schloss Mittwoch, 14. Mai 1766
Auf Botengang in Hohenlohe von Weikersheim nach Hohebach Freitag, 16. Mai 1766
Hohebach an der Jagst Freitag, 16. Mai 1766 Am Abend
Zwischen Hohebach und Neuenstein Pfingstsamstag, 17. Mai 1766
Hohebach, Obere Gasse Am nächsten Tag
Kirchensall in Hohenlohe Pfingstsonntag 18. Mai 1766
Hohebach, Obere Gasse Pfingstmontag, 19. Mai 1766
Amtsstube Kirchensall und Neuenstein Pfingstmontag, 19. Mai 1766
Weikersheim, Wachbach und Laibach Am Mittag und Abend des 19. Mai 1766
Kirchensall in Hohenlohe, Dienstag, 20. Mai 1766
Hohebach an der Jagst Dienstag, 20. Mai 1766
Kirchensall in Hohenlohe Mittwoch, 21. Mai 1766
Hohebach, Obere Gasse Mittwoch, 21. Mai 1766
Hohebach an der Jagst Donnerstag, 22. Mai 1766
Weikersheim und Hohebach Freitag, 23. Mai 1766
Weikersheim, Gerichtssaal im Schloss Montag, 26. Mai 1766
Weikersheim, Gerichtssaal im Schloss Mittwoch, 28. Mai 1766
Weikersheim, Blaue Kappe Freitag, 30. Mai 1766
Weikersheim, Blaue Kappe Mittwoch, 4. Juni 1766
Weikersheim an der Tauber Blaue Kappe und Galgenberg Donnerstag, 19. Juni 1766
Hohebach, Wohnhaus Schmid Samstag, 28. Juni 1766
St. Wendel am Stein Samstag, 28. Juni 1766
Hohebach, Bachmühle Sonntag, 29. Juni 1766
Epilog
Deutsch - Hohebacherisch
Quellen/Literaturverzeichnis:
Prolog
Eine Geschichte von längst vergangenen Zeiten, die auf einer wahren Begebenheit beruht.
Fast vergessen.
Eine Geschichte von Menschen, die nicht mehr unter uns sind, aber irgendwann da waren und gearbeitet, gelacht, gesungen und geträumt haben.
Damit sie nicht ganz vergessen werden, habe ich die Personen, die lange vor unserer Zeit, wie auch wir heute, ihre Sorgen, Nöte und Ängste hatten, wieder auferweckt, ihnen wieder Leben eingehaucht. Aber nur für die Zeit, die der Leser durch die Lektüre dieses Buches mit ihnen verbringt oder in seinen Gedanken danach.
An dieser Stelle drängt sich mir die aberwitzige Frage auf: Was machen die Figuren in meinem Roman, wenn sie gerade von niemandem gelesen werden?!
Gleichzeitig beruhigt es mich aber, wenn ich das Gefühl habe, dass jemand mein Buch aufschlägt und beim Lesen die Personen in ihrem Leben verfolgt, mit ihnen leidet und manchmal sogar eine gewisse Sympathie für sie empfindet.
Sie persönlich wieder aufweckt.
Natürlich kommen in diesem Roman auch die Namen von Hohenloher und Hohebacher Bürgern vor.
Die Nachnamen haben sich bereits über Jahrhunderte gehalten.
Falls die Vornamen mit Personen identisch sind, mit denen wir unsere Zeit gemeinsam verbringen durften oder noch heute verbringen dürfen, so geschieht dies rein zufällig. Charakterliche oder persönliche Vergleiche heranzuziehen wäre völlig absurd.
Das gilt selbstverständlich für alle Namen in diesem Buch. Jedoch muss ich dabei eingestehen, dass es sich hierbei auch um Personen handelt, die ich tatsächlich ein kleineres oder größeres Stück in meinem Leben begleiten durfte oder noch begleiten darf. Aber die Figuren im Roman haben im 18. Jahrhundert gelebt, … nicht heute.
Die vorliegende Lektüre bleibt ein Roman, der zwar teilweise auf wahren Begebenheiten beruht, aber keinesfalls mit der wahren Identität oder Individualität dieser Personen korrespondiert.
Auch wenn man es manchmal glauben möchte.
Die Hohebacher Bürger sprechen einen wunderbaren hohenlohischen Dialekt, mit dem ich aufgewachsen bin. Ich habe ihn insbesondere von meinem Großvater, Johann Hirsch aus Hohebach, übernommen.
Diese Mundart wurde von mir, mit Rücksichtnahme auf den überörtlichen Leser, nur am Anfang entsprechend wiedergegeben. Nur auf den ersten Romanseiten und dann noch einmal kurz bei einem Gespräch im Mesnerhaus von St. Wendel am Stein.
Später bin ich dann grundsätzlich zur deutlich besser lesbaren Schriftsprache übergegangen.
Wer möchte, kann sich somit die Gespräche gedanklich in Dialektform vorstellen!
Insbesondere die Hohebacher oder wie man dort sagt, die Hohbächer.
Unrecht gab es schon immer und wird es immer wieder geben, Unrecht geschaffen von Menschenhand! Sei es aus Habgier, Eifersucht oder einfach nur aufgrund menschlicher Schwächen; die Folgen des Handelns wurden oft nicht eingesehen oder erst dann erkannt, wenn es bereits zu spät war.
Aber so ist es ja auch heute noch.
Und wenn es noch Zufälle gibt, dann hat sich die Geschichte tatsächlich genau so abgespielt, wie es in dem vorliegenden historischen Roman nachfolgend aufgeschrieben wurde. Aber es bleibt ein Roman!
Man muss nicht alles hinterfragen.
Ein historischer Roman reproduziert auch nicht die authentische Geschichte; er benutzt sie!
Aber selbst die Geschichtsschreibung ist keinesfalls eine unbewegliche, exakte Wissenschaft, sondern ein Prozess der Weiterentwicklung aufgrund zusätzlicher Erkenntnisgewinnungen.
Natürlich kann der Ablauf der Handlung deshalb auch etwas anders gewesen sein. Das wissen wir nicht und das ist gut so.
Ich glaube aber fest daran, dass es genau so war!
Hans G. Hirsch
Personen im Roman:
Friedrich Benz, Hohebach, Zimmerer auf Wanderschaft
Rolf Ehrmann, Weldingsfelden, Zimmerer auf Wanderschaft
Helmut Balbach, Salzsieder zu Schwäbisch Hall
Sybille Balbach, dessen Frau
Hermann Balbach, Altsiedenbesitzer zu Schwäbisch Hall
Johann Markus Schmid, Nadler und Bürger zu Weikersheim
und später Bürger zu Dörzbach und anschließend zu Hohebach
Johanna Schmid, geb. Horn, die Schmidin, dessen erste Ehefrau
Jupp Schaffer, Gendarm zu Weikersheim
Rudolf Kemmer, Gendarm zu Weikersheim
Dr. Harald Friedrich Köstler, Medikus zu Weikersheim
Christian Baltasar Schuster, Waldhüter zu Weikersheim
Emil Karl Pflüger, Metzgermeister zu Weikersheim
Carl Otto Dierolf, Kürschner zu Weikersheim
Bernhard Maximilian Gutöhrlein, Hutmacher zu Weikersheim
Theres Schwarzer, Bedienung in der Bastion zu Weikersheim
Frieder Brand, Nachtwächter zu Weikersheim
Johann Michael Ott, Zeugmacher und Bote zu Weikersheim
Käthe Ott, dessen Frau
Thomas Ott, beider Sohn
Albert Schimmel, Centgraf, vorsitzender Richter zu Weikersheim
Peter Kolb, Rechtsbeauftragter des Grafen zu Weikersheim
Magdalena Maria Allinger, später gen. Adana, die zweite Frau von
Johann Markus Schmid, Bürgerin von Eisenroth u. Hohebach
Maria Fode, Magd und Freundin von Magdalena Maria Allinger (Adana)
Linus Gaubatz, Müllergeselle und Bürger zu Weikersheim
Christoph David, Wasserwart und Amtsreiter zu Weikersheim
Hannes Schwarzer, Bäckermeister zu Weikersheim
Gerhard Neuber, Stadtapotheker und med. Gutachter zu Weikersheim
Fritz Öchslen, Bauer und zweiter Bürgermeister zu Dörzbach
Kurt Teuke, Finanzverwalter zu Dörzbach
Helmut Wunderlich, Schlossverwalter zu Dörzbach
Walter Raasch, Bauer und Winzer zu Dörzbach
Johanna Lenz, Wirtin des Gasthauses Zur Traube, zu Dörzbach
Norbert Rössler, Gendarm zu Dörzbach
Otto Knörzer, berittener Gendarm zu Krautheim
Die Alte, Mesnerin von St. Wendel am Stein zu Dörzbach
Michael Korn, Bildhauermeister zu Forchtenberg*
Hildegard von Bingen, Ordensschwester und Heilkundlerin*
Walter Schmeiser, Schlossfinanzverwalter zu Meßbach
Norbert Müller, Sporer zu Meßbach
Sepp Naber, Bauer zu Meßbach
Theodor Öhninger, katholischer Dorfherr*
Friedrich Karl von Eyb, Schlossherr zu Dörzbach
Elisabeth Müller, Wirtin der Gaststätte Zum Pflug, zu Meßbach
Heiner Benz, gen. der Mielenheiner, Bachmüller zu Hohebach
Dieter Benz, dessen Bruder und Schulmeister zu Ludwigsburg
Margret Benz, beider Schwester und Freundin von Rolf Ehrmann
Sebastian Freis, Bader zu Köln und später zu Hohebach
Hans Krummrein, Bauer zu Hohebach*
Bartel Bayer, Schafknecht zu Hohebach*
Johann Baumann, Bachmüller zu Hohebach*
Walter Hannemann, Bauer zu Hohebach
Michel Steiner, Zimmermann und Flöser zu Hohebach*
Marianne Koch, Freundin vom Mielenheiner, Bürgerin zu Hohebach
Karlheinz Koch, deren Vater, Winzer zu Hohebach
Hans Steiner, Jäger, Maler und Kunstsammler zu Hohebach
Annerl Steiner, Köchin, dessen Frau
Dieterich Buxtehude, Barockkomponist zu Lübeck*
Herbert Rimner, Bürgermeister zu Hohebach
Tobias Zeller, Schultheiß zu Hohebach
Konz Haag, Bachmühlenbesitzer zu Hohebach*
Jakob Riegel, Bachmühlenbesitzer zu Hohebach*
Fritz Karle, Lindenwirt zu Hohebach
Margret Karle, Lindenwirtin zu Hohebach
Werner Koch, Holzfäller zu Hohebach
Hans Schafhitzel, Wagner zu Hohebach
Frieder Metterer, Bäckermeister zu Hohebach
Heinrich Häfner, Jäger, Hofbesitzer und Bauer zu Hohebach
Lina Häfner, dessen Ehefrau, Bürgerin zu Hohebach
Hermann Gustav Wagner, gen. Hoppel, Bauer zu Eisenroth
Gudrun Wagner, dessen Ehefrau, Bürgerin zu Eisenroth
Lisa, Lina und Johannes Wagner, deren Kinder
Johann Philipp Gerner, Schulmeister zu Hohebach*
Sophie Margarete Gerner, dessen Ehefrau*
Johann August Reizele, Schulmeister zu Hohebach*
Christian Friedrich Knapp, Pfarrer zu Hohebach*
Fritz Göller, gen. Bolies, Amtsbote zu Hohebach
Michael Lösch, Glockengießer zu Morsbach*
Roland Göller, Nachtwächter zu Hohebach
Manfred Dehner, Nachtwächter zu Hohebach
Friedrich Lipp, Hofbesitzer und Bauer zu Hohebach
Emma Lipp, dessen Frau
Friedrich Mark, Schmied zu Hohebach*
Hans Hasenfuß, Schaf- und Ziegenknecht zu Hohebach*
Katharina Hasenfuß, dessen Frau
Karl und Frieda Hasenfuß, Bauersleute zu Hohebach
Fritz und Liesel Rhein, Bauersleute zu Hohebach
Gerda Otterbach, Hebamme zu Hohebach
Volker Julius Eckert, Erster Musiker und Organist zu Hohebach
Thomas Kozok, Weber und Stoffhändler zu Hohebach
Balthes Schneider, Maurermeister zu Hohebach
Helene Schneider, dessen Frau
Heinz Baudermann, Schustermeister zu Hohebach
Joseph II., Kaiser des Heiligen Römischen Reiches*
Maria Theresia, Regentin der Habsburgermonarchie*
Rainer Zott, Bäckermeister zu Hohebach
Hannelore Zott, Bäckereiinhaberin zu Hohebach
Sigrid Haas, Heilerin zu Hohebach
Heidrun Koch, Apothekerin zu Hohebach
Graf Carl Ludwig von Hohenlohe und Gleichen zu
Weikersheim/Hohenlohe*
dessen Ehefrau Elisabeth Friederike Sophie zu
Weikersheim/Hohenlohe*
Albrecht Ludwig Friedrich, gen. ALF, Sohn von Carl Ludwig und
Elisabeth Friederike Sophie zu Weikersheim*
Graf Johann Friedrich von Öhringen, Bruder von Graf Carl Ludwig*
Graf Ludwig Friedrich Karl, der Sohn von Graf Johann Friedrich*
Fürstbischof Lothar Franz von Schönborn*
Josef Goll, Schatzmeister zu Weikersheim
Christian Lüttich, Baumeister zu Öttingen*
Christian Thalwitzer, Maler zu Crailsheim*
Daniel Devoe, Schriftsteller zu London*
Johann Andreas Sommer, Brunnenbauer zu Künzelsau*
Horst Cremer, Hirschenwirt zu Ailringen
Tschitta, Gasthausbesucher und Postkutscher zu Ailringen
Monko, Gasthausbesucher und Wegebauer zu Ailringen
Fiddler, Gasthausbesucher und Unternehmer zu Ailringen
Grappa, Gasthausbesucher und Getränkehändler zu Ailringen
Jogi, Gasthausbesucher und Uhrmacher zu Ailringen
Franz Rumm, Müller zu Neufels
Nadine Rumm, dessen Frau
Alfred Throm, deren Bruder
Werner Müller, Schultheiß zu Kirchensall
Ingrid Müller, dessen Frau
Pikko Klein, Büttel zu Neuenstein
Harald Roth, Bürgermeister zu Kirchensall
Dr. Kurtheinz Zeller, Physikus zu Öhringen
Sonja Zeller, dessen Frau,
Lotte Grubmüller, Kind zu Grünbühl
Wolfgang Rudolph, berittener Bote zu Kirchensall
Rose Rudolph, dessen Frau,
Erna Heuholz, Bürgerin zu Weikersheim
Wolfgang Schlenker, Stallmeister zu Weikersheim
Thomas Alfons Haas, Stadtmusiker zu Wachbach und Mergentheim
Simone Katharina Viktoria Haas, dessen Frau
Kristina Haas, deren Tochter
Maria Theresia Rupp, Adlerwirtin zu Laibach
Heinrich Wilhelm Rupp, Adlerwirt zu Laibach
Ferdinand Stier, Bürger zu Laibach
Die Grafen von Muggental, Schlossherren zu Laibach*
Günther Conrad, Schullehrer zu Kirchensall
Hans Bopp, Bürgerwehr Kirchensall
Siegfried Karrer, Bürgerwehr Kirchensall
Tobias Diehm, Bürgerwehr Kirchensall
Günter Trefs, Bürgerwehr Kirchensall
Karl Otto Möhrle, Stallmeister zu Kirchensall
Bertl Rutsch, Stammgast in der Linde und Großbauer zu Hohebach
Johann Leonhard Dober, deutscher Bischof*
Johann Wolfgang Goethe, Student zu Leipzig*
Anna Katharina Schönkopf, Wirtstochter zu Leipzig*
Karl Balbach, Steinmetz zu Hohebach
Hermann Hofjog, Bauer zu Hohebach
Wilhelm Mack, Schreiner zu Hohebach
Barbara Nägele, Bürgerin zu Hohebach
Manfred Schwenke, Korbmacher zu Hohebach
Peter Model, Trompeter zu Weikersheim*
Walter Haering, Amtskeller zu Weikersheim
Markus Köfler, ermittelnder Reiter zu Weikersheim
Werner Philipp Öchsner, Schultheiß zu Weikersheim
Rainer Hofmann, Stadtwächter zu Weikersheim
Edgar Lochner, Stadtwächter zu Weikersheim
Johannes Siegmund Krebs, Scharfrichter zu Weikersheim
Lothar Dominicus Pianka, Henkersgehilfe zu Weikersheim
Franziskus Rinkhell, Torwächter zu Weikersheim
Dr. Clemens Wesslein, Medikus zu Weikersheim
* geschichtliche Personen
DER MORD VON HOHEBACH
DER DORT GAR NICHT GESCHAH
Im Hohenloher Land zwischen Kirchensall und Emmertshof. Ein warmer Vorsommertag Pfingstsamstag, 17. Mai 1766
Fröhlich pfeifend wanderten die beiden Gesellen der Holzbauzunft durch die blühenden Felder der Hohenloher Landschaft und freuten sich ihres Lebens. Gleichsam bewunderten sie unbeschwert und dankbar die Natur, die Gott ihnen geschenkt hatte.
Aber sie konnten auch sonst glücklich sein. Die Geschäfte, die sie in den letzten Wochen in Schwäbisch Hall gemacht hatten, ließen sie freier atmen, leichter und schneller laufen und zauberten ein Dauerlächeln in ihre hageren Gesichter. Die beiden Zimmerer Rolf Ehrmann aus Weldingsfelden und Friedrich Benz aus Hohebach waren auf der Walz.
Sie waren gerne unterwegs, um das Land, in das sie hineingeboren wurden, kennenzulernen und zu genießen. Die Natur gab ihnen deutliche Signale der Unbeschwertheit, des Frohsinns oder einfach nur der Zufriedenheit. Und das war schon eine ganze Menge.
Das Leben war lebenswert!
Mit Kriegen, Morden und sonstigen gewaltsamen Auseinandersetzungen wollten sie nichts zu tun haben. Das alles lag ihnen fern.
Sie liebten ihre Arbeit und das friedliche Hohenloher Land.
In der Freien Reichsstadt Hall hatte sie der Unternehmer und alteingesessene Salzsieder Helmut Balbach für einen vollen Monat den Anbau an seiner neuen Siede aufschlagen lassen.
Durch die Salzgewinnung und den damit verbundenen Handel war der Unternehmer aus Schwäbisch Hall zu einem gewissen Wohlstand gekommen. Die Vergrößerung seiner Siede war
inzwischen dringend notwendig geworden.
Davon profitierten auch Ehrmann und Benz.
Für einen vollen Monat Arbeit bekamen sie eine reichliche Entlohnung, nämlich zwölf Gulden und dreißig Kreuzer auf die Hand.
Für jeden wohlgemerkt.
Auch die Freie Reichsstadt Hall kam wieder zu einem gewissen Reichtum, nachdem im Jahr 1728 zwei Drittel der Altstadt zu einem Raub der Flammen geworden waren.
Der Großbrand war damals in der Badestube des Gasthofs Zum Güldenen Helm ausgebrochen, der sich direkt am Marktplatz, unterhalb des Rathauses, befunden hatte. Man erzählte sich seinerzeit in Schwäbisch Hall, dass eine Magd des Gasthofes unachtsam mit dem offenen Feuer umgegangen sei.
Dadurch wurde der verheerende Brand ausgelöst und es brannten anschließend zwei Kirchen, das Spital, das Rathaus, die dortige Saline und insgesamt 294 Privathäuser bis auf die Grundmauern nieder.
Die Löschversuche der Bürger blieben ohne Erfolg, da die einzige Feuerspritze dabei selbst verbrannt war und die Bekämpfung mit Wassereimern für eine wirkungsvolle Löschung nicht ausgereicht hatte. Man versuchte zwar noch, die Eimer mittels einer Menschenkette, vom Brunnen zur ursprünglichen Brandstelle, durchzureichen, aber diese geringe Wassermenge konnte dem Großfeuer nichts mehr anhaben.
Jeder Bürger von Schwäbisch Hall war damals zur Aufbewahrung eines derartigen Wassereimers verpflichtet gewesen. Zusätzlich hatte der Haller Stadtrat angeordnet, die jeweiligen Eimer mit Hausnummern zu kennzeichnen, um sie nach dem Brandeinsatz ihren Besitzern wieder zurückgeben zu können.
Der Salzsieder Balbach, der inzwischen auch schon sein 63. Lebensjahr erreicht hatte, erzählte den beiden Zimmerleuten des Öfteren davon. Zumal seine Siede, damals war es noch die seines Vaters Hermann Balbach, ebenfalls völlig ausgebrannt war.
Aber inzwischen hatte man die Stadt wieder aufgebaut und von der damaligen Katastrophe war nichts mehr zu sehen.
Am Morgen des 17. Mai 1766, am Pfingstsamstag, zur 12. Stunde am Mittag, endete die Haller Zeit für die beiden Handwerker. Sie mussten ihre sieben Sachen zusammenpacken und weiterziehen. Rolf und Frieder hatten sich noch einmal bei ihrem Arbeitgeber Balbach für den großzügigen Lohn und bei dessen Frau Sybille für die gute Verköstigung und das behagliche Nachtlager bedankt. Dann machten sie sich auf und liefen zunächst in Richtung Untermünkheim.
Als die Wandergesellen den großen Bauernhof am nördlichen Stadtende passierten, blieb Frieder plötzlich stehen.
„Guck amol, die Sei!“
Rolf hielt ebenfalls an.
„Und, was iss mit denä Schweine, Frieder?“
„Haja, guck halt, die sinn vornä schwarz und hintä a schwarz und in der Mitte sinn die weiß. Souwas hob i noch nie gsechä.“ „Vielleicht mecht der Metzger von vornä und hintä Blutworscht und von der Mitte än gutä, weißä Presssack.“
Rolf schaute den Frieder spitzbübisch an.
„Schwätz koan Mischt, Rolf. I kann mir blos vorstellä, dass des ä ganz bsondere Zichtung is, vorschtääsch?“
„Kann nadirlich ah säi, vielleicht sou ä bsondere Hällische Landschweinzichtung! Awwer jetzt weider, Frieder. Mir henn noch einiges zu laafä!“
Die beiden Gesellen machten sich wieder auf den Weg, denn sie wollten heute noch Künzelsau erreichen, wo sie im Stall der Gaststätte Heigold die Nacht zu verbringen gedachten. Von dort aus sollte es dann nach Norden weitergehen. Über Hohebach und Dörzbach wollten die beiden Wandergesellen in den nächsten Tagen in der Stadt Mergentheim nach Arbeit fragen.
Dort sollten beim Aufschlagen einiger Armenhäuser in der Stadtmitte neben dem Torwächterhaus, sowie beim Bau eines Gärtnerhauses nahe dem Deutschordensschloss, noch einige Holzarbeiten anfallen. Fleißige Gesellen konnte man überall gebrauchen. Gerade bei den Herren Deutschmeister sollte es sich immer lohnen, in Brot und Arbeit zu stehen.
Zusätzlich, so haben die beiden jungen Wandergesellen erfahren, wollte man noch am hohenlohischen Lehenshof St. Bernhard, der den Zisterziensermönchen von Schöntal gehört, eine Synagoge bauen.
Aber jetzt galt es erst einmal dort hinzukommen.
Rolf und Frieder liefen an diesem sonnigen Pfingstsamstag östlich der Höhen von Waldenburg in Richtung Neuenstein. Sie durchquerten den beschaulichen Ort, nahmen am Brunnen eine Kelle Wasser zu sich und marschierten dann gestärkt weiter in Richtung Kirchensall.
Fröhlich hoben sie ihre schwarzen Gesellenhüte und grüßten den Bauern, der ihnen noch vor Abendglockenzeit auf dem holprigen Weg entgegenkam. Der offensichtlich überladene Holzwagen wurde von zwei munter muhenden Kühen kraftvoll gezogen. Da das Gespann auf dem Heimweg war, legten die Kühe ein beachtliches Tempo vor.
Der Bauer verneigte sich freundlich vor den beiden Wandergesellen und zog ebenfalls seinen Hut. Es kam doch nicht so oft vor, dass man auf diesem Weg eine Menschenseele zu sehen bekam. Und dann noch zwei so frohe Gesichter.
Plötzlich, sie hatten den Bauern bereits wieder vergessen und waren schon eine knappe halbe Stunde weiter, blieb der Frieder erneut stehen.
„Was iss looasch, kousch nimmi laafä? Sou lang simmer doch noch net unterwegs, komm du fauler Hund, weider gäht´s! Mir miasä doch noch, bevor die Noocht äibricht, in Kiau säi.“
„Doh, guck doch“, stammelte der Frieder. „Doa licht ohner, doh im Groosch!“
Jetzt blieb auch der Rolf stehen, der gut einen Kopf größer war als der Frieder. Er schaute nun ebenfalls in Richtung des dortigen Birnbaumes, der schon kräftig seine Blüten austrieb.
„Ohner! Von wechä, des sin zwaa.
Doä werd doch nix bassiert säi!“
Die beiden standen jetzt starr wie eine, … nein, wie zwei Salzsäulen auf dem steinigen Feldweg und getrauten sich weder einen Schritt zurück, geschweige denn, einen Schritt nach vorne zu machen.
„Jetzt geh halt nou“, wollte der Rolf den Frieder in die Verantwortung nehmen, „hasch doch sunscht immer sou äh groäße Gosch.“
„Geh doch selwer nou und i bass uff, dass dir nix bassiert, i geb dir souzusochä Rückädeckung.“
Im nächsten Moment hob einer der beiden auf dem Rücken liegenden Männer den Kopf und schaute in die ängstlichen Gesichter der Wandergesellen. Er versuchte sich sofort ein freundliches Grinsen abzuringen, hob die rechte Hand zum Gruß und legte anschließend den Zeigefinger senkrecht auf seine Lippen.
„Seid bitte leise liebe Leute, mein Meister will sich ausruhen, wir haben einen langen Weg hinter uns.“
Es dauerte aber noch eine knappe Minute bis sich Rolf und Frieder einen Reim auf die ganze Geschichte machen konnten. Sie schauten sich dabei mehrmals, nicht gerade intelligent, in ihre Gesichter.
Frieder war dann der Erste, der die Situation richtig einzuschätzen glaubte und wollte seine Version dem Rolf auch sofort kundtun. „Kabierschs net, die ruhä sich blos aus, wechä demm langä Weech. Komm jetz, weider!“
Beim Vorbeigehen war ihnen jedoch nicht ganz wohl zumute, zumal der Schlafende doch etwas ungewöhnlich ruhte.
Er lag auf dem Rücken und hatte beide Arme weit von sich gestreckt. „Jetz kumm doch, mach dass´d vorwärts kumsch“, schrie Frieder den Rolf an, der jetzt schon zum zweiten Mal, als sie die beiden liegenden Männer bereits passiert hatten, den Kopf nach hinten drehte.
„Ja, i kumm scho“, brummte Rolf missmutig, der die Situation immer noch nicht so richtig einordnen konnte.
Zweifelte.
„Und wenn der andere jetzt …?“
„Ach Blödsinn, der hat doch oahn dabei, der sich um den kimmert.“
Zögerlich und nachdenklich folgte Rolf dem Frieder, der ihn dabei noch am Ärmel zog.
Erst als die beiden Wandergesellen nach einer Wegbiegung am Horizont verschwunden waren, stand der Mann, der mit den beiden zuvor gesprochen hatte, langsam auf und zog seine Kleidung umständlich zurecht.
„Das war knapp!“
Der andere Mann blieb bewegungslos im Gras liegen.
15 Monate vorher
Weikersheim im Taubertal Samstag, 2. Februar 1765 Maria Lichtmess
„Nein, du bist doch an allem schuld“, keifte die Frau, die ihre schlanke, zerbrechliche Figur unter dem langen, schwarzen Kleid verborgen hatte. Dabei überschlug sich ihre schwere, volltönende Stimme.
Das Gesicht der Frau strahlte eine gewisse Gutmütigkeit und Freundlichkeit aus, wenn sie nicht, wie gerade jetzt, zornig auf ihren Ehemann, den Johann Markus Schmid, war. Der hatte fast die gesamte Nacht in der Gaststätte Bastion zugebracht.
Johanna Schmid, geborene Horn, sah mit ihren 36 Jahren noch recht adrett und anmutig aus!
Lediglich das Nachziehen ihres rechten Beines und der leicht gekrümmte Haselnussstock, ohne den man sie seit ihrem Unfall vor zwei Jahren nicht mehr sah, ließ Johanna Schmid etwas älter aussehen.
Die Sache mit dem damaligen Unglück war nie so richtig aufgeklärt worden.
Hinter vorgehaltener Hand hatte man sich aber damals in Weikersheim die schaurigsten Geschichten über den Vorfall erzählt, der sich in der Nacht vom ersten auf den zweiten Februar im Jahre des Herrn 1763 ereignet hatte.
Vor genau zwei Jahren.
Der örtliche Gendarm Jupp Schaffer hatte damals zwar in alle Richtungen ermittelt, jedoch war er erst am nächsten Morgen durch den hiesigen Medikus, Dr. Köstler, auf den nächtlichen Vorfall im Haus der Eheleute Schmid aufmerksam gemacht worden. Der Arzt hatte damals dem Büttel berichtet, dass die Schmidin, so wurde das Weib des Nadlers Johann Markus Schmid in Weikersheim genannt, kurz nach Mitternacht ihr rechtes Bein gebrochen hatte.
In der Wohnung soll es ausgesehen haben, wie damals in Sodom und Gomorrha. Johanna Schmid wollte zwar ohne Fremdeinwirkung die Kellertreppe hinunter gefallen sein, jedoch hatten die Schürfwunden am ganzen Körper und ihr blaues Auge, sowie mehrere umgefallene und beschädigte Möbelstücke, eher auf einen handfesten Streit hingewiesen.
Der Gendarm Schaffer hatte den Johann Markus Schmid selbst erst am nächsten Tag, in den Abendstunden, antreffen und befragen können. Der hatte aber angegeben, dass er sich an überhaupt nichts mehr erinnern könnte. Natürlich war dem Schaffer bekannt gewesen, dass es am Vorabend in der Bastion wieder heiß hergegangen war und auch sehr viel Alkohol konsumiert wurde. Man hatte danach den Weikersheimer Handwerker Schmid am gesamten Tag des 2. Februar 1763 nicht gesehen.
Gendarm Schaffer, der am Abend vorher selbst in der Bastion gewesen war, hatte aber an diesem Tag kein Spielglück gehabt und musste sich deshalb bereits eine Stunde vor Mitternacht, wegen Geldmangels, auf den Heimweg begeben.
Gerade der Nadler Johann Markus Schmid hatte beim Kartenspiel Gaigel eine nimmer enden wollende Glückssträhne. Oder besser gesagt, er hatte Glück, nicht dabei erwischt zu werden, wie er alle Anwesenden über den Tisch zog: Den Waldhüter und Freizeitangler Christian Balthasar Schuster, den Metzgermeister Emil Karl Pflüger, den Kürschner Carl Otto Dierolf, den Hutmacher Bernhard Max Gutöhrlein und wie schon gesagt, den Gendarmen Jupp Schaffer. Dabei war Johann Markus Schmid natürlich in seinem Element und die Bedienung Theres Schwarzer hatte die größte Mühe, den Tisch der Handwerker mit Nachschub zu versorgen.
Die letzten Gäste sollen erst um Mitternacht die Gaststätte verlassen haben, nachdem der Nachtwächter Frieder Brand in der Bastion erschienen war und die Polizeistunde geboten hatte. Schmid bezahlte großzügig die Rechnung für alle und das war bisher äußerst selten vorgekommen.
Auf seinem Heimweg von der Bastion war Schaffer noch am Haus der Eheleute Schmid vorbeigekommen und kurz stehengeblieben, da er meinte, Stimmen gehört zu haben. Dabei hatte er all seine sieben Sinne zusammennehmen müssen. Konnte er da eben aus der Wohnung eine männliche Stimme vernommen haben?
Nein, unmöglich! Der Schmid und seine Frau wohnten allein in dem kleinen, inzwischen stark baufälligen Haus und Johann hatte sich ja noch in der Bastion aufgehalten. Er konnte doch noch eins und eins zusammenzählen. Er musste sich getäuscht haben. Aber da war doch etwas gewesen! Jetzt schon wieder! Dieselbe Stimme. Erst der Mann und dann eine Frau.
Fast flüsternd.
Nein, doch nicht! Dann war es wieder still.
Vielleicht war sein letztes Bier doch nicht von so guter Qualität, wie die acht vorausgegangenen Getränke.
Oder war es nur sein Alter?
Auch er hatte inzwischen das 55. Lebensjahr erreicht.
Langsam hatte er sich, seinen Kopf leicht schüttelnd, vom Haus des Schmid abgewandt und war in Richtung Laudenbacher Straße weitergelaufen. Beim Weggehen hatte er noch einen Blick auf den Karlsberg geworfen und war dann noch einmal stehengeblieben.
Da er aber nichts mehr hören konnte, war er weitergegangen und wenige Minuten später in seinem kleinen Haus, an der Straße in Richtung Bronn, verschwunden.
Nachdem Schaffer erst am nächsten Tag die Ermittlungen zu dem sogenannten Kellertreppensturz von Weikersheim aufgenommen hatte und die Schmidin weiter dabei geblieben war, ohne Fremdeinwirkung gestürzt zu sein, hatte er damals die Akte mit der Vorgangsnummer 4/1763 selbstständig eingestellt. Er legte anschließend das Schriftstück, wie das so üblich war, dem Grafen zur Prüfung und weiteren Entscheidung vor.
Obwohl sich viele der Weikersheimer Bürger sicher waren, dass Johann Markus Schmid, nachdem er von der Bastion heimgekehrt war, schon etwas nachgeholfen hatte.
Man munkelte, dass die Schmidin ihm Vorhaltungen gemacht hatte und er dann entsprechend gewalttätig reagierte.
Aber man konnte es ihm nicht beweisen, zumal auch keine Zeugen zu dem Vorfall zu ermitteln waren.
„Ach lass mich doch in Ruhe, du dumme Gans!“
Johann Markus Schmid wandte sich von seiner Frau weg und verschwand in seiner Werkstatt, die schwere Eichentür laut hinter sich zuschlagend. Am liebsten war er in letzter Zeit allein bei seinen Näh- und Stricknadeln, halbfertigen Fischangeln, Drahtgittern, Stiften, Hefteln und dem restlichen Kleinkram, den ein Nadler sonst noch herstellte oder zumindest kundengerecht endbearbeitete.
Johanna Schmid gewährte ihm die verlangte Ruhe aber nicht. Sie lief ihm hinterher und riss die Türe zur Nadlerwerkstatt wieder auf.
„Du gottloser Tagelöhner und Nichtsnutz!
Wenn du mir nicht auf der Stelle sagst, wohin das ganze Geld verschwunden ist, gehe ich schnurstracks zur Gendarmerie und erzähle dem Schaffer, was vor zwei Jahren hier, genau an dieser Treppe, vorgefallen ist. Dann muss er dich in den Schlossturm sperren, ob du sein Saufkumpan bist oder nicht!“
Johann schluckte. Das hatte gesessen!
In seiner derzeit misslichen Lage konnte er alles gebrauchen, nur keinen Ärger mit den Gendarmen.
Der Büttel Schaffer war bekannt dafür, dass er bei seinen Ermittlungen kurzen Prozess machte. Vielleicht wartete er geradezu auf eine solche Gelegenheit, um ihn hinter Schloss und Riegel zu bringen. Er hatte dem Gendarmen beim Gaigeln in der Bastion ja schon oft genug Geld abgenommen. Eine Anzeige musste er somit unbedingt vermeiden. Deshalb lenkte er widerwillig ein. Mit einer Grimasse falscher Herzlichkeit schaute er sie an.
„Ja, Frau, du hast natürlich recht, ich bin halt manchmal ziemlich ungehalten, aber du kennst ja unsere Situation. Die Aufträge laufen zurzeit sehr schleppend. Aber ich habe da was in Aussicht. Nur, momentan werden halt unsere Schulden immer größer und dann können einem schon mal die Gäule durchgehen. Aber du wirst es noch erleben, eines Tages haben wir Geld, viel Geld, … genug Geld!“
Etwas Unverständliches in sich hineinmurmelnd schloss die Schmidin leise die Tür und begab sich in ihr Nähzimmer mit Blick auf den Marktplatz und auf die Kirche St. Georg, die nun auch schon über 350 Jahre alt war.
Johanna setzte sich sorgenvoll an ihren Nähtisch.
„Eigentlich ging es mir noch nie so richtig gut“, erzählte sie mehr dem Marienbild über der Kommode, als sich selbst.
Dachte dann seufzend über ihr Leben nach: „Mit 12 Jahren, im Jahr 1741, kam ich in Stellung nach Rothenburg.
In die dortige Schwarzmühle, weil der Vater mich nicht mehr durchfüttern konnte oder besser gesagt, wollte.
Auch an einem zweiten Februar, an Maria Lichtmess.
Dieses Datum zog sich seither wie ein roter Faden durch mein armseliges Leben.
Beim Schwarzmüller musste ich ein Strohlager mit den beiden anderen Hausmägden Magdalena Allinger und Maria Fode teilen, die mir immer wieder zeigen wollten, dass ich nichts konnte und noch weniger wusste. Immer wenn es gegen mich ging, dann hielten die beiden anderen Mägde zusammen wie Pech und Schwefel.
Auch die Müllerin hielt sich damals nicht mit Ohrfeigen zurück. Nur weil ich zweimal dabei erwischt wurde, wie ich ein Stück Brot aus der Küchenschublade genommen hatte.
Und kurz danach fehlte dann ein Kreuzer aus der Gemeinschaftskasse. Und wieder hatte man natürlich nur mich in Verdacht. Aber ich war unschuldig. Ich war mir sicher, dass es die anderen beiden Mägde waren. Am meisten traute ich es der Maria Fode zu.
Als ich es dann nicht mehr ausgehalten hatte, und den langen Weg zu Fuß zurück nach Weikersheim gelaufen war, brachte mich der Vater am nächsten Morgen wieder postwendend nach Rothenburg zurück. Kein Wort hat er dabei gesprochen. Alles Betteln und Bitten war vergebens. Nicht einmal von der eigenen Familie war Hilfe zu erwarten. Lediglich der Mutter war anzusehen, dass sie mir, ihrem Mädchen, helfen wollte. Aber dennoch stand sie nur da und blickte starr geradeaus, als ich mit nur 12 Jahren, morgens zur fünften Stunde nach Mitternacht, wieder in Richtung Rothenburg aufbrechen musste.
Unter Tränen!
Natürlich hatte ich später auch mal einen Freund, damals, als ich noch in Stellung war. Und zwar den jungen, gutaussehenden Müllergesellen Linus Gaubatz.
Aber als die anderen Mägde mitbekommen haben, dass sich zwischen dem Linus und mir etwas angebahnt hatte, spannten sie Intrigen gegen mich und erzählten dem stattlichen Jungen, dass ich neben ihm noch einen heimlichen Freund hätte, so dass mir der Müllergeselle den Laufpass gab und mich auch sonst nicht mehr beachtete.
Männer, die gehörnt sind, oder zumindest daran glauben, können da sehr verletzlich sein.
Dann, als ich 19 war, bestimmte der Vater meine Hochzeit mit dem Johann Markus Schmid. Und der war immerhin schon 26 Jahre alt.
Ich habe ihn aber in den Anfangszeiten meiner Ehe immer mehr geschätzt. Am Abend saßen wir bei einem Becher Wein und Kerzenlicht oft stundenlang zusammen. Johann erzählte mir Geschichten aus der ganzen Welt. Ich war von seinem unerschöpflichen Wissen begeistert. Die meisten einfachen Leute waren damals des Lesens nicht mächtig. Johann, der es auf der Weikersheimer Schule erlernen durfte, las mir oft bis in die Morgenstunden vor.
Er las von deutschen Gelehrten, griechischen Philosophen, und sogar von einem Franzosen namens Voltaire. Obwohl der schon ein komischer Kauz war. Er soll ja gesagt haben, dass man in bestimmten Situationen wie ein Teufel lügen müsse. Bei solchen Sprüchen war es kein Wunder, dass er sich mit der ganzen Welt verzankt hatte. Jedoch kämpfte er auch für die Freiheit des Denkens, Vernunft, Toleranz und sogar für den Frieden. Die Abschaffung von Ungerechtigkeit und Unterdrückung lagen Voltaire aber ebenso am Herzen.
Später jedoch gewöhnte sich Voltaire dann, wie er selbst gesagt hatte, an seine Unordnung des Leibes und der Seele.
Ungerechtigkeit und Unterdrückung gibt es auch heute noch. Vielleicht geht es mir wieder besser, wenn ich mich auch an meine Unordnung von Leib und Seele gewöhne. Versuchen müsste ich es vielleicht einmal.
Aber egal. Ich konnte meinem Johann stundenlang zuhören, wenn er mir aus den Büchern vorlas. Es war so befreiend.
Auch spannende Geschichten von einem gewissen Robinson, der viele Jahre auf einer einsamen Insel lebte, waren dabei.
Damals.
Im Laufe der Zeit verschrieb sich dann Johann aber immer mehr den Gastwirtschaften von Weikersheim.
Unsere geliebten Bücher verstaubten im Regal.
Er ließ mich immer öfters allein.“
Sie überlegte und senkte traurig den Blick.
„Und heute? Total verpfuscht ist es, mein Leben“, sagte die Schmidin jetzt wieder laut in Richtung des Marienbildnisses.
„Aber es ist noch nicht zu spät. Es ist mir zwar versagt geblieben, Kinder zu bekommen und ich bin inzwischen schon 36 Jahre alt. Aber es kann doch noch nicht zu spät sein!“
So konnte es einfach nicht mehr weitergehen.
Es gab da noch etwas in ihrem Leben, wovon ihr Johann nichts wusste. Und das musste ganz schnell ein Teil der Vergangenheit werden.
„Sonst komme ich noch wahrhaftig in Teufels Küche!“
Sie wollte ihr derzeitiges Leben ändern.
Starrte ungewiss ins Leere, bis sich ihr Kopf langsam zur Seite neigte.
Entkräftet schlief sie ein.
Weikersheim an der Tauber Sonntag, 3. Februar 1765
Es war längst dunkel; die Weikersheimer Straßen und Plätze waren menschenseelenleer.
Die Geschäftigkeit der Leute spielte sich nur noch in den Häusern ab. Die Kirchenglocken schlugen zur zehnten Stunde nach Mittag. Nur der Mond erleuchtete die Weikersheimer Gebäude noch schemenhaft.
Der Nachtwächter Frieder Brand hatte seinen Rundgang im Stadtkern beendet und machte sich nun auf den Weg in Richtung Pfitzinger Steige.
Darauf hatte der Mann hinter dem kleinen Vorsprung, zwischen den beiden schmalen Häusern, gewartet.
In der Dunkelheit huschte sein Schatten unbemerkt über den Weikersheimer Marktplatz. Den Hut tief ins Gesicht gezogen und den Mantelkragen über dem Mund geschlossen, schaute er sich immer wieder unsicher nach allen Seiten um.
Schlich gebückt zu dem kleinen Haus. Vorsichtig klopfte er an die hintere Tür, die vom Marktplatz nicht einsehbar war.
Die Schmidin wusste sofort, wer da Einlass begehrte.
Aber heute musste sie es ihm sagen.
Die Zeit war reif dafür.
Sie wollte Ordnung in ihr Leben bringen und wiederholte ihre Worte vom Vortag jetzt laut. „So kann es nicht mehr weitergehen. Es ist noch nicht zu spät!“
Deshalb öffnete sie nur das kleine Fenster neben der Tür und sprach unter vorgehaltener Hand den Satz aus, den sie schon so oft in ihren Gedanken formuliert hatte, jedoch bisher nie den Mut dafür aufbringen konnte, ihn vor ihm auszusprechen. „Es ist aus, es wird mir zu gefährlich.
Du kannst nicht mehr kommen!
Bitte geh und mache mir kein großes Theater. Dafür war die Zeit mit uns beiden zu schön. Aber es geht einfach nicht mehr.“ Der im Dunkeln stehende Mann erstarrte. Damit hatte er nicht gerechnet. Sie trafen sich doch jetzt schon zwei Jahre, überwiegend wenn der Schmid in der Bastion war.
Linus Gaubatz überlegte. „Es hat doch alles gepasst! Wenn der einmal in der Schenke saß, dann konnte man nicht so schnell mit ihm rechnen. Bisher lief doch alles gut und ich habe mich, wie immer, so sehr auf den Abend mit Johanna gefreut. Natürlich wäre ich mit meiner Jugendliebe gerne öfters oder am liebsten sogar für immer zusammengeblieben, aber es war noch zu früh. Ich habe ihr schon mehrmals angeboten, dass sie doch den Schmid verlassen solle, um dann mit mir wegzugehen. Habe ihr die Stadt Köln vorgeschlagen. Weit weg von Weikersheim. Johanna war zwar nicht ganz abgeneigt, aber irgendwie wollte sie es dann doch nicht.“
Linus blieb wie gelähmt stehen. Dann drehte er sich tief enttäuscht weg und ging ein paar Schritte in Richtung Schlosspark. Nach wenigen Metern blieb er aber erneut stehen und lief zurück zum Haus von Johanna Schmid.
Auf sein Klopfen öffnete sie abermals das kleine, hintere Fenster und schaute ihn fragend an.
„Es ist schon komisch Johanna, erst wollte ich dich nicht und habe dich damals in der Mühle weggeschickt, obwohl die Anschuldigungen, dass du einen Freund neben mir hättest, gelogen waren. Damals konntest du nichts dafür. Die Mägde hatten sich das ausgedacht und ich habe ihnen dummerweise geglaubt. Und dann sind wir in Weikersheim vor zwei Jahren doch wieder zusammengekommen. Es war sehr schön mit dir. Und jetzt schickst du mich weg. Habe ich etwas falsch gemacht oder ist es wieder eine Intrige? Diesmal gegen mich?
Das Leben hat uns noch nie viel geschenkt.
Aber es war eine wunderschöne Zeit, … die Zeit mit dir.“
„Bitte versteh mich richtig und geh Linus! Ich bin doch verheiratet und was wir machen, oder bisher gemacht haben, ist ja sogar strafbar. Ich möchte Johann keine Gelegenheit geben, mich in den Schlossturm, oder wie man hier sagt, in die Blaue Kappe, zu bringen“, sagte Johanna leise und schloss mit wässrigen Augen das kleine Fenster neben der Tür, ohne seine Antwort abzuwarten.
Doch Linus ließ nicht locker. Erneut klopfte er.
„Was ist denn jetzt noch?“ Johanna hatte das Fenster wieder leicht geöffnet und wurde langsam ungeduldig.
„Aber er hat dich doch damals sogar die Kellertreppe hinuntergestoßen und das kann jederzeit wieder passieren. Warum bleibst du da noch bei ihm und schickst mich jetzt weg? Das verstehe ich beim besten Willen nicht.“
Die Schmidin sprach jetzt ganz leise.
„Nein, so war es nicht.“
Linus sah sie fragend an. „Wie war es nicht …?“
Johanna sprach ernst weiter. „Du bist der Erste und der Einzige, dem ich es erzähle. Ja, wir hatten damals Streit und es ging dabei auch einiges zu Bruch. Wir standen beide ganz oben an der Kellertreppe. Ich drehte mich weg und machte einen falschen Schritt … und fiel die gesamte Stiege hinunter. Dabei zog ich mir, neben dem Beinbruch, auch die Prellungen und das blaue Auge zu. Johann war ja schon ziemlich stark betrunken und ich habe ihm damals sofort vorgeworfen, dass er mich gestoßen hätte. Das hat er mir unter seinem übermäßigen Alkoholeinfluss auch tatsächlich geglaubt … aber es war nicht so. Er hatte keine Schuld. Es gab oft Streit, aber Johann hat mich dabei nie angefasst oder geschlagen.“
Sie schloss das kleine Fenster.
Traurig lief Linus Gaubatz über den menschenleeren Kirchplatz von Weikersheim.
Den Nachtwächter Frieder Brand, der gerade wieder in den Marktplatz eingebogen war und ihm fragend nachsah, bemerkte er überhaupt nicht.
Schweißgebadet wachte die Schmidin auf. Hatte sie jetzt geträumt oder war da tatsächlich so ein Lärm in ihrer unmittelbaren Nähe? Linus wird sich doch wohl keinen Mut angetrunken haben und noch einmal zurückgekommen sein?
Sie hörte genauer hin.
Nein, Linus war es nicht. Gott sei Dank!
Jetzt erkannte sie die Stimme, wohlvertraut in diesem Zustand. Es war ihr verehelichter Mann, der die spärlichen Tageseinnahmen offensichtlich komplett in der Bastion umgesetzt hatte. Sie sah nur eine Möglichkeit. Sie musste sich schlafend stellen, um weiteren Streitigkeiten aus dem Weg zu gehen.
Johann Markus Schmid kam zwar noch ins Zimmer herein und schaute nach ihr, ließ jedoch dann von jedem weiteren Gedanken ab und begab sich schwankend in sein eigenes Schlafgemach.
Sie hatten in den vergangenen Jahren nicht mehr viele Gemeinsamkeiten. Ja, früher, am Anfang ihrer Ehe, konnte man noch von Harmonie und Zuneigung sprechen.
Inzwischen lebten sie nicht mehr miteinander, sondern nur noch nebeneinander, und das schon seit mehreren Jahren!
Aber trotzdem … er war doch ihr Mann.
Sie haben sich doch mit Gottes Segen das Jawort gegeben.
Im Grunde war Johann ein guter Mensch.
Es kann doch noch alles gut werden.
Sie wollte es ändern und arbeitete dran.
Lag in dieser Nacht noch lange wach.
Weikersheim an der Tauber Montag, 4. Februar 1765
Am frühen Morgen stand der Nadler Johann Markus Schmid bereits zur sechsten Stunde in seiner Werkstatt. Sein lautes Hämmern drang bis auf den Marktplatz hinaus. Es galt, demnächst einen großen Auftrag anzufangen. Nur musste er vorher noch die halbfertigen Angelhaken für seinen Freund, den Waldhüter Christian Balthasar Schuster, einsatzfähig machen. Das würde ihm zwar nicht viel, aber immerhin ein paar Kreuzer einbringen.
Am Gelben Haus, das nun auch schon 19 Jahre am Ende der Südallee auf dem Karlsberg stand, sollte die Sommerresidenz, die Graf Carl Ludwig von Hohenlohe bereits im Jahre 1727 angelegt hatte, mitsamt dem angrenzenden Tierpark, vergrößert werden. Dazu sollte er, Johann Markus Schmid, der beste Nadler der Stadt, den Drahtzaun liefern. Die hohen Herren zahlten gut, und was noch wichtiger war, pünktlich.
Bereits zur Mittagszeit war der Auftrag für Christian Schuster fertig. Stolz besah sich der Handwerker seine Arbeit und lobte sich dabei selbst. „Sonst tut es ja keiner“, murmelte er anschließend kritisch in seinen Bart hinein.
Am Nachmittag war er zum Schloss gelaufen und übergab dort Schuster sein Meisterwerk. Die Angelhaken waren ihm auch bestens gelungen.
Christian Schuster war von der Handwerkskunst des Nadlers besonders angetan und nahm zufrieden seinen Geldsack aus der Kommode. „Was bin ich dir schuldig?“
„Macht genau zehn Kreuzer!“ Zufrieden zählte der gräfliche Waldhüter und Freizeitangler dem Nadler die Münzen in die Hand und legte sogar noch einen Kreuzer drauf. Als Johann bereits zur Tür ging, rief ihm Christian Schuster nach, dass er doch noch kurz warten solle, da wäre noch etwas.
„Es ist so“, begann Schuster etwas umständlich sein väterliches Gespräch.
„Setz dich erst mal hin!
Ganz Weikersheim weiß es, ich weiß es, nur du, … du bist am meisten betroffen und du weißt es nicht. Ich kenne dich nun schon eine Ewigkeit, deshalb kann und will ich es dir nicht mehr länger verschweigen.
Mache du dann daraus, was du willst. Mir geht´s allein darum, dass ich zu dir ehrlich sein will. Bist ja ein guter Freund von mir.“
„Was ist los, nun rede schon, Chris!“, packte jetzt den Schmid, der in diesem Moment an seine Kartenspielertricks dachte, die Neugier.
„Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Es ist tatsächlich nicht so leicht, wie ich mir das vorgestellt habe.“
Schuster räusperte sich verlegen.
„Ja, es geht um deine Frau. Nun, ich will es kurz machen. Immer wenn du außer Haus bist, meistens sitzt du ja in der Bastion, dann ...“
„Was dann, was dann?“ Johann wurde ungeduldig.
Schuster fuhr mit ruhiger Stimme fort. „Ja, dann klopft halt einer an eure Hintertür und deine Frau lässt ihn ins Haus und den Rest kannst du dir ja selbst denken. Ich will auch nicht mehr erzählen als ich weiß. Auf jeden Fall geht das schon so etwa, naja, ich schätze mal, um die zwei Jahre. Unmittelbar nachdem du … äh, sie die Kellertreppe hinuntergefallen ist.
Nun, alle wissen es. Nur du halt nicht.
Bis jetzt.“
Johann Markus Schmid schluckte bitter.
Er saß wie ein Häuflein Elend auf dem dreibeinigen Schemel. Das hatte ihn getroffen.
Mit stählernen Augen, ungläubig ins Leere blickend, schaute er in Richtung des Bildes über der Tür. Es zeigte Graf Ludwig Friedrich Karl von Hohenlohe, den jungen Neffen von Graf Carl Ludwig, der inzwischen die Amtsgeschäfte im Weikersheimer Schloss sporadisch übernommen hatte.
Den Grafen selbst nahm er aber überhaupt nicht wahr. Er versuchte, die in ihm aufkommende Übelkeit zu bekämpfen.
Stimmt, ihre Ehe lief in den letzten Jahren mehr schlecht als recht, woran er nicht ganz schuldlos war.
Aber trotzdem! Er hatte seine Frau unterschätzt.
Der starke Johann Markus Schmid sackte in sich zusammen. Er wirkte jetzt klein und zerbrechlich.
Es dauerte einige Minuten bis er wieder einen klaren Gedanken fassen konnte und zu seiner Sprache zurückfand.
„Einem Mann darf vieles widerfahren, aber so etwas? Niemals, niemals hätte ich damit gerechnet und niemals, niemals hätte ich das meiner Frau zugetraut, niemals!
Aber Chris, trotzdem danke für deine offenen Worte.“
Nachdem sich Johann von dem Schemel erhoben hatte, lief er schwerfällig zum Ausgang.
Plötzlich blieb er stehen.
„Halt, ich will es doch wissen. Wer ist mein Nebenbuhler? Kenne ich ihn?“
Schuster zögerte. „Gut, ich sage dir das auch noch.
Es ist der Linus Gaubatz!“
„Der Linus?“
Johann Markus Schmid ließ sich wieder auf seinen Schemel fallen. „Ja, mit dem hatte sie früher mal was. Ist aber schon lange her. Als sie noch in der Schwarzmühle bei Rothenburg in Stellung war. Lange vor meiner Zeit.
Dann hat sich die alte Liebe erneut entzündet!“
Langsam drückte er sich wieder vom Schemel hoch und stand schwerfällig auf. Er ging ein zweites Mal in Richtung der Ausgangstür, jetzt aber noch langsamer, als angeschlagener Gehörnter. Er, der angesehene Nadler Johann Markus Schmid! Konnte es nicht begreifen. Ohne sich selbst wahrzunehmen, lief er quer über den Marktplatz zu seinem Haus.
Als er es erblickte, blieb er stehen.
Er sah es jetzt mit ganz anderen Augen.
„Und da drinnen, … da drinnen in meinem Haus, soll das passiert sein und ich Idiot habe nichts bemerkt. Immer habe ich mich über die Gehörnten lustig gemacht und jetzt ...“
Offensichtlich war sein Weib nicht daheim.
In der Stube setzte er sich an den Nähtisch seiner Frau und betrachtete das Bild der Madonna.
„Hilf mir!“, flehte er sie an. „Hilf mir, jetzt oder gar nicht mehr!“
Doch so sehr er auch alle Heiligen, samt der Madonna vor ihm, anflehte, es schossen ihm nur die schlimmsten Gedanken durch den Kopf. Verzweiflung machte sich in ihm breit. An Verzeihen war nicht zu denken. Weikersheim verlassen wäre eine Möglichkeit. Aber auch andere Überlegungen, die ihm sogar den Kopf gekostet hätten, waren dabei.
Den Auftrag am Gelben Haus hatte er total vergessen. Heute würde er auf jeden Fall nicht mehr damit anfangen. Heute nicht und morgen nicht … und übermorgen auch nicht.
„Ach, es ist doch alles völlig egal.“
In die Bastion wollte er jetzt nicht gehen. Deshalb machte er sich auf und lief in Richtung Schäftersheim, schnurstracks auf den Schwarzen Adler zu.
Öffnete unschlüssig die Tür und ging in den Gastraum.
An dem großen, dunklen Tisch, mit der goldenen Glocke in der Mitte, nahm er Platz. Er war nicht der Erste, der heute dieses Ziel aufgesucht hatte. Der Metzger Pflüger und der Kürschner Dierolf hatten ebenfalls ihre täglichen Handwerkstätigkeiten unterbrochen und man gönnte sich einen Frühschoppen.
„Wir warten auf den Hutmacher, den Gutöhrlein. Uns fehlt noch ein dritter Mann zum Kartenspiel. Aber wenn du willst Johann, dann kannst du schon mal einspringen!“
Natürlich bemerkten die beiden Handwerker sofort, dass mit dem Schmid heute etwas nicht stimmte. Sie schenkten ihrem Gefühl aber wenig Bedeutung und waren froh, einen dritten Mann zum Kartenspiel gefunden zu haben.
Schon eine halbe Stunde später war das Geld von Johann komplett verspielt, einschließlich der Kreuzer für die Angelhaken. Er war überhaupt nicht bei der Sache. Nicht einmal seine zwei Schoppen konnte er mehr bezahlen.
„Die gehen auf mich“, rief der Metzger Emil Pflüger zum Wirt und hängte noch freudig dran: „Habe ja heute auch mal einiges gewonnen!“
Ein leises Danke wollte der Metzger noch vom Schmid gehört haben, als der bereits zur Ausgangstür unterwegs war und grußlos verschwand.
Die beiden Männer am Stammtisch wunderten sich zwar über das seltsame Verhalten des Schmid, aber als Gutöhrlein endlich eingetroffen war, wandten sie sich wieder ihrem Kartenspiel zu. Auf dem Rückweg haderte Johann immer wieder mit sich selbst. „Was mache ich nur, was mache ich nur?“
In einiger Entfernung hörte er das glucksende Rauschen der Tauber. „Es sind auch schon angesehenere Bürger ins Wasser gegangen; es dauert gar nicht lange, eine Minute die Luft anhalten. Kurz den Mund öffnen … dürfte doch gar nicht so schwer sein. Dann hätte ich alles überstanden.“
Oberhalb der Brücke war das Wasser drei Meter tief. Er hatte in seiner Jugendzeit mit seinen Freunden im Sommer dort oft ein erfrischendes Bad genommen und im Winter hatten sie die Eisschollen abgeschlagen und waren mit ihnen, wie auf einem Floß, ein Stück tauberabwärts gefahren.
Doch nein! Den Freitod wollte er auch nicht wählen. Dieser schöne Fluss sollte sein Leben nicht beenden.
Dann würden sie ihn als vollgesogene Wasserleiche bei Elpersheim aus dem kalten Nass ziehen, oder spätestens am Wehr bei Mergentheim. Die Kinder würden sich die Hände vor ihr Gesicht halten und die Alten würden mutmaßen, wer das wohl sei. Und dann wäre mit Sicherheit auch noch der Wasserwart Christoph David dabei, den kannte er nur zu gut. Nein, der durfte ihn nicht in diesem erbärmlichen Zustand vorfinden.
Er überlegte: „Nein, ich gehe nicht ins Wasser. Außerdem habe ich ja nichts Verbotenes gemacht, eigentlich nur mein Weib. Die ist doch an allem schuld. Die soll es büßen!
Ja, so soll es sein.
Ich werde mir schon etwas einfallen lassen.“
Als er die Tür aufgeschlossen hatte und sein Haus gerade betrat, stand Johanna mitten im Raum.
Johann machte schon in Gedanken zwei schnelle Schritte auf sie zu, wollte die rechte Hand erheben ... dann hielt er aber inne.
„Nein, so nicht“, dachte er nach.
„So nicht!“
„Gibt´s was zu essen?“
Mit dieser Frage wollte er sich nichts anmerken lassen. Sie brauchte doch nicht zu wissen, was er wusste.
„Ja, aber nur noch Hafergrütze, sonst ist nichts mehr da.
Ich muss erst wieder zum Müller und zum Metzger Pflüger.“
„Bei dem war ich heute schon“, entfuhr es Johann.
„Was ist los, wo warst du?“
„Ach nirgends, ist mir nur so rausgerutscht, ist schon recht.“
Johanna sah ihn ernst an.
„Wir müssen morgen miteinander reden. Es ist wichtig.
Sehr wichtig.
Ich habe mir so meine Gedanken gemacht … über uns beide.“
Johann konnte im Moment nicht nachvollziehen, was sie von ihm wollte.
„Ich mit dir auch“, dachte er.
„Vermutlich will sie wieder mehr Geld von mir … oder gesteht sie mit sogar ihre Seitensprünge?“
Er setzte sich an den Tisch, während ihm seine Frau den dunkelblauen Tonteller hinstellte.
„Und du, willst du heute nichts essen?“
„Nein“, meinte Johanna. „Ich trinke später noch ein Glas Rotwein von der Flasche auf der Kommode.
Habe heute keinen Hunger. Fühle mich etwas unwohl.“
„Und ich weiß sogar warum. Dein Gewissen plagt dich!“, dachte Johann und beugte sich nach vorne um den lauwarmen Brei in seinen Mund zu löffeln, ohne dabei wahrzunehmen, wie er schmeckte.
Plötzlich hielt er inne. Ihm war ein Gedanke gekommen, wie er es anstellen könnte. Ja, so müsste es gehen.
Nein, es wäre überhaupt die Lösung. Ein Glas Rotwein!
Das war doch fast ein Angebot … zumindest in seiner Lage.
In der Werkstatt würde sich mit Sicherheit noch etwas finden lassen, das dafür sorgte, dass die Schmidin morgen früh sehr lange schlafen würde. Sehr lange!
Er lächelte hämisch in sich hinein.
„Sie hat es doch herausgefordert … und verdient.“
Weikersheim an der Tauber Dienstag, 5. Februar 1765
Laut um Hilfe rufend, lief Johann Markus Schmid schon morgens, um die sechste Stunde nach Mitternacht, aus seinem Haus. Er eilte schnellen Schrittes zu dem Gendarmerieposten, der sich linksseitig am Eingang des Schlosses befand.
Doch dort herrschte völlige Dunkelheit. Der Gendarm Schaffer war noch nicht in seinem Büro. Auch auf der Straße befand sich zu diesem Zeitpunkt noch keine Menschenseele.
Nachdem sein Rufen immer lauter wurde, öffnete sich das kleine Gitterfenster oberhalb des Gendarmeriepostens.
„Kann man denn hier in diesem Nest nicht einmal in Ruhe ausschlafen, was soll dieses Geschreie da unten?“
Johann schaute hinauf und erkannte den Rudolf Kemmer, der erst vor kurzem neu bei der Gendarmerie angefangen hatte. Kemmer konnte bisher noch keine eigene Wohnung finden.
Sein Vorgesetzter Jupp Schaffer hatte ihm deshalb ein Zimmer direkt über den Diensträumen zugewiesen, das er zunächst einmal bewohnen konnte.
„Gott sei Dank“, rief Schmid dem jungen Kemmer zu, den er auf dessen Einstandsfeier im Schwarzen Adler, vor etwa einem halben Jahr, kennengelernt hatte.
„Schnell hilf du mir und komm zu mir ins Haus! Nein, rufe vorher noch einen Doktor, irgendetwas stimmt nicht mit meiner Frau!“
Verdutzt schaute Rudi Kemmer nach unten und zwirbelte mit Daumen und Zeigefinger seinen Schnauzbart. Schlaftrunken konnte er die Situation noch nicht richtig einschätzen.
„Was ist denn los mit deiner Frau, Schmid, dass du hier am frühen Morgen so ein Geschrei vollführst?“
Kemmer wollte sich erst einmal einen Überblick verschaffen.
„Sie liegt im Bett und rührt sich nicht, jetzt mach doch mal nach vorne. Wir brauchen einen Arzt! Deshalb bin ich hier.“
„Dann gehe du doch zu Dr. Köstler rüber, der wohnt, wie du ja weißt, oben im Grünen Hof. Ich gehe inzwischen zu deiner Frau und sehe nach, ob ich ihr helfen kann.“
Während Rudi Kemmer das Fenster schloss, trottete der Schmid davon. Besonders eilig schien er es jetzt aber nicht mehr zu haben.
„Komisch, dass der zuerst zu mir kommt. In dem Fall wäre doch ein Arzt wichtiger gewesen.“
Der Gendarm Kemmer versuchte erneut die Situation richtig einzuordnen.
Nachdem Kemmer seine schmucke Uniform angezogen und frisch gestiefelt seinen Säbel in die Scheide gesteckt hatte, lief er angespannt und amtseifrig mit schnellen Schritten zum Haus des Schmid. Die Eingangstür stand weit offen. Er musste eine Kerze anzünden, um sich überhaupt zurechtzufinden. Dann tastete er sich langsam in Richtung Schlafzimmer vor.
Er hörte keinen Laut der Schmidin, die er jetzt schemenhaft im hinteren Bett, nahe dem Fenster, erahnte. Schwaches Mondlicht fiel in den dunklen Raum.
„Frau Johanna Schmid!“, versuchte er die Person im Bett anzusprechen.
„Was ist mit Euch?“
Nichts regte sich.
„Vermutlich schläft sie noch“, sagte Kemmer beruhigend zu sich selbst.
Die Schmidin war bis zum Hals zugedeckt und lag mit offenem Mund auf dem Rücken. Eine Hand ragte aus dem Bett heraus und deutete leicht nach unten. Das Kopfkissen stützte, wie üblich, ihren Kopf.
Vorsichtig trat der Wachtmeister näher.
Sein Blutdruck erhöhte sich mit jedem Schritt ... und er machte nur sehr kleine Schritte.
Sein Puls stieg stetig an.
Seine erste Leiche?
Langsam und bedächtig führte er seine Hand an den Mund von Johanna Schmid.
Er konnte keinen Atem spüren.
Der junge Büttel fasste zögerlich an den Arm der Frau und sprang dann blitzartig einen Schritt zurück.
Eiskalt!
Er brauchte jetzt auch keinen Puls mehr zu fühlen; es war zu spät. Die Frau war tot!
Also doch, ... seine erste Leiche!
Vorsichtig schaute sich der junge Gendarm Rudi Kemmer in dem kleinen Zimmer um, konnte aber nichts Besonderes feststellen, außer der leeren Flasche Wein und dem Glas auf der Nachtkommode. Im Glas befand sich noch ein kleiner Stumpen roter Flüssigkeit.
„Dürfte Rotwein sein“, stellte Kemmer sachkundig fest.
Inzwischen kam Johann Markus Schmid mit dem Doktor im Schlepptau zurück. „Hier hinein, schnell“, hörte Kemmer den laut keuchenden Hausherrn aufgeregt rufen. „Beeilt Euch doch, Doktor Köstler!“
Der Arzt betrat, schwer atmend, mit seiner abgewetzten Ledertasche das Schlafzimmer und wollte gerade anfangen, die Patientin zu untersuchen, als er plötzlich innehielt.
„Schmid, es tut mir leid, Eure Frau ist tot, da kann ich nicht mehr helfen!
Mein Beileid.“
Johann Markus Schmid vergrub sein Gesicht in den Händen und jammerte vor sich hin. „An was ist sie denn gestorben?
Sie hatte gestern schon nichts mehr gegessen. Dann hatte sie abends noch ein Glas Wein getrunken, nur ein Glas, nicht viel.“ Er begann jetzt zu flehen. Vergrub sein Gesicht in den Händen. „Warum hat man mir meine Frau weggenommen?“
Doch sein Wehklagen klang irgendwie seltsam.
Dr. Harald Köstler und der junge Wachtmeister tauschten einen besorgten Blick aus und es schien, als würden beide dasselbe denken.
Aber Kemmer wollte dem Sachverhalt nicht vorgreifen und erst mal mit seinem Vorgesetzten, dem Jupp Schaffer, sprechen. Der müsste doch jetzt bald auftauchen.
Vermutlich war der Schaffer gestern Abend in der Bastion und es ist wieder mal etwas länger gegangen. Wie sagte er doch immer: Gut Ding braucht Weil!
Kemmer war sich aber, nach kurzer Überlegung, nicht mehr so sicher, ob dieser Spruch jetzt überhaupt passte.
Noch am selben Abend wurde Johann Markus Schmid wegen des Verdachts der Tötung seiner Ehefrau, durch Verabreichen von Gift, amtlich festgenommen.
Er wurde anschließend im Stadtturm, der in Weikersheim nur unter dem Namen Blaue Kappe bekannt war, arrestiert.
Da die folgenden Befragungen zu keinem Ergebnis führten, wurde die Gerichtsverhandlung im Schloss Weikersheim auf den 15. April 1765 festgesetzt.
Aufgrund der dünnen Beweislage wurde, in diesem speziellen Fall, kein Scharfrichter hinzugezogen.
Das Urteil Gerichtssaal im Schloss zu Weikersheim Montag, 15. April 1765
„Jetzt beeilt euch doch etwas!
In einer Stunde kommen die hohen Herren zu ihrer richterlichen Sitzung und ihr trödelt nur herum. Wir brauchen noch acht Stühle und die Weingläser müssen auch noch ausgerieben werden! Wo steht das Gebäck? Ruft sofort den Bäcker Hannes Schwarzer, er soll sich sputen!“
Eigentlich war der ehemalige Zeugmacher Johann Michael Ott nur als Bote von den Herren zu Weikersheim eingestellt worden. Aber durch seinen Fleiß und ein paar kleinere, aber hilfreiche Intrigen, hatte er sich bis zum Aufseher hochgearbeitet. Auch für die Gartenarbeit im Schloss war sich Ott nicht zu schade.
Jetzt hatte er sich den verantwortungsvollen Posten beim Grafen erarbeitet und wollte ihn auch behalten. Alles was er organisierte musste Hand und Fuß haben.
So gut ging es ihm schon lange nicht mehr.
Johann Michael Ott war Anfang 40 und hatte die Gelegenheit beim Schopf gepackt.
Zusammen mit seiner Frau Käthe hatte er einen dreizehnjährigen Sohn. Thomas war sein ganzer Stolz. Es gab damals Probleme bei der Geburt und er war überhaupt froh, dass das Kind überlebt hatte … und natürlich auch die Mutter. Weitere Kinder waren ihnen danach versagt geblieben.
Ott stammte aus ärmlichen Verhältnissen.
Aber er wusste schon immer, wenn sich eine Möglichkeit auftut, dann greift er zu.
Jetzt war es soweit. Er wurde anerkannt. Zwar war er nur ein Untergebener, aber es ging ihm gut.
Von den vielen Kleinen war er doch ein Großer.
Sein Lohn war zwar nicht übermäßig, aber er reichte aus.
Der Stolz adelt den Verdienst.
Zur achten Stunde sollte die höchst richterliche Sitzung im großen Saal, dessen Rokokomöbel gerade erst vor drei Wochen geliefert und eingerichtet worden waren, beginnen. Nicht öffentlich!
Die hohen Herren trafen ein und setzten sich auf ihre Plätze. Das Herz von Johann Michael Ott schlug schneller. Es sollte doch alles gelingen. Er trug die Verantwortung.
Die Stadtamtmänner von Weikersheim sowie der von Graf Ludwig Friedrich Karl von Hohenlohe eingesetzte Rechtsbeauftragte Peter Kolb, der Schultheiß Werner Philipp Öchsner und die vier Schöffen, setzten sich zusammen mit dem Centgrafen und vorsitzenden Richter Albert Schimmel an den großen, geschwungenen Sitzungstisch.
Johann Michael Ott war immer in Reichweite; er gehörte dazu, obwohl man ihn nicht sehen konnte.
„Hiermit eröffne ich die heutige Sitzung“, begann der Rechtsbeauftragte Peter Kolb und sofort herrschte absolute Ruhe in dem großen Saal.
Er schaute auf sein Protokoll.
„Sitzungspunkt eins der Tagesordnung: Der Vorfall im Hause Schmid in der Nacht zum 5. Februar 1765.“
Den Vorsitz übernahm Richter Albert Schimmel und die Anklage wurde durch Schultheiß Werner Philipp Öchsner, der auch die entsprechenden Ermittlungen geführt hatte, verlesen.
Öchsner erhob sich dienstbeflissen, schaute dem Richter wohlwollend ins Gesicht und formulierte dann seine Anklage.
„Dem Johann Markus Schmid, wohnhaft hier in Weikersheim, wird folgendes vorgeworfen.“ Er räusperte sich. „Verdacht des Totschlags zum Nachteil seiner Ehefrau Johanna Schmid, geborene Horn, durch Verabreichen von Gift.
Grundsätzlich kannte man den Beschuldigten als Handwerker und Bürger unserer Stadt Weikersheim.
Jedoch waren in den letzten Jahren immer mehr seine verwahrloste Lebensweise, Streitigkeiten und Trinkgelage bekannt geworden, die nicht nur seinen Ruf, sondern auch den der Stadt Weikersheim wiederholt in Missgunst gestürzt haben.
Zudem stand Johanna Schmid, die Ehefrau des Johann Markus Schmid, unter Verdacht, ein außereheliches Verhältnis mit dem ebenfalls hier ansässigen Müllergesellen Linus Gaubatz unterhalten zu haben, während der Schmid selbst in der Bastion überwiegend dem Kartenspiel seine Liebe schenkte und weniger seiner Frau.“
Er sah auf, zog die Augenbrauen kritisch hoch und fuhr dann pragmatisch fort.
„Nun hat sich eben die Lage in der Nacht zum fünften Februar diesen Jahres zugespitzt. Frau Johanna Schmid wurde in ihrer Wohnung, wie wir alle wissen, tot aufgefunden.“
Von den Ratsherren war ein beunruhigendes Raunen deutlich vernehmbar.
„Jedoch konnten die genauen Umstände bisher nur unzureichend geklärt werden. Als amtlicher Ankläger der Stadt Weikersheim fordere ich die Arrestierung des Verantwortlichen Johann Markus Schmid und zwar auf Lebenszeit.
Aufgrund der aktuellen Beweislage verzichte ich jedoch auf die Todesstrafe, die man ja, wie wir sicherlich alle wissen, nicht mehr rückgängig machen kann!“
Er schaute erwartungsvoll in die Runde. „Ich bitte nun um die Vorführung des Beschuldigten und übergebe das Wort an den Centgrafen Schimmel, der den richterlichen Vorsitz innehat.“
Der nickte ihm wohlwollend zu und erhob sich von seinem Platz, seine silberfarbene, gelockte Perücke zurechtrückend.
Im Bereich des Einganges wurde es gleichzeitig laut.
Die beiden Gendarmen Schaffer und Kemmer kamen in den Sitzungssaal, den in Ketten gelegten Schmid vor sich hertreibend. Johann Markus Schmid musste in der Sünderbank links von Richter Schimmel Platz nehmen. Dienstbeflissen, mit ernster Miene, setzten sich die Gendarmen Schaffer und Kemmer neben den Tatverdächtigen.
Dabei vergaß der Gendarm Kemmer vor lauter Aufregung seinen Diensthelm abzunehmen. Schaffer gab dem Kemmer einen unübersehbaren Hieb in die Seite und deutete auf dessen Kopfbedeckung. Hastig nahm nun der junge Gendarm die im Gerichtssaal nicht erlaubte Schutzausrüstung ab.