Der Mysterious 01: Alexander - Alfred Bekker - E-Book

Der Mysterious 01: Alexander E-Book

Alfred Bekker

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Beschreibung

Seit fast zweieinhalb Jahrtausenden lebt Arc Doorn unerkannt auf der Erde. Wir werden Zeuge, wie er Menschen begegnet, die Geschichte schrieben. Zu diesen Menschen gehört auch Alexander, den man dereinst „den Großen“ nennen wird. Doch jene, die ihm diesen Beinamen gaben, haben den Griechenkönig nicht so gekannt, wie Arc Doorn ihn erlebte. Und bis heute blieb auch unbekannt, dass Alexander der erste Mensch war, der mit eigenen Augen einen Ringraumer sah… Band 1 zum Sonderpreis

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Der Mysterious

 

Band 1

Alexander

 

Roman von

Alfred Bekker

 

nach einem Exposé von

Hajo F. Breuer

Inhalt

Titelseite

Prolog

1.

2.

3.

4.

5.

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Impressum

Prolog

Anfangs wußte ich nicht, ob ich diese Aufzeichnungen jemals der Allgemeinheit würde zugänglich machen können. Selbst jetzt, da ich diese Zeilen in die Tastatur gebe, bin ich mir noch keineswegs sicher, ob ich sie wirklich der Öffentlichkeit präsentieren soll oder ob ich nicht besser die Löschfunktion meines Suprasensors betätige. Ich könnte natürlich auch dafür sorgen, daß der vorliegende Datensatz erst in einer sehr fernen Zukunft veröffentlicht wird. Die Konsequenzen wollen in jedem Fall wohlbedacht werden.

Der vorliegende Bericht behandelt das erstaunliche Leben des Arc Doorn, eines im Jahr 546 v. Chr. auf dem Planeten Epoy in der Galaxis Orn geborenen Worgunmutanten, den es im Jahre 348 vor Christus unter dramatischen Umständen auf die Erde verschlug, wo er bis heute unter wechselnden Identitäten lebte.

Für menschliche Verhältnisse ist er mit seiner Lebenserwartung von etwa zehntausend Terrajahren fast unsterblich. Unsterblich genug jedenfalls, um von unseren primitiven Vorfahren zeitweilig als Gott verehrt zu werden und seine Spuren im Mythenschatz der terranischen Prä-Weltraumära zu hinterlassen.

Mein Name ist Bert Stranger, und viele von Ihnen werden mich als Reporter von Terra-Press kennen.

Mitte 2062 befand ich mich an Bord von Ren Dharks legendärem Raumschiff POINT OF und wurde Zeuge, wie Arc Doorn seine wahre Identität enthüllte. Wie ich später erfuhr, waren Ren Dhark und einige andere bereits zuvor informiert gewesen. Doorns Offenbarung geschah auch keineswegs freiwillig. Die POINT OF war bei ihrer Suche nach den sagenumwobenen Balduren auf den Worgunmutanten Dalon gestoßen, der Doorn wiedererkannt hatte. Vor über zweitausend Jahren hatten sich die beiden zum letzten Mal gesehen.

Doorn selbst hätte von sich aus wohl keinerlei Grund gehabt, seine Herkunft als amöbenhafter, einstmals zur Gestaltwandlung fähiger Worgun zu offenbaren.

Er hatte den Körper eines Menschen angenommen und war auf diese Weise zu einem Terraner geworden. Nur die hohe Lebenserwartung unterschied ihn vom Rest der Menschheit – und dieser Umstand war für ihn auch immer ein Grund gewesen, der dafür sprach, seine wahre Identität weiter zu verheimlichen. Er fürchtete den Neid der anderen Terraner, wie er mir in einem unserer ausführlichen, nächtelangen Gespräche sagte.

Jetzt, da dieses Buch abgeschlossen ist und ich die einleitenden Zeilen voranstelle, weiß ich noch immer nicht mit letzter Gewißheit, ob ich es tatsächlich auch veröffentlichen werde. Schreiben mußte ich es, denn dieser Bericht ist ein Dokument der Menschheitsgeschichte, das unbedingt bewahrt werden muß. Aber ob jetzt schon der richtige Zeitpunkt gegeben ist, um die Menschheit mit den darin geschilderten Ereignissen und Fakten zu konfrontieren, dessen bin ich mir noch immer nicht sicher. Und das, obwohl ich als Angehöriger der Presse natürlich in dieser Hinsicht meist nicht sehr zurückhaltend bin.

Die Wahrheit muß aufgedeckt und veröffentlicht werden, ohne daß man sich vorher allzuviel Gedanken um die Konsequenzen macht, denn die Konsequenzen aus der Wahrheit sollen die mündigen Bürger selbst ziehen – dieser Satz umschreibt etwa meine persönliche Auffassung dieser Dinge.

Aber in diesem Fall war noch sehr viel mehr zu bedenken…

Insbesondere ging es auch um die Auswirkungen einer eventuellen Veröffentlichung auf das Leben jenes Mannes, der zur Zeit noch immer als Fremdtechnikexperte tätig ist. Ein Mann, dem man eine geradezu außergewöhnliche Begabung nachsagt, sich in technische Systeme fremder Spezies hineinzudenken. Im Licht meines heutigen Wissens klingt das fast wie eine ironische Laune des Schicksals, denn Arcdoorn – so sein ursprünglicher Worgunname – war ursprünglich ein Philosophielehrer, der von Technik nicht allzuviel Ahnung hatte.

Diese Aufzeichnungen wären nicht möglich gewesen ohne die Mitarbeit und das Einverständnis Arc Doorns.

Als ich ihm das erste Mal vorschlug, mir seine Erlebnisse zwischen dem Jahr 348 vor Christus (in dem er mit einem gestohlenen Flash im Gebiet des späteren Dänemark landete) und der Gegenwart zu schildern, wies er mich schroff zurück.

Er betrachtete schon die Notwendigkeit, sich den Mitgliedern der POINT OF-Besatzung gegenüber zu erklären, als eine Zumutung und sträubte sich regelrecht dagegen, irgendwelche näheren Erläuterungen der Umstände seines immerhin mehr als zwei Jahrtausende umspannenden Aufenthalts auf der Erde abzugeben.

»Das ist meine Privatangelegenheit«, pflegte er zu sagen. »Die einzige, die mein früheres Leben vielleicht etwas angeht, ist die Frau an meiner Seite.«

Ja, so sehr war aus dem Worgun Arcdoorn im Laufe der Jahrhunderte der Terraner Arc Doorn geworden!

Er hatte geheiratet, und später vertraute er mir an, daß es gar nicht so leicht gewesen wäre, seiner Frau Doris klarzumachen, daß sich zwischen beiden nichts ändern würde und daß er längst zu Arc Doorn, dem Menschen, geworden war, der seine Frau aufrichtig liebte.

Ein Gefühl, das ihm – als eingeschlechtlich amöbenhaftem Worgun – ganz gewiß nicht von Anfang an eigen gewesen war. Aber dieser in mehr als einer Hinsicht erstaunliche Mann hatte mehr als zwei Jahrtausende gehabt, um Menschlichkeit zu lernen.

Nach der ersten Abfuhr, die ich von ihm erhalten hatte, gab ich nicht auf, sondern versuchte, sein Vertrauen zu gewinnen und ihm klarzumachen, welche Bedeutung eine Aufzeichnung seiner Erlebnisse für die Menschheit hätte.

»Sie sind ein Teil der menschlichen Geschichte«, meinte ich. »Vielleicht haben Sie sie an der einen oder anderen Stelle sogar geprägt, ohne daß es Ihnen in dem Augenblick bewußt war…«

Ich hatte ihn in einem der Aufenthaltsräume an Bord der POINT OF abgepaßt und mich zu ihm an den Tisch gesetzt. Seinem breiten Gesicht war anzusehen, daß er alles andere begeistert war, mich zu treffen.

»Sie können es einfach nicht bleibenlassen, was?«

»Ich verstehe Ihre Skrupel, Doorn…«

»Ach, wirklich? Ich bin mir nicht einmal sicher, ob Sie die Bedeutung dieses Wortes – Skrupel – überhaupt schon richtig erfaßt haben, Stranger.«

»Oh, da tun Sie mir unrecht.«

»Ihnen geht es doch nur um die Story – alles andere ist Ihnen gleichgültig. Ihnen schwebt doch ein Kassenschlager vor, der Sie zum Millionär macht! Wer weiß, vielleicht bringt man bei entsprechendem Erfolg sogar noch eine Liebhaber-Edition auf Papier heraus… Ich sehe schon die Aufmacher: GESCHICHTE DER MENSCHHEIT MUSS NEU GESCHRIEBEN WERDEN!«

Bitterkeit klang aus Arc Doorns Worten heraus. Eine Bitterkeit, die mir so tiefverwurzelt zu sein schien, daß ich meine Chancen, ihn doch noch von einer Zusammenarbeit überzeugen zu können, in jenem Augenblick als äußerst gering einstufte. Ich wußte damals noch zu wenig über sein Leben, um ermessen zu können, was oder wer ihn so tief verletzt haben mochte, daß da dieses abgrundtiefe Mißtrauen in ihm war.

»Sie sollten mir vertrauen«, forderte ich. »Ich verspreche Ihnen, daß nichts geschieht, ohne daß Sie Ihre Einwilligung gegeben haben!«

Der rothaarige Sibirier lachte rauh.

»Das sagen Sie jetzt?«

»Ich halte mein Wort!«

»Und was ist, wenn dieses Buch oder was immer es werden soll, fertig ist und ich es mir anders überlegen sollte? Was, wenn ich im letzten Moment die Genehmigung zurückziehe?«

»Dann werde ich nichts tun, was Ihren Interessen in irgendeiner Form zuwiderläuft«, erwiderte ich ruhig. Und das war die Wahrheit. Mir war klar, daß eine Veröffentlichung möglicherweise enorme Folgen für Doorns weiteres Leben als Terraner haben konnte.

»Ich werde Ihnen sagen, was Sie in so einem Fall tun würden!« knurrte er. »Sie würden sich einfach darüber hinwegsetzen!«

»Da schätzen Sie mich vollkommen falsch ein. Ich hätte im übrigen auch nichts dagegen, daß wir solche Fragen vertraglich festlegen, bevor Sie mir auch nur eine einzige Silbe über Ihr früheres Leben zu Gehör bringen…«

»Es ist nicht nur ein Leben, Stranger. Es sind viele…« murmelte er nachdenklich. Sein Blick schien durch mich hindurchzusehen und in weite Ferne und längst vergessene Zeiten zu schweifen. Was hätte ich darum gegeben, in diesem Augenblick an seinen Erinnerungen teilhaben zu können…

*

In den folgenden Tagen wandte ich mich unter anderem auch an Chris Shanton. Den genialen Konstrukteur und Techniker verband eine tiefe Freundschaft mit Doorn, und ich hoffte daher, daß er ihn dahingehend beeinflussen würde, mir Rede und Antwort zu stehen.

»Ich werde ihm da nicht hineinreden«, erklärte Shanton mir gegenüber. Ich besuchte ihn in einem seiner Labors an Bord der POINT OF. Allerdings war er mehr mit seinem Robothund beschäftigt als mit mir. Immer wuselte das Tier – wenn man das so sagen darf – durch die Räume, und außer all den Eigenschaften, die einem an konventionellen Hunden unangenehm auffallen können, hatte der mechanische Terrier auch noch den Hang, alles zu kommentieren, was zwischen Shanton und mir gesprochen wurde.

Schließlich schickte Shanton ihn hinaus und schüttete sich und mir erst einmal je einen Erlenmeyerkolben irgendeines guten Cognacs ein. Ich war zu wenig Connaisseur auf diesem Gebiet, um das wirklich schätzen zu können.

Shanton zelebrierte den Genuß dieses Cognacs regelrecht.

Schließlich sagte er: »Meinen Sie nicht, Sie sollten Arc ein bißchen Zeit lassen, wieder zu sich zu kommen? Er lebte jahrtausendelang unerkannt unter Menschen und ist in all der Zeit wahrscheinlich mehr durch unseren Planeten geprägt worden als durch seine Ursprungsheimat. Zumindest, wenn man die Zeitspanne bedenkt, die er als Worgun unter Worgun verbrachte und jene ungleich größere, die er ein Mensch unter Menschen war, legt das doch den Schluß nahe. Finden Sie nicht?«

»Nun…«

»Ich kann Ihnen nicht sagen, ob er insgeheim gehofft hat, sein Geheimnis würde nie ans Licht der Öffentlichkeit kommen. Er sagte mir, er hätte den Zeitpunkt selbst bestimmen wollen, aber ich kenne ihn nun wirklich gut genug, um zu wissen, wann er vielleicht nicht ganz aufrichtig ist – auch sich selbst gegenüber.«

»Mit anderen Worten: Er hätte dieses Geheimnis von sich aus niemals offenbart«, schloß ich messerscharf.

Shanton zuckte die Achseln. Das bärtige Gesicht des deutlich zum Übergewicht neigenden Wissenschaftlers wirkte nachdenklich. »Wären wir auf Planet XII nicht Dalons gestrandetem Raumschiff ASGOR begegnet, wäre es vielleicht nie ans Licht gekommen, daß Arc ebenfalls ein Worgun ist…« Shanton atmete tief durch. »Haben Sie schon mit seiner Frau Doris gesprochen, Mr. Stranger?«

Ich schüttelte den Kopf. »Nein, ich habe fast das Gefühl, daß sie mir ausweicht.«

Chris Shanton lachte heiser und genehmigte sich einen weiteren Erlenmeyerkolben des edlen Getränks. »Kann ich irgendwie sogar verstehen«, meinte er. »Wenn ich an Arcs Stelle wäre…« Er sprach nicht weiter, sondern komplimentierte mich vielmehr in den nächsten Augenblicken höflich, aber unmißverständlich hinaus. Chris Shanton wirkte sehr nachdenklich. Schließlich sicherte er mir noch zu, mit Arc Doorn zu reden und sich dabei für mein Projekt einzusetzen. Allerdings könne er mir nichts versprechen.

Später schaffte ich es doch noch, mit Doris Doorn in Kontakt zu kommen. Wie ich dann herausfand, war Arc Doorns Frau zunächst ziemlich verzweifelt, nachdem sie mit der Tatsache konfrontiert wurde, mit einem Außerirdischen verheiratet zu sein. Aber sie hielt schließlich trotz alledem zu ihm, auch wenn sie es sicherlich bis zu einem gewissen Grad als Vertrauensbruch empfand, daß ihr Mann ihr seine wahre Identität verheimlicht hatte.

Inzwischen hatte sie allerdings Verständnis dafür. Auch ihr gegenüber versuchte ich, meinen Standpunkt darzulegen, und gab ihr zu bedenken, daß früher oder später andere versuchen würden, Doorns Geschichte auf eigene Faust zu rekonstruieren.

Auch Doris Doorn berichtete mir später davon, daß ihr Mann es überhaupt nicht schätzte, wenn seine Vergangenheit nun auch noch einer breiten Öffentlichkeit bekannt werden sollte.

Sie meinte: »Ich verstehe, was Arc fürchtet. Er möchte ein Mensch bleiben wie bisher. Und alles, was Sie anstreben, stellt ihn außerhalb der Menschheit, grenzt ihn gewissermaßen aus.«

»Er ist anders«, erwiderte ich. »Das ist eine Wahrheit, die Ihr Mann akzeptieren und der er sich stellen muß.«

»Ja, aber vielleicht geht das nicht so schnell, wie Sie sich das wünschen, Mr. Stranger. Und um ehrlich zu sein, ist er sich wohl auch nicht sicher, welche Motive Sie verfolgen…«

»Ich gebe zu, daß es mir natürlich um eine Sensationsstory geht! Keine Frage!«

»Genau das, was Arc vermeiden will!«

»Mag sein. Aber das Ganze hat auch noch eine andere Dimension, die man auch bedenken sollte.«

»Und die wäre?«

»Finden Sie nicht auch, daß Arcs Erlebnisse der gesamten Menschheit gehören? Er ist einzigartiger Zeuge der Geschichte. Er darf nicht schweigen.«

»Ich glaube nicht, daß jemand wie Sie, der bei der Sache nicht das gleiche Risiko eingeht wie Arc, das Recht hat, dies von ihm zu fordern«, machte mir Doris Doorn unmißverständlich klar.

Und in gewisser Weise konnte ich diesen Standpunkt sogar verstehen.

»Ist es nicht besser, wenn Ihr Mann gleich seine Version darlegen kann, anstatt daß halbwahre Geschichten in Umlauf geraten?« erwiderte ich. »Sie wissen vielleicht, daß hier und da bereits der Vorwurf laut wurde, Doorn hätte die Menschheit mit seinem immensen Wissen doch mehr fördern können. Die Tel haben ein Imperium von zehntausend Welten, weil sie bereits drei Jahrhunderte vor der Menschheit die Technologie der Worgun nutzen und weiterentwickeln konnten. Vielleicht wäre jetzt die Menschheit in einer sehr viel besseren Position, wenn auch uns das möglich gewesen wäre.«

Doris Doorn lächelte nachsichtig.

»Ja, ich kenne diese Vorwürfe – aber ich weiß nicht, ob mein Mann unbedingt Sie braucht, um Ihnen entgegenzutreten.«

»Ich glaube schon. Denken Sie wenigstens darüber nach.«

»Das werde ich«, versprach sie.

*

Ich habe nicht die geringste Ahnung, welche Umstände letztlich dazu führten, daß Arc Doorn sich zur Anfertigung dieser Aufzeichnungen bereiterklärte. Jedenfalls tauchte er vor meiner Kabine auf und bat mich um eine Unterredung.

»Ich bin einverstanden, daß Sie einen Bericht über mein Leben abfassen«, kam er sofort und ohne Umschweife auf den Punkt.

Ich muß ihn ziemlich überrascht angestarrt haben. War es nun dem Einfluß Chris Shantons oder dem seiner Frau zuzurechnen, daß seine Meinung sich in dieser Sache um hundertachtzig Grad gedreht hatte? Ich habe es nie erfahren. Weder Shanton noch Doris Doorn wollten sich dazu später noch einmal äußern.

»Darf ich hereinkommen?« fragte er auf mein Schweigen hin.

»Bitte!«

Arc Doorn sah sich kurz in der Kabine um, die mir an Bord der POINT OF zur Verfügung gestellt worden war, und nahm dann in einem Schalensitz Platz, während ich mich auf meine Pritsche setzte.

Er schlug die Beine übereinander und musterte mich einige Augenblicke lang nachdenklich, so als wollte er es sich doch noch einmal überlegen.

»Ihre Argumente haben mich überzeugt«, gestand er schließlich. »Zumindest zu… sagen wir mal… achtzig Prozent. Der Rest ist Zweifel… ich weiß nicht, ob ich das Richtige tue, wenn ich Ihnen Rede und Antwort stehe. Ich weiß aber auch nicht, ob es nicht ein Riesenfehler wäre, es nicht zu tun. Daher habe ich ein paar Bedingungen für meine Kooperation.«

»Nur heraus damit!« forderte ich. Über Bedingungen jeglicher Art konnte man immerhin verhandeln. Und das bedingte Ja, mit dem er unsere Unterhaltung eröffnet hatte, war sehr viel ermutigender als das kategorische Nein, das am Anfang zwischen uns gestanden hatte.

Doorn beugte sich etwas vor. »Ich will ein Vetorecht bis zum Zeitpunkt der Veröffentlichung.«

»Einverstanden.«

»Das bedeutet, daß ich meine Erlaubnis zur Veröffentlichung Ihres Berichts vielleicht kurz vor dem Startschuß zurückziehe…«

»Ja, das ist mir klar. Ich werde Ihren Willen in dieser Sache auf jeden Fall respektieren.«

»Wenn Sie mich angehört haben, werden Sie selbst vielleicht darüber nachdenken, ob es nicht besser wäre, die Aufzeichnungen anschließend wieder zu vernichten, Mr. Stranger«, prophezeite er.

Eine Bemerkung, die meine Neugier nur noch mehr steigerte.

Er lehnte sich zurück.

»Wir können anfangen«, meinte er.

Ich aktivierte meinen Handsuprasensor. »Sie haben doch nichts dagegen, wenn ich die Audioaufzeichnung aktiviere, oder?«

»Natürlich nicht.«

»Okay…«

»Bevor ich Ihnen meine Erlebnisse berichte, möchte ich mit etwas beginnen, das mir besonders am Herzen liegt.«

»Bitte!«

»Heute kennt man mich als Fremdtechnikexperten und sagt mir großes Einfühlungsvermögen in die Technologien fremder Spezies nach. Aber das ist hart erarbeitet. Und wer immer glaubt, ich hätte die Menschheit in den letzten zweieinhalb Jahrtausenden stärker technologisch fördern sollen, verkennt völlig die Situation! Ich war ein worgunscher Philosophielehrer auf einer Welt, die von den Menschen heute Dockyard genannt wird, und hatte von Technik so viel Ahnung wie Sie, Mr. Stranger!«

»Mit anderen Worten: überhaupt keine!«

»Wenn ein technisch ungebildeter Mensch unserer Zeit auf einem einsamen Hinterwäldlerplaneten stranden würde, so wäre er auch nicht in der Lage, diese Welt plötzlich mit Kraftwerken zu beglücken, selbst wenn er Grundkenntnisse über Elektrizität besitzt, die bei den Einheimischen vielleicht nicht vorhanden sind… Wenn ein Flash nicht mit benutzerfreundlicher Gedankensteuerung zu bedienen wäre, dann wäre meine damalige Flucht unmöglich gewesen.«

Ich verstand, worauf er hinauswollte.

»Gehen wir zurück ins Jahr 348 vor der Zeitenwende, als Sie auf der Erde gelandet sind.«

»Damals trug ich noch meinen Geburtsnamen Arcdoorn…«

Dann begann er zu erzählen, und ich hing wie gebannt an seinen Lippen. Die aufgezeichneten Audiodateien wurden später Grundlage für meinen Bericht, dem ich den Titel DER MYSTERIOUS gegeben habe…

 

Bernd Stranger, an Bord der POINT OF im Dezember 2062

1.

Sommer des Jahres 348 vor Christus

Tabuplanet Terra, Region: heutiges Dänemark

 

Arcdoorn kauerte am Feuer, über dem er ein Wildschwein briet. Er hatte es sich nicht zu erjagen brauchen, denn die humanoiden Eingeborenen dieses Planeten, der auf der Tabuliste stand, pflegten ihn regelmäßig mit Jagdbeute zu versorgen. Sie legten sie scheu und ehrfürchtig am bewaldeten Ufer jenes Sees ab, der die kleine Insel umgab, auf der er sich eingerichtet hatte.

Zuerst hatten die primitiven Eingeborenen versucht, ihn zu bekämpfen, und dafür bitter bluten müssen. Schließlich war der Worgun noch immer im Besitz eines Nadelstrahlers, mit dessen Hilfe er sich zu wehren wußte.

Inzwischen glaubten die zumeist bärtigen und hellhaarigen Krieger dieser Gegend offenbar, daß er so etwas wie ein Gott war.

Ein Gott, der in der Lage war, Blitze zu schleudern.

Arcdoorn kaute lustlos auf einem nicht ganz durchgebratenen Bissen des Wildschweins herum.

Daß es sich um ein Wildschwein handelte, war dem Außerirdischen in jenem Augenblick nicht bewußt. Er hatte die Gestalt eines rothaarigen, breitschultrigen Humanoiden angenommen.

Damit glich er nicht nur rein äußerlich der Erscheinung eines einheimischen Erdbewohners, sondern hatte sich damit auch dem Metabolismus dieser Wesen angepaßt. Mit weitaus größeren Folgen, als ihm zunächst bewußt war.

Für die Sprache und Kultur der Erdbewohner hatte er sich noch nicht im mindesten interessiert. Unglücklicherweise bestand seine gesamte Ausrüstung aus einem Werkzeugkoffer und dem Nadelstrahler. Ein Translator war nicht dabei.

Arcdoorn hatte es sich als äußerst angenehm vorgestellt, das Leben eines Gottes auf einem primitiven Planeten zu führen, dessen Entwicklungsmöglichkeiten jedoch als hoch eingestuft wurden. Dies war ein Grund dafür, daß man die Erde zu einem Tabuplaneten erklärt hatte, dessen Entwicklung auf keinen Fall in irgendeiner Form beeinflußt werden sollte. Man wollte den einheimischen Zweibeinern ganz bewußt die Möglichkeit geben, sich auf natürliche Weise zu entwickeln.