Der Mythos von der Gruppe 47 - Hermann Kinder - E-Book

Der Mythos von der Gruppe 47 E-Book

Hermann Kinder

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Beschreibung

Ein großer aufklärerischer Essay über die Mythologisierung der Gruppe 47.

Das E-Book Der Mythos von der Gruppe 47 wird angeboten von Books on Demand und wurde mit folgenden Begriffen kategorisiert:
Deutsche Literatur, Deutrsche Nachkriegsliteratur

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Seitenzahl: 37

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Inhaltsverzeichnis

Kapitel I

Kapitel II

Kapitel III

Kapitel IV

LITERATURHINWEISE

»Habemus papam!« spottete G. Franzen: Mit dem Leitartikel zur Literaturbeilage der FAZ im Messe-Herbst 89 gab Frank Schirrmacher seinen Einstand als Kanzelredner. Rollenkonform beklagt er die Nichtigkeit der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur: »Die letzten Werke von weltliterarischem Rang, die im deutschsprachigen Raum erschienen, stammen von der Generation der heute Sechzigjährigen.« Gewiss ärgert mich als Autor diese arrogante Missachtung der literarischen Arbeit aller Generationen, die den um 1920/30 geborenen sogenannten Flakhelfern folgten, privat und im Namen aller von >Achtundsechzig<, die – nach Hans Mayers selbstgerechtem Diktum – >keine Spuren hinterlassen in der deutschen Literatur<. Ich bin aber auch unabhängig von dieser Beleidigung der Meinung, dass die Geringschätzung ungerechtfertigt ist, dass sie denkfaules Nachplappern der Topoi zumal bundesdeutscher Kritik ist, die wir uns nun seit zwanzig Jahren gefallen lassen müssen. Denn es stimmt, wenn Schirrmacher feststellt: »Die Literaturkritik? Sie verzeichnet seit Jahren nur noch Stillstand. Genauer gesagt: seit fast zwanzig Jahren.« Noch genauer gesagt: seit mindestens dreiundzwanzig Jahren. Im Herbst 1966 erschien das Heft der damals wichtigsten bundesdeutschen Literaturzeitschrift, des Leitorgans der Gruppe-47- bzw. Suhrkamp-Kultur, Akzente, mit dem einen Satz von Jakov Lind aufgreifenden Titel »Die Jungen – haben sie >einfach nichts zu sagen<?« Damit war die Zäsur markiert, die seither immer wieder bestätigt wurde: Die hohe Zeit der vor allem bundesdeutschen Literatur war vorbei. Und wenig später, 1967, brach die Gruppe 47 auseinander. Mit der Politisierung, dann der Subjektivierung der siebziger Jahre, verlor sich die Homogenität der etablierten literarischen Kultur, neue Orientierungen wurden gesucht, angemessenere Schreibkonzepte, und es begann, hätten die Kritiker im Fahrwasser der Gruppe 47 denn recht, der unaufhaltsame Abstieg der deutschen Literatur. Sicher, für die bundesdeutsche Literatur ging eine Epoche zuende. Ob danach nur noch literarisches Niederholz kam – man wird Achternbusch bis Zahl erlauben müssen, hier anderer Meinung zu sein. Auffallend jedenfalls ist, dass die Hoch- und Geringschätzung der bundesdeutschen Literatur merkwürdig verknüpft ist mit Glanz und Zerfall der Gruppe 47. Es ist also zu überlegen, ob in der Tat lediglich Fragen der ästhetischen Qualität das auslöschende Urteil der Kritik bestimmen, ob nicht eher spezifisch bundesdeutsche kultur- und literatursoziologische Gründe für den Gemeinsatz von der einst großen und dann nur noch nichtigen westdeutschen Literatur ausschlaggebend sind. Ich behaupte, dass – vor allen gewiss zu stellenden Fragen nach den Qualitäten der Literatur, die jedoch nicht minder streng fragen müssten nach der Haltbarkeit genereller ästhetischer Normen, unter denen allererst der unhistorische >Typologiewahn< vom Wellenwechsel des scheinbar zeitlos Gültigen mit dem scheinbar Epigonalen entstehen kann – ich behaupte, dass für die Niedermachung der Nach-Gruppe-47-Literaturen ausschlaggebend nicht das Problem ästhetischer Qualität ist, sondern die wohl einmalige historische Geltung, die aufgrund spezieller Bedingungen der Bundesrepublik die Literatur der Gruppe 47 zumal in den frühen sechziger Jahren gehabt hat. Und diese Bedeutung der Literatur ist wohl unwiederbringlich verloren. Der Katzenjammer darüber entlädt sich im >Kreuziget< über die Nachgewachsenen.

Gegen die mythologisierende Tendenz der Kritik, die unter scheinbar ästhetischen Gesichtspunkten von der ganzen bundesdeutschen Literatur nur die der Gruppe 47 gelten lässt und mithin die erwähnenswerte Geschichte der bundesdeutschen Literatur mit der der Gruppe 47 gleichsetzt, wäre, was hier nur angedeutet werden kann, zu bedenken:

– Die Identifikation von ästhetischer Qualität und »weltliterarischem Rang< ist fragwürdig, weil dieser Rang den Werken auch zuwuchs aus der Konstellation der Bundesrepublik, die sich in den sechziger Jahren anschickte, eine gewichtige Stimme im Weltkonzert zu werden. Wenn die Gruppe 47 so der mit besonderer internationaler Aufmerksamkeit bedachte Botschafter einer auch kulturell neuen Bundesrepublik wurde, heißt das nicht, dass die nachfolgenden Literaturen, die diese Rolle nicht mehr spielten, deswegen schon üblerer Qualität sein müssen.

– Ebenso fragwürdig ist es, die besondere Funktion, welche die Literatur der Gruppe 47 zu einer bestimmten Zeit innerhalb der Bundesrepublik tatsächlich hatte, zum Beleg zu nehmen für ihre überragende Größe. Denn das unterschlägt einmal, dass die Literaturen danach (die Lebensorientierung der Neuen Subjektivität; die Geschlechterauseinandersetzungen der Emanzipationsliteratur; die pathetischen Verrätselungen der neuen Kunstreligion) ebenfalls ihre nicht zu unterschätzenden Funktionen gehabt haben, die gerade nicht mehr mit dem ideologischen und ästhetischen Haushalt der Gruppe-47-Literatur zu erreichen waren, ohne dass hier auch die Gleichung von Funktion und ästhetischer Größe aufgestellt würde. Es unterschlägt zum anderen, dass generell kultursoziologisch ein Niedergang der Bedeutung von Literatur zu konstatieren ist, was mit der Umschichtung kultureller Werte zu tun hat (Freizeit- bzw. Wohlleben- statt intellektuell kasteiender Lesekultur) und der Verlagerung des Interesses auf andere Medien. Sind solche komplexen Erschwerungen literarischer Relevanz einfach zu verrechnen als schwindende ästhetische Potenz der Nachgeborenen?