Der Nahe Osten geht nicht unter - Daniel Gerlach - E-Book

Der Nahe Osten geht nicht unter E-Book

Daniel Gerlach

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Beschreibung

Kriege und Konflikte beherrschen unser Bild des Nahen und Mittleren Ostens, Abgesänge auf die Region bestimmen die Debatte. Daniel Gerlach dagegen ist überzeugt: Die arabische Welt ist noch lange nicht verloren. Und sie steht vor einer historischen Chance, die sie nicht ungenutzt vorüberziehen lassen sollte. Der Journalist und Orientalist zeichnet ein lebhaftes, aber auch realistisches Panorama der Region, vor allem Syriens, des Irak und von Teilen der Golfregion und Nordafrikas. Die konfessionellen und ideologischen Spannungen bewertet er neu und erzählt von gesellschaftlichen Gruppen, die mit ihrem Einfluss die Region verändern können: Die Machtverhältnisse beginnen schon, sich zu verschieben. So öffnet uns Daniel Gerlach den Blick für eine vergessene Tatsache: Die Menschen des Nahen Ostens sind nicht nur Opfer weltgeschichtlicher Kräfte, die sie hin und her werfen. Sie sind auch Herrinnen und Herren ihres eigenen Schicksals und haben zu allen Zeiten pragmatische Lösungen gefunden. Nicht nur, um zu überleben. Sondern auch, um ihr Leben lebenswerter zu gestalten.

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Daniel Gerlach

Der Nahe Osten geht nicht unter

Die arabische Welt vor ihrer historischen Chance

»Deux intellectuels assis vont moins loin qu’une brute qui marche.«

Maurice Biraud zu Charles Aznavour in

Inhalt

Schwimmen in der Wüste

Eine Einleitung

ERSTES KAPITEL

… in dem ein Journalist ermordet wird und seine Erbschaft beinahe in Vergessenheit gerät

ZWEITES KAPITEL

… in dem wir noch nach Worten für das suchen, was die Gesellschaften des Nahen Ostens spaltet

DRITTES KAPITEL

Ob der Nahe Osten wirklich mitten in einem »Dreißigjährigen Krieg« steckt oder am Ende eines vierzigjährigen

VIERTES KAPITEL

… in dem eine syrische Tafelrunde gelobt, ihre Heimat nicht länger den Barbaren zu überlassen

FÜNFTES KAPITEL

Warum Despoten antike Monumente lieben und Dschihadisten sie zerstören

SECHSTES KAPITEL

Unheilige Allianzen: Wer das Christentum im Orient bewahren will, sollte sich dabei nicht auf die Kirchen verlassen

SIEBENTES KAPITEL

Ich kann beim besten Willen kein Hakenkreuz erkennen. Oder: Darf man mit Sozialnationalisten reden?

ACHTES KAPITEL

… in dem Millionen zu einem Grabmal pilgern und die Machtverhältnisse im Islam verändern

NEUNTES KAPITEL

… in dem wir einigen der mächtigsten Männer des Irak begegnen und erfahren, was aus ihnen wird

ZEHNTES KAPITEL

Viagra für den arabischen Nationalismus: Zwei Prinzen wollen eine alte Idee wieder aufleben lassen

ELFTES KAPITEL

Erdoğans vier Finger, die neun Leben von Al-Qaida und die Arithmetik des politischen Islams

ZWÖLFTES KAPITEL

Eine Unbekannte gibt sich zu erkennen: Wer ist eigentlich die arabische Zivilgesellschaft?

DREIZEHNTES KAPITEL

… in dem ein Zukunftsprofessor eine digitale arabische Welt erntwirft und so womöglich den Angriff der Killer-Roboter verhindert

VIERZEHNTES KAPITEL

… in dem der Nahe Osten doch nicht untergeht

Danksagung

Anmerkungen

Schwimmen in der Wüste

Eine Einleitung

Als das Wasser zurückwich, kamen die Schlangen. Durch die anhaltende Dürre wurden sie aus ihrem natürlichen Habitat im irakischen Schwemmland getrieben. Giftige Wüstenkobras und Hornrasselvipern suchten nun verzweifelt Nahrung in der Nähe der Siedlungen und kreuzten auf unglückliche, schicksalhafte Weise die Wege von Mensch und Vieh. Immer wieder sind solche biblischen Plagen in den vergangenen Jahrzehnten über die mesopotamischen Marschen hereingebrochen, die mehr als eine Landschaft sind: ein uraltes Natur- und Kulturerbe, welches manche sogar für die letzten Überreste des Garten Eden halten.

Die Ma‘dan, die Marsch-Araber, haben im Irak viele Namen: etwa »Marschleute« (Ahl al-Hor) oder »Ochsenvolk« (Ahl al-Jamus), weil ihr liebstes Zuchttier der Wasserbüffel ist. Von sich selbst sagen sie, sie seien die letzten Nachkommen der Sumerer, die einst die Schrift und den Städtebau erfanden und sich schließlich dorthin zurückzogen, wohin ihnen fremde Eroberer, die das Zweistromland unterwarfen, nicht folgen würden. Sie lebten auf Inseln, Einbauten und in schilfgeflochtenen Behausungen.

Der Despot Saddam Hussein wollte das Schwemmland am Unterlauf von Euphrat und Tigris trockenlegen, um die Marschleute zu strafen, die er verachtete und als Aufrührer ansah. Schiitische Guerillas versteckten sich bei den Ma‘dan; während des Golfkriegs lieferten sich iranische und irakische Soldaten erbarmungslose Schlachten im Schilf. Mensch und Tier verendeten durch die Starkstromkabel, die Saddams Republikanische Garden durch das Wasser legten, um die Feinde zu vernichten. Garten Eden oder nicht: In der eintönig-idyllischen Marschlandschaft liegen Paradies und Hölle sehr eng beieinander. Die Marschen haben vermutlich nicht nur alles an zivilisatorischer Größe und blutrünstiger Barbarei gesehen, sie sind auch ein Sehnsuchtsort und stehen sinnbildlich dafür, dass alles mit allem zusammenhängt: Hier liegt nicht nur das Herz des Irak, sondern auch eine Keimzelle seiner religiösen und politischen Ideologien, die zum Teil weit über seine Grenzen hinausstrahlten. Shi‘i, shuyu‘i, shurugi – Schiit, Kommunist, Landei, so charakterisieren sich die Bewohner manchmal selbst. Säkularismus und Euphorie hatten hier genauso ihren Platz wie Stammesdenken, politischer Schiismus und tiefe Religiosität. Über ein Jahrzehnt haben die irakischen Behörden mit internationaler Hilfe versucht, die Marschen als Kulturland wieder zum Leben zu erwecken, und dazu besteht immer noch Hoffnung. Aber der Klimawandel, Umweltverschmutzung, Versalzung und vor allem Staudämme und Dammprojekte in der Türkei, in Syrien und im Nordirak bedrohen ein Ökosystem, das einerseits sehr empfindlich, andererseits aber auch erstaunlich widerstandsfähig ist. Ein wenig wie der Nahe Osten selbst.

Pulverfass, Krisenherd, Flächenbrand – seit Jahrzehnten gehören solche Begriffe zum Standardvokabular deutschsprachiger Medien, wenn es um den Nahen Osten geht. So oft, wie die Region medial schon aus den Fugen geraten, aus den Angeln geflogen, ja sogar explodiert ist, muss man sich eigentlich wundern, dass es sie noch gibt. Dass im Globus dort, wo sich die nördlichen Breitengrade 20 bis 40 mit den 20er bis 40er östlichen Längengraden kreuzen, nicht längst ein rauchendes schwarzes Loch klafft. Tatsächlich mögen Krieg und Krise verlässliche Begleiter des Vorderen Orients unserer Zeit sein. Allemal gilt das aber für die Kriegs- und Krisenpublizistik, die nicht nur in schlechten, sondern auch in besseren Zeiten konstant daran erinnert, dass der Nahe Osten zwar bereits am Boden liege, aber noch viel, viel tiefer fallen könne. Mit schlechten Prognosen zur arabischen Welt ist man nicht nur unter Marketinggesichtspunkten auf der sicheren Seite. Man geht auch sonst wenig Risiken ein. Wer eine negative Entwicklung voraussagt, die dann doch nicht eintritt, kann immerhin noch behaupten, das liege nur daran, dass die Akteure die Warnungen gehört und sich zu Herzen genommen hätten. Und außerdem mache eine Schwalbe ganz gewiss noch keinen Sommer. Wer aber einen positiven Blick in die Zukunft wagt, der sich nicht bewahrheitet, muss mit dem Vorwurf der Naivität rechnen: Haben Sie denn immer noch nicht verstanden, wie die arabische Welt tickt?

An den Untergang zu glauben, gilt im Mediendiskurs zum Nahen Osten daher als »realistisch«. Das Bedürfnis, diesen Diskurs zu hinterfragen und zugleich eine wirklichkeitsbezogene, also realistische Einordnung der Ereignisse vorzunehmen, war der Antrieb, dieses Buch zu schreiben.

Der Arabische Frühling brachte diese Logik für kurze Zeit ein wenig durcheinander. Plötzlich war es nicht nur zum ersten Mal seit Langem schick, Araber zu sein. Auch schlug eine Welle der Sympathie den jungen Aktivistinnen und Aktivisten entgegen, die siegesgewiss waren, im Glauben, die arabische Welt könne sich selbst von jenen Geißeln befreien, die viele, vor allem in Europa und den USA, eher für genetische Defekte halten: Despotismus, Stammesdenken, Korruption, Gewaltherrschaft. Für die besagte Kriegs- und Krisenpublizistik immerhin war es ein Glück, dass die Hoffnungen des Arabischen Frühlings vorerst scheiterten, zumindest in den meisten betroffenen Ländern.

Die Umbrüche von 2011 und ihre Folgen sind nicht das eigentliche Thema dieses Buches, aber sie kommen natürlich immer wieder vor und bilden gewissermaßen die Kulisse für die hier dargestellten Personen, Geschichten und Ereignisse. Deshalb möchte ich ihm – ausnahmsweise – ein Gesinnungsbekenntnis voranstellen, eine Prämisse, die man durchaus kritisieren kann: Der Arabische Frühling ist nicht gescheitert. Und er ist vor allem nicht am Ende.

Es wird vermutlich noch Jahrzehnte dauern, bis wir eine ausgewogene Bilanz der Ergebnisse des Arabischen Frühlings zu ziehen vermögen. In jedem Fall handelt es sich um eine epochale Entwicklung, die sich trotz etlicher Bemühungen autoritärer Kräfte in der arabischen Welt nicht mehr ungeschehen machen lässt. Denn sie hat gezeigt: Kein Diktator, kein Autokrat kann mehr sicher sein zu herrschen, bis er an Altersschwäche stirbt. Und absolute Macht ist eine Illusion.

Der Islamwissenschaftler Udo Steinbach würdigt die epochale Bedeutung des Arabischen Frühlings mit dem Begriff »Dritte Arabische Revolte«: Für Steinbach ist sie ebenso bedeutend wie der Aufstand der Araber gegen die Osmanen im Ersten Weltkrieg (1916) oder die Abschaffung der Monarchien und die Errichtung von Republiken unter Führung nationalistischer Militärs in den 1950er und 1960er Jahren.1 Nicht auszuschließen, dass schon bald eine vierte Revolte kommt. Die Frage ist hierbei weniger, wogegen sie sich richten würde, sondern vielmehr, wofür sie kämpfen würde. Was für einen Staat wollen die Menschen in den arabischen Ländern in der Zukunft?

Staaten, staatliche Institutionen und politische Eliten haben vielerorts in der arabischen Welt in einer Weise versagt, die sie an den Rand der Selbstzerstörung brachte. Insbesondere in denjenigen Staaten, in denen der Arabische Frühling Kriege und Bürgerkriege zur Folge hatte, ist der Staat eine Ruine. Im günstigsten Fall ist er abwesend und überlässt anderen das Feld. Im schlimmsten bewirft er die eigene Bevölkerung mit Bomben. Heute muss deshalb nicht nur neu verhandelt werden, in was für einem Staat die Menschen leben und welche Verfassungen sie sich dazu geben wollen. Die Gesellschaft an sich steht zur Diskussion, und in vielen arabischen Ländern, etwa in Libyen, Jemen, Syrien, Irak oder Saudi-Arabien, muss ein neuer Gesellschaftsvertrag her. Ein Pakt, der das Zusammenleben zwischen Minderheiten und Mehrheiten, ethnischen und religiösen Gruppen, Gläubigen und Atheisten, Geschlechtern, armen und privilegierten Schichten, Jung und Alt in einer Weise definiert, die das Zusammenleben nicht nur möglich macht, sondern auch allen Gruppen zum Vorteil gereicht. Der autoritär geführte Staat kann die Gesellschaft zwar verändern und neu formen. Wir sehen allerdings, wohin solche Versuche führen: Sie enden meist in Gewalt, Vertreibung, Unterdrückung. Die Gesellschaft ihrerseits kann allerdings nicht nur den Staat, sondern auch sich selbst verändern. Wo aber sind die gesellschaftlichen Kräfte, die dazu in der Lage wären? Diese Frage wird uns in den folgenden Kapiteln immer wieder beschäftigen.

Das vorliegende Buch ist keine umfassende Darstellung der politischen Ereignisse in der arabischen Welt. Ebenso wenig kann es alle Perspektiven und Zukunftsszenarien analysieren. Seine Kapitel sind eher Streifzüge, mitunter auch Schlaglichter auf Entwicklungen, die mir relevant erscheinen, um eine Antwort auf die vorangestellte Frage zu finden. Es will klarmachen, dass die schnellen Antworten und einfachen Konstruktionen selten geeignet sind, eine so komplizierte Gemengelage wie die des Nahen Ostens zu erfassen – dass man aber Komplexität auch nicht mit aussichtsloser Undurchschaubarkeit gleichsetzen sollte. Nahezu jede Autorin und jeder Autor wirbt damit, neue Perspektiven auf ein Thema zu eröffnen, weshalb das Versprechen eines Perspektivwechsels oft droht, zur Floskel zu werden. Insgesamt versucht dieses Buch aber tatsächlich, Geschehnisse und Erwartungen primär aus der Perspektive der Bewohnerinnen und Bewohner und der handelnden Akteure in der nahöstlichen Region zu schildern und nicht aus dem von eigenen Hoffnungen und Befürchtungen geprägten Blickwinkel der Gesellschaften in Europa oder den USA.

Im Mittelpunkt der Betrachtung stehen die Staaten Syrien und Irak, in Teilen die Golfregion, mit kleineren Ausflügen nach Nordafrika. Ein Konflikt, der vielen in Deutschland wohl zuerst in den Sinn kommt, wenn das Schlagwort Naher Osten fällt, kommt hingegen kaum vor: Israel und die Palästinenser. Er ist in der öffentlichen Wahrnehmung in den vergangenen Jahren angesichts von Syrienkrieg, »Islamischem Staat« und Migrationsdebatten etwas in den Hintergrund gerückt. Die Stagnation, womöglich sogar das Ende des Friedensprozesses sind gewiss kein legitimer Grund, sich nicht mehr damit zu beschäftigen. Im Gegenteil, man müsste diesem Konflikt und seinen weltpolitischen Verwicklungen ein eigenes, aktuelles Buch widmen, anstatt ihn zu streifen.

Aber es hat sich eben auch gezeigt, dass der israelisch-palästinensische Konflikt nicht, wie über Jahrzehnte von vielen Journalisten, Experten und Politikern behauptet, die große Schicksalsfrage ist, die über Krieg und Frieden im gesamten Nahen Osten entscheidet. In manchen arabischen Gesellschaften hat sich angesichts des Zerfalls von Staaten und der innerarabischen Zerwürfnisse eine recht pragmatische Haltung gegenüber Israel eingestellt. Das gilt nicht nur für einige Golfstaaten, die sich taktisch mit Israel gegen Iran verbünden wollen, sondern sogar für Syrien und den Irak. Dieser Pragmatismus artikuliert sich noch nicht lautstark in der veröffentlichten Meinung, aber in vielen persönlichen Gesprächen. Die von den autoritären arabischen Regimen verordnete Israel-Feindschaft greift nicht mehr allenthalben. Und zugleich sind auch andere, vielen lieb gewonnene Gewissheiten nicht mehr selbstverständlich, etwa, dass Israel die einzige Demokratie in einem Meer aus arabischen Diktaturen sei. Man blickt etwa nach Tunesien, in den Irak und sogar in den Libanon und wird den Menschen dort nicht aberkennen können, dass sie Diktaturen überwunden haben, auch wenn ihre politischen Systeme und Regierungen erhebliche Defizite aufweisen. Es scheint indes, dass sich Israel in mancherlei Hinsicht seinem nahöstlichen Umfeld anpasst – zwar demokratisch bleiben möchte, aber von Liberalität, Pluralismus oder Zivilgesellschaft recht orientalische Vorstellungen ausprägt.

Im vorliegenden Buch geht es um Ideologien, Trends, Phänomene, Anekdoten und gelegentlich auch um historische Zusammenhänge. Wir begegnen einem Journalisten, der ermordet wird und dessen Erbschaft beinahe in Vergessenheit geraten wäre. Wir erfahren, was Otto von Bismarck oder ein Fischgericht mit dem Konflikt zwischen Sunniten und Schiiten zu tun haben. Und wie es kommt, dass wir für das Problem, um das es geht, bis heute keinen passenden Begriff haben. Es geht um die Wiederentdeckung einer epochalen Wende, die vielleicht darauf hindeutet, dass die Konflikte und Zerwürfnisse, die der Nahe Osten heute erlebt, nicht schicksalhaft und unabänderlich sind. Womöglich ist die Region gar nicht seit Menschengedenken dazu verdammt, mit ihnen zu leben, sondern kann sich aus ihnen herauswinden. Es geht auch um die Frage, ob die Region sich tatsächlich, wie oft behauptet, mitten in einem dreißigjährigen Krieg befindet. Oder eher am Ende eines vierzigjährigen.

Auf der Suche nach den gesellschaftlichen Kräften, die ihr geschundenes Land nicht den Barbaren überlassen wollen, begegnen wir einer modernen Ritterschaft, die einen Eid leistet. Wir schauen auf historische Kulturschätze, die nicht nur Zeugen früherer Größe, sondern Symbole einer besseren Zukunft sein können. Wir suchen den Nutzen der Geschichte und fragen uns, warum Despoten antike Monumente lieben und die Organisation »Islamischer Staat« sie hasst.

Wir stoßen auf eine kurios anmutende Bewegung, die immer mehr Anhänger gewinnt und sich als Alternative zur despotischen Macht und zum religiösen Fanatismus empfehlen will. Die radikalen Säkularen haben nur einen Haken – oder besser gesagt vier, nämlich in ihrem Parteisymbol. Und einen Namen, der gerade in Deutschland finstere Assoziationen auslöst.

An der größten Pilgerstätte des Nahen Ostens beobachten wir, dass die islamische Welt sich womöglich in einer neuen Vielfalt aufstellt und dass die extreme Auslegung des Islams, der Wahhabismus, im Niedergang begriffen ist. Und bei Begegnungen mit einigen der mächtigsten Männer des Irak erfahren wir, warum eine Generation von Veteranen, die das Land geprägt von ihren eigenen Gewalterfahrungen regierte, politisch nicht mehr zeitgemäß ist und womöglich vor ihrer Ablösung steht. Zwei ehrgeizige Prinzen wollen indes dem Arabischen Frühling ein Ende setzen, dem arabischen Nationalismus aber zu neuer Manneskraft verhelfen.

Im Spannungsfeld von Revolution und Restauration, von Machtkämpfen und Ideologien suchen wir nach der großen Unbekannten, mit der dennoch zu rechnen ist: Wir fragen, wer die arabische Zivilgesellschaft ist und ob sie den Ansprüchen und Erwartungen gerecht werden kann, die wir heute an sie stellen. Und wir folgen den Ideen eines Politik- und Wirtschaftswissenschaftlers zu den ökonomischen Möglichkeiten der Region und zu einem Aspekt, der über dem wahlweise folkloristischen oder dystopischen Bild der arabischen Welt wenig Beachtung findet: Digital Arabia, die Idee einer digitalen arabischen Welt.

In seiner Herbstausgabe des Jahres 1990 zeigte das Magazin Futurist, herausgegeben von der World Future Society, eine merkwürdige Illustration: Hinter dem Slogan Holding back the Sea (das Meer zurückhalten) sah man die Pyramiden von Gizeh, überflutet, davor paddelt ein Kamel mit Taucherflossen an den Hufen. Damals ging es um die Frage, welche Antworten die Menschheit auf das Ansteigen des Meeresspiegels findet und welche Länder, unter anderem Ägypten, davon in Zukunft betroffen sind. In mir ruft dieses Bild heute vor allem zwei Assoziationen hervor: einerseits den Aufruf, sich mit den Themen zu befassen, die Europa und den Nahen Osten und die ganze Welt gemeinsam betreffen. Unser Verhältnis kann und sollte sich nicht länger von der Angst vor Terrorismus und ungesteuerter Migration definieren lassen. Und andererseits ist es ein Symbolbild für Gelassenheit, zu der es, wie wir sehen werden, auch durchaus Anlass gibt: Die Menschen des Nahen Ostens sind nicht nur Opfer weltgeschichtlicher Kräfte, die sie hin und her werfen. Sie sind auch Herrinnen und Herren ihres eigenen Schicksals und haben zu allen Zeiten pragmatische Lösungen gefunden. Nicht nur, um zu überleben. Sondern auch, um ihr Leben lebenswerter zu gestalten. Insofern könnte es gut sein, dass der Nahe Osten vorerst eben doch nicht untergeht.

ERSTES KAPITEL

… in dem ein Journalist ermordet wird und seine Erbschaft beinahe in Vergessenheit gerät

Nach einem langen, anstrengenden Tag trat Abd al-Rahman al-Kawakibi in sein Kairoer Stammcafé, wo die üblichen Verdächtigen ihn bereits erwarteten. Es war der Abend des 14. Juni 1902, und Kawakibi brannte darauf, den Freunden von seinem Besuch im Palast des Khediven Abbas Hilmi II. zu berichten. Gewiss war Kawakibi in diesem Moment stolz darauf, dass er kurz zuvor eine – sehr nachdrücklich vorgetragene – Bitte des Vizekönigs ausgeschlagen hatte: Er sollte nach Konstantinopel reisen und sich mit der osmanischen Regierung verständigen, wenn möglich sogar Abbitte leisten.

Seine provokanten und dissidentischen Schriften, so hatte der Khedive ihm, dem großen Intellektuellen Kawakibi, mitgeteilt, würden dort auf höchster Ebene behandelt. Und seine Anwesenheit in Kairo unter seinem, des Vizekönigs, Schutz sorge bei der Hohen Pforte zunehmend für Irritation.

Kawakibi hatte abgelehnt, das Gespräch war nicht gerade freundschaftlich zu Ende gegangen, denn für den 30-jährigen Abbas Hilmi stand einiges auf dem Spiel: Formell war er Vasall des osmanischen Sultans; de facto stand sein Reich unter Kontrolle der britischen Kolonialmacht, der er in tiefer Abneigung verbunden war. Weshalb er wiederum kein Interesse hatte, die Hohe Pforte in Konstantinopel gegen sich aufzubringen. Zumindest nicht wegen einer solchen, politisch eher unbedeutenden Causa wie der Protektion für einen syrischen Exilanten.

Der Khedive, der in Genf und Wien studiert hatte und wegen des verfrühten Ablebens seines Vaters Tawfiq jäh von der Donau an den Nil berufen worden war, galt nicht als Unmensch. Er gewährte dem aus Aleppo stammenden Kawakibi immerhin Asyl und sponserte im Geheimen sogar die antibritische, pan-islamische Zeitung Al-Muayyad, in der dieser publizierte. Einigen Quellen zufolge soll er Kawakibi sogar zuvor noch mit einer heiklen Mission beauftragt haben: Der angesehene Gelehrte sollte nämlich auf die Arabische Halbinsel und in andere muslimische Länder reisen und ausloten, ob hochrangige Geistliche zu gegebener Zeit auch die Herrschaft eines arabischen Sultan-Kalifen unterstützen würden, der nicht in Konstantinopel, sondern in Kairo residierte. Also ihn höchstselbst anstelle des bisherigen Kalifen.2

Was auch immer vorgefallen war: Es hatte offenbar zu einem tiefen Zerwürfnis geführt. Und wenn die Paschas einmal die Wut bekommen, ist mit ihnen nicht zu spaßen, was für den osmanischen Sultan ebenso galt wie für unseren Khediven.

Im Kaffeehaus hatte Kawakibi wohl gerade zur Erzählung angesetzt, als ihm ein Heißgetränk serviert wurde. Ob es sich um schwarzen, stark gesüßten Mokka oder um Koshary-Tee handelte, der damals, 1902, in Ägypten bereits Nationalgetränk war, ist nicht mehr bekannt. Kawakibi jedenfalls merkte in seinem Schwung wohl zu spät, dass etwas nicht stimmte. »Sie haben mich ermordet«, soll er noch ausgerufen haben, wie ein gemeuchelter Held in einer italienischen Oper. So zumindest wurde es später überliefert.3 Der große Reformdenker und Publizist starb mit nur 47 Jahren. Und wenn man seinen Lebensweg bis dahin betrachtet, sollte man annehmen, dass die Welt noch einiges von ihm gehört hätte.

So blieben von ihm nur einige Artikel und Episteln. Es sind sehr klarsichtige – und damals wie heute in der arabischen Welt gültige – Analysen von Macht und Herrschaft. Den Despotismus zu entlarven, hielt Kawakibi für eine seiner vordringlichsten Aufgaben, weshalb er es auch in unserer Zeit verdient, dass man sich an ihn und sein Wirken erinnert. Denn insbesondere das 20. Jahrhundert, aber auch die Nachwirkungen des Arabischen Frühlings scheinen bei vielen Menschen diesseits des Mittelmeers den Eindruck verfestigt zu haben, dass arabische Welt und despotische Herrschaft nun einmal organisch miteinander verwachsen seien. Und dass jegliche Kritik an solchen Systemen nur von westlichen Soziologen oder Demokratie-Missionaren übernommen worden sei: die Diktaturkritik als ein importiertes Luxusgut, durchaus verzichtbar für die meisten Menschen in der Region.

Kawakibi war kein Produkt des Westens. Er stammte aus einer Gelehrtenfamilie in der stolzen Handelsstadt Aleppo, die dort auch ihr eigenes Seminar unterhielt. Als 20-Jähriger nahm Kawakibi, der unter anderem islamisches Recht, Türkisch und Persisch gelernt hatte, seine Tätigkeit als Journalist auf und verfasste zahlreiche Artikel zur sozialen Frage. Ende des 19. Jahrhunderts sah sich Aleppo einem erheblichen Strukturwandel und großem wirtschaftlichen Stress ausgesetzt: Die osmanische Steuerlast, die Konkurrenz durch europäische Billigindustrieprodukte, der Niedergang verschiedener Handels- und Handwerkszweige sowie Dürre und Landflucht am Euphrat hinterließen ihre Spuren. Kawakibi war vielleicht kein orientalischer Zola, aber er nahm Anteil am Schicksal der Ärmsten, dem städtischen und vorstädtischen Proletariat.

Und er erkannte die ökonomischen Dimensionen von despotischer Herrschaft, die engen wechselseitigen Abhängigkeiten der Machthaber und Profiteure, welche Zugang zu mitunter künstlich verknappten Ressourcen haben und aus der Armut Kapital schlagen. In einem seiner Aufsätze kommt Kawakibi zu einem – wirtschaftswissenschaftlich sicher diskutablen, aber dennoch interessanten – Schluss: »Das Streben nach Selbstbereicherung, diese bösartige Gier, nimmt ab in gleichen und geordneten Gesellschaften, da der moralische Verfall dort die Ausnahme darstellt.«4 Die Unmoral führe zur Selbstbereicherung, in Gesellschaften mit gerechter Herrschaft aber, so fährt Kawakibi fort, sei es deutlich schwerer, gewaltige Vermögen anzuhäufen, als in despotisch regierten. Es sei denn, die gerecht regierten Gesellschaften profitierten von der Ausbeutung der ungerecht regierten – durch internationale Handelsmonopole oder den Kolonialismus.

Vieles von dem, was Kawakibi seinerzeit beobachtete, lässt sich auf die heutige Zeit übertragen. Er beschreibt etwa die Methoden der Despoten, sich Religion dienstbar zu machen, und ebenso jenen Pakt, den geistliche Würdenträger und Rechtsgelehrte der Scharia mit der Macht eingehen, um vom System zu profitieren. »Sie mahnen Leute ab, weil sie im Basar im Gehen essen«, aber der »Dämon des Despotismus« habe ihnen so das Hirn vernebelt, dass sie die Tyrannei der Fürsten ganz vergäßen, spottet Kawakibi. Er rechnet auch mit den Sufi-Bruderschaften ab, die zum Dank für Spenden zum Unterhalt ihrer Konvente »den Herrscher zum Heiligen erklären«.5 Ein Stück weit hinterfragt Kawakibi mit seinen Ausführungen ein Weltbild, das auch heute von arabischen Politikern, etwa in Ägypten, auf mehr oder weniger direkte Weise propagiert wird: dass nämlich eine starke, hierarchische Ordnung mit einem autoritären Herrscher an der Spitze seit alters her eine natürliche und von Gott gewollte Organisationsform sei. Kawakibi hingegen ist überzeugt davon, dass solche Ordnungen zu Korruption, Missbrauch und Stillstand führen, den ersehnten Fortschritt also behindern: Wäre Gott nicht so geduldig, hätte er die Araber deshalb längst vom Angesicht der Erde weggewischt, schimpft er an anderer Stelle.

Aus Kawakibi sprach nicht nur das Sendungsbewusstsein eines Publizisten, sondern auch der Frust eines engagierten Kommunalpolitikers im Osmanischen Reich des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Immerhin hatte er zeitweise das Amt eines Bezirksbürgermeisters inne. Zwischen 1877 und 1879 gründete er – »im Dienste des Allgemeinwohls« – zwei eigene Zeitungen in Aleppo und musste zusehen, wie diese nach nur wenigen Ausgaben von den Behörden geschlossen wurden. Für eine hatte er sogar eigens eine Druckerpresse aus Konstantinopel importiert.

Unabhängige Medienmacher zwischen Rabat und Teheran können heute bestens nachvollziehen, was Kawakibi damals widerfuhr: Sie versuchen, Zensur zu umgehen, erscheinen unter Pseudonymen und müssen erleben, dass man ihrer Kreativität und ihrem unermüdlichen Eifer erst mit Drohungen und schließlich mit Gewalt begegnet. Angeblich überstand Kawakibi auch mehrere Attentatsversuche, die ihn entweder einschüchtern oder sogar töten sollten – schlussendlich zwang ihn diese Lage, aus Syrien, das von den Osmanen direkt verwaltet wurde, nach Ägypten auszuwandern. Das Land am Nil unterstand zwar nominell dem osmanischen Sultan, wurde aber autonom vom dortigen Vizekönig regiert und bot einer lebhaften Szene von arabischen Exilanten Zuflucht.

In Syrien hatte Kawakibi nicht nur die Rolle eines Don Quixote, eines ebenso aufrechten wie törichten Störenfrieds, gespielt. Im Gegenteil. Kawakibi brachte es dort dank seines Engagements und seiner Herkunft zu respektablen öffentlichen Ämtern: als Sachverständiger am Handelsgericht, Vorsitzender der Notariatskammer und für kurze Zeit eben sogar als Bezirksbürgermeister in Aleppo.

Für manche syrischen Notabeln heute mag er als Vorbild dienen – als Verkörperung einer urbanen Elite, deren Ansehen und Selbstverständnis nicht auf großen Reichtümern, sondern auf Bildung, Tradition und Werten ruhte. Man muss in dem Reformdenker Kawakibi auch keinen radikalen Modernisierer sehen. Und trotz seiner Bewunderung für die Errungenschaften westlicher Gesellschaften war er kein Verfechter der Verwestlichung, was ihn im Übrigen auch nicht von anderen heute wesentlich bekannteren muslimischen Intellektuellen seiner Ära unterscheidet. Mit diesen Vertretern der nahda, einer als »Renaissance« bezeichneten geistigen Bewegung, etwa dem berühmten Muhammad Abduh oder Rashid Ridda, verkehrte Kawakibi später in Kairo. Trotz seines Blicks nach vorn blieb Kawakibi ein Kind seiner Zeit – einer Epoche des Aufbruchs, die heute ein wenig in Vergessenheit geraten ist: Er hoffte auf die Einheit und Erneuerung der von den Osmanen beherrschten Araber und redete zugleich einem gesamtislamischen Reformansatz das Wort.

Kawakibi verachtete den Despotismus, der das Wesen seiner Untertanen verdirbt, befürwortete aber das Prinzip des Kalifats. Er, ein orthodoxer, sunnitischer und in Teilen auch überheblicher Muslim, hielt Christentum, Judentum und andere dem Islam vorausgegangene Religionen für theologisch minderwertig. Er rief aber die nichtmuslimischen Brüder im Nahen Osten auf, sich einer »nationalen Einheit«, einer arabischen umma anzuschließen, den Konfessionalismus ad acta zu legen und die erlittenen Kränkungen der Vergangenheit zu vergessen.6 Und schließlich verherrlichte er – wie viele islamische Reformdenker seiner Zeit und wie muslimische Reaktionäre noch heute – die Herrschaft des Propheten und der Altvorderen des Islams. Eine kritische Auseinandersetzung mit der Heiligen Schrift und den prophetischen Traditionen kannte Kawakibi nicht. (Auch in der europäischen theologischen Wissenschaft war die historisch-kritische Lektüre der Bibel damals noch umstritten.)

Was sollte man laut Kawakibi aber mit dem Despotismus tun? Und wann wäre der Zeitpunkt gekommen, sich gegen ihn zu erheben? Kawakibi entwirft mehrere Szenarien: etwa den Fall, dass ein Despot öffentlich grausam gegen einen einzelnen Menschen vorgeht, der für seine Rechte einsteht; oder dass ein Herrscher einen Krieg verliert und die Niederlage nicht feigen oder verräterischen Generälen in die Schuhe schieben kann, sondern selbst die Verantwortung übernehmen muss; ferner eine Herabwürdigung der Religion des Volkes oder Hungersnöte, Katastrophen und Finanzkrisen, die selbst die Mittelklasse treffen. Oder eine andere Ungerechtigkeit, die dazu führen könnte, »dass Frauen auf die Straße gehen und fordern, dass man sie beschützt«.

Der Katalog der Gründe für Revolten dürfte den Regierenden im Nahen Osten – und anderswo in der Welt – wahrscheinlich bekannt vorkommen. Dass Kawakibi dies vor über 100 Jahren auf Arabisch in die Welt setzte, entkräftet den Verdacht, es hätte keine Vorzeichen gegeben und die Mächtigen seien vom Arabischen Frühling kalt erwischt worden. Allein diese Passagen aus Kawakibis Schriften lassen aber auch keinen Zweifel daran, dass sie nicht nur den osmanischen Behörden übel aufstießen, sondern auch dem ägyptischen Khediven, jenem Herrscher, den Kawakibi in einem Text pries. Er bedankte sich darin für das Asyl bei Abbas, dem »Namensvetter des Onkels des Propheten«, und lobte dessen Klugheit und Integrität.

Von einer Formel wich Kawakibi nicht ab: Der Despotismus sei nur friedlich, und zwar durch Erziehung, Aufklärung und vorbildhaftes Leben in der Gesellschaft, zu überwinden. Ob er dies aus ethischer Überzeugung schrieb, aus Realismus oder aus Sorge, als Aufrührer zu gelten, lässt sich schwer sagen. Denn einige der Empfehlungen in seinen Episteln, die sich in der Gesamtschau wie eine Art Anti-Machiavelli lesen, deuten durchaus in die Richtung, dass ihm der Sturz despotischer Herrschaft durchaus gefallen hätte. Er warnt jedoch dringlich: Sollte sich die Gelegenheit ergeben, die Herrschaft des Despoten zu beenden, sollte man sich genau überlegen, was und wen man eigentlich an dessen Stelle setzen will.

Der Araber Kawakibi, der – eine erstaunliche Parallele zur Romanwelt von Frank Kafka – die Folgen eines sich verselbstständigenden, gefräßigen Herrschaftssystems veranschaulichte, signierte einige seiner Schriften mit dem Pseudonym »Reisender K.«.

Seit 2011 der Aufstand in Syrien ausbrach, wurde Kawakibi viel zitiert und erwähnt, aber anscheinend wenig gelesen. Denn weder die bewaffnete syrische Opposition noch das Regime schienen die Zeilen Kawakibis verinnerlicht oder zumindest rezipiert zu haben. Von wenigen Ausnahmen, besonders aber von einem Menschen abgesehen, einem feinen, aus beständig aktuellem Anlass oft traurig dreinschauenden Soziologen aus Aleppo, der in Paris lebt und sich auf verschiedenen Oppositionsplattformen engagiert hat: Es ist Salam Kawakibi, der Urenkel von Abd al-Rahman al-Kawakibi.

Die anderen, welche die Zeilen dieses großen Sohnes von Aleppo aufmerksam studiert hatten, gaben sich erst spät zu erkennen. Sie suchten im Verborgenen nach einem dritten oder vierten Weg, um den Krieg in Syrien und das unermessliche Leid, den dieser über das Land gebracht hatte, zu beenden. Und während wir uns hier und jetzt von Abd al-Rahman al-Kawakibi verabschieden wollen, werden wir ihnen schon bald wieder begegnen.

ZWEITES KAPITEL

… in dem wir noch nach Worten für das suchen, was die Gesellschaften des Nahen Ostens spaltet

Manchmal stecken Feinschmecker dahinter, meistens aber Industrieverbände: Um den Genuss bestimmter Nahrungsmittel zu steigern, ruft man ständig neue Aktionstage aus. Der »Welt-Vegetarier-Tag« am 1. Oktober ist seit 1977 eine feste Größe im kulinarischen Kalender. In Deutschland gibt es sogar einen »Tag des Deutschen Butterbrotes«, den aber fast niemand kennt. Und am 18. Juni begehen wir – zum Leidwesen bedrohter Thunfische – den internationalen Sushi Day.

Zu diesem Anlass tauchte 2014 in den sozialen Netzwerken ein Familienfoto aus dem Irak auf. Es ging so viral wie sonst nur die Selfies amerikanischer Reality-Stars und ihrer jeweiligen Hinterteile. Erstaunlich: Da saß ein Mädchen mit seinen Eltern auf einer Couch. Alle drei hielten Schilder in die Kamera. Bei der Mutter stand »I am Sunni«, beim Vater »I am Shia«. Bei der Tochter »I am Sushi«.

Dass man einen Bilderwitz nicht kommentieren muss, ist noch kein Erfolgsgarant auf Twitter, Facebook oder Instagram. Aber dieser gab wahrscheinlich das Lebensgefühl von Millionen Muslimen wieder – besonders im Irak, wo der schiitisch-sunnitische Gegensatz einen mörderischen Konflikt befeuert hat, obwohl konfessionsübergreifende Ehen dort lange Zeit an der Tagesordnung waren und nach Schätzungen über zwei von insgesamt über sechs Millionen irakischen Familien sushi sind.7 Im Nachhinein stellte sich heraus, dass ein findiger Nutzer das Bild frisiert hatte – auf dem Schild des Mädchens stand ursprünglich nur »I am Muslim«. Die Botschaft wurde dadurch erfolgreicher, aber keineswegs verfälscht.

Der Begriff Sushi, der in dieser Verwendung bereits 2011 in einem muslimischen Blog aus den USA auftauchte, ist inzwischen weit über Fachkreise hinaus bekannt. In Teilen der arabischen Welt gilt es bis heute eher als unfein, Menschen auf ihren konfessionellen Hintergrund anzusprechen, zumal bei Sunniten und Schiiten, die beide ja Muslime sind. Der Trendbegriff Sushi lockert die Debatte allerdings ein wenig auf. Er ist eine Reaktion auf den grassierenden konfessionellen Hass, den insbesondere dschihadistische Gruppierungen verbreiten, aber auch Regierungen mit ihrer Politik in der Region befördern.

Die britisch-irakische Regisseurin Hoda al-Soudani griff das Thema auf und schickte in einem rührseligen Dokumentarfilm mit dem Titel Why can’t I be Sushi? zwei Schwestern auf die Reise. Sofia und Niamh, beide im Grundschulalter, treffen darin Religionsgelehrte, Schiiten ebenso wie Sunniten. Sie befragen die turbanbewehrten Alleswisser nach dem angeblich so bedeutenden Unterschied und kommen – selbstredend – zu dem Schluss, dass doch die Gemeinsamkeiten überwiegen.

Etwas robuster geht es in einer TV-Serie zu, die 2016 ausgerechnet vom wahhabitischen Königreich Saudi-Arabien co-produziert wurde, einem Land, in dem die schiitische Minderheit bisher nicht gerade einen leichten Stand hatte. In Selfie nimmt der Schauspieler und Comedian Nasser al-Qosaibi die Extremisten der Organisation »Islamischer Staat« aufs Korn. Am Anfang des Plots steht die Geschichte zweier Väter: Beide – der eine Schiit, der andere Sunnit – erfahren nach Jahren, dass ihre Söhne auf der Säuglingsstation vertauscht wurden, und setzen nun alles daran, ihrem Nachwuchs die jeweilige Häresie des anderen auszutreiben und ihn zurück auf die gerade Bahn zu bringen. Al-Qosaibi erhielt Todesdrohungen dafür, aber viele Saudis fanden es anscheinend trotzdem lustig und bescherten der Serie einigen Erfolg.

Die Erörterung der Frage, was es eigentlich mit den Differenzen zwischen Schiiten und Sunniten auf sich hat, ist mehr als abendfüllend. Man fühlt sich beinahe an den Trojanischen Krieg erinnert: nicht etwa, weil die Schlachtfelder mit gefallenen Helden übersät wären – sunnitisch-schiitische Kriege wurden in der Geschichte gar nicht so oft geführt –, sondern weil mancher, selbst unter den Beteiligten, doch eine Weile überlegen müsste, wie die Sache eigentlich angefangen hat. Und warum sie eskalierte.

Damit wollen wir uns im achten Kapitel noch einmal beschäftigen, hier zunächst aber versuchen, ein anderes Defizit zu beheben: Es fehlt im Deutschen nämlich bis heute ein Begriff, der geeignet ist, das Problem zu erfassen. Den aber könnten wir gut gebrauchen, um in der Analyse voranzukommen, anstatt landläufige Urteile über Religions- und Konfessionskriege zu tradieren.

In Anbetracht der Tatsache, dass Spannungen zwischen Volksgruppen und Konfessionsgemeinschaften die Geschichte, aber auch die Gegenwart des Nahen Ostens prägen, ist es eigentlich verwunderlich, dass wir im Deutschen kein passendes Wort für dieses Phänomen zur Hand haben. Aber der Philosoph Wittgenstein betrachtete unsere Sprache ja »als eine alte Stadt: ein Gewinkel von Gässchen und Plätzen, alten und neuen Häusern, und Häusern mit Zubauten aus verschiedenen Zeiten; mit geraden und regelmäßigen Straßen und mit einförmigen Häusern«.8 Und insofern spricht hier nichts gegen ein paar Asphaltarbeiten.

Aus nahöstlicher Perspektive lässt sich die Ausgangslage in etwa so beschreiben: Es herrscht dort heute vielerorts die Überzeugung, dass, wenn es zum Schwur kommt und wenn Entscheidungen auf Leben und Tod anstehen, ein Sunnit nur mit einem Sunniten solidarisch sein könne, ein Schiit nur mit einem Schiiten, ein Kurde nur mit einem Kurden. Daraus folgt das Bestreben, potenziell feindselige Taten vonseiten anderer Gruppen schon im Voraus zu vereiteln: Angriff scheint auch hier die beste Verteidigung.

Im Englischen bezeichnet man dieses Weltbild und das daraus resultierende Verhalten als sectarianism, abgeleitet von sect für voneinander abweichende Glaubensgruppen. Der spalterische Drang kommt darin gut zum Ausdruck, ebenso das gewissermaßen Faktenschaffende und Normative: Sectarianism ist keine Organisationsform eines Gemeinwesens, sondern vor allem eine von Vorurteilen, Ressentiments oder sogar Hass geprägte Geisteshaltung. Im Französischen gebraucht man für dieses Problem unter anderem den Begriff sectarisme.

Die Araber hingegen sprechen von ta‘ifiya oder auch tatayuf, wobei Ersteres für den Zustand steht, das Zweite eher für dessen aktiven Gebrauch, indem man nämlich jedes politische Problem »konfessionalisiert«, Gemeinschaften innerhalb eines Staatswesens spaltet, sie gegeneinander ausspielt und sich konfessionelle oder ethnische Ressentiments machtpolitisch zunutze macht. Jemand, der die Menschen einer nahöstlichen Gesellschaft nur als Sunniten und Schiiten, Drusen, Alawiten oder Christen betrachtet, gilt als tai‘fi.

Besonders ist dabei, dass die tai‘fa (Plural tawa‘if) heute nicht nur religiöse Gemeinschaften umfasst, sondern auch kulturelle oder sogar ethnische, je nachdem, worin man die stärkere innere Kohäsionskraft sieht: In Syrien oder im Irak etwa spricht man von Alawiten, Christen, Schiiten und Sunniten ebenso als tawa‘if wie etwa von Armeniern, wobei Letztere weniger als eine Nation, sondern mehr als eine – christliche – Konfessionsgemeinschaft betrachtet werden.

Tai‘fa bedeutet ursprünglich so etwas wie »Schwarm« oder »Strömung«.9 Das Konzept der tai‘fa, eigentlich wohl einfach als Gemeinschaft oder community zu verstehen, war zunächst eher religiös konnotiert, vor allem aber deshalb, weil in der arabischen und islamischen Geschichte die religiösen Zugehörigkeiten weitgehend identisch mit sozialen oder kulturellen waren.

Ethnische Kategorien oder Volksgruppen kennt die arabische Sprache eher als qaumiyat, was dem Begriff der Nation nahekommt, allerdings im ethnischen, nicht im staatsbürgerlichen Sinne. Es scheint eine jüngere Entwicklung zu sein, aber inzwischen liest man in arabischen Medien, dass etwa Kurden und Turkmenen als tawa‘if bezeichnet werden, wobei diese beiden Gemeinschaften ethnische und nicht konfessionelle Gruppen bilden und mehrheitlich dem sunnitischen, aber auch teilweise dem schiitischen Islam angehören.

Die ta‘ifiya kann sich implizit in diskriminierenden Verhaltensweisen des Staates oder von Teilen der Bevölkerung gegen andere äußern oder aber, wie im besonderen Fall des multikonfessionellen Staates Libanon, explizit der politischen Ordnung und den Normen zugrunde gelegt werden, was wiederum dem deutschen Konzept vom Konfessionalismus näherkommt. Denn dieser stellt die Rechte der Gemeinschaft über die Rechte des Individuums, schreibt das Individuum zwangsweise der Gemeinschaft zu – und zwar völlig unabhängig davon, ob es sich dieser zugehörig fühlt.

In jedem Fall aber vermengt das Prinzip der ta‘ifiya das Religiöse, Konfessionelle mit dem Sozialen und Politischen. Und diese Denkweise sowie der historisch gewachsene Sprachgebrauch werden durchaus kritisiert, weil sie mitunter Identitäten konstruieren. In einigen Teilen der arabischen Welt, etwa im Maghreb, ruft das Konzept der ta‘ifiya sogar verständnisloses Kopfschütteln hervor. Aber die meisten Menschen im multiethnischen und multireligiösen Nahen Osten wissen recht genau, was damit gemeint ist. Ob sie es gutheißen oder nicht.

Im deutschen Sprachgebrauch jedenfalls fehlt ein Begriff, der diesen Sachverhalt beschreibt, obwohl die deutsche Geschichte viel von solcher Geisteshaltung zu erzählen hat. Man behilft sich stattdessen mit einem ungefähren, aber letztlich unzureichenden Wort, dem »Konfessionalismus«, und wendet ihn auf die Verhältnisse im Nahen Osten an.

Der Begriff Konfessionalismus geht natürlich aus der deutschen Religionsgeschichte hervor: Er bezeichnet den Konflikt zwischen Katholiken und Protestanten, die Reformationskriege und den im Augsburger Reichs- und Religionsfrieden 1555 vereinbarten Grundsatz cuius regio, eius religio. Damit wurde das Recht der Fürsten verbrieft, die Konfession ihrer Untertanen zu bestimmen – wer sich dem nicht beugen wollte, durfte immerhin auswandern.

Dieser später als »Konfessionalisierung« bezeichnete Prozess mündete bekanntlich in den Dreißigjährigen Krieg. Seine Nachwirkungen wurden in Deutschland aber noch in einer Zeit besonders sichtbar, in der sich die Gelehrten nicht nur wissenschaftlich mit der eigenen Geschichte auseinandersetzten, sondern auch begannen, den Orient zu erforschen.

Zu spüren bekamen die Wissenschaftler diese insbesondere in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, als die vom Protestantismus geprägte preußisch-deutsche Obrigkeit die Katholiken drangsalierte. »Culturkampf« nannte man es damals. Und der Reichskanzler Otto von Bismarck war überzeugt, dass man den Katholiken mit ihrer »ultramontanen«, nur dem Papst in Rom geschuldeten Loyalität nicht über den Weg trauen könne: Sie und ihre Priester seien eine Gefahr für die Sicherheit des Reiches.

Es mangelte zu Zeiten Bismarcks nicht an protestantischen Hasspredigern. Und der Zungenschlag, den katholikenfeindliche Zeitungen damals pflegten, erinnert durchaus an das, was heute die AfD allwöchentlich verkündet. Damals allerdings nicht auf den Islam, sondern auf den Katholizismus bezogen.

In jener Zeit bildete sich unter den Altlutheranern in Preußen eine konfessionalistische Denkschule heraus, die harte Kante zeigen wollte: gegen die Vereinnahmungsversuche des Glaubens durch den Staat, vor allem aber gegen den anmaßenden Alleinseligmachungsanspruch der katholischen Kirche. Sie propagierten keineswegs die Einheit der Kinder Gottes als ein Ideal, denn aus ihrer Sicht war die Spaltung der Christenheit in Konfessionsgemeinschaften eine historische Notwendigkeit. Auch wenn diese Schule heute keine Bedeutung mehr hat, war es doch z.B. bis in die jüngste Vergangenheit in manchen Gegenden Deutschlands alles andere als selbstverständlich, dass Katholiken und Protestanten miteinander Ehen eingehen. Das Verhältnis zwischen den Konfessionen war von Misstrauen und Ressentiments geprägt.

Einiges von dieser deutschen Erfahrung mag mit den Realitäten in den nahöstlichen Gemeinschaften vergleichbar sein. Aber es besteht doch ein Unterschied, der erstaunen mag, wenn man bedenkt, dass der Orient allgemein im Ruf steht, er nehme die Religion übermäßig wichtig: Anders als im Konfessionalismus deutscher Prägung geht es dort nämlich weniger darum, in theologischen Belangen recht zu haben, sondern um das, was der Vater der arabischen Soziologie, Ibn Khaldun (1332–1406), die ‘asabiya nannte: die innere Kohäsionskraft einer Gemeinschaft im Nahen Osten, die aus der Zugehörigkeit zu einem Stamm, einem Clan erwachsen kann. Manchmal auch aus einem gemeinsamen Mythos und durchaus, aber eben nicht zwingend, aus einer Religion.

Im Bewusstsein dieser Nuancen haben manche deutschsprachigen Journalisten versucht, den passenden englischen Ausdruck sectarianism mit »Sektierertum« zu übersetzen.10 Das trägt zwar dem Umstand Rechnung, dass viele fanatische und gewalttätige Gruppen, die gegen Minderheiten hetzen, Merkmale einer Sekte aufweisen – allen voran der sogenannte Islamische Staat. Es bildet auch das Ansinnen ab, die Wahrnehmung der Differenzen zwischen den Gemeinschaften mutwillig zu vertiefen. Gleichwohl können »Sektierer« auch Eigenbrötler sein, die sich von dem, was sie als Mainstream ansehen, entfernen, ohne anderen dabei Schaden zuzufügen. Das, was man im Deutschen gemeinhin unter »Sekten« und »Sektierern« versteht, ist im Arabischen allerdings eher durch einen anderen Begriff besetzt, nämlich firqah. Zudem fehlt dem Begriff Sektierertum die politische Komponente, die in ta‘ifiya enthalten ist.

Am ehesten würde man dem Phänomen wohl mit dem Lehnwort »Sektarismus« gerecht. Man liest es hin und wieder als behelfsmäßige Formel in deutschen Übersetzungen aus dem Französischen (sectarisme), die großenteils aus dem 19. Jahrhundert stammen. Und wenngleich es nicht sehr griffig klingt, bezeichnet es genauer als die gemeinhin verwendeten Begriffe die spezifische Gemengelage in Nahost.

Auf den Nahen Osten bezogen, ließe sich der Sektarismus künftig wie folgt definieren: eine von Ressentiments geprägte Geisteshaltung, die sich in einer Überbetonung der ethnischen oder religiösen Identität von Einzelnen oder Gruppen innerhalb eines staatlichen Gemeinwesens äußert. Sie verfolgt nicht die Überwindung der Gräben, sondern deren Vertiefung. Sie sieht keine Perspektiven für Integration oder ein friedliches Zusammenleben und strebt daher nach Verdrängung oder Beherrschung der jeweils anderen Seite.

Diese Geisteshaltung hat dem Nahen Osten großen Schaden zugefügt. Sie war nicht die Ursache, sehr wohl aber der Brandbeschleuniger für Kriege. Sie stellte die Betriebstemperatur für explosive Reaktionen her. Nach dem Despotismus ist der Sektarismus die zweite große Geißel der nahöstlichen Gesellschaften. Viele Reformer und fortschrittliche Denker sind im 19. und 20. Jahrhundert angetreten, um ihn zu überwinden: sunnitische Muslime wie der arabische Nationalist Sati‘ al-Husri (1880–1968) und Christen wie der syro-libanesische Pastor und Verleger Butrus al-Bustani (1819–1883) oder der Journalist und Parteigründer Antun Sa‘ada (1904–1949), dem wir in Kapitel sieben noch begegnen werden. Sie selbst, vor allem aber diejenigen, die sich auf sie beriefen, haben dabei oft das Gegenteil erreicht. Vielleicht ist nun für den Nahen Osten der Zeitpunkt gekommen, es noch einmal zu versuchen und dem Sektarismus entschlossener zu begegnen. Denn die hier beschriebene Geisteshaltung hat sich in den vergangenen, von Gewalt und Staatszerfall geprägten Jahren diskreditiert: nach den Kriegen im Irak, in Syrien und im Jemen, in denen keine Gemeinschaft wirklich gewonnen, sondern alle nur verloren haben, nach der Vertreibung ganzer Bevölkerungsgruppen, der Vernichtung von Siedlungen, Kulturstätten und Ernten.