Der Naturgärtner - Stefan Leszko - E-Book

Der Naturgärtner E-Book

Stefan Leszko

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Beschreibung

Im stets wachsenden Buchangebot über Naturgärten gibt es kein Buch über Naturgärtner. Auf wenigen Bildern erkennt man undeutlich eine kauernde Gestalt, die in der Erde wühlt; es könnte der Yeti sein oder Nessie bei der Eiablage, eben eines jener sagenumwobenen Geschöpfe, deren tatsächliche Existenz nicht bewiesen ist. So ist es kein Wunder, dass in der Bevölkerung das Bild des Naturgärtners von Mythen geprägt ist. Hier klafft in der Gartenliteratur eine Lücke, und Stefan Leszko beeilt sich, sie zu schließen.

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Inhalt

Cover

Titel

Impressum

Inhalt

Vorwort

Der Naturgärtner in der Geschichte

Der Naturgärtner als solcher

Der Anfang

Algenglühen

Der Naturgärtner im Frühling

Von den Frühblühern

Im Untergrund

Von den Orchideen

Auf Schatzsuche

Im Höhenrausch

Der Naturgärtner im Sommer

Essbares

Gartentiere

Der Unterschied

Ohne Lärm kein Fleiß

Von der Naturverbundenheit

Der Naturgärtner im Herbst

Evolution

Von der Ordnung

Der Naturgärtner im Winter

Vorwort

Es ist schon seltsam: Bücher über Naturgärten gibt es so viele, und ständig werden noch neue herausgebracht. Sie alle stammen von gewiegten Experten, die vornehmlich das tun, was alle Experten tun: Sie widersprechen einander. Die einen setzen Naturgärten mit Bio-Gärten gleich, die anderen mit Permakultur, manche schildern sie als Naturschutzgebiete, andere als Kinderspielplätze, die einen wollen vom Mittelmeer bis zur Prärie die gesamte Botanik darin versammeln, während wieder andere die strikte Beschränkung auf heimische Arten fordern. (Letztere gehören vermutlich zu jenen Leuten, die statt von Telefon, Fax und E-Mail nur von Ruf, Fernpause und Rechnerpost sprechen, ihre Kinder „Merlin“ und „Freya“ nennen und Champagner als „Schaumwein“ bezeichnen).

Die Umsetzung all dieser wertvollen Leitlinien und Ratschläge bleibt dem jeweiligen Gartenbesitzer, also dem Naturgärtner, überlassen. Kenner der Sparte „Ratgeberliteratur“ werden zu Recht vermuten, dass dabei zwischen Theorie und Praxis womöglich eine Kluft klafft; wie breit und tief diese ist, könnte jedoch nur der besagte Naturgärtner verraten, und den fragt keiner. Seine Sehnsüchte, Versuche und Fehlschläge bleiben in den Ratgebern unerwähnt. Auf den großformatigen Beispielfotos fertiger Gärten ist er nicht zu sehen. Nur in einigen Schritt-für-Schritt-Anleitungen erkennt man undeutlich eine kauernde Gestalt, die irgendwie in der Erde wühlt; es könnte auch der Yeti sein oder Nessie bei der Eiablage, eben eines jener sagenumwobenen Geschöpfe, deren tatsächliche Existenz nicht bewiesen ist.

So ist es kein Wunder, dass in der Bevölkerung das Bild des Naturgärtners nach wie vor von Vorurteilen und Mythen geprägt ist. In all dem umfangreichen, das Thema und den Leser erschöpfenden Buchangebot über Naturgärten gibt es nicht ein Buch über Naturgärtner.

Ist das vertretbar, ist das gerecht? Jedenfalls klafft hier in der Gartenliteratur eine Lücke, und ich beeile mich, sie zu schließen.

Der Naturgärtner in der Geschichte

Wie jedes andere Lebewesen hat auch der Naturgärtner durchaus nicht nur Freunde. Sein größter, ich möchte sagen, natürlicher Feind ist der sogenannte Gartenwebel, ein näherer Verwandter des bekannteren Feldwebels. Wie nicht anders zu erwarten, erinnert der Garten des Gartenwebels stark an einen Exerzierplatz. Sofern sich Pflanzen darin befinden – das soll mitunter vorkommen – sehen sie samt und sonders aus, als hätte der Gartenwebel soeben „Still gestanden“ gebrüllt. Auf das Kommando „Ruht!“ warten sie dagegen vergeblich. Ein solcher Gartenwebel betrachtet den Naturgärtner als subversiven Schlamper, als Schänder des Heiligsten, was der Mensch hat. Fällt sein missbilligender Blick in das Revier eines Naturgärtners, so blickt er nicht in einen Garten, sondern in einen Abgrund an Landesverrat. Seiner Meinung nach ist der Naturgärtner ein typisches Produkt der heutigen Zeit, in der alles total verrottet ist. (Früher hätt’s so was gar niemals nicht gegeben!) Wirklich? Wir wollen doch mal sehen. Es ist mitunter erstaunlich, was man Büchern zu ganz anderen Themen entnehmen kann, wenn man nur entsprechend darauf achtet. Beginnen wir da, wo nach der Überzeugung jedes standhaften Gartenwebels der Prototyp des mustergültig von menschlicher Ordnung bestimmten Gartens zu finden ist: in den Parks des französischen Adels in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Diese waren, wie heutige städtische Gartenbauämter nicht müde werden, uns zu versichern, streng formal angelegt, mit geometrischen Wegemustern, Buchseinfassungen, Hecken und Rasenflächen. Einen solchen Park, den des Grafen du Vallon, beschreibt Alexandre Dumas im zweiten Band seiner Musketier-Trilogie „Zwanzig Jahre nachher“ mit folgenden Worten: „Und als beide hinreichend gefrühstückt hatten, machten sie einen Gang durch den herrlichen Garten. Alleen von Kastanienbäumen und Linden schlossen einen Raum von wenigstens 30 Morgen ein. Um die verwachsenen Gebüsche sah man Kaninchen laufen, welche von Zeit zu Zeit spielend unter dem hohen Gras verschwanden.“

Öha! Das klingt nun allerdings nicht nach barockem Ordnungsideal; es hat vielmehr etwas lasziv Naturgartenhaftes an sich. Und es war – da Dumas den Garten ausdrücklich als „herrlich“ tituliert – offenbar gänzlich im Einklang mit der Zeit und ihren Vorstellungen von Schönheit. So kann man sich irren. Hier wird der Gartenwebel nun freilich einwenden, dass der Franzose als solcher schon immer den Hang zur Verwahrlosung hatte, und die bröckelige Legerté, die noch heute französische Ortschaften zumal in etwas abgelegeneren Gegenden auszeichnet, gibt ihm darin Recht.

Aber im ordnungsliebenden Deutschland der Kaiserzeit und davor, da waren ja wohl solche Entgleisungen nicht zu finden. Da strotzte der Garten vor mustergültiger Ordnung – oder nicht? Hören wir dazu eine Stimme aus dem Jahr 1893, nämlich die von Wilhelm Busch in seinem Essay „Von mir über mich“:

„Was weiß ich denn noch aus meinem dritten Jahr? Knecht Heinrich macht schöne Flöten für mich und spielt selber auf der Maultrommel, und im Garten ist das Gras fast so hoch wie ich, und die Erbsen sind noch höher.“

Das hört sich nun auch nicht gerade programmgemäß an. Zugegeben, Busch lässt eine genaue Angabe seiner damaligen Körpergröße missen, zugegeben auch, dass damals die Menschen im Durchschnitt kleiner waren als heute: Dass indes ein Dreijähriger nur jene fünf Zentimeter hoch war, die einem rechten Gartenwebel als oberste Grenze für einen ordentlichen Rasen akzeptabel erscheinen, dürfte auch im 19. Jahrhundert eher unwahrscheinlich gewesen sein.

Nur ein Jahr später, aus dem Jahr 1894 datieren die berühmten „Jungle Books“ von Rudyard Kipling. In diesen, nämlich in der Erzählung „Rikki-Tikki-Tavi“ finden wir die folgende Beschreibung des Villengartens eines englischen Kolonialbeamten in Indien:

„Der Garten war groß und nur zur Hälfte bebaut; da standen ungeheure Rosenbüsche, um die man kaum mit zwölf Schritten herumgehen konnte, und Orangen- und Zitronenbäume, die das ganze Jahr lang mit Blüten und Früchten bedeckt waren. In dem anderen, wilden Teil des Gartens wuchsen Bambusrohr und dichtes Gras bis zur Manneshöhe empor.“

Da schauert es doch fürwahr jeden sensiblen Gartenwebel! Tatsächlich bestätigt der weitere Fortgang der Geschichte die schlimmsten Befürchtungen, denn in besagtem Garten wimmelt es von Moschusratten, Webervögeln, Kobras und einem aufdringlichen Mungo, der zu allem Überfluss ins Haus und bis in die Betten kommt. Mit einem Wort, übelste Naturgartenverhältnisse, und das bei einem Regierungsbeamten der damaligen Weltmacht Nr. 1! Es scheint, die gute alte Zeit war dann doch nicht ganz das, was man erwartet hätte, zumindest vom Standpunkt eines Gartenwebels aus.

Machen wir also schleunigst einen Sprung ins 20. Jahrhundert, in die Zeit nach dem 2. Weltkrieg, als die Verhältnisse wieder sicher, geordnet und ordentlich waren. Hier erschien 1951 in Schweden Astrid Lindgrens Buch „Kalle Blomquist lebt gefährlich“ und mit ihm die folgende aufschlussreiche Schilderung bürgerlicher Gartenkultur in Schweden.

„Gewiss fand sich am Rande der Stadt die eine oder andere Villa in einem schön gepflegten Garten; aber das waren Ausnahmen. Die meisten Gärten waren wie der des Bürgermeisterns: wild gewachsen mit alten, knotigen Apfel- und Birnbäumen und verwilderten Grasmatten, die nie geschnitten wurden.“

Siehe da. Dort also auch. Naturgärtner, wann und wohin man schaut. Gibt es denn gar kein Entrinnen? Nein. Schon sechs Jahre später, 1957, verfasste Erich Kästner sein Erinnerungsbuch „Als ich ein kleiner Junge war“, in dessen Vorwort er das folgende, für jeden Gartenwebel geradezu vernichtende Bekenntnis ablegt: „Heute habe ich endlich ein Vorgärtchen und hinter dem Haus eine Wiese. Und Rosen und Veilchen und Tulpen und Schneeglöckchen und Narzissen und Hahnenfuß und Männertreu und Glockenblumen und Vergissmeinnicht und meterhohe blühende Gräser, die der Sommerwind streichelt. Und Faulbaumsträucher und Fliederbüsche und zwei hohe Eschen und eine alte, morsche Erle hab ich außerdem. Sogar Blaumeisen, Kohlmeisen, Hänflinge, Kleiber, Dompfaffen, Amseln, Buntspechte und Elstern hab ich. Manchmal könnte ich mich fast beneiden!“

Kein Zweifel, auch Erich Kästner wäre vor den Augen eines strengen Gartenwebels durchgefallen. Und dabei befand sich sein Garten nicht etwa in einer alternativen Künstlerkolonie, sondern im noblen Münchner Stadtteil Bogenhausen.

Nicht besser war es offenbar um das Großbürgertum in Österreich bestellt. Konrad Lorenz, Sohn eines wohlhabenden Arztes und Hofrats in Altenberg, betrieb im Garten seines Elternhauses allerlei Tierstudien, über die er in seinem 1949 erschienenen Erstlingsbuchs „Er redete mit dem Vieh, den Vögeln und den Fischen“ u. a. erzählt:

„Ich wanderte also an jenem Pfingstsonntag mit meinen eintägigen Stockenten …auf einer maigrünen Wiese im oberen Teil unseres Gartens dahin…, da sah ich den Rand des Gartenzauns eingefasst mit einer Reihe bleicher Gesichter… – die Entlein aber, die erlösenden und alles erklärenden Entlein, konnten jene erschreckten Zaungäste in dem hohen Maiengrase leider nicht sehen!“

Wohlgemerkt: Alle diese Schilderungen beschreiben, wie aus dem Kontext eindeutig genug hervorgeht, keine Ausnahmezustände, sondern ganz normale Gartenverhältnisse bei ausnahmslos wohlsituierten Leuten, die sich, hätte man sie nach ihrer eigenen Selbsteinschätzung gefragt, zweifellos als ordentliche Menschen bezeichnet hätten.

Nicht nur ordentlich, sondern mit eigenen Worten, „ein Pedant, der seinen Garten sauber hält“ war der seinerzeit sehr bekannte Reiseschriftsteller Richard Katz. Über diesen pedantisch sauberen Garten berichtet er ausführlich in seinem 1961 erschienen Buch „Übern Gartenhag.“

Hier seien nur einige Passagen zitiert, die freilich ein echter Gartenwebel kaum zu ertragen vermag:

„Wie mit den Pflanzen des Gartens, so mit den Tieren…, angefangen von bodennahen Schnecken, Laufkäfern, Eidechsen, Schlangen und Igeln – nein, wir müssten tiefer schürfen und bei den unterirdischen Würmern, Werren, Ameisen, Maulwürfen und was sonst noch unter der Erdkrume lebt, beginnen! – über die vielerlei Läuse, Wanzen und Raupen hinweg, die an den Pflanzen hochkriechen, bis in den Luftraum überm Garten, dessen Tierleben an Schmetterlingen, Fliegen, Bienen, Wespen und Vögeln von verwirrender Vielfalt ist! Allein den lieben Meisen, die meinen Garten durchzwitschern, habe ich vier Gattungen und elf Arten nachgezählt, und das sind gewiss nicht alle.“

„Weit wichtiger als wer wen im Kongo verhaftet, ist mir die Smaragdeidechse, die aus ihrem Mauerloch hervorgehuscht ist, um mich aus neugierigen Knopfäuglein anzustarren.“

Und an anderer Stelle vermerkt er angelegentlich:

„Auch ich hatte nicht glauben wollen, dass es in meinem Garten in Locarno Schlangen gab, bis mir aus einem Erdbeerbeet eine Viper ins Gesicht zischte.“

Und so weiter. Die Beispiele ließen sich noch beliebig fortsetzen. Fast könnte man den Eindruck gewinnen, es habe in früheren Zeiten überhaupt nur Naturgärtner gegeben. Das wäre freilich ein Trugschluss. Die Vorstellung von einem goldenen Zeitalter mit durchweg naturverbundenen Menschen dürfte ebenso eine Legende sein wie die des traditionellen, Kilt tragenden Highlanders in Schottland.

Herrschsüchtige Charaktere, die am liebsten die ganze Umgebung strammstehen sehen, gab es wohl schon immer, nur mussten sie sich früher in anderen Bereichen verwirklichen: Als Könige etwa oder Kirchenfürsten, als Heeresoffiziere, zur Not auch nur als Zunftmeister oder, wenn es schon anderswo nicht klappen wollte, als Ehemann und Vater. Zu allen Zeiten fand ein Möchtegern-Despot unter den eigenen Artgenossen ein reiches Betätigungsfeld. Der Garten allerdings war ihm bis in die jüngste Neuzeit hinein überlegen. Es gab noch keine Pestizide und keinen Kunstdünger, keinen Rasenmäher und keine Motorsägen, keine Laubsauger und keine Thujaheckenproduzenten, vor allem aber keine Grundstücke, die sich selbst mit diesem Waffenarsenal beherrschen ließen.

Gartenanlagen früherer Zeiten, angefangen vom Park des Grafen du Vallon mit seinen „wenigstens 30 Morgen“ (ca. 10 ha) bis hin zu einem normalen Stadtgarten, der in der Regel noch immer reichlich 1000 m2 umfasste, wussten sich durch ihre schiere Größe dem Willen des Gartenwebels zu entziehen. Seine große Stunde schlug erst in der drangvollen Enge übervölkerter Industrieländer, die zwar über immer potentere Gifte, immer stärkere Motoren, aber über immer weniger Platz verfügen. Nur wo die Sonne der Erkenntnis tief steht, wirft ein Zwerg lange Schatten, und innere Beengtheit kann erst in einer ebensolchen äußeren die volle Entfaltung finden. Deswegen sind echte Gartenwebel durchweg Freunde kleiner Grundstücke, je kleiner, desto besser.

Wer auf die Anrede „Herrscher aller Grashalme“ Wert legt, dem genügt ein Imperium von 100 m2. Eine Fläche dieser Größe hätte noch bis in die jüngste Vergangenheit allenfalls als Hühnerauslauf gegolten, nicht jedoch als Hausgarten. Der Gartenwebel, der sich selbst so gern als den Hüter aller Werte sieht, erweist sich somit als ein Massenprodukt der Neuzeit, ähnlich wie die Waschbetonplatte und der Plastikgartenzwerg. Der Naturgärtner war eher da, eigentlich immer schon, er ist sozusagen der Saurier unter den Gärtnern: ein Überbleibsel aus vergangenen Zeiten, vielleicht sogar ein Fossil, aber ein höchst lebendiges. Und er hat vor, das auch zu bleiben:

Der Naturgärtner als solcher

Alle jene Zeitgenossen, denen ein „ordentlicher“, „sauberer“, womöglich gar „minimalistischer“ Garten das höchste Glück bedeutet, müssen wahrhaftig ganz außerordentlich bescheidene und genügsame Menschen sein. Wie sonst sollte man ihre Gärten verstehen? Wenn jemand über Jahre hinweg mit einer kirschlorbeergesäumten Rasenfläche oder gar mit einer Kiesschüttung und einem einsamen Buchsbäumchen zufrieden ist, so spricht das für ein solches Maß an abgeklärter Bescheidenheit, dass ein Eremit sich dagegen wie ein genusssüchtiger Epikureer ausnimmt. Ich habe mir jahrelang die sarkastische Phantasievorstellung gestattet, dass es in den Wohnungen solcher Menschen genauso spartanisch aussieht; ein blanker Parkettboden, eine Sitzgelegenheit aus einem einfachen Metallrahmen und ein Fernseher. Schließlich wurde ich in eine solche Behausung eingelassen, und was tut Gott? Es sah darin tatsächlich so aus. Wenn sich der Abend herniedersenkt, kauert ein solcher Minimalist vermutlich bei einem frugalen Fertiggericht auf seiner Sitzstange, sieht eine Doku-Soap auf RTLII und ist glücklich und zufrieden. Es ist wunderbar, was geistige Bedürfnislosigkeit vermag.

Leider ist ein Naturgärtner zu solcher Selbstbescheidung nicht fähig. Naturgärtner sind die maßlosesten, habgierigsten und unersättlichsten Menschen auf der Welt. Ich weiß nicht, wer die besonnte Legende von dem in biedermeierlicher Zufriedenheit in seinem bescheidenen Glück dahindümpelnden Gärtner in die Welt gesetzt hat, vielleicht war es Spitzweg, vielleicht ein Außendienstmitarbeiter einer Bausparkasse, aber er ist mit Sicherheit niemals nicht einem Naturgärtner begegnet. Ein Naturgärtner giert selbst dann noch hemmungslos nach neuen Pflanzenarten, wenn sein Garten schon aus allen Nähten platzt. Er okkupierte, wenn man ihn nur ließe, unter rücksichtsloser Vertreibung der Bewohner sämtliche Nachbargrundstücke, ignoriert die Gesetze von Zeit und Raum, verachtet seinen Kontostand und wird prinzipiell mindestens 300 Jahre alt, um die Entwicklung seiner langsameren Pfleglinge nicht zu versäumen. Unerschöpflich sind seine Wünsche. Für ihre Erfüllung würde er selbstverständlich jederzeit dem Teufel seine Seele verkaufen, aber der Teufel würde sie schon morgen wiederbringen und auf Knien um Annullierung des Vertrages winseln.

Zu den bescheideneren Grundbedürfnissen eines jeden Naturgärtners zählen ein Feuchtgebiet mit verschieden großen Seen, Weihern und Tümpeln, Flüssen, Bächen und Wasserfällen, ein Moor, ein Stück Meeresküste, ein Auwald, ein Regenwald, die Lüneburger Heide, einige Trockenrasen, ein Hochgebirge und ein paar Sanddünen. Dazu kämen dann ein paar kleine, aber feine Extras wie Orchideenwiesen, uralte Baumriesen, versteckte Buchten, feuchte Schluchten, blühende Berghänge, gelber Enzian, Frauenschuh, stängelloser Enzian, ein Bänkchen am Wegrand und eine singende Nachtigall.

Bei den Gartentieren ist der Naturgärtner freilich bescheidener, er braucht keine noch so eindrucksvollen Elefanten oder Bisonherden, die doch nur seine Pflanzen zertrampeln würden, ihm genügen Singvögel, Sperber, Schwarzstörche, Weißstörche, Kraniche, Mehlschwalben, Rauchschwalben, Uferschwalben, Luchse, Gämsen, und ein Pandabär. Der wäre nicht heimisch, meinen Sie? Na und? Wer sonst sollte die dämlichen Bambusausläufer beseitigen, die immer wieder vom Nachbarn herüberwachsen? Pandabär muss sein, dazu Murmeltiere, Zauneidechsen, Mauereidechsen, Waldeidechsen, Perleidechsen, Smaragdeidechsen, Eidechsennattern, falls die Eidechsen überhand nehmen sollten, sowie Ringelnattern, Glattnattern, Äskulapnattern, Sumpfschildkröten, natürlich Bieber, Wildkatzen, Hauskatzen, Füchse, Dachse, Steinmarder, Baummarder, Eichhörnchen, Fischotter – aber was schauen Sie denn so? Ich bin noch lange nicht fertig!

Da sehen Sie mal, wie bescheiden dagegen Leute wie Bill Gates oder Dagobert Duck sind, die wünschen sich nur Geld und sonst nichts. Der Naturgärtner benötigt dagegen außer den schon genannten, mehr elementaren Dingen noch ganz dringend ein Karsthöhlensystem für die Fledermäuse, ein Waldmittelgebirge mit beerenreichem Unterholz für die Raufußhühner, eine eigene Burg für die Turmfalken und ein Gewürzgärtchen für die Küche.

Natürlich ist das alles nicht ganz billig; so mancher Naturgärtner sah sich deshalb schon genötigt, Epochales zu vollbringen, Karriere zu machen oder reich zu heiraten, nur um sich seine Gartenwünsche erfüllen zu können.

Bekannte Naturgärtner waren Friedrich von Hohenstaufen, Fürst Pückler, Karl Foerster, Goethe, Gott, Ernst Pagels und King Charles III. von England. Auch ihnen gelang nicht immer alles, aber sie hatten zumindest den nötigen Platz für die Umsetzung ihrer Pläne und die erforderliche Autorität, um ihren Anweisungen Nachdruck zu verleihen. Die Mehrzahl der restlichen Naturgärtner – und ich rechne mich selbst durchaus ungern auch dazu – sehen sich hingegen beständig an ihrer Entfaltung gehindert. Die Grundstücksgrößen, die Kostenentwicklung, das Nachbarschaftsrecht, kurzum die heutigen Lebensbedingungen insgesamt sind einem Naturgärtner nicht angemessen. Es ist, als hätte Monet seine Gartenbilder auf den Rückseiten von benutzten Briefmarken malen müssen.

So verbringt der heutige Naturgärtner sein Leben im Spannungsfeld zwischen Traum und Wirklichkeit, zwischen Ersehntem und Machbarem. Begleiten wir ihn also eine Weile dabei, um zu sehen, wie er mit dieser Herausforderung fertig wird.

Der Anfang

Wie kommt man eigentlich zu einem Naturgarten? Es gibt mehrere Wege. Manche Menschen glauben, ein Naturgarten entstünde von alleine, wenn man ihn nur sich selbst überlässt. Es sind das dieselben Leute, die glauben, alle Kinder seien von Natur aus hochbegabt. Sie handeln dann dementsprechend, und tatsächlich können, was das Ergebnis anbelangt, ihre Kinder und ihre Gärten einander die Hand reichen.