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Im Sonnenwinkel ist eine Familienroman-Serie. Schauplätze sind der am Sternsee gelegene Sonnenwinkel und die Felsenburg, eine beachtliche Ruine von geschichtlicher Bedeutung. Mit Michaela Dornberg übernimmt eine sehr erfolgreiche Serienautorin, die Fortsetzung der beliebten Familienserie "Im Sonnenwinkel". Michaela Dornberg ist mit ganzem Herzen in die bezaubernde Welt des Sonnenwinkels eingedrungen. Sie kennt den idyllischen Flecken Erlenried und die sympathische Familie Auerbach mit dem Nesthäkchen Bambi. Frau Dr. Ulrike Scheibler, die erfolgreiche Sachbuchautorin, betrat die Diele des von ihr gemieteten Hauses im Sonnenwinkel. Es gab keinerlei Anzeichen für irgendwas, dennoch spürte sie sofort, dass jemand im Haus gewesen sein musste. Es fühlte sich anders an als sonst. Es war verrückt, nicht nachvollziehbar, und dennoch war es so. Nachdem Ulrike sich von ihrem ersten Schock erholt hatte, setzte sie zögernd Schritt vor Schritt. Es war ein so unangenehmes Gefühl zu spüren, dass da jemand, der im Haus nichts zu suchen hatte, in ihre Intimsphäre eingebrochen war. Ulrike atmete tief durch, versuchte, die Gefühle, die sie gerade durchströmten, zu ignorieren. Es ging nicht. Zögernd betrat sie ihr Wohnzimmer. Alles sah aus wie immer, wie sie es verlassen hatte. Auch in der Küche war alles an seinem Platz, war nichts durchwühlt worden, und das setzte sich fort bis sie ihr Arbeitszimmer betrat, und da entdeckte sie es sofort, was die Begehrlichkeit des Einbrechers geweckt hatte. Ihr Computer fehlte. Auch hier war ansonsten alles unberührt, keine Schublade war aufgezogen, kein Fach war durchwühlt worden. Der Einbrecher hatte sich nicht einmal für ihren wertvollen Schmuck interessiert. Und das war es doch, worauf Einbrecher in erster Linie scharf waren, weil es sich am schnellsten und am leichtesten zu Geld machen ließ, und ja, Bargeld natürlich auch, und das lag ebenfalls herum. Ulrike brauchte nicht lange, um zu erkennen, dass es sich hier um keinen gewöhnlichen Einbruch gehandelt hatte, es war einzig und allein um ihren Computer gegangen. Für das ›wie‹ hatte sie schnell eine Erklärung. Um ins Haus zu gelangen, hatte der Einbrecher, vielleicht war es auch eine Einbrecherin, so etwas gab es ja auch, die Terrassentür aufgehebelt. Aus den Medien erfuhr man ja immer wieder, dass auf diese Weise die Täter häufig in die Häuser gelangten.
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Seitenzahl: 160
Veröffentlichungsjahr: 2024
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Frau Dr. Ulrike Scheibler, die erfolgreiche Sachbuchautorin, betrat die Diele des von ihr gemieteten Hauses im Sonnenwinkel. Es gab keinerlei Anzeichen für irgendwas, dennoch spürte sie sofort, dass jemand im Haus gewesen sein musste. Es fühlte sich anders an als sonst. Es war verrückt, nicht nachvollziehbar, und dennoch war es so. Nachdem Ulrike sich von ihrem ersten Schock erholt hatte, setzte sie zögernd Schritt vor Schritt.
Es war ein so unangenehmes Gefühl zu spüren, dass da jemand, der im Haus nichts zu suchen hatte, in ihre Intimsphäre eingebrochen war.
Ulrike atmete tief durch, versuchte, die Gefühle, die sie gerade durchströmten, zu ignorieren. Es ging nicht.
Zögernd betrat sie ihr Wohnzimmer. Alles sah aus wie immer, wie sie es verlassen hatte. Auch in der Küche war alles an seinem Platz, war nichts durchwühlt worden, und das setzte sich fort bis sie ihr Arbeitszimmer betrat, und da entdeckte sie es sofort, was die Begehrlichkeit des Einbrechers geweckt hatte.
Ihr Computer fehlte. Auch hier war ansonsten alles unberührt, keine Schublade war aufgezogen, kein Fach war durchwühlt worden.
Der Einbrecher hatte sich nicht einmal für ihren wertvollen Schmuck interessiert. Und das war es doch, worauf Einbrecher in erster Linie scharf waren, weil es sich am schnellsten und am leichtesten zu Geld machen ließ, und ja, Bargeld natürlich auch, und das lag ebenfalls herum.
Ulrike brauchte nicht lange, um zu erkennen, dass es sich hier um keinen gewöhnlichen Einbruch gehandelt hatte, es war einzig und allein um ihren Computer gegangen.
Doch wer …
Und wie …
Für das ›wie‹ hatte sie schnell eine Erklärung. Um ins Haus zu gelangen, hatte der Einbrecher, vielleicht war es auch eine Einbrecherin, so etwas gab es ja auch, die Terrassentür aufgehebelt. Aus den Medien erfuhr man ja immer wieder, dass auf diese Weise die Täter häufig in die Häuser gelangten. Und hier hatte man unbesorgt ungestört arbeiten können, denn man war geschützt durch hohe Bäume und Sträucher. Der Garten war nicht einsehbar.
Doch welche Rolle spielt das jetzt. Fakt war, dass jemand ins Haus gekommen war, um ihren Computer zu stehlen, den allein, sonst nichts.
Und da gingen jetzt bei Ulrike auch sämtliche Alarmglocken an. An ihrem Computer konnte nur eine einzige Person interessiert sein, und das war Sebastian, ihr Exfreund und jetzt konnte man auch sagen, ihr Exverleger, weil sie die Zusammenarbeit mit ihm aufgekündigt hatte.
Ulrike bekam ganz weiche Knie, als ihr das so richtig bewusst wurde, und sie musste sich erst einmal setzen. Sie versuchte ihre Gedanken zu ordnen, die wie ein aufgescheuchter Bienenschwarm durcheinanderschwirrten.
Was sollte sie jetzt tun?
Die Polizei rufen, damit die die Spuren sicherte, den Einbruch aufnahm?
So war es normalerweise auch. Aber hier würde man keine Spuren finden, weil es keine gab, allenfalls welche am Computer, doch den hatte er mitgenommen.
Und an der Terrassentür …, vielleicht, doch es war anzunehmen, dass er Handschuhe getragen hatte, um keine Spuren zu hinterlassen.
War es Sebastian selbst gewesen?
Kaum anzunehmen, denn jemand wie er machte sich nicht die Hände schmutzig.
Ihr war wirklich ganz elend zumute, dennoch konnte sie sich ein leises Lächeln der Schadenfreude nicht verkneifen. Sie versuchte, sich Sebastians Gesicht vorzustellen, wenn der feststellen musste, dass alle Mühe umsonst gewesen war, dass der Einbrecher einen Computer mit einer leeren Festplatte hatte mitgehen lassen.
Wenn man so wollte, hatte sie wirklich Glück im Unglück gehabt, weil sie sich endlich aufgerafft hatte, ihren eigentlichen Computer mit all den brisanten Daten, die jemand, der gewieft genug war, knacken konnte, in die Werkstatt nach Hohenborn gebracht hatte.
Ja, Hohenborn …
Sie hatte viele schöne Stunden dort verbracht, hatte sich mit ihrem neuen Leben nicht nur ausgesöhnt, sondern sie hatte sich fest vorgenommen, es anzunehmen. Und dann das jetzt.
Sollte sie Sebastian anrufen, ihm auf den Kopf zusagen, dass sie wusste, dass er hinter dem Einbruch stand, ihn damit konfrontieren, dass er den wertlosen Computer hatte stehlen lassen?
Es hatte Zeit. Vorrangig musste sie sich darum kümmern, dass die Terrassentür in Ordnung gebracht wurde. Es war zwar nicht anzunehmen, dass der Einbrecher noch einmal wiederkommen würde, aber …
Sie war fremd hier, kannte so gut wie niemanden. Wen sollte sie anrufen? Die Polizei auf jeden Fall nicht, denn Ulrike hatte sich entschlossen, die nicht zu informieren. Sie war keine rachsüchtige Furie, die sich daran erfreute, Sebastian eines auszuwischen.
Achim Hellenbrink fiel ihr ein, der war Architekt, kannte also genügend Handwerker. Doch sie hatte all seine Anrufe ignoriert, sich zwar vorgenommen, sich nun von sich aus zu melden. Doch da hatte sie noch nichts von dem Einbruch geahnt, und es jetzt zu tun, weil sie ihn brauchte. Nein, das ging überhaupt nicht.
Also, was sollte sie jetzt tun?
Noch während sie überlegte, klingelte ihr Telefon. Viel Lust sich zu melden hatte sie nicht, doch weil es nicht aufhörte und weil das Geklingele sie nervte, meldete sie sich mit nicht gerade freundlich klingender Stimme.
»Oh, störe ich dich?«, erkundigte sich der Anrufer, und Ulrike konnte es nicht fassen, es war Achim.
»Nein, Achim, du störst überhaupt nicht. Ich bin augenblicklich nur nicht gut drauf, weil bei mir eingebrochen wurde.«
Er war entsetzt, denn Einbrüche hatte es nur einmal gegeben, doch da hatte man der Einbrecherbande, die sich die wohlhabenden Bewohner des Sonnenwinkels ausgeguckt hatten, schnell das Handwerk gelegt. So etwas sprach sich in Ganovenkreisen sofort herum.
»Das tut mir leid, Ulrike. Wurde viel gestohlen? Haben die Einbrecher das Haus verwüstet? Hast du die Polizei bereits eingeschaltet?«
Es waren viele besorgte Fragen, auf die Ulrike nicht einging.
»Nur mein neuer Computer ist weg, doch um den ist es nicht schade, ich meine, es ist nur ein finanzieller Verlust, es sind noch keine Daten darauf. Mehr Sorgen macht mir die aufgehebelte Terrassentür. Kennst du einen Handwerker, der das wieder in Ordnung bringen kann?«
»Oh, das ist überhaupt kein Problem. Dazu brauchen wir keinen Handwerker, das kann ich machen. Wenn du magst, dann komme ich gleich vorbei, Ulrike.«
Die konnte ihr Glück nicht fassen.
»Das würdest du wirklich für mich tun, Achim?«
Diese Frage war unberechtigt, er hatte ihr seine Hilfe doch bereits angeboten.
Er bestätigte es noch einmal, versprach, sofort zu kommen, und Ulrike war unendlich erleichtert, als sie den Hörer auflegte. Sie freute sich merkwürdigerweise auf das Wiedersehen mit Achim, auch wenn sie sich das anders vorgestellt hatte.
*
Entweder war Achim Hellenbrink handwerklich besonders begabt, oder aber der Einbrecher war nicht mit brachialer Gewalt an das Öffnen der Terrassentür herangegangen. Wie auch immer, der Schaden war schnell behoben.
Ulrike hatte einen Tee gekocht, jetzt saßen sie sich gegenüber, sie bedankte sich noch einmal ganz überschwänglich für seine Hilfe, und er wollte wissen: »Warum schaltest du nicht die Polizei ein? Immerhin wurde etwas gestohlen, und ein Computer ist ja auch einiges, auch wenn es für dich nur der materielle Verlust ist, den du erlitten hast. Wenn du die Polizei einschaltest, kannst du den Schaden zumindest deiner Versicherung melden und bekommst ihn ersetzt.«
Ihm war anzumerken, dass er ihre Einstellung nicht verstand, und obwohl sie es eigentlich für sich behalten wollte, erzählte sie ihm, dass sie sich ganz sicher war, dass ihr Exfreund den Computer hatte stehlen lassen.
Das verstand Achim nun überhaupt nicht.
»Aber wozu? Glaubte er, darauf kompromittierendes Material zu finden, das er gegen dich verwenden kann?«
Ulrike schüttelte den Kopf, überlegte, wie viel sie ihm erzählten konnte, nein, die Frage war wohl eher, wie viel sie ihm erzählen wollte.
Sie mochte Achim, er war ein ausgesprochen sympathischer Mensch, und auch wenn sie vielleicht nur Freunde werden würden, hatte er die Wahrheit verdient.
»Nein, Achim, mein Exfreund …, nun, er ist auch der Verleger, bei dem all meine Bücher bislang veröffentlicht wurden. Das habe ich aufgekündigt, und ich bin davon überzeugt, dass er herausfinden wollte, woran ich arbeite, wie weit ich mit dem Manuskript bin, das eigentlich er bekommen sollte und mit wem ich in Verbindung stehe.«
»Aber was hat er davon? Wenn du mit ihm nicht mehr arbeitest, dann kann ihm das doch wurscht sein.«
»Ach, Achim, du kennst Sebastian nicht. Er hätte alles vernichtet so nach dem Motto, was er nicht bekommt, soll auch kein anderer Verleger bekommen. Zum Glück ist seine Rechnung ja nicht aufgegangen.«
Nun erzählte sie ihm alles, schonungslos, und so ließ sie nicht aus, dass sie bewusst nicht ans Telefon gegangen war, als er immer angerufen hatte.
»Achim, die Trennung von Sebastian ist noch sehr frisch und mir ist schon bewusst geworden, dass du …, sagen wir es mal so, ein gewisses Interesse an mir hast …, ich finde dich sehr sympathisch, doch ich gehöre nicht zu den Frauen, die ihr Sofa sofort wieder besetzen, wenn es leer geworden ist. Ich muss mich selbst erst mal sortieren, denn es war ziemlich töricht gleich die Flucht zu ergreifen, bloß weil ein Mann mich enttäuscht hat. Stell dir nur mal vor, was für ein Getümmel es gäbe, handelten alle Frauen so.«
Ganz ging er nicht darauf an, er blickte sie an, dann sagte er ernst: »Ich bin froh, dass du in den Sonnenwinkel gezogen bist, denn sonst hätten wir uns nicht kennengelernt, Ulrike.«
Er zögerte. »Es stimmt, du gefällst mir, sehr sogar, doch ich will dich in keiner Weise bedrängen …, was Frauen betrifft, da hatte ich bislang auch nicht gerade ein glückliches Händchen, ich habe die falsche geheiratet, mich in eine verguckt, die in mir nicht mehr als einen guten Freund sah … Ulrike, du gefällst mir, wie gesagt, ich unterhalte mich gern mit dir, ich würde dich gern öfters treffen …, ich …«
»Du bist nicht in mich verliebt«, vollendete sie seinen Satz, »Achim, das erleichtert mich sehr, denn ich kann jedes deiner Worte unterschreiben, warten wir also ab, wohin unsere Reise geht, jeder reist für sich allein oder aber …«
Sie ließ es offen, dann sprachen sie nicht mehr über sich, denn es gab eine Menge anderer Themen, über die sie sich unterhalten konnten.
Es fühlte sich gut an …, und das für beide. Eine gemeinsame Reise war nicht ausgeschlossen, doch ob es dazu kommen sollte, das würde die nächste Zeit zeigen.
*
Inge Auerbach war es ja gewohnt, dass ihre Kinder einfach bei ihr einfielen, und sie freute sich sehr über diese Besuche, auch wenn es meistens nicht mehr als kurze Stippvisiten waren.
Doch dass Hannes plötzlich vor der Haustür stand, damit hatte sie wirklich nicht gerechnet, und sie konnte ihre Überraschung auch nicht verbergen, zumal sie gerade erst mit Hannes telefoniert hatte, und da war von ihm mit keiner Silbe erwähnt worden, dass er bald schon nach Deutschland, gar in den Sonnenwinkel, kommen würde.
Hannes umarmte seine überraschte Mutter.
»Na, Mama, mit ein bisschen Freude, mich zu sehen, hätte ich schon gerechnet«, beschwerte er sich.
Sofort bekam Inge ein schlechtes Gewissen.
»Sag nicht so was, Hannes, natürlich freue ich mich, und du glaubst überhaupt nicht, wie. Ich bin halt nur überrascht, komm rein, mein Junge.«
Hannes folgte seiner Mutter ins Haus, schmiss seinen Rucksack achtlos auf den Boden.
»Ist ja so still hier«, wunderte er sich, »ist sonst niemand da?« Er blickte durch die Terrassentür in den Garten. »Ich sehe nicht einmal Luna und Sam. Die habt ihr hoffentlich nicht verkauft«, witzelte er.
»Wo denkst du hin, Hannes, an so was würden wir nicht einmal im Traum denken. Wart mal ab, lang kann es nicht mehr dauern, da kommt gleich dein Großvater mit den Hunden von einem langen Spaziergang zurück, und dann ist wieder Leben in der Bude.«
Nachdem ihre Überraschung sich ein wenig gelegt hatte, freute sie sich immer mehr, ihren jüngsten Sohn zu sehen. Er sah wieder einmal fantastisch aus, der Hannes, und was für ein cooles Outfit er wieder trug. Ja, ja, er war wirklich ganz anders als seine Geschwister, vor allem hatte er eine so lässige Art.
»Mama, ist was?«, wollte er wissen, denn natürlich war ihm nicht entgangen, wie sehr seine Mutter ihn wohlgefällig musterte. »Ist die Begutachtung zu deiner Zufriedenheit ausgefallen? Das, was ich gerade trage, ist übrigens ein Musterteil, das es nur ein einziges Mal gibt. Man hat sich aus Kostengründen entschlossen, es nicht zu produzieren, ich bekam es zufällig mit, konnte es den Firmeninhabern abschwatzen, und schon besitze ich etwas von Dan Vox, was es weltweit nur einmal gibt. Und ich musste nicht einmal etwas dafür bezahlen.«
Inge staunte.
»Das ist aber sehr großzügig, gerade Musterteile sind doch eigentlich besonders teuer, weil die von Musternäherinnen hergestellt werden und nicht vom Band kommen.«
Er lachte.
»Du kennst dich gut aus, Mama. Aber keine Sorge, ganz ohne Hintergedanken ist es nicht abgelaufen. Vorsichtshalber hat man nämlich von mir in diesem Outfit ein Foto ins Netz gestellt, und sollte es Anklang finden, sollten Nachfragen kommen, dann ist es mit der Exklusivität schnell vorbei, da wird die Produktion angeschmissen.«
»Und das macht dir dann nichts aus, Hannes?«
»Nein, Mama, weiß Gott nicht, die Klamotten von Dan Vox zu präsentieren, das bringt mir Geld, und aus genau diesem Grunde mache ich es. Wenn es nach mir ginge, würde ich in einer alten Jeans, einem noch viel älteren Pulli oder Shirt herumlaufen. An mir können all diese Firmen nichts verdienen, und wenn, dann würde ich viel lieber Geld für ein Stück Holz ausgeben, das ich bearbeiten kann, zum Leben erwecken. Du ahnst überhaupt nicht, wie glücklich es mich macht, den Traumberuf ergriffen zu haben, angekommen zu sein. Und ich freue mich auch jetzt schon wieder auf meine Arbeit.«
»Wie lange bleibst du, mein Junge?«, erkundigte Inge sich.
Er zuckte die Achseln.
»Ich hoffe, dass wir spätestens in zwei Tagen abfliegen können.«
Hatte sie sich da gerade verhört?
»Wir?«, wiederholte sie alarmiert.
Hannes nickte. »Ja, wir, ich bin nämlich gekommen, um Pia abzuholen.«
Inge ließ sich nicht anmerken, was sie bei diesen Worten empfand.
Sie sagte nur: »Aber Alma, die Haushälterin der Frau Doktor wird Pia doch begleiten und ihr helfen, sich in ihrem neuen Leben zurechtzufinden.«
»Ich weiß, Mama, und das ist nun überhaupt keine gute Idee. In Brenlarrick fängt für Pia ein neues Leben an. Alles ist bestens vorbereitet, es gibt Menschen, die für sie da sein werden, zu denen ich übrigens auch gehören werde. Es ist für Pia ein Neuanfang«, er betonte das Wort Neuanfang ganz besonders, »da schleppt man nicht Teile seines alten Lebens mit. Ich finde Alma wirklich großartig, ich weiß, wie sehr sie an Pia hängt. Doch es ist keine gute Idee, mit Altem neu zu beginnen. Alma kann sie später besuchen, wenn Pia sich eingelebt hat, alle können sie kommen«, er warf ihr einen Blick zu, »du übrigens auch, Mama. Von Ricky weiß ich ja, dass du wie in alten Zeiten wieder hier allein herumhängst, dass Papa sich wieder verwirklicht. Aber dazu sage ich nichts mehr. So, wie ich nicht möchte, dass man sich in mein Leben einmischt, werde ich es auch nicht tun, indem ich im Leben anderer ungefragt mitmische.«
Inge gefielen solche Worte nicht, weil sie ihr aufzeigten, wie schwach sie im Grunde genommen war, ihr gefiel nicht, dass ihre Kinder miteinander über sie und Werner redeten, aber das war ja wohl normal.
»Und was machst du gerade, mein Sohn? Du mischst dich in Pias Leben ein, indem du sie abholst, all ihre Pläne durcheianderwirbelst, und wenn …«
Hannes unterbrach seine Mutter.
»Stopp, Mama. Es waren nicht Pias Pläne, den hatten die Frau Doktor und Alma, und Pia hat sich gefügt, obwohl sie darüber nicht glücklich war. Und da Pia und ich in Verbindung miteinander stehen, habe ich es mitbekommen, und sie war sehr begeistert, als ich sie fragte, ob ich sie abholen solle.«
Inge schwieg eine Weile, überlegte, dann konnte sie sich eine Frage nicht verkneifen: »Pia bedeutet dir sehr viel, Hannes, nicht wahr?«
Er verdrehte die Augen. Musste seine Mutter schon wieder damit beginnen? Damit hatte sie ihn bereits gelöchert, nicht nur ihn, auch die arme Pamela musste daran glauben, weil sie mit Pia befreundet war und auch mit ihm in ständigem Kontakt war.
Er sagte erst einmal nichts, und das beunruhigte Inge noch viel mehr.
»Hannes, Pia ist noch so jung, sie hat nicht einmal eine abgeschlossene Schulausbildung. Die hast du zwar, aber steckst mitten in der Ausbildung, wäre es da nicht besser …«
Wieder unterbrach Hannes seine Mutter.
»Mama, ehe du noch mehr Unsinn redest, schlag es dir endlich aus dem Kopf, dass zwischen Pia und mir etwas ist. Und selbst wenn es so wäre, könntest du nichts machen, Pia und ich, wir sind beide volljährig. Und denke mal an unsere Ricky, die hatte noch nicht mal ihr Abi und hat mit ihrem Lehrer herumgemacht.«
Das war ein Kapitel im Leben der Auerbachs, an dem sie alle nicht gern rührten, weil es ziemlich grenzwertig gewesen war, was sich damals ereignet hatte. Und sofort verteidigte Inge auch ihre Tochter und ihren Schwiegersohn.
»Hannes, als Ricky und Fabian sich ineinander verliebten, da waren wir ganz neu hier, sie hatte keine Ahnung, wer er war, und als es sich schließlich herausstellte, dass er ausgerechnet Lehrer am Gymnasium war, begann für sie eine schlimme Zeit, aber sie haben nichts getan, was gegen das Gesetz war, sie haben ihre Gefühle unterdrückt und sich zu denen erst bekannt, als Ricky ihr Abitur in der Tasche hatte und sie die Schule verlassen konnte. Es war Liebe auf den ersten Blick, und gegen Liebe ist man machtlos, und wie du siehst, sind Ricky und Fabian noch immer sehr glücklich verheiratet, und sie haben so viele wundervolle Kinder, die ihr ganzes Glück sind, und wenn …«
Hannes hielt sich die Ohren zu, und Inge brach ihren begonnenen Satz ab, der allerdings wohl eher ein Plädoyer für die Liebe seiner Schwester und seines Schwagers war.
»Mama, was soll das? Entspann dich mal, denn was du da in Pia und mich hineininterpretierst, das ist ja beinahe schon pathologisch«, als er ihren entsetzten Blick bemerkte, milderte er ab, »tut mir leid, aber bitte hör auf damit, ich werde auch keine Frage mehr beantworten. Ich mag Pia sehr, und ja, ich kann mir vorstellen, dass aus uns ein Paar werden kann, wir sind auf dem besten Wege dazu. Doch wenn es irgendwann so weit sein sollte, dann verspreche ich dir, liebe Mama, dass du es zuerst erfahren wirst. Können wir jetzt davon aufhören? Hast du vielleicht ein Brot oder einen Toast für mich? Ich habe nämlich tierisch Hunger.«
Sofort sprang Inge auf, sich jetzt um Essen für Hannes zu kümmern, war ihr auf jeden Fall viel lieber, obwohl es da schon noch ein paar Fragen gab, die ihn und Pia betrafen.
Seine Mutter machte ihm Schinkenbrote, weil sie wusste, dass er die besonders gern mochte. Brot und Schinken waren so typisch deutsch. Was Brot betraf, waren die Deutschen mit ihrer Vielzahl verschiedener Sorten eh unschlagbar, und Schwarzwälder Schinken, den konnte man hier und da in England auch kaufen, doch auch hier gab es Unterschiede. Dann begann Hannes begeistert über seine Arbeit zu sprechen, über das, woran er augenblicklich herumtüftelte.
Im Gegensatz zu Werner hörte Inge ihrem Sohn interessiert zu.
Werner konnte es noch immer nicht verwinden, dass ausgerechnet Hannes mit seinem so tollen Abitur keine wissenschaftliche Karriere geplant und nicht das Stipendium in Amerika angenommen hatte.
Inge servierte die Brote, und Hannes machte sich augenblicklich über sie her. Es war eine Freude, ihm dabei zuzusehen.
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