Kein Glück für Nicki? - Michaela Dornberg - E-Book

Kein Glück für Nicki? E-Book

Michaela Dornberg

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Beschreibung

Im Sonnenwinkel ist eine Familienroman-Serie. Schauplätze sind der am Sternsee gelegene Sonnenwinkel und die Felsenburg, eine beachtliche Ruine von geschichtlicher Bedeutung. Mit Michaela Dornberg übernimmt eine sehr erfolgreiche Serienautorin, die Fortsetzung der beliebten Familienserie "Im Sonnenwinkel". Michaela Dornberg ist mit ganzem Herzen in die bezaubernde Welt des Sonnenwinkels eingedrungen. Sie kennt den idyllischen Flecken Erlenried und die sympathische Familie Auerbach mit dem Nesthäkchen Bambi. Roberta registrierte kaum, dass ihre Patientin sich noch einmal ganz überschwänglich bei ihr bedankte, sich erneut von ihr verabschiedete, ehe sie ging. Das alles bekam Roberta nur ganz am Rande mit, und das war ungewöhnlich, denn normalerweise war die Ärztin ein sehr höflicher, aufmerksamer Mensch. Es gab halt Ausnahmesituationen, in denen alles anders war, und so etwas war es jetzt. Roberta schaute den Mann an, der neben Ursel Hellenbrink stand und sich mit ihr sehr angeregt unterhielt, mit Ursel ganz entspannt lachte. Das konnte jetzt nicht wahr sein! Sah sie eine Fata Morgana? Ehe Roberta an ihrem Verstand zweifeln konnte, drehte der Mann sich langsam zu ihr um, kam lachend auf sie zu, nahm sie in seine Arme und rief freudig: »Auf diesen Augenblick habe ich gewartet, auf den habe ich mich gefreut. Roberta, meine Liebe, es ist ganz wundervoll, dich nach so langer Zeit wiederzusehen.« Roberta war nicht so leicht sprachlos, jetzt war sie es. Sie schluckte, und es dauerte einen Augenblick, ehe sie begriff, was da gerade passierte. Doch dann siegte die Freude. Dr. Enno Riedel war nicht nur in der Praxis, nein, er hatte sie gerade umarmt! »Enno, ich kann es nicht glauben, du hier? Kneif mich mal, damit ich mich davon überzeugen kann, dass du es wirklich bist, dass ich nicht spinne.« Dr. Enno Riedel freute sich. »Dann ist mir die Überraschung also richtig gelungen, und dich einmal sprachlos zu sehen, liebste Freundin, ehrlich mal, ich hätte niemals damit gerechnet, dass ich das im Leben hinbekommen würde. Ich bin es wirklich, und ich hoffe sehr, dass es dir gelingen wird, in knapp zwei Stunden zu erzählen, was sich im schönen Sonnenwinkel so ereignet hat, vor allem, wie es dir so ergangen ist. Hier und da habe ich ja schon mal etwas erfahren.

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Der neue Sonnenwinkel – 77 –

Kein Glück für Nicki?

Gib der Liebe endlich wieder eine Chance!

Michaela Dornberg

Roberta registrierte kaum, dass ihre Patientin sich noch einmal ganz überschwänglich bei ihr bedankte, sich erneut von ihr verabschiedete, ehe sie ging. Das alles bekam Roberta nur ganz am Rande mit, und das war ungewöhnlich, denn normalerweise war die Ärztin ein sehr höflicher, aufmerksamer Mensch. Es gab halt Ausnahmesituationen, in denen alles anders war, und so etwas war es jetzt. Roberta schaute den Mann an, der neben Ursel Hellenbrink stand und sich mit ihr sehr angeregt unterhielt, mit Ursel ganz entspannt lachte. Das konnte jetzt nicht wahr sein! Sah sie eine Fata Morgana? Ehe Roberta an ihrem Verstand zweifeln konnte, drehte der Mann sich langsam zu ihr um, kam lachend auf sie zu, nahm sie in seine Arme und rief freudig: »Auf diesen Augenblick habe ich gewartet, auf den habe ich mich gefreut. Roberta, meine Liebe, es ist ganz wundervoll, dich nach so langer Zeit wiederzusehen.«

Roberta war nicht so leicht sprachlos, jetzt war sie es.

Sie schluckte, und es dauerte einen Augenblick, ehe sie begriff, was da gerade passierte. Doch dann siegte die Freude.

Dr. Enno Riedel war nicht nur in der Praxis, nein, er hatte sie gerade umarmt!

»Enno, ich kann es nicht glauben, du hier? Kneif mich mal, damit ich mich davon überzeugen kann, dass du es wirklich bist, dass ich nicht spinne.«

Dr. Enno Riedel freute sich.

»Dann ist mir die Überraschung also richtig gelungen, und dich einmal sprachlos zu sehen, liebste Freundin, ehrlich mal, ich hätte niemals damit gerechnet, dass ich das im Leben hinbekommen würde. Ich bin es wirklich, und ich hoffe sehr, dass es dir gelingen wird, in knapp zwei Stunden zu erzählen, was sich im schönen Sonnenwinkel so ereignet hat, vor allem, wie es dir so ergangen ist. Hier und da habe ich ja schon mal etwas erfahren. Doch ich finde es sehr bedauerlich, dass wir zwei es nicht geschafft haben, in Verbindung zu bleiben, abgesehen einmal von den obligatorischen Weihnachtsgrüßen.« Als er Robertas betroffenes Gesicht sah, fügte er rasch hinzu. »Das soll jetzt überhaupt kein Vorwurf sein. Ich hätte ja auch darauf achten können, dass es zwischen uns nicht versandet, zumal wir während unserer gesamten Studienzeit Freunde waren, viel mit unserer Clique unternahmen, was ich in allerbester Erinnerung behalten werde. Aber Schwamm darüber, ich bin nicht hier, um in Erinnerungen zu kramen, das können wir uns auf später aufheben. Erst einmal muss ich was loswerden, was aufrichtig ist, was aus tiefstem Herzen kommt. Roberta, du siehst fantastisch aus, und der Zahn der Zeit scheint irgendwie an dir überhaupt nicht zu nagen.«

Typisch Enno! Er war schon immer ein richtiger Charmeur gewesen, der Komplimente machen konnte, die einem gefielen. Doch im Gegensatz zu anderen Männern, beispielsweise ihrem Exmann Max, waren seine Komplimente aufrichtig gemeint.

Enno war ein durch und durch ehrlicher Mensch. Irgendwie war es verrückt, kaum zu glauben, ihn hier zu sehen, in den Praxisräumen, die sie von ihm übernommen hatte, dessen Haus von ihr erworben worden war. Als habe er damals geahnt, in welcher Notlage sie sich befunden hatte.

Er hatte sich im richtigen Augenblick bei ihr gemeldet. Und dann hatte sich alles ganz wunderbar gefügt. Enno hatte samt Familie nach Amerika gehen wollen, hatte eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger für seine Praxis im Sonnenwinkel gesucht, und dann waren sie sich rasch einig geworden.

Bereut hatte Roberta diesen Schritt niemals, doch darüber musste sie sich jetzt wahrhaftig nicht den Kopf zerbrechen. Es gab vieles, was sie mehr interessierte. »Wieso bist du hier? Warum hast du nur so wenig Zeit?« Sie strahlte ihn an. »Ach, Enno, zuerst einmal muss ich dir einfach noch einmal sagen, wie sehr ich mich freue, dich zu sehen.«

Sie waren so mit sich beschäftigt, dass sie Ursel Hellenbrink ganz vergessen hatten, die noch immer auf ihrem Platz stand, von dem aus allerdings voller Wohlgefallen beobachtete, was sich da gerade vor ihren Augen abspielte, ihr früherer Chef, ihre jetzige Chefin von Wiedersehensfreude überwältigt.

»Ich glaube, ich verabschiede mich jetzt, denn Sie haben sich viel zu erzählen, und ich habe noch eine Verabredung.«

Ursel Hellenbrink!

Diese Frau war für ihn nur mit den allerschönsten Erinnerungen verbunden, denn Ursel war eine perfekte Mitarbeiterin, dabei ein äußerst sympathischer, liebenswerter Mensch.

Enno umarmte seine ehemalige Mitarbeiterin.

»Ursel, es hat mich auch sehr gefreut, Sie zu sehen, auch wenn ich jetzt eigentlich ein wenig beleidigt sein müsste, weil Sie mir sagten, ich sei ein guter Chef gewesen, doch mit Ihrer jetzigen Chefin kämen Sie viel besser zurecht.«

Er schaute Roberta an.

»Das hat sie tatsächlich gesagt, die Ursel, und darauf kannst du sehr stolz sein, denn die Gute gehört nicht zu den Menschen, die mit Komplimenten nur so um sich schmeißen.«

Dass er wirklich nicht beleidigt war, dass seine letzten Worte eher scherzhaft gemeint gewesen waren, erkannte man daran, dass er Ursel noch einmal ganz lieb umarmte und bemerkte: »Ursel, ich bin froh, dass ich kein schlechtes Gewissen haben muss, damals einfach gegangen zu sein, Sie vor die vollendete Tatsache gestellt zu haben. Aber meine Freundin Roberta ist auch ein ganz großartiger Mensch, und als Ärztin ist sie viel, viel besser als ich. Das muss ich neidlos zugeben. Jetzt machen Sie den verdienten Feierabend. Alles Gute für Sie, auch wenn Sie es nicht glauben, Ursel, in Amerika denke ich oftmals an Sie und wünschte mir, auch da eine so perfekte liebenswerte Mitarbeiterin zu haben, wie Sie es sind. Das ist aufrichtig, das ist kein Kompliment, sondern eine Tatsache. Und ich glaube, meine Freundin Roberta, die weiß sehr genau, was sie an Ihnen hat, Ursel.«

Ursel lief rot an, wurde ganz verlegen, konnte mit den Komplimenten kaum umgehen, doch sie freute sich unbändig. Welcher Mensch genoss nicht gern eine ehrliche Wertschätzung. Auf jeden Fall hatte sie es sehr eilig, sich nun zu verabschieden, und leider bekam sie nicht mit, wie ihr früherer Chef sagte: »Sie ist wirklich ein Juwel, die Ursel Hellenbrink, um die beneide ich dich. So etwas findet man kaum.«

Das konnte Roberta nur bestätigen, sie wusste schon, was sie an Ursel hatte, und ein wenig gerührt war sie auch noch, denn dass Ursel ihrem früheren Arbeitgeber gesagt hatte, dass es ihr jetzt besser gefiel …, das war etwas!

Doch jetzt wollte sie nicht über Ursel Hellenbrink reden, sie hatte viele Fragen an Enno, doch die wollte sie ihm nun wirklich nicht im Vorzimmer der Praxis stellen.

»Gehen wir nach nebenan in die Wohnung, Enno?«, erkundigte sie sich, und er erwiderte lachend: »Wenn du mich das jetzt nicht gefragt hättest, wäre der Vorschlag von mir gekommen. Deine Veränderungen, die du hier in der Praxis vorgenommen hast, gefallen mir sehr. Darauf wäre ich nie gekommen, doch du hattest ja immer schön einen ganz besonderen Sinn für Ästhetik. Nun bin ich sehr gespannt darauf, wie es nebenan aussieht.«

Sie schaute ihn lachend an.

»Enno, es ist wohnlich geworden, doch das ist nicht mein Verdienst, da hat meine Alma mitgewirkt, die du leider nicht kennenlernen wirst, weil sie mit ihrem Gospelchor irgendwo einen Auftritt hat. Ehe Alma zu mir kam, saß ich praktisch auf unausgepackten Kisten, Bildern, die noch nicht an den Wänden hingen. Du weißt doch, dass mein Beruf immer an erster Stelle für mich kam, daran hat sich bis heute nichts verändert, und das ist gut so.«

Er legte einen Arm auf ihre Schulter, ganz kumpelhaft, ganz wie früher. Sie waren immer nur Freunde gewesen, mehr nicht, aber Freunde, die sich aufeinander verlassen konnten.

»Du bist halt eine Ärztin aus Leidenschaft, und hoffentlich wissen die Leute hier, was sie an dir haben.«

Es waren schöne Worte aus seinem Munde, und Roberta war froh, ihm sagen zu können: »Ja, das wissen sie, Enno. Und ehe du mir die Frage stellst. Ich bin glücklich hier, ich bin angekommen, und deswegen werde ich dir auf ewig dankbar sein, dass du mich damals angerufen hast. Und wenn man bedenkt, eigentlich nur, weil du dich an mich erinnertest, ist das schon eine Fügung des Schicksals. Norma­lerweise schmeißt nur meine Freundin Nicki mit solchen Worten um sich, in diesem Fall glaube ich es ebenfalls.«

*

Als sie die Privaträume betraten, schaute Enno Riedel sich erst einmal aufmerksam um, dann lächelte er.

»Liebste Freundin, du hast wieder einmal haltlos übertrieben. Es mag ja sein, dass deine Perle dir geholfen hat, aber diese­ Wohnung bist so absolut du, dass sie in erster Linie deine Handschrift trägt. Wunderschön ist es hier. Und dieser Schrank, stammt der nicht von deinen Urgroßeltern? Den hattest du doch bereits in deiner Studentenbude, nicht wahr? Ich erinnere mich, wie sehr wir dich darum beneideten.«

»Ja, Enno«, gab Roberta ein wenig ungeduldig zu. »Doch müssen wir darüber reden? Die Zeit verfliegt, und ich weiß noch nicht einmal, wieso du hier bist. Was kann ich dir anbieten?«

»Zur Feier des Tages würde ich gern mit dir ein Glas Wein trinken, Roberta, ganz wie in alten Zeiten. Und ich kann es mir erlauben, weil ich mit einem Taxi zum Flughafen fahren werde.«

Roberta holte den Wein, die Gläser, ließ Enno die Flasche öffnen, der nach dem ersten Schluck sagte: »Der ist aber lecker, wie ich sehe, hast du dich zu einer exzellenten Weinkennerin entwickelt.«

Das hatte sie nicht, denn sie bestellte immer noch die Weine, die Lars seinerzeit gekauft hatte. Und wenn Kenner, dann war er einer gewesen. Das erzählte sie ihm allerdings jetzt nicht, jetzt war Enno dran.

»Also, noch einmal, wieso bist du hier?«, drängte sie. Und dann erfuhr Roberta, dass Enno einen Termin in der Kardiologie hatte, um dort ein Gerät vorzustellen, mit dem in seiner Klinik bereits erfolgreich gearbeitet wurde.

»Das hätte ein Mitarbeiter machen können«, sagte er, »doch du glaubst ja wohl nicht, dass ich mir das entgehen lassen konnte. Ich würde jetzt lügen, wenn ich sagen würde, dass ich unbedingt an meine alte Wirkungsstätte zurückkehren wollte.

Gut, das ebenfalls. Doch in erster Linie kam es mir wirklich darauf an, dich zu sehen, meine Freundin. Und entschuldige bitte, dass ich dich nicht über meinen Kurzbesuch informiert haben. Ich musste riskieren, dich unter Umständen nicht anzutreffen, weil es bis zum Schluss nicht feststand, ob ich wirklich fliegen konnte. Bei mir in der Klinik gab es einigen Trouble, doch es hat geklappt, und das macht mich sehr froh, ich freue mich wirklich unglaublich, hier zu sein.«

»Und deine Frau und die Kids, hatte denn niemand von ihnen Lust, dich zu begleiten, die alte Heimat noch einmal zu sehen?«

Enno schüttelte den Kopf, trank zunächst erst einmal ganz bedächtig einen Schluck seines Weines, dann sagte er: »Niemand hatte Lust, obwohl ich sie alle ermuntert habe. Meine Familie ist in Amerika angekommen, sie fühlen sich alle pudelwohl da, ja, ich glaube, wenn sie den verträumten Sonnenwinkel gesehen hätten, wären sie in eine Krise geraten. Doch, Roberta, ich bin sehr froh, dass alles so gekommen ist. Es hätte ja auch anders sein können. Immerhin habe ich sie mit meiner Entscheidung erst einmal überrumpelt, sie wollten hier nicht weg. Doch jetzt, jetzt gibt es für niemanden von uns ein Zurück, auch nicht für mich. In der Klinik sprechen sie übrigens voller Hochachtung über dich, als Ärztin stehst du ganz oben auf dem Olymp. Doch wie sieht es privat bei dir aus, bei einer Frau wie dir­ müssen die Männer doch Schlange stehen.«

Sie schüttelte den Kopf.

»Einmal ist das nicht der Fall bei einer Frau, die die wilden Jahre lange schon hinter sich hat.«

Sofort protestierte er.

»Enno, ich stehe unter keinem Leidensdruck, und ich habe auch nicht das Gefühl, im Regal liegen geblieben zu sein.«

»Hängt dir deine Scheidung von Max noch immer nach?«, erkundigte er sich besorgt. »Du hättest ihn nicht heiraten sollen, Roberta, erinnere dich bitte, dass wir dich alle gewarnt haben. Du wolltest nicht hören.«

»Und dann bekam ich die Quittung, Enno. Wie heißt es doch so schön? Wer nicht hören will, der muss leiden. Doch das mit Max, ja, es war eine schlimme Zeit, die ich nicht noch einmal durchleben möchte. Das ist vorbei, und nach ihm …«

Sie zögerte, das mit Kay zu erzählen, das war jetzt nicht wichtig, doch über Lars wollte sie mit Enno sprechen, nicht über alles, dazu reichte leider die Zeit nicht. Doch was wichtig war, das erfuhr er. Und Dr. Enno Riedel war zutiefst erschüttert.

»Mein Gott, Roberta, das ist ja mehr, als ein Mensch aushalten kann. Vor allem stelle ich mir die Ungewissheit grauenvoll vor. Klar muss man davon ausgehen, dass dein …, ja, dass Lars Magnusson den Tod gefunden hat in dieser Eiswüste. Aber verschollen zu sein, das erweckt Hoffnungen, da klammert man sich an den kleinsten Strohhalm«, er langte über den Tisch, ergriff ihre rechte Hand. »Roberta, das hast du nicht verdient, das ist ungerecht. Manchmal fragt man sich wirklich ernsthaft, warum es immer die Verkehrten trifft.«

Sie wollte nicht, dass er alles jetzt dramatisierte, das Drama hatte sie hinter sich, und sie wollte es auch nicht mehr erneut erleben.

»Enno, man fragt sich oftmals im Leben, warum dieses oder jenes manchen Menschen passierte, warum man selbst betroffen war. Die Antwort darauf kann einem niemand geben. Schicksal.

Enno, Lars war die Liebe meines Lebens, die ich immer in meinem Herzen behalten werde, und er hat Spuren hinterlassen, zum Beispiel einen Stern, der seinen und meinen Namen trägt, mit einem Buch, das nach seinem Tod erschienen ist, hat er mich in seine Seele schauen lassen.«

»Stardust«, bemerkte er, »ein großartiges Buch, das haben wir ebenfalls im Haus, auch die anderen Veröffentlichungen von Lars Magnusson sind beeindruckend. Ich habe darin nur geblättert, das gebe ich ja zu, weil ich einfach zu viel Fachlektüre lesen muss, du kennst das ja. Aber meine Familie, das sind Fans deines Freundes. Sie werden staunen, wenn ich ihnen erzähle, dass es dein Freund war. Klar kann nach so einem Mann nichts mehr kommen. Doch du darfst dich jetzt nicht abschotten, ich denke, dass würde dein Freund nicht wollen.«

»Enno, keine Sorge, ich schotte mich nicht ab, doch ich möchte keinen Mann um jeden Preis. Es gab da schon Männer, die an mir interessiert waren oder ich an ihnen. Für einen Moment dachte ich sogar daran, mich mit Konstantin von Cleven …«

Sie konnte ihren Satz nicht beenden, denn Enno fuhr dazwischen. »Jetzt sag, dass das nicht wahr ist, Konstantin? Na ja, der war immer hinter dir her, und von dir wusste man auch nicht, ob da was ist oder nicht. In die Karten hast du dir nie blicken lassen.«

»Oh, ich war schon in Konstantin verliebt, aber dann ging er, wie du weißt, ins Ausland, und es war vorbei.«

Er erinnerte sich, nicht nur an das, was früher gewesen war, sondern an etwas, was er in Hohenborn erfahren hatte.

»Ja, richtig, Konstantin hat das Kardiologiezentrum ja aufgebaut, sollte es leiten. Deswegen habt ihr euch wiedergesehen. Von Arzt zu Arzt gewissermaßen.«

»Nein, wir trafen uns zum ersten Male ganz zufällig am See, und dann erfuhr ich von seinen Plänen.«

»Und da hat es sofort wieder gekribbelt.«

Roberta lachte.

»Warum bist du eigentlich Arzt geworden, Enno? Als Autor von Liebesromanen hättest du eine große Karriere machen können. Nein, es hat nicht gekribbelt, es war schön.«

Sie gab zu, dass Konstantin sich mehr erhofft hatte, dass sie überlegt hatte, ihn in ihr Leben zu lassen.

»Konstantin ist verlässlich, ist ebenfalls Mediziner, weiß, dass das ein Beruf ist, der keinen geregelten Feierabend kennt, aber dann dachte ich, dass ich keine Beziehung haben möchte, nur um eine zu haben. Konstantin als Freund, als Ehemann nicht, die damalige Verliebtheit war verflogen.«

Er nickte bestätigend.

»Roberta, ich gratuliere dir zu deiner Entscheidung, du bist niemand für laue Gefühle, du bist eine besondere Frau, die etwas Besonderes erwarten darf. Wir waren damals alle in dich verliebt, doch für dich war das Studium wichtiger, als mit jemandem abzuhängen, und dann bist du auf diesen Schaumschläger Max hereingefallen, wie konntest du nur.«

»Enno, ja, wie konnte ich, doch ich möchte darüber jetzt wirklich nicht mehr reden, denn es ist so etwas von vorbei. Jetzt bist du dran, rede über dich, deine Familie, vor allem interessiert mich deine Arbeit.«

So geschah es auch, über seine Familie redete er nicht viel, doch da war, wie man heraushören konnte, alles in Ordnung, und seine Arbeit. Vielleicht brannte Enno nicht so sehr für seine Arbeit wie sie, doch er war ein ganz großartiger Arzt, und so gab es viel zu erzählen, und die Zeit verflog nur. Aus den zwei Stunden wurden drei, und dann musste er aufbrechen, um seinen Flieger gerade noch zu bekommen.

Roberta wollte ihn bringen, doch das lehnte Enno ab, rief sich das Taxi, das ihn auch hergebracht hatte, und das befand sich noch ganz in der Nähe. Der Fahrer war klug genug gewesen zu überlegen, dass ja für diesen Fahrgast noch eine Fahrt zum Flughafen bevorstand, und so etwas ließ sich niemand entgehen.

»Der Fahrer muss jetzt Gas geben«, lachte Enno, »und das im wahrsten Sinne des Wortes. Und das würdest du nicht tun, nicht weil ich dir nicht zutrauen würde, richtig schnell zu fahren. Das hast du früher mehr als nur einmal bewiesen, doch ich erinnere mich auch daran, dass du dich an Tempolimits gehalten hast, und von wegen rote Ampeln überfahren. Wir hatten immer Strafzettel, weil wir dumm genug waren, uns blitzen zu lassen, du nie.«

Es klingelte, das Taxi war da.

Roberta begleitete Enno zur Tür, umarmte ihn, drückte ihn ganz fest und gab ihm ein Küsschen.

»Enno, es war so schön, dich zu sehen. Danke, dass du gekommen bist.«

»Wäre ich nicht gekommen, dann hätte ich etwas verpasst, meine liebe Freundin. Und eines kann ich dir verraten, wäre ich nicht glücklich verheiratet, würde ich dich gnadenlos anbaggern.« Er drückte ihr einen Kuss auf die Stirn, drückte sie noch einmal ganz fest und sagte: »Du bist schon etwas ganz Besonderes, Roberta. Ich bin sehr stolz darauf, ein Freund von dir zu sein. Pass auf dich auf, und wir sollten uns hier und jetzt versprechen, in Verbindung zu bleiben. Wie gut wir es miteinander können, kann man schon daraus erkennen, dass wir uns unterhalten konnten, als hätten wir uns gerade erst gestern gesehen. Es war nichts fremd, wir waren wieder so vertraut wie früher.«

Enno hätte gewiss noch vieles gesagt, was bei Roberta heruntergegangen wäre wie Öl, doch der Taxifahrer hupte, und das brachte Enno in die Realität zurück.

Sein Flieger!

»Pass auf dich auf …, es war schön …, du bist schön …«

Sie nächsten Worte verstand sie schon nicht mehr, denn Enno rannte, als sei der Teufel hinter ihm her. Ehe er in das Taxi stieg, winkte er kurz, und dann raste der Fahrer los, so schnell, dass die Reifen nur so quietschten.

Roberta blieb stehen, bis vom Taxi nichts mehr zu sehen war, dann ging sie langsam ins Haus zurück. Was für eine freudige Überraschung, Enno zu sehen, ihren alten Kumpel aus unbeschwerten Studienzeiten. Ja, und eines traf zu, sie waren sich nicht einen Augenblick lang fremd gewesen.

Sie setzte sich wieder, schenkte sich noch etwas Wein ein, trank einen Schluck, dann lehnte sie sich zurück, schloss die Augen, ließ das, was gewesen war, Revue passieren, und sie dachte, wie konnte es auch anders sein, an Lars, die Liebe ihres Lebens. Sie war überzeugt davon, dass Lars und Enno sich sehr gut verstanden hätten.

Enno Riedel, was für eine Überraschung!

*