Der norddeutsche Bierreiseführer - Jo von Bahls - E-Book

Der norddeutsche Bierreiseführer E-Book

Jo von Bahls

0,0

Beschreibung

500 Jahre Reinheitsgebot – Die Bierbrauereien im Norden Stolz dürfen die Norddeutschen sein – auch auf ihre norddeutschen Biere! Historisches und Aktuelles von mehr als 800 Bierproduzenten wird in diesem Bierreiseführer erzählt, desgleichen der Frage nach dem besten »Küstenbier« der mehr als 150 heute noch bestehenden Brauereien in den nördlichen Bundesländern nachgegangen. Man erfährt aber u. a. auch, dass die zünftigen Biergärten eine Erfindung von der Elbe und nicht, wie frech behauptet wird, von der Isar sind. Es geht um außergewöhnliche Bierrezepte. Auch der Besuch eines Biermuseums darf nicht fehlen. Am Ende beantwortet der Reiseführer die wirklich existenziellen Fragen: Warum soll man aus Bier ausgerechnet Shampoo herstellen? Und: Macht ein Bad im Bier wirklich schön?

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 216

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Der norddeutsche

Bierreiseführer

Jo von Bahls

HINSTORFF

© Die deutschen Brauer

 

Vorwort

Wenn die Norddeutschen auf etwas stolz sein dürfen, dann auf die Norddeutschen und ihre norddeutschen Biere! Kaum hatten die hiesigen Brauer in der Mitte des 19. Jahrhunderts das Bier nach bayerischer Brauart in ihre Produktpalette übernommen, begann ein beispielloser Wirtschafts-Boom: Histörchen und Historisches von mehr als 800 Brauereien werden im »Norddeutschen Bierreiseführer« ebenso erzählt, wie der Frage zum besten »Küstenbier« nachgegangen wird. Denn: Brauereien stehen nicht nur für erfolgreiche Wirtschafts-, sondern auch für eine imposante Architekturgeschichte. Die heutigen norddeutschen Bierproduzenten werden vorgestellt. Und was wäre das Bier ohne die zünftigen Biergärten – schließlich ist diese Institution eine Erfindung von der Elbe und nicht, wie frech behauptet, von der Isar. Aber welcher Biergarten schenkt wirklich auch Selbstgebrautes aus? Deshalb fragt der »Norddeutsche Bierreiseführer« investigativ: Ist wirklich drin, was draufsteht? Apropos Beschriftung: Reicht nicht einfach das Wort BIER auf der Flasche? Coole BWLer aus Niedersachsen denken: Ja! Diese (fast) geniale PR-Strategie darf in einem aktuellen Buch über Brauereien natürlich nicht fehlen. Außergewöhnliche Kochrezepte rund ums Bier auch nicht. Der Besuch der Biermuseen sowieso nicht. Und vielfältige Bierseminare gehören einfach getestet. Am Ende beantwortet das Buch die wirklich existenziellen Fragen: Warum soll man aus Bier ausgerechnet Shampoo herstellen? Und: Macht ein Bad im Bier wirklich schön?

Jo von Bahls.

© Jo von Bahls

© Die deutschen Brauer

Inhalt

Vorwort

Inhalt

Bier – eines der ältesten Lebensmittel der Menschheit

Die Geschichte des Bieres in Norddeutschland

Das »deutsche« Reinheitsgebot

Die Legende vom Bier-König Gambrinus

23 Gründe, warum Sie ruhig öfter mal ein Bier trinken sollten

Macht Bier dick?

Brauereirundgang durch die Störtebeker Braumanufaktur in Stralsund

Brauereimuseum

Wissenswertes vom Bier

Schwimmende Brauerei AIDAblu

Brauereien in Bremen

Brauereien in Hamburg

Brauereien in Mecklenburg-Vorpommern

Brauereien in Niedersachsen

Brauereien in Schleswig-Holstein

Bier – eines der ältesten Lebensmittel der Menschheit

Bier ist keine Erfindung unserer bayrischen Vorfahren aus dem Mittelalter. Streng betrachtet ist es nicht einmal eine deutsche Spezialität, denn vor ungefähr 6000 Jahren, bei den Sumerern und später bei den Babyloniern, gab es schon eine ausgeprägte Kneipenkultur mit etwa zwanzig Biersorten.

Die Menschen brauten Schwarzbier, Dünnbier, Weißbier, ja sogar ein »Lagerbier«, das tausend Kilometer weit weg nach Ägypten exportiert wurde. Damals wurde im Zweistromland wohl ordentlich gezecht, denn fast die Hälfte der Getreideernte soll in die Bierproduktion geflossen sein. Offenbar hatten unsere Vorfahren ein besonderes Verhältnis zu diesem Getränk, und daran hat sich bis heute wohl nichts geändert!

Allerdings sahen das nicht alle Menschen so: Bier – das Gebräu der Barbaren. »Als Getränk haben die Germanen ein schauerliches Gebräu aus Gerste oder Weizen gegoren, ein Gebräu, welches mit Wein eine sehr entfernte Ähnlichkeit hat«, so beschrieb der römische Geschichtsschreiber Tacitus das Bier. Die Römer, verwöhnt von Sonne und Wärme, stillten ihren Durst hauptsächlich mit Wasser und Wein. Bier war für sie ein Getränk zweiter Wahl, doch historisch gesehen waren die Menschen schon Tausende von Jahren zuvor auf den besonderen Geschmack dieses Gebräus gekommen.

© public domain en.wikipedia.org

Wandzeichnung eines ägyptischen Paares bei der Getreideernte. Gefunden in einem Grabmal bei Deir el-Medina

Eine Grundbedingung hierfür war die Sesshaftigkeit der Menschen, denn nur so konnten sie den Grundstoff des Bieres anbauen – das Getreide. Es ist sehr wahrscheinlich, dass das erste »Bier« sogar durch ein Versehen entstand. Ein Brotteig begann zu gären, mit der Zeit entstand ein Brei, der eine leicht berauschende Wirkung hatte, denn Bier ist im Prinzip flüssiges vergorenes Brot. Der erste schriftliche Hinweis auf ein Brauverfahren ist etwa 6000 Jahre alt. Er stammt von den Sumerern, die im Zweistromland, dem heutigen Irak, zwischen den Flüssen Euphrat und Tigris lebten. Auf einigen Keilschrift-Tontäfelchen, die nach ihrem Entdecker Monsieur Bleu auch »Monument bleu« genannt werden, wird ein Brauverfahren im Detail beschrieben: Das Getreide Emmer wird enthülst, aus den gereinigten Körnern werden Fladen gebacken, und daraus wird dann Bier hergestellt. Aus anderen Quellen geht hervor, dass die Sumerer ihr Bier, das auch Kasch genannt wurde, mit Honig und allerlei Gewürzen aufpeppten. Bis heute kursieren sagenumwobene Geschichten, so z. B. von der schönen Kubaba, einer wohl bildhübschen Sumererin, die außerhalb von Babylon eine Bierschänke betrieb. Ob es an ihrer Schönheit oder am guten Bier lag, bleibt offen, doch mit der Zeit entstand rings um die Wirtschaft die Stadt Kisch. Im zweiten Jahrtausend v. Chr. zerfiel das Reich der Sumerer und die Babylonier kamen an die Macht. Die Tatsache, dass man in Babylon bereits zwanzig verschiedene Biersorten kannte, spricht für die Beliebtheit des Getränkes. Einige Sorten waren Mischbiere aus Emmer und Gerste, und der berühmte König Hammurabi legte sogar lange vor dem »Reinheitsgebot« auch die Qualität der Biersorten genau fest. So heißt es im »Codex Hammurabi«, den man heute im Louvre-Museum in Paris bestaunen kann:

- Die Wirtin, die sich ihr Bier nicht in Gerste, sondern in Silber bezahlen lässt, oder die minderwertiges Bier teuer verkauft, wird ertränkt.

- Eine Priesterin, die eine Wirtschaft aufsucht oder gar eine Wirtschaft eröffnet, wird verbrannt.

- Bierpanscher werden in ihren Fässern ertränkt oder so lange mit Bier voll gegossen, bis sie ersticken.

Mit der Zeit versuchten die Menschen das Bier mit allerlei Zusätzen sowohl haltbarer zu machen als auch den Alkoholgehalt zu steigern. Die Ägypter versüßten ihr Bier, indem sie zum Beispiel süße Datteln hinzu gaben.

Das Bier der Pharaonen

Die Geschichte des Biertrinkens ist so alt wie die geschriebene Menschheitsgeschichte. Zu einer Zeit, als bei uns Ötzi durch den Schnee der Alpen stapfte, hart an der Grenze zur Steinzeit, entwickelten sich einige Tausend Kilometer südöstlich die ersten Hochkulturen: Das Reich der Sumerer, der Babylonier und der Ägypter. Allen gemeinsam ist, dass sie damit anfingen, Wissenswertes niederzuschreiben – oder besser: in Stein zu meißeln. Wichtige Voraussetzung für diese Kulturentfaltung war, dass die Menschen sesshaft wurden. Dazu zwang Überbevölkerung die damaligen Jäger und Sammler; nomadisierende Stämme kamen sich immer öfter in die Quere, jagdbares Wild und essbare Pflanzen wurden zum knappen Gut. Aus den Jägern ohne festen Wohnsitz entwickelten sich Ackerbauern, die Gräser kultivierten – Frühformen unserer heutigen Getreidearten. Es entwickelte sich die Kunst des Brotbackens und Bierbrauens. Getrunken wurde damals mit Saugröhrchen aus großen Tonkrügen. Die überdimensionalen Strohhalme sollten verhindern, dass Rückstände des ungefilterten Bieres in den Mund gerieten. Aus dem sumerischen Reich entstand die Kultur der Babylonier, bekannt durch den Turmbau zu Babel. Etwa zeitgleich mit den Sumerern entwickelte sich auch in Ägypten die Bierbraukunst. Hier entstand die erste »Brauindustrie« großen Stils – Bierbrauerei war Staatsmonopol. Bier gehörte am Nil zum Alltag, war neben Brot das Grundnahrungsmittel. Für Bier und den Bierbrauer gab es eigene Hieroglyphen. Bier war Teil des Soldes in der Armee, auch Beamte wurden mit dem Getreidesaft entlohnt. Selbst Sklaven erhielten zwei Krüge pro Tag, eine Art staatlich verordnetes Existenzminimum. Dass wir heute so viel über das Bier der Pharaonen wissen, verdanken wir der Tatsache, dass die Ägypter an ein Leben nach dem Tod glaubten. So gaben sie den Verstorbenen auf ihrer letzten Reise alles mit, was sie für ihr neues Leben brauchten – auch Bier und Brauzutaten. In den Gräbern fanden sich zahllose Hinweise auf urägyptische Bierbraukunst. Neben Bierrohstoffen, also Getreidekörnern, und Krügen mit eingetrockneten Bierresten lieferten Wandmalereien, Bierbrau-Szenen auf Steinreliefs und Darstellungen auf Opferstellen Informationen über das Nationalgetränk der Nilbewohner. Diese Kunstwerke auslegend versuchten Forscher immer wieder, dem Rezept des Pharaonen-Bieres auf die Spur zu kommen. Die Quintessenz der gängigen Lehrmeinung lässt sich folgendermaßen zusammenfassen: Aus gemahlenem Getreide und Wasser wurde ein Sauerteig hergestellt. In offenen Öfen buken die Ägypter den Teig zu Brotfladen, die außen zwar eine Kruste hatten, innen aber noch roh waren. Die Brote schnitt man in Stücke, weichte sie in Wasser ein und drückte sie durch ein Sieb in einen großen Bottich. Der wurde mit Wasser aufgefüllt, gut durchgerührt und stehen gelassen. Den Gärprozess haben vermutlich wilde Hefen aus der Luft oder den manchmal zugegebenen Datteln in Gang gesetzt. Das auf diese Weise entstandene Bier wurde schnell schlecht, musste also möglichst rasch getrunken werden. Geschmacklich hatte das Gebräu vermutlich kaum etwas mit dem zu tun, was wir heute darunter verstehen.

© E. Michael Smith Chiefio, GNU FDL 1.2

Altägyptisches Holzmodell zur Bierherstellung im Ägyptischen Museum in San Jose, Kalifornien.

© Didia, Lizenz CC-BY 3.0

Der Fundort der »Brauerei der Pharaonen« in Deir el-Medina

Im Jahre 1993 fanden britische Archäologen bei Ausgrabungen am Nil in der Gegend von Armana und Deir el-Medina Überreste, die neue Erkenntnisse über das Volksgetränk der alten Ägypter versprachen. Unter einer nur fünfzig Zentimeter dünnen Sandschicht entdeckten sie die Räume eines antiken Brauhauses. Tongefäße und sogar Trockenöfen kamen unversehrt ans Tageslicht. In den Bottichen hatten Rückstände von Bierzutaten im trockenheißen Wüstenklima Mittelägyptens die Jahrtausende nahezu unversehrt überstanden. Diese Bierreste nahm eine britische Forscherin genauer unter die Lupe. Bei ihren lichtmikroskopischen Untersuchungen entdeckte die Altertumsbiologin Delwen Samuel von der Universität Cambridge Bruchstücke von Getreidespelzen und Kleiesplitter. Es musste sich also ganz sicher um die Reste eines Getreideproduktes handeln. Infrage kam hier nur das Bier. Die Lichtmikroskopie förderte jedoch nur die verwendeten Rohstoffe zutage, verriet aber nichts über den Brauprozess. Hier musste ein anderer Weg gefunden werden. Samuel machte sich die Erkenntnisse der modernen Lebensmitteltechnologie zunutze: Sie konzentrierte sich auf die im Getreide enthaltene Stärke. Von der modernen Getreideforschung weiß man, dass sich die Struktur der Stärkekörnchen entsprechend dem Prozess der Getreidebehandlung verändert. Diese Erkenntnisse lieferten der Altertumsbiologin den Schlüssel für die Analyse des antiken Brauverfahrens. So hinterlässt beispielsweise das Mälzen, also die enzymatische Umwandlung von Stärke in Zucker, typische Spuren: Unter dem Rasterelektronenmikroskop sind kraterähnliche Vertiefungen auf der Oberfläche der Stärkekörnchen zu sehen. Erhitzt man Stärke in Wasser – in der heutigen Brauereisprache Maischen genannt – schwellen die Körnchen an und verschmelzen miteinander. Auch solche Strukturen fand Samuel in den 3500 Jahre alten Rohstoffen. Offenbar hatten schon die alten Ägypter erkannt, dass vermälztes Getreide bei der Bierherstellung von Vorteil ist, liefert es doch mehr Zucker für den Gärprozess. Das Ergebnis der Untersuchungen Samuels: Im Schatten der Pyramiden brauten die Ägypter in einer Art Zwei-Phasen-Prozess. Ein Teil des Braugetreides wurde zum Keimen gebracht, also vermälzt, und danach geschrotet. Der andere Teil bestand vermutlich aus unvermälztem Getreide. Diese Fraktion wurde auch geschrotet, dann in Wasser geschüttet und erhitzt. Das auf zwei unterschiedliche Arten behandelte Getreide kippten die Urbrauer schließlich zusammen in einen Bottich, füllten ihn mit Wasser auf und rührten den Mix kräftig durch. Den Rest besorgten wilde Hefen, die in der Zwei-Phasen-Brühe reichlich Futter für ihre Alkoholproduktion fanden – ein faszinierendes Zeugnis einer frühen Hochkultur. Die Ägypter kannten demnach bereits vor rund 3500 Jahren das Prinzip des Mälzens und Maischens. Das »Quarks«-Pharaonen-Bier.

Das Rezept zum Nachmachen

Zutaten: Datteln, Dattelsaft, Gerstenmalz, Brauweizen, obergärige Hefe, Wasser.

500 Gramm Datteln entsteinen, pürieren und mit einem Liter Wasser versetzen. Dann mit der Hefe beimpfen und bei Zimmertemperatur zwei bis drei Tage angären lassen. Ein Kilogramm Gerstenmalz und 500 Gramm Weizen mahlen, in einen Liter Wasser einrühren und zu einem Brotteig verkneten. Den Teig in eine Kastenbackform füllen und bei mittlerer Temperatur drei Stunden backen. Der Teig darf nicht ganz durchbacken, sondern soll im Inneren des Brotlaibs plastisch bleiben. In einem Zehn-Liter-Gärgefäß wird das »Braubrot« nun mit vier Litern Wasser eingeweicht. Von dieser Würze, für die spätere Flaschengärung, einen halben Liter kochen und dann zurückstellen. Anschließend gibt man den gärenden Dattelsaft hinzu und lässt das Ganze bei Zimmertemperatur drei Tage gären. Das fertige Bier vorsichtig in Bügelflaschen umfüllen, die Flaschen mit etwas Würzerest auffüllen und kühl lagern. Man darf gespannt sein!

Die Geschichte des Bieres in Norddeutschland

Städte, Zünfte, Hanse – Totengräber.

Die erste und älteste Bierhandelsstadt war Bremen. Es lieferte im 13. Jahrhundert riesige Mengen Bier nach Skandinavien, England, Holland und Belgien. Doch bald war Hamburg noch besser im Geschäft. In diesen goldenen Zeiten des Bierhandels spielte die Hanse, die sich im zwölften Jahrhundert entwickelt hatte, eine große Rolle.

Die Hansestädte handelten unter sich Verträge aus, die den gemeinsamen europäischen Markt vorwegnahmen. Man lieferte einander (und exportierte außerdem) Lebensmittel – Wein, Öl und Getreide –, aber auch Leder und Stoffe, Kupfer und Eisen. Die Hanse richtete es ein, dass es in London polnischen Senf gab, in Brügge türkische Rosinen, in Bergen italienische Feigen. Und überall norddeutsches Bier. Das kam mit Ochsenwagen und Schiffen in halb Europa herum. Man fand es als Verpflegung und Exportware auf fast allen Handelsschiffen. Städte, die der Hanse nicht angehörten, mochten diese kaufmännischen Verflechtungen nicht besonders, so wehrten sich holländische Städte gegen Bier aus Hamburg. Andere Städte – wie Ulm und Erfurt – machten es gerade umgekehrt. Sie importierten fremdes Bier. Und erhoben gewaltige Steuern darauf.

Vom 13. bis zum 16. Jahrhundert war Bier eine rein norddeutsche Angelegenheit. Die Hansestädte wurden reich davon – teils durchs Brauen, teils durch den Handel. Hamburg hatte im 16. Jahrhundert 600 Brauereien. In denen arbeitete die Hälfte aller Gewerbetreibenden der Stadt. Jährlich wurden 25 Millionen Liter Bier gebraut. Hamburg galt als »Deutschlands Bierhaus« und exportierte mit seinen Lastsegelschiffen auch nach Schweden und Russland. Hamburger Bier wurde in Riga, Danzig und Helsingborg getrunken.

© Andreas Schwarzkopf, Lizenz: CC-BY-SA 3.0

Brauerstern an der Fassade eines Bierzwischenlagers der Riegeler-Brauerei in Staufen

Ganz Norddeutschland muss damals ein riesiges Bierlager gewesen sein. Die Schiffe, die den Rostocker Hafen verließen, hatten schon im 14. Jahrhundert vor allem Bier geladen. Sie transportierten es vorwiegend zum belgischen Hafen Brügge – falls sie nicht auf halbem Weg von den Dänen gekapert wurden. Die verschafften sich auf diese Weise ihr Bier. Und sehr billig war es so auch. Sie waren zwar keine Wikinger mehr, aber immer noch durstig. So sehr, dass das sogar Shakespeare im »Hamlet« ausdrücklich vermerkte: »Man heißt uns Säufer, und fürwahr …«

© Die deutschen Brauer

Mittelalterliche Darstellung einer Klosterbrauerei

Aber die Norddeutschen »soffen« auch nicht weniger. Ein Matrose bewältigte damals pro Tag spielend seine zwölf Liter Bier. Man kann das den Abrechnungen entnehmen, die von einigen Kleinkriegen zwischen den Hansestädten und Dänemark übrig geblieben sind. Die Ausgaben fürs Bier waren fast jedes Mal der größte Posten. Lübeck war sparsam; da machten die Aufwendungen nicht ganz die Hälfte der Kriegskosten aus. Bei Stralsund waren es stattliche zwei Drittel.

Einbecks Bürger hingegen lebten vom Bierbrauen. Das Braurecht vergaben die Stadtväter gegen eine Steuer. Wer brauen wollte, meldete es der Stadtverwaltung. Dann kam der städtische Braumeister mit seinen Geräten ins Haus. Noch heute stehen in Einbeck etliche alte Häuser mit Toren, die verwunderlich hoch sind. Das musste so sein, damit die Braupfanne durchkam. Und sie haben große Keller, in denen das Bier gären konnte und gelagert wurde.

Ähnliches kann heute auch in einer anderen berühmten Brauerstadt noch betrachtet werden. In Wismar bestanden traditionellerweise die Häuser aus einem zur Straße giebelständigen Haupthaus, das durch einen an der Rückfront angesetzten Seitenflügel erweitert wurde. Während das Haupthaus mit seinen Speichergeschossen überwiegend wirtschaftlich genutzt wurde, diente der Seitenflügel hauptsächlich als Wohnraum. Die meisten großen Giebelhäuser in Wismar wurden gleichzeitig als Brauhäuser genutzt. Die Scheuerstraße »betört« noch heute mit ihren malerischen Giebel- und Traufenhäusern aus den Stilepochen der Gotik bis zum Klassizismus. Auch das ehemalige Brauhaus des damaligen Konsuls Häussler mit seinem gotischen Giebel am schönen Eingangsportal ist hier zu finden. Prächtige Giebel reihen sich außerdem in der Krämerstraße aneinander, in der einst Händler mit Gewürzen und Garnen, mit Messern und Hopfen ihre Geschäfte machten. Ihren Wohlstand zeigten sie durch die reich verzierten Häuser, in denen sie arbeiteten und wohnten. Bei einem Bummel durch die Stadt sollte der Blick stets auch in die Höhe gehen. In fast jeder Straße gibt es wunderschöne alte und neu restaurierte Giebel zu bestaunen. Im »Brauhaus Am Lohberg« kann man dann die Geschichte der »Mumme« nachlesen. Einer ganz speziellen Bierart.

Der Dreißigjährige Krieg stellte Deutschlands Trinkgewohnheiten völlig auf den Kopf.Viele der besten und berühmtesten Brauereien wurden zerstört. Die norddeutschen Städte erholten sich nur schwer von den Verwüstungen, die auch die vielen Brauereien betroffen hatten. Einen Bierhandel, wie ihn die Hanse vorgemacht hatte, gab es kaum noch. Deutschland bestand nach dem Dreißigjährigen Krieg aus 370 Ländern und Ländchen – alle mit Grenzen, mit Zoll, mit Handelsbeschränkungen.

Jede Stadt, auch die kleinste, hatte ihre Brauerei und schützte ihr Bier. In vielen Gegenden war es geradezu verboten, fremdes Bier zu trinken. Das galt bis ins 18. Jahrhundert. Und man trank immer mehr Bier, obwohl es nicht unbedingt billig war. Für eine Maß musste man mit einem Kreuzer rechnen. Das scheint wenig. Aber ein gelernter Handwerker verdiente nur anderthalb bis zwei Taler in der Woche – das waren 20 bis 25 Kreuzer am Tag. Und ein einfacher Arbeiter hatte weit weniger.

Mit dem Beginn der Industrialisierung wurde auch in Norddeutschland das Bier in »Fabriken« gebraut. Nach dem Deutsch-Französischen Krieg, der Reichsgründung 1871 und den dann einsetzenden »Gründerjahren«, gab es einen gigantischen Boom im Brauereigewerbe. Einige noch heute existierende Brauhäuser führen ihre Geschichte auf diese Zeit zurück.

Die Historie der Brauereien in Norddeutschland zeigt aber noch einen anderen, bislang wenig beleuchteten Aspekt, den als Beispiel die noch heute existierende »Brauerknechtsgilde zu Stade von 1604« beleuchtet.

Seit über vier Jahrhunderten tragen die Brauerknechte in ihren altertümlich anmutenden Trachten die Toten der Stadt zu ihrer letzten Ruhe. In der Welt der Sagen und Märchen geht die Gründung der Gilde auf den Brauerknecht Peter Männken und dessen Geliebte Gertrud, der Tochter seines Braumeisters, zurück. Während einer der Pestepidemien, die die Stadt heimsuchten, wollte niemand mehr die Toten begraben. »Da bat Gertrud ihren Peter, mit seinen Kollegen diese Arbeit zu übernehmen, da die Brauerknechte wegen der eingeatmeten Dämpfe beim Brauen und wegen ihres Bierkonsums als immun gegen die Pest galten. Die Brauerknechte willigten ein und Stade wurde durch ihren Einsatz von der Pest befreit. Zur Belohnung durfte Peter Männken seine Gertrud ehelichen.«

Soweit die sagenhafte Vergangenheit. Im wahren Leben gab es bereits im 15. Jahrhundert die »St. Gertruden-Brüderschaft der Brauerknechte«, die das Aussätzigenspital bei der Gertrudiskapelle vor der Stadt betreute. Schon damals trugen sie die Toten zu Grabe. Das Fragment eines Rechnungsbuchs von 1579 weist Einnahmen »von den Toten« aus. Das »offizielle« Gründungsjahr ist 1604, aus diesem Jahre stammt der älteste erhalten gebliebene Zinnbecher, den ein neu aufgenommener Gildebruder – wie damals üblich – anlässlich seiner Taufe gestiftet hatte.

Auch wenn es in Stade schon lange keine »echten« Brauerknechte mehr gibt, werden die Gildebrüder in der Stille der Friedhöfe ihren Dienst am Nächsten ihrer Tradition getreu weiter ausüben. Zu den zahlreichen Zeugnissen, mit denen sich die Brauknechte in der Stadtchronik verewigten, gehört der von ihnen gestiftete Gertrudenaltar, der jetzt seinen Platz in der St. Cosmaekirche hat. Entstanden ist der wertvolle Altar um 1500 und kam 1843 an seinen heutigen Standort. Anno 1843 wurde er laut Inschrift auf den Außenseiten des kleinen Marienaltars über dem Gertrudenaltar »Renovirt von der Brauerknechtsgesellschaft«.

Das »deutsche« Reinheitsgebot

Im April 1516 trat der bayerische Landständetag unter dem Vorsitz von Herzog Wilhelm IV. in Ingolstadt zusammen. Dieses Gremium billigte eine vom Herzog vorgelegte Vorschrift und machte damit für ganz Bayern verbindlich, dass zur Herstellung des Bieres nur Gerste, Hopfen und Wasser verwendet werden dürfe. Die Klarstellung, dass es sich um vermälzte Gerste zu handeln habe, wurde erst später eingefügt. Von der Rolle der Hefe wusste man damals noch nichts.

In der Bundesrepublik darf Bier noch heute aus keinen anderen Zutaten bestehen. Dass Herzog Wilhelm IV. zu einer solchen Verordnung greifen musste, hatte durchaus seinen Grund: Bevor man Hopfen zur Konservierung und als Aromaspender in den Brauereien verwendete, wurden alle möglichen Kräuter zum Würzen eingesetzt. Darunter waren auch einige, die ausgesprochen giftig waren. Andere waren dazu geeignet, Halluzinationen bei den Biertrinkern hervorzurufen. Was damals alles in das Bier hineinkam, kann man sich heute kaum noch vorstellen: Ochsengalle, Wacholder, Gagel, Schlehe, Eichenrinde, Wermut, Kümmel, Anis, Lorbeer, Schafgarbe, Stechapfel, Enzian, Rosmarin, Rainfarn, Johanniskraut, Fichtenspäne, Kiefernwurzeln, vor allem aber Bilsenkraut. Gerade das letztgenannte entwickelt halluzinogene Alkaloide wie Hyoscyamin, Atropin und Scopolmin. Damals haben wohl auch die Folgen derartigen Biergenusses den Aberglauben und Hexenwahn verstärkt – konnte man doch nach dem Genuss eines solchen »Biercocktails« wirklich in Ekstase geraten und sich durchaus »fliegend« wähnen. Mit dem Reinheitsgebot von 1516 trat damit also auch ein erster wirksamer Verbraucherschutz ein – sicherlich ein Grund, warum sich dieses mittelalterliche Gesetz in seiner Kernsubstanz bis heute erhalten hat.

© Die deutschen Brauer

Herzog Wilhelm IV. von Bayern erließ am 23. April 1516 eine neue Bayerische Landesordnung, die u.a. die Inhaltsstoffe des Bieres festlegte.

Nach fast 500 Jahren des Bestandes wurde das »deutsche« Reinheitsgebot zwar unterlaufen – befolgt wird es aber immer noch: Am 12. März 1987 hat der Europäische Gerichtshof einen Urteilsspruch über die Anwendung der Bestimmungen der Vorschrift gefällt. Aus diesem Urteil ergibt sich die juristische Konsequenz, dass Biere aus der EU, die nicht nach dem Deutschen Reinheitsgebot gebraut werden, trotzdem in Deutschland verkauft werden dürfen; sie unterliegen allerdings einer entsprechenden Kennzeichnungspflicht. Trotzdem: Fast alle auf dem deutschen Markt vertretenden Brauereien brauen für den hiesigen Verbraucher nach dem Gebot von 1516, da sie sonst für ihre Biere wohl kaum einen Käufer finden würden. In einer Zeit, in der andere Lebensmittel mit negativen Schlagzeilen aufwarten, steht das Bier, »gebraut nach Deutschem Reinheitsgebot«, sehr gut da: keine Zusatzstoffe, keine künstlichen Aromen, nur Wasser, Malz, Hopfen und Hefe. Nicht zuletzt deswegen ist das Reinheitsgebot des seligen Herzogs Wilhelm IV. im Meinungsbild der deutschen Bevölkerung fest verankert. Im Rahmen einer an dreitausend Erwachsenen in den alten und neuen Bundesländern durchgeführten Umfrage ergab sich: 64 Prozent der Befragten kennen das Gebot, und über 54 Prozent können es klar definieren! Für 91 Prozent der Befragten garantiert dieses Gebot die hohe Qualität und den Geschmack des Bieres. In der Umfrage-Auswertungs-Sprache heißt das: »Das Reinheitsgebot ist das Synonym für deutsches Bier. Es verleiht ihm vom Konsumenten nachvollziehbare Erlebnisdimensionen und differenziert es gegenüber Nicht-Reinheitsgebotsbieren«. Soll heißen: Fast alle deutschen Biertrinker kaufen ausschließlich Bier, das nach dem Reinheitsgebot von 1516 gebraut wurde: Hopfen, Malz, Hefe und Wasser – mehr braucht ein gutes Bier eben nicht. Und mehr soll auch nicht drin sein.

© Die deutschen Brauer

Wir verordnen, setzen und wollen mit dem Rat unserer Landschaft, daß forthin überall im Fürstentum Bayern sowohl auf dem Lande wie auch in unseren Städten und Märkten, die keine besondere Ordnung dafür haben, von Michaeli (29. September) bis Georgi (23. April) eine Maß [bayerische, entspricht 1,069 Liter] oder ein Kopf [halbkugelförmiges Geschirr für Flüssigkeiten – nicht ganz eine Maß] Bier für nicht mehr als einen Pfennig Münchener Währung und von Georgi bis Michaeli die Maß für nicht mehr als zwei Pfennig derselben Währung, der Kopf für nicht mehr als drei Heller [gewöhnlich ein halber Pfennig] bei Androhung unten angeführter Strafe gegeben und ausgeschenkt werden soll.

Wo aber einer nicht Märzen sondern anderes Bier brauen oder sonstwie haben würde, soll er es keineswegs höher als um einen Pfennig die Maß ausschenken und verkaufen.

Ganz besonders wollen wir, dass forthin allenthalben in unseren Städten, Märkten und auf dem Lande zu keinem Bier mehr Stücke als allein Gersten, Hopfen und Wasser verwendet und gebraucht werden sollen.

Wer diese unsere Anordnung wissentlich übertritt und nicht einhält, dem soll von seiner Gerichtsobrigkeit zur Strafe dieses Fass Bier, so oft es vorkommt, unnachsichtig weggenommen werden.

Wo jedoch ein Gastwirt von einem Bierbräu in unseren Städten, Märkten oder auf dem Lande einen, zwei oder drei Eimer [enthält etwa 60 Liter] Bier kauft und wieder ausschenkt an das gemeine Bauernvolk, soll ihm allein und sonst niemand erlaubt und unverboten sein, die Maß oder den Kopf Bier um einen Heller teurer als oben vorgeschrieben ist, zu geben und auszuschenken.

Gegeben von Wilhelm IV.

Herzog in Bayern

am Georgitag zu Ingolstadt anno 1516

Auszug aus der Originalurkunde der »Bayerischen Landesordnung« von 1516

Die Legende vom Bier-König Gambrinus, dem Schutzheiligen der Bierbrauer

Gambrinus, der legendäre Schutzheilige der Brauer, schmückt den Namen so mancher Brauerei und wird noch immer in Trinkliedern gepriesen. Doch wer war dieser legendäre König wirklich? Im 16. Jahrhundert schon ging der Forscher Burkart Waldis dieser Frage in seinem Buch vom »Ursprung und Herkommen der zwölf ersten alten Könige und Fürsten Deutscher Nation« (1543) nach und verbreitete die Geschichte, Gambrinus habe die Braukunst direkt von der ägyptischen Sonnengöttin Isis erlernt. Doch allen historischen Bemühungen zum Trotz - eine abschließende Beurteilung der Figur des Gambrinus und seiner Erfindung Bier ist bis heute nicht möglich.

Gambrinussiegel von 1828

Aus den vielen Thesen, wer sich hinter dem Schutzheiligen der Bierbrauer verbirgt, kristallisieren sich fünf heraus:

1. Anbieten würde sich der Bruder Kellermeister (Cambarius) der Klöster. Der geschorene Haarkranz des Mönchs symbolisiert die Krone.

2. Auch glaubt man, in ihm Johann I., Jan Primus, Herzog von Brabant, wiederzuerkennen. Er soll ein gewaltiger Zecher gewesen sein, 94 Minnelieder komponiert und ebenso viele Kinder der Liebe gezeugt haben. Seinen Namen – Jan Primus – könnte im Laufe der Zeit der Volksmund zu Gambrinus verballhornt haben.

3. Einem in Norddeutschland ansässigen Volk, den Gambriviern, wurde ein König Gambrivius angedichtet, aus dem durch einen Schreibfehler Gambrinus geworden ist.

4. Das keltische Wort Camba, Braupfanne, führte zu der Bezeichnung Cambarius, der Brauer. Hieraus könnte der Name Gambrinus entstanden sein.

5. Sprachforscher leiteten Gambrinus aus der lateinischen Bezeichnung Gáneae birrinus, der in einer Schenke Trinkende, ab.

Alle Erklärungen scheinen plausibel, doch keine widerlegt die andere. So bedauerlich es ist: Selbst intensive Bemühungen haben in das Dunkel um die Gestalt des Gambrinus kein Licht bringen können. Die Brauer müssen damit leben, dass sie nicht wissen, ob ihr Schutzpatron eine Persönlichkeit der Geschichte oder ein bloßer Schreibfehler ist.

23 Gründe, warum Sie ruhig öfter mal ein Glas Bier trinken sollten

Leute, holt die Maßkrüge, Becher und Tulpen raus, denn es gibt gute Nachrichten: Bier ist nicht nur lecker, sondern macht auch schön und gesund. Na, wenn das kein Grund zum Feiern ist! Zum Anstoßen würde sich doch – ein BIER anbieten, oder was sagen Sie? Bier enthält mehr als 1 000 Inhaltsstoffe, darunter Vitamine, Mineralien wie Eisen, Magnesium und Zink sowie Spurenelemente, die Nerven und Muskeln stärken.

1. Bier schützt vorm Herzinfarkt: Untersuchungen zeigen, dass Biertrinker ein 40 bis 60 % geringeres Herzinfarkt-Risiko haben als Menschen, die abstinent leben. Ein halber Liter pro Tag gilt als optimal!

2. Bier senkt das Schlaganfall-Risiko: Die gesunden Inhaltsstoffe im Bier können die Verklumpung der roten Blutkörperchen verhindern und damit einem Schlaganfall vorbeugen.

3. Bier ist gut für den Blutdruck: Ärzte aus Holland und von der Universität Harvard haben herausgefunden, dass ein moderater Bierkonsum den Blutdruck senkt.

4.