Der Nordseehof – Als wir der Freiheit nahe waren - Regine Kölpin - E-Book
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Der Nordseehof – Als wir der Freiheit nahe waren E-Book

Regine Kölpin

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Beschreibung

»Wir müssen nach vorn sehen. Da liegt die Zukunft.« In diesem zweiten Band ihrer Saga um den ostfriesischen Nordseehof erzählt Regine Kölpin – spannend, bewegend und voller norddeutscher Atmosphäre – eine dramatische Emanzipationsgeschichte um drei Frauen aus drei Generationen.   1973: Die 18-jährige Adda träumt davon, die Enge des elterlichen Hofs an der Nordseeküste zu verlassen, um in der Großstadt eine Ausbildung zur Krankenschwester zu machen. Erst nach und nach wird ihr klar, dass Freiheit nur dem gehört, der wagt, sie zu leben …   Der Nordseehof: Vor der stimmungsvollen Kulisse der norddeutschen Landschaft entfaltet sich eine opulente Familiensaga über die Macht der Träume und den Wunsch nach Freiheit, über verbotene Liebe und wahre Heimat.   Band 1: Der Nordseehof – Als wir träumen durften Band 2: Der Nordseehof – Als wir der Freiheit nahe waren Band 3: Der Nordseehof – Als wir den Himmel erobern konnten

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Das Zitat von Bettina von Arnim stammt aus: Weisheiten großer Frauen. Hrsg. v. Martina Stoll Kreussel. Ars Edition, München 2000

© Piper Verlag GmbH, München 2020

Redaktion: Gisela Klemt, Lüra – Klemt & Mues GbR

Covergestaltung und -motiv: Johannes Wiebel | punchdesign,

unter Verwendung von shutterstock.com

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Inhalt

Cover & Impressum

Zitat

Personenverzeichnis

1973–1974

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

1975

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

1976

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Nachwort

Danksagung

Literaturverzeichnis

Ich will geliebt seinoder ich will begriffen sein.Das ist eins.

Bettina von Arnim

Personenverzeichnis

Familie Eilers

Johanna Eilers – Tochter

Keno Eilers – Sohn †

Foline Eilers – Mutter

Marten Eilers – Vater †

Familie Deeken

Eike Deeken – Erbe vom Nordseehof

Thilo Deeken – Eikes Vater †

Lientje Deeken – Eikes Mutter †

Reent Deeken – Eikes Bruder †

Uwe Deeken – Sohn von Eike und Johanna

Adda Deeken – Tochter von Johanna und Rolf

Sanne Müller – Freundin von Uwe

Paul Ehlers – Sohn von Reent und Manu Ehlers

Familie Menzel

Rolf Menzel – Sohn

Mine Menzel – Mutter †

Karl-Gerd Menzel – Vater †

Dagmar Menzel, geb. König – Ehefrau von Rolf Menzel

Familie de Vries

Ingo de Vries – Cousin von Johanna

Theda de Vries – Cousine von Johanna

Deike de Vries – Thedas Tochter und Addas beste Freundin

Hajo de Vries – Thedas Sohn

Weitere

Herwig Doden – Postbote

Manu Ehlers – Dagmars Freundin

Dirk Westerhoff – Freund von Adda

Hartmut Brockmüller – Banker in Wittmund

Schwester Agnes – Kollegin von Adda in Bremen

Hermann Selig – neuer Freund von Theda,Sohn der im 1. Band aus Schlesien vertriebenen Magda Selig

Dr. Meyer – Arzt

Schwester Beeke – Krankenschwester in Sande

Gerda Bruns – alte Nachbarin von Rolf in Bremen

Stefan Müller – Student

Marius Peek – Student

Hauke Hillers – Mitarbeiter auf dem Nordseehof

Heino Melchers – Lehrling

Herr und Frau Wehling – Vermieter von Manu

1973–1974

Kapitel 1

Johanna trat aus dem großen schmiedeeisernen Tor des Nordseehofs und atmete tief durch. Es war zwar noch kühl, aber an diesem Märzmorgen schien die Sonne vom wolkenlosen Himmel, die Vögel trällerten, und die Welt erwachte aus dem Winterschlaf. Erste Krokusse streckten trotz des kalten Windes ihre bunten Blüten schon recht mutig aus der Erde, und gestern hatte Johanna sogar eine Narzisse blühen gesehen. Es würden die letzten ruhigen Tage sein, denn auf dem Nordseehof, der großen Schäferei in der Nähe von Neusiel, begann bald die Lammzeit. In dieser Periode gab es kaum eine Nacht, in der Johanna und ihr Mann Eike durchschlafen konnten.

Eike, Johanna und Hauke Hillers, ihr Arbeiter, hatten schon jetzt alle Hände voll zu tun. Alle anderen Mägde und Knechte, die es früher auf dem Nordseehof gegeben hatte, waren mit der zunehmenden Technisierung nach und nach verschwunden und hatten sich woanders Arbeit suchen müssen. Viele waren bei den Olympia-Werken in Roffhausen untergekommen und standen nun am Fließband.

Johanna seufzte, denn die Arbeit wuchs ihr dennoch so manches Mal über den Kopf, vor allem, wenn die Lämmer kamen.

Bei einigen Mutterschafen mehrten sich bereits die An-zeichen, dass die Geburt unmittelbar bevorstand. Sie hatten sich von den anderen Tieren, die in den Stalltrakten in zwei Gruppen frei herumliefen, abgesondert. Ihr Euter wirkte prall.

Eike hatte alle zu Schichten eingeteilt, von jetzt an war es wichtig, dass immer jemand im Stall war und die Tiere beobachtete. Auch ihre Tochter Adda musste mit ihren achtzehn Jahren ran, ebenso wie der drei Jahre ältere Uwe.

Vor allem Adda war wenig davon begeistert, ständig im Stall arbeiten zu müssen. Sie muckte zunehmend auf und träumte von einem anderen Leben als dem in Ostfriesland. Adda konnte sehr hitzig werden, wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, und auch wenn Uwe sich meist zurückhielt, so wusste Johanna, dass auch er damit liebäugelte, den Nordseehof eines Tages zu verlassen. Er träumte davon, Tierarzt zu werden, doch Johanna hoffte, dass er davon absah und blieb, auch wenn es ein egoistischer Gedanke war und sie es besser wissen sollte, nach alldem, was sie selbst durchgemacht hatte. Trotzdem hatte man im Leben eben nicht immer die Wahl. Nur fiel ihr der Gedanke, dass ausgerechnet Uwe gehen könnte, besonders schwer. Sie hatte ihren Ältesten sehr an sich gebunden, ihm in seinem Leben nur wenig Leine gelassen, und so konnte sie sich kaum vorstellen, dass er einmal nicht mehr da war.

Johanna seufzte. Wie schön war es doch früher gewesen, als ihre Tochter noch mit Uwe Cowboy und Indianer gespielt hatte und sie durch den Garten gestromert waren! Alles hatte seinen geregelten Ablauf gehabt, nichts war hinterfragt worden, und keiner wollte fort. Der Nordseehof war der Mittelpunkt von allem. Ihr Zuhause.

Johanna schob die Gedanken beiseite. Sie hatte heute keine Lust, Probleme zu wälzen, während die Natur gerade aufblühte und ihre wunderbaren Farben und Düfte mit ihr teilte. Diese kurze Flucht wollte sie ein bisschen genießen.

Johanna beschloss, ein Stück zu gehen. Leise trällerte sie das Lied dieser schwedischen Gruppe, das sie kürzlich im Fernsehen gehört hatte. Ilja Richter hatte sie alle vorgestellt, aber Johanna hatte die einzelnen Namen schon wieder vergessen. Offenbar hatte die Gruppe noch keinen Bandnamen.

»People need love …«, sang Johanna leise. Wie wahr! Liebe, die brauchte jeder. Dieses einzigartige Gefühl. Einmal hatte sie davon kosten dürfen, und sie zehrte noch immer davon. Vor allem, wenn sie allein war und sich die Erinnerung gönnte. Doch meist verbot sie sich jeden Gedanken an ihre große Liebe Rolf Menzel, der nach dem Krieg als schlesischer Vertriebener auf dem Nordseehof gelebt hatte. Er war für sie verloren, denn sie hatte damals Eike geheiratet. Nicht freiwillig, es war der Wunsch ihrer Eltern gewesen. Ihr Bruder Keno war nicht aus dem Krieg zurückgekommen, und die Eltern hatten ihrem Cousin Ingo den Hof gegeben. Johanna hatte schnell unter die Haube gemusst, und da Eike der Erbe vom Nordseehof war und ihre Eltern sie gut versorgt wissen wollten, hatte Johanna keine Wahl gehabt. Aber ihr, ihr hatte es das Herz gebrochen. Sie liebte Rolf noch immer, auch wenn sie sich nach all den Jahren mit Eike arrangiert hatte. Doch dieses tiefe, einmalige Gefühl, das sie mit Rolf verband, war mit nichts vergleichbar. Johanna erinnerte sich nicht gern an die Stunden voller Schmerz, als sie dieser Liebe hatte entsagen müssen und Rolf aus Kummer fortgegangen war. Und doch waren ihre Gefühle für ihn allzeit präsent und schlummerten wie ein vergessenes Blumenbukett in ihrem Herzen.

Um trotzdem mit ihrem Leben klarzukommen, hatte Johanna einfach einen Teppich auf ihr inneres Chaos gelegt. Der Teppich hatte einen Namen: Nordseehof.

Dafür hatte sie auf Rolf und die Liebe verzichtet, und sie würde immer für die Schäferei und ihren Fortbestand kämpfen, damit das Opfer nicht umsonst gewesen war.

Johanna war allerdings froh, dass wenigstens dieses Begehren verschwunden war, das sie als junge Frau in Rolfs Arme getrieben hatte. Soweit sie wusste, war er im Ruhrgebiet noch immer im Bergbau beschäftigt, und er hatte Dagmar geheiratet. Rolf hatte sich zum letzten Mal vor sechzehn Jahren nach dem furchtbaren Grubenunglück auf der Zeche Franz Haniel bei Johanna gemeldet.

Sie erinnerte sich noch immer an den Schock, als sie im Radio davon erfuhr und sich nichts anmerken lassen durfte. Sie hätte am liebsten sofort ihre Sachen gepackt und wäre zu ihm ins Ruhrgebiet gefahren, doch das war ausgeschlossen gewesen. Deshalb hatte sie angstvoll ausgeharrt. Dann aber hatte Rolf einen Brief geschickt. Sie kannte noch immer jedes Wort, auch wenn sie den Brief vernichtet hatte – so wie fast alles, was mit Rolf zu tun hatte. Es gab lediglich zwei Fotos, die sie mal bei der Friesen-Jugend gemacht hatten. Es war schön gewesen, sich dort mit den jungen Leuten zu treffen und Spaß zu haben. Auch mit Rolf. Beide Fotos hielt Johanna gut in einer abgeschlossenen Kommodenschublade versteckt.

Jedenfalls hatte Rolf durch pures Glück überlebt, weil er als Lehrsteiger gerade zu einem Telefonat gerufen worden war. Er befand sich zur Zeit des Unglücks am anderen Ende der dreihundert Meter langen Kopfstrecke, als ihm plötzlich der Helm vom Schädel gerissen worden war und der Streb hinter ihm zusammenbrach. Alle anderen sechs Kumpel waren tot. Rolf hatte seinem Brief ein Foto von sich und seiner Angetrauten beigelegt. Bis dahin hatte Johanna von dieser Ehe nichts gewusst, aber überrascht war sie nicht gewesen, denn sie waren schon länger ein Paar.

Ich komme klar, hatte er geschrieben. Mach dir keine Sorgen um mich. Ich wünsche dir alles Glück der Welt, liebe Hanna. Ich werde dich nie vergessen, aber was nicht kann sein, das nicht sein darf. Wir wussten es beide.

Rolf hatte sie immer nur Hanna gerufen, genau wie früher ihr verstorbener Bruder Keno, aber bis heute durfte niemand anderes sie so nennen. Hanna gehörte den beiden Menschen, die ihr so nah gewesen waren wie sonst keiner auf der Welt.

Trotzdem war kein Weg daran vorbeigegangen, den Kontakt abzubrechen, denn sie und Rolf standen sich nur selbst im Weg, auf einer Reise, die unterschiedlicher nicht hätte sein können.

Die erste Zeit nach der endgültigen Trennung konnte Johanna ihr Leben kaum ertragen, und sie hatte Schwierigkeiten, sich an den Gedanken zu gewöhnen, Rolf nie wiederzusehen Nie mehr seine Stimme im Ohr zu haben, nie mehr zu spüren, wie seine Lippen die ihren küssten. Nie mehr von ihm zu hören.

Aber sie hatte sich für ein anderes Leben entschieden. Deshalb hatte sie das Foto von ihm und seiner Frau zerknüllt und zusammen mit den Zeilen verbrannt. Den Anblick von ihm mit Dagmar hatte sie ohnehin kaum ertragen – und bis heute bekam sie das Bild dieser Frau nicht aus dem Kopf.

Dagmar war hübsch. Sie hatte einen merkwürdigen, aber überaus faszinierenden Blick. Ihr dunkles, fast schwarzes Haar war modisch geschnitten und kurz. Darauf hatte sie eines dieser modernen Mützchen gesetzt, über die man in Neusiel damals gelacht hätte, weil sie viel zu extravagant waren. Es sah ein bisschen aus wie die Kopfbedeckung von Rotkäppchen, aber bei Dagmar wirkte es zu dem grauen, die Figur umschmeichelnden Kostüm und den hochhackigen Pumps kein bisschen albern. Im Gegenteil, es kleidete sie ungemein. Mit ihr, Johanna, war diese kesse Frau nicht vergleichbar. Die Schäferin, die meist weite Hosen und derbe Schuhe trug, das aschblonde Haar praktisch zu einem Pferdeschwanz gebunden. Ihre Hände waren rau, von der Arbeit im Stall geprägt, die Nägel oft eingerissen. Machte Johanna sich schick, trug sie ihren knielangen Faltenrock und eine Blümchenbluse. Ihre Hüften und Oberschenkel waren kräftig, wenngleich sie nicht dick war. Trotzdem sagte man Johanna in Neusiel nach, sie sei eine schöne Frau. Wahrscheinlich galten auf dem Dorf andere Maßstäbe, denn gegen Dagmar war sie ein echter Bauerntrampel. Und das hatte sich bestimmt bis heute nicht geändert.

Sie hatte Rolf damals an die auf dem Umschlag angegebene Adresse geschrieben. Auch bei diesem Brief erinnerte sich Johanna genau an den Wortlaut. Natürlich hatte sie ihm mitgeteilt, wie froh sie war, dass er lebte. Und sich bedankt, dass er ihr Bescheid gegeben hatte. Aber es war trotzdem wichtig gewesen, an dieser Stelle einen Schlussstrich zu ziehen und ihm zu schreiben, er solle sich bitte nicht mehr melden, weil es für sie beide so besser war.

Sie waren verheiratet, und sie selbst hatte zwei Kinder. Johanna schluckte, wie immer, wenn sie in Gedanken an diesem Punkt ankam.

Ihre Tochter Adda war Rolfs Kind.

Doch sie wollte nicht, dass er davon erfuhr. Dass überhaupt jemand davon erfuhr. Nur war Adda ihrem Vater wie aus dem Gesicht geschnitten, hatte seine wunderschönen blauen Augen und das dunkle Lockenhaar.

Johanna wurde dadurch Tag für Tag mit ihrem Verrat konfrontiert, was die Beziehung zu ihrer Tochter schwierig machte. Einerseits war sie das Kind ihrer großen Liebe, andererseits hatte sie eine große Sünde begangen. Johanna war es all die Jahre nicht gelungen, den Spagat zwischen den beiden emotionalen Extremen hinzubekommen, und sie wusste, dass sie ihre Liebe zu ihren Kindern ungleichmäßig, ja sogar ungerecht verteilte. Das, was Uwe zu viel bekam, fehlte Adda. Und je älter die Kinder wurden, desto mehr ließen sie ihre Mutter spüren, dass sie nicht glücklich waren. Vermutlich hatten sie es deshalb eilig, vom Nordseehof fortzukommen. Weil sie lieber allein durchs Leben treiben wollten, als mit diesen merkwürdigen Schwingungen klarzukommen, die jeder spürte, aber über die keiner sprach.

Um den andauernden Schmerz zu bewältigen, hatte es Johanna über die Jahre geholfen, sich auf die Arbeit in der Schäferei zu konzentrieren. Es betäubte die Sehnsucht und hielt sie am Leben. Ihr Lebenselixier. Der Nordseehof und immer wieder der Nordseehof.

Johanna hatte den rechteckig angelegten Hof, der von sämtlichen Bauten der Schäferei flankiert wurde, inzwischen weit hinter sich gelassen, und über die weite Marschlandschaft wehte der Wind noch merklich frisch. Johanna fröstelte etwas. Die mächtigen Bäume rauschten, das bereits grüne Gras der Wiesen duckte sich ehrfürchtig. Nur die Vögel ließen sich nicht beeindrucken und sangen lautstark ihr Lied. Sie sehnten den Frühling genauso herbei wie die Menschen ringsum, und heute gab es das erste Gastspiel.

Johanna atmete einmal tief durch. Doch, sie war demütiger geworden mit den Jahren, und jetzt, da sich das erste Silber durch ihr Haar zog, stellte sich auch zunehmend Dankbarkeit ein. Ihr ging es schließlich gut.

Eike und sie hatten inzwischen gelernt, sich wirklich zu mögen und oft auch nah zu sein, wenngleich die Leidenschaft fehlte, die Johanna mit Rolf verbunden hatte. Mit Eike gab es kaum Streit, und sie arbeiteten Hand in Hand. Finanziell war die Schäferei gut aufgestellt, und sie wollten in Kürze mit Renovierungsarbeiten beginnen, denn die Räume schrien förmlich nach mehr Freundlichkeit.

»Ich habe Rücklagen, von denen wir das begleichen können«, hatte Eike gesagt. Johanna lächelte still. Obwohl sie die Buchhaltung machte, wusste sie nichts von Rücklagen, aber vielleicht hatte Eike heimlich etwas gespart, um sie damit zu überraschen, endlich ihren Traum von der Renovierung Wirklichkeit werden zu lassen. Ihr Mann war stets darum bemüht, ihr alles recht zu machen. Das war schon immer so gewesen und hatte sich in den Jahren nicht verändert. Deshalb würde so etwas zu ihm passen, und Johanna hinterfragte es nicht.

Seit jener Dezembernacht, als die Scheune von Eikes Bruder Reent angezündet worden war und sie die Schäferei gegen ihn verteidigt hatte, verband sie ein Geheimnis, was sie niemals mit jemandem teilen würden. Niemand außer ihnen beiden wusste, was Eikes Bruder getan hatte und wie genau das Unglück geschehen war. Johanna beschleunigte ihren Schritt, denn die Erinnerung an den Orkan und das Feuer verursachten ihr noch immer Beklemmungen.

Diese Nacht hatte sich scharf in ihr Gedächtnis eingebrannt. Damals waren nicht nur Eikes Bruder, sondern auch seine Mutter gestorben. Nachdem Reent die Scheune angezündet hatte und sein Versuch, Johanna ins Feuer zu stoßen, gescheitert war, hatte er den Tod in den Flammen gefunden, während ihre Schwiegermutter Lientje zur selben Zeit auf dem Dachboden den Freitod gewählt hatte. Die Schäferei war auch mit ihrem Zutun in große Schwierigkeiten geraten, und sie hatte wohl keinen Ausweg mehr gesehen.

Aber das war schon so viele Jahre her, und Johanna wollte nach vorn sehen. In die Zukunft. Das hatte ihr bislang noch immer am besten geholfen.

Sie steuerte auf den Eilershof zu. Dort war sie aufgewachsen, er hatte einst ihren Eltern gehört. Nun wurde er von ihrem Cousin Ingo de Vries und ihrer Cousine Theda geführt. Mit beiden verband sie eine innige Freundschaft, genau wie sich Adda sehr gut mit Thedas Kindern Deike und Hajo verstand. Aber die beiden waren mittlerweile genauso flügge wie Adda. Hajo hatte den Hof schon verlassen und lebte in München, wo er eine Ausbildung bei einer großen Autofirma machte, und Deike plante ebenfalls, schon bald zu gehen. Sie war auf der Suche nach einer Anstellung im Büro. Beworben hatte sie sich in Bremen und Hamburg. Im Gegensatz zu Johanna und Eike fanden Theda und Ingo, dass es für die jungen Leute wichtig war, aus Ostfriesland fortzukommen.

Johanna winkte, weil ihr Herwig Doden, der Postbote, entgegenkam. Er machte diese Arbeit schon viele Jahre, und sein Tritt in die Pedale war inzwischen merklich langsamer geworden. Es dauerte nicht mehr lange bis zu seiner Pension, und Johanna würde ihn mit seiner unaufdringlichen Art vermissen.

»Moin, Herwig!«, begrüßte Johanna ihn. »Hast du was für uns? Dann nehme ich es dir ab, und du kannst dir den Weg zur Schäferei sparen.«

Herwig bremste und sagte keuchend: »Jo, dat is moi. Bin ohnehin spät dran, aber nützt jo nix. Die Arbeit muss getan werden.« Er kramte in seiner Ledertasche, die er vorn am Lenker angebracht hatte. »Ein amtlicher Brief«, murmelte er dabei, »und dann noch einer, wo kein Absender drauf ist. Zum Glück ist die Adresse sauber geschrieben. Man könnte den gar nicht zurückschicken. Was sich die Leute bei so was denken.« Er hatte die Briefe gefunden und unterbrach sein Selbstgespräch. »Hier, sonst kann ich mit nichts dienen, mien Deern.«

Johanna lächelte. Seit sie Herwig kannte, nannte er sie so. Mit sechsundvierzig Jahren empfand sie sich allerdings wirklich nicht mehr als Deern, aber den Schnack würde sie ihm nicht austreiben können.

»Danke, Herwig. Komm gut nach Huus!«

Der Postbote nickte ihr zu, wendete das Rad und fuhr zurück Richtung Neusiel.

Johanna sah sich die beiden Briefe an. Der eine war von der Bank, den würde sie später im Kontor lesen, der andere war tatsächlich ohne Absender.

Sie schaute auf die Anschrift. Er war an sie persönlich gerichtet. Johannas Herz galoppierte los. Nein, sie täuschte sich nicht. Diese Handschrift kannte sie! Der Brief war von Rolf. Nach so vielen Jahren. Was wollte er nur?

Johanna war versucht, ihn sofort aufzureißen und zu lesen, doch sie wusste nicht, was sie erwartete. Was auch immer der Grund war, warum er ihr schrieb: Sie wollte sich zum Lesen Zeit nehmen und musste folglich Ruhe haben. Außerdem wollte sie sicher sein, dass sie nicht gleich darauf Eike begegnete, denn er war auf den umliegenden Feldern mit dem Trecker unterwegs. Er hätte garantiert kein Verständnis dafür, wenn sie Briefe von Rolf erhielt. Das Thema Rolf war schon früher ein rotes Tuch zwischen ihnen gewesen, und sie wollte keinen Streit provozieren.

Johanna sah sich um. Sie konnte sich auf den Zaun setzen. Dort war sie allein. Doch dann hörte sie tatsächlich das Brummen eines Traktors, und Eike winkte ihr von Weitem zu. Der Brief musste warten. Johanna steckte ihn in die Jackentasche.

Adda saß zusammen mit Uwe in der Küche, die Bücher vor sich aufgeschlagen. Sie hatte einen bunten Flatterrock an und darüber eine geblümte Tunikabluse. Über Stirn und Haar trug sie ein Lederband, und am Hals prangte eine dicke Kette mit türkisfarbenem Anhänger. Ihr hippiemäßiges Auftreten sorgte in Neusiel für so manchen Gesprächsstoff, so lief man hier eben nicht herum.

Heute war die Schule wegen einer Lehrerfortbildung ausgefallen, und sie lernte für eine Prüfung. Im Sommer würde sie das Abitur in der Tasche haben, und dann stand ihr die Zukunft offen. Die weite Welt anstelle der Enge dieser Schäferei. Das würde sie nutzen, ob es ihrer spießigen und halsstarrigen Mutter gefiel oder nicht.

»Warum verschwindest du eigentlich nicht?«, fragte sie Uwe, der eine Tasse Tee vor sich stehen hatte und irgendwelche Bestellungen für den Nordseehof durchging. Er machte das gern in der Küche, die noch immer im Stil der 1950er-Jahre gestaltet war. Dunkle Möbel, eine Eckbank mit Tisch, aber immerhin gab es einen Elektroherd. Trotzdem hatte ihre Mutter auch den alten Holzofen behalten, und sie nutzte ihn oft zum Backen und Kochen. Darüber waren alte Pfannen aufgereiht. So richtig konnte Adda nicht verstehen, warum ihre Eltern an dem alten Plunder festhielten. Immerhin sprachen sie jetzt häufiger von einer baldigen Renovierung.

Adda kaute auf dem Bleistiftende herum und fixierte ihren Bruder. »Ich merke genau, wie sehr dich die Schäferei nervt. Du lachst gar nicht mehr! Du willst doch eigentlich was anderes als das hier.« Sie machte eine ausschweifende Handbewegung. »Was anderes als die Traditionen des ehrenwerten Nordseehofes. Gib es doch endlich zu!«

Uwe sah von den Papieren hoch. Er rollte genervt mit den Augen. »Ach Adda, hör auf. Ich kann Mama und vor allem Papa momentan nicht hängen lassen und einfach machen, was ich will. Jetzt ist erst einmal Lammzeit, dann der Deichauftrieb … Sie brauchen jede Hand. Außerdem bin ich ja tatsächlich bald weg, weil ich im April zum Grundwehrdienst muss. Danach sehen wir weiter.« Er grinste sie an. »Dann haben sie sich schon ein bisschen an meine Abwesenheit gewöhnt. Sei nicht so ungeduldig!« Er beugte sich wieder über das Papier.

Adda war verärgert. »Pah, Grundwehrdienst!«, wiederholte sie. »Du hättest verweigern sollen. Ich ahne, dass du hier bis ins hohe Alter versauerst und deine einzige Abwechslung sein wird, am Abend auf dem Sofa Dalli-Dalli zu gucken und zwischendurch aufzuspringen, um: ›Das ist spitze!‹ zu schreien.«

Uwe runzelte die Stirn und sah seine Schwester fest an. »Kannst du eigentlich immer nur rummotzen?«

Adda schwieg betreten. Ihr Bruder hatte ja recht.

Uwe legte ein Blatt Papier neben den Stapel und widmete sich dem nächsten. »Lass mir mein Leben, und ich lass dir deins, okay? Ich gehe erst mal zum Bund und unterstütze Papa bis dahin mit dem Nordseehof. Klar, es wäre super, manchmal den Argusaugen von Mama zu entwischen.« Er seufzte, und Adda wusste, was er meinte. Ihre Mutter hing mit einer wahren Affenliebe an ihm und war stets eine Spur zu besorgt. Einmal hatte Uwe Adda anvertraut, dass er sich vorkam wie von einer Krake umklammert, sie aber gebeten, niemandem davon zu erzählen. Er befürchtete, dass es seine Mutter treffen könnte. Adda verstand dennoch nicht, warum er keine Anstalten machte, sich zu befreien. Er war schließlich erwachsen. Ihr Vater würde schon klarkommen, er hatte schließlich seine Mitarbeiter. Und ihre Mutter, die auf dem Hof ohnehin das Zepter schwang.

»Die Welt steht am Abgrund«, sagte Adda. »Ölkrise, Ost-West-Konflikt, Terrorismus, Atomkraft – da kommt auch noch was, sei sicher. Mensch, Uwe, bei so weltbewegenden Dingen kann man nicht in einer Schäferei versauern! Da muss man was tun! Und damit meine ich nicht, dass man lernen soll, wie man Menschen abknallt. So wie beim Bund.«

Ihr Bruder zuckte mit den Schultern. »Jetzt fängst du schon wieder mit der Bundeswehr an. Da geht es doch nicht darum, andere Menschen zu töten, das ist zu einseitig gedacht. Lassen wir das Thema, okay?«

»Hab schon verstanden, und anschließend bleibst du Schäfer«, sagte Adda schmollend.

»Vorerst, ja. Von der Landwirtschaft leben auch diejenigen, die die Welt verändern wollen. Essen müssen nämlich alle. Ja, ich habe darüber nachgedacht, Tiermedizin zu studieren, aber das Leben ist nun mal, wie es ist. Nach meinem Wehrdienst sehen wir weiter. Ich will nicht so weit planen.«

Adda warf den Bleistift mit Schwung aufs Papier. »Manno, Uwe! Das musst du aber! Werde Tierarzt, verdammt noch mal! Das wolltest du schon als kleiner Junge.«

Uwe lächelte nachsinnig. »Du sprichst von der Zeit, als ich den ersten Arztkoffer zum Spielen bekommen und alle Schafe und unseren Hütehund abgehört habe?«

Adda wusste, dass ihr Bruder dieses Thema hasste.

»Du wärst frei, und Mama könnte dich nicht mehr gängeln«, begann sie wieder.

»Trotzdem wäre sie zu dir nicht anders, Adda«, sagte Uwe und sah seine Schwester ein bisschen mitleidig an.

Adda schluckte. Uwe wusste, wie sehr es sie kränkte, dass er immer an erster Stelle stand.

Das, was er von Mama zu viel bekommt, spart sie bei mir ein, dachte Adda, schob diesen traurigen Gedanken aber rasch beiseite und hackte lieber weiter auf ihrem Superbruder herum. Das half ihr ein bisschen, mit der Verletzung umzugehen.

»Du hast ein Top-Abi gemacht. Und planst, auf dem Land zu versauern? In diesem Tratschdorf Neusiel?«

»Sieh es doch positiv. Solange ich da bin, kannst du gehen.« Uwe klang inzwischen genervt.

»Das kann ich sowieso«, erwiderte sie. »Wir wären dann eben beide weg von diesem … Laden.«

Jetzt platzte Uwe der Kragen. Er stand auf und packte Adda an den Schultern. »Hör auf, verdammt! Ich denke, man kann vor seiner Verantwortung oder seiner Bestimmung nicht einfach so weglaufen. Und wir sind nun mal in einer Schäferei geboren worden.« Er presste kurz die Lippen zusammen. »Und eins muss dir bei all deinen Plänen klar sein: Wenn ich gehe, wirst du hierbleiben müssen. Und heiraten, weil du als Frau später nicht allein eine Schäferei leiten kannst.«

Adda wollte empört widersprechen, aber Uwe gebot ihr zu schweigen. »Lass mich bitte in Ruhe mit deinen Attacken. Über kurz oder lang kommt es ohnehin so, wie es immer war, das ist der Lauf der Welt. Deine Emanzipation wird nicht funktionieren, weil es nun mal Unterschiede gibt zwischen Mann und Frau. Sei nicht so naiv!«

Adda zog einen Flunsch und befreite sich aus Uwes Umklammerung. »Du bist so hinterwäldlerisch! Natürlich wird die Emanzipation funktionieren! Frauen können alles machen, auch eine Schäferei leiten. Es ist nur so, dass ich das nicht will!« Sie seufzte. Jede weitere Diskussion war zwecklos. Uwe war in den alten Traditionen wie erstarrt. »Dir ist nicht zu helfen, Bruderherz! Aber ich gehe im Herbst weg von hier. Ich will leben.«

»Und Papa das Herz brechen«, sagte Uwe.

Adda schnaubte. Ihrem Vater würde es wehtun. Ihrer Mutter vermutlich nicht.

Uwe fingerte eine Zigarette aus der Schachtel, die auf dem Küchentisch lag, griff nach den Streichhölzern und zündete sie an.

»Das ist dann eben so«, gab Adda zurück. »Ich habe ein Recht auf mein eigenes Leben, und da steht nicht ›Nordseehof‹ drauf. Gib mir auch mal eine.«

Uwe reichte ihr die Schachtel, und sie zog eine Zigarette raus.

Adda sog am Filter, bevor sie weitersprach. »Mama wäre vermutlich nur sauer, weil sie uns für die Schäferei braucht. Sie lebt ausschließlich für den Hof, und so, wie sie es macht, ist es schon fast krankhaft. Sie opfert sich förmlich auf. Es gibt nichts anderes für sie, und es wird immer schlimmer.«

»Du übertreibst«, erwiderte Uwe. »Wir sind eine richtig gute Familie. Ohne schwarze Löcher oder Leichen im Keller. Und intakt. Deike und Hajo haben unseren verstorbenen Onkel Reent zum Vater, der absolut keine Lust auf sie hatte. Überleg mal: Tante Theda musste sie ganz allein großziehen! Was muss das für ein Spießrutenlauf in unserem werten Dorf gewesen sein. Eine alleinerziehende und unverheiratete Mutter, die bei ihrem homosexuell veranlagten Bruder lebt.« Er kicherte. »Bei uns Deekens ist wenigstens alles rund und sauber. Das ist viel wert!«

Adda schwieg. Manchmal hatte sie den Eindruck, dass Uwe in einer Blase lebte. Vielleicht war man so unbedarft, wenn man sich der Liebe beider Eltern sicher sein konnte.

Uwe dozierte weiter. »Erinnerst du dich noch dran, wie wir früher am Samstagabend, frisch gebadet und im Bademantel, zusammen auf dem Sofa gesessen und Karten gespielt haben? Das ist Familie!«

Adda musste grinsen. »Nun behaupte bitte nicht, dass du dich nach Rudi Carrell mit Zitronensprudel und Salzstangen sehnst. Das ist voll spießig!« Sie schüttelte sich, meinte es aber nicht ernst. Es war schön gewesen. Die wenigen Momente, in denen sie sich voll dazugehörig empfunden hatte.

»Ach, meine kleine Hippiebraut.« Uwe sah Adda liebevoll an. »Immer mit dem Kopf durch die Wand.« Er fuhr sich durch das rote, leicht lockige Haar, das er kinnlang trug. »Das wird dann wohl in Kürze auch gekappt, damit der Helm passt.«

»Du könntest ein Haarnetz tragen«, schlug Adda grinsend vor. »Laut der Verordnung darf dein Haar den Hemdkragen nicht berühren, aber sie haben Unmengen dieser Netze bestellt. Hab ich in deinen Papieren gelesen.«

»Da schneide ich es lieber ab«, sagte Uwe.

Er sah an sich hinunter. Wie immer trug er seine grüne Latzhose, mit der er im Stall arbeitete. Darunter hatte er ein kariertes, verwaschenes Hemd an. »Und das gehört wohl auch bald der Vergangenheit an. Stattdessen werde ich eine graue Uniform und ein Käppi tragen.« Uwe schürzte die Lippen und war in diesem Augenblick das Abbild seines Vaters Eike, auch wenn dessen Haar sich inzwischen gelichtet hatte.

Adda drückte die halb gerauchte Zigarette im Aschenbecher auf dem Küchentisch aus. Dabei fiel ihr Blick in das Glas der Vitrine, worin sie sich spiegelte.

Ich sehe ganz anders aus als Uwe, dachte sie wieder einmal. Ich gleiche weder meiner Mutter und erst recht nicht meinem Vater. Vermutlich bin ich auch deshalb vom Wesen ganz anders, weil ein anderer Urahn in mir durchgeschlagen ist. »Dann beenden wir jetzt die Diskussion über deine Zukunft«, sagte sie und griff wieder nach dem Stift auf dem Tisch. »Und auch wenn ich mich wiederhole: Ich für meinen Teil werde Krankenschwester, und das ganz bestimmt nicht in den Krankenhäusern in Sanderbusch oder Wilhelmshaven. Ich will helfen, mich sozial engagieren und für kranke Menschen da sein. Aber ich möchte auch politisch etwas erreichen, die Frauenbewegung unterstützen. All so was. Mein Abi wird nicht überragend werden, für ein Medizinstudium langt es nicht. Aber ich werde Ostfriesland verlassen und in eine große Stadt gehen. Hamburg. Berlin. Oder so. Da kann ich das nämlich alles unter einen Hut bringen.«

Uwes Zigarette war aufgeraucht, und er zerquetschte sie im Ascher. »Dank der Kreisreform brauchst du nur bis Neusiel zu gehen, und schon bist du in Friesland und nicht mehr im Landkreis Wittmund. Oder du gehst zum Jadebusen, auch dann bist du schon in Wilhelmshaven oder Friesland. Auf der anderen Seite in Butjadingen. Du hast es also gar nicht so weit, wenn du Ostfriesland verlassen willst.« Er zwinkerte ihr schelmisch zu.

Adda war kurz versucht, den Stift nach Uwe zu werfen. Aber der winkte ab. »Waffenstillstand! Spaß beiseite, Adda, die Diskussion ist für mich beendet.« Uwe seufzte. »Ich wollte dich noch was anderes fragen: Hast du Papa in letzter Zeit mal genauer angesehen?«

Adda schluckte. Wovon sprach Uwe? »Nein, warum? Er hopst in seiner Bauernhose über den Hof und kümmert sich um die Schafe. Was soll mir denn aufgefallen sein?«

»Ich weiß nicht … Er ist blass. Ich finde, er sieht schlecht aus. Manchmal stöhnt er und hält seinen Bauch.«

Adda zuckte mit den Schultern. »Nö, ist mir nicht aufgefallen. Er trinkt ab und zu Appelkorn. Vielleicht ein bisschen zu viel, und ihm ist schlecht?«

Uwe stand auf und schenkte sich eine weitere Tasse Tee ein. Die Kanne stand immer angewärmt auf dem Stövchen. »Wir sollten darauf achten und ihn mal ansprechen. Auf die Schmerzen, meine ich. Alle trinken Cognac oder mal einen Kurzen. Davon hat man doch keine Schmerzen.«

Adda sah auf die Uhr. »Dann schnack du mit ihm darüber. Ich für meinen Teil muss jetzt lernen, damit mein Abitur kein Desaster wird. Während du wohl gleich in den Stall gehst, um ein paar Lämmer aus den Bäuchen der Mütter zu ziehen.« Sie holte tief Luft. »Mich kotzt es an!«

Adda wandte sich gerade wieder ihrem Heft zu, als die Tür klackte und ihre Mutter eintrat. Ihre Finger hielten einen Briefumschlag so fest umklammert, dass die Kuppen weiß hervorstachen. Sie war leichenblass.

»Ist was, Mama?« Uwe stürzte sofort zu ihr. Adda blieb sitzen. Erfahrungsgemäß zog ihre Mutter es vor, sich von Uwe trösten zu lassen.

Nun schüttelte sie den Kopf. »Nein, es ist nichts. Ich … ich bin gleich wieder da.« Sie stürzte hinaus.

»Was hat sie denn?«

»Keine Ahnung.« In Uwes Blick lag Sorge, während Adda nur mit den Schultern zuckte. Egal, was es war: Sie würde hier verschwinden! Sobald es nur ging.

Kapitel 2

Eike wischte sich den Schweiß von der Stirn. Die Schafe waren wie immer ruhig, ab und zu blökte eines. Es handelte sich heute um die zweite Geburt, und sie mutete nicht einfach an. Das Mutterschaf war unerfahren und zudem sehr unruhig. Es würde Zwillinge gebären. Das war an sich nicht so ungewöhnlich, es kam immer mal wieder vor. Aber ein Lamm lag verkehrt herum. Dabei bestand immer die Gefahr, dass die Nabelschnur riss, und dann würde das Ungeborene noch im Mutterleib sterben. Eike wollte das unbedingt verhindern.

Nur brauchte er dringend eine Pause, denn es ging ihm nicht gut. Gleich würde zum Glück Uwe kommen.

Eike war müde, und immer wieder plagten ihn Oberbauchbeschwerden. Er mochte schon gar nicht mehr richtig essen. Ab und zu ein Schluck Appelkorn half ihm über die schlimmsten Beschwerden hinweg, nur kamen sie dann oft zeitversetzt noch heftiger. Besonders schlimm waren die Schmerzen nach fettem Essen, und das gab es auf dem Hof häufig. Schließlich mussten alle hart arbeiten. In den letzten zwei Tagen war ein weiterer Schmerz im rechten Unterbauch hinzugekommen. Es war wirklich wie verhext.

Jetzt aber hatte er keine Zeit, sich mit seiner Gesundheit auseinanderzusetzen, jetzt musste er sich um diese schwierige Geburt kümmern. Das war wichtiger als alles andere. Jedes verlorene Schaf war ein großer Verlust für die Schäferei.

Er sah auf, als Johanna in den Stall trat. Sie war ungewöhnlich bleich, und über ihr Gesicht hatte sich wieder dieser tragische Schleier gelegt wie zu Beginn ihrer Ehe, der aber nach und nach verblasst war. Eike hatte leider keine Muße, sie zu fragen, was passiert war. Er musste diese verdammten Lämmer retten!

»Kannst du mir helfen, Johanna?«, bat er sie, musste sich allerdings zusammenreißen, um nicht laut aufzustöhnen, weil ihn schon wieder dieser merkwürdige Schmerz plagte. »Es sind Zwillinge, und eins liegt falsch.«

Seine Frau wusste sofort, was zu tun war. Sie stellte sich vorn an den Kopf des Mutterschafes und hielt das Tier fest. Eike langte mit der Hand in den Leib und versuchte, abzutasten, in welcher Position das Lamm genau lag. Es war wichtig, dass es mit den Vorderläufen zuerst geboren wurde. Dabei achtete Eike stets darauf, dass die Schnauze darauf zum Liegen kam. Das bedeutete auch für die Mutter die beste Schonung.

»Ich habe die Läufe«, sagte Eike nach einer Weile. »Zum Glück liegt das andere Lamm so, dass wir das vordere wenden können.«

Das Mutterschaf musste unglaublich leiden, und Jo-hanna hatte Mühe, es zu besänftigen. Die Wehen waren heftig, aber noch lag das Lamm nicht richtig. Eike versuchte, die Nabelschnur zu sortieren. Dann endlich hatte er das kleine Tier so positioniert, dass es geboren werden konnte. Das Muttertier zitterte, und Eike befürchtete, dass es die zweite Geburt nicht mehr problemlos schaffen konnte. Nur bestand keine Möglichkeit, alles weiter hinauszuzögern, denn das Schaf blutete stark. Zum Glück hatten er und Johanna schon unzähligen Lämmern auf die Welt geholfen, sodass sie sich ohne viele Worte verstanden. Er nickte in Richtung seiner Frau und packte rasch zu. Er bekam auch das zweite Lamm zu fassen. Es flutschte nur so nach. Doch gleich darauf brach das Mutterschaf zusammen.

Eike und Johanna wussten gar nicht, worum sie sich zuerst kümmern sollten. Das zweite Lamm atmete nicht und brauchte dringend Hilfe, und zugleich musste das Muttertier schnellstens die Plazenta gebären.

Zum Glück kam in dem Augenblick auch Uwe in den Stall. Mit geübtem Blick erkannte er den Ernst der Lage und stand seinem Vater bei, während sich Johanna um das Lamm kümmerte. Sie befreite den Schleim von seiner Nase, und endlich machte es seinen ersten Atemzug.

Eike sah das aus dem Augenwinkel mit großer Erleichterung. Uwe hatte inzwischen die Plazenta lösen können, und nun lag sie neben ihnen im Stroh. Das Schaf atmete schwer. Sacht strich Eike dem Tier über die Nase. »Sie ist momentan zum Säugen zu schwach. Wir müssen den beiden die Flasche geben. Wo ist Adda? Sie soll auch kommen. Da drüben geht es nahtlos weiter!« Er wies mit dem Kopf zu einem anderen Mutterschaf, das kurz vor der Entbindung stand.

»Adda sitzt in der Küche und lernt fürs Abi«, sagte Uwe.

»Schiet up Abi«, sagte Johanna. »Sie soll kommen und die Lämmer versorgen. Vadder und ich können das jetzt nicht, und du musst dich um das Tier hier kümmern. Ich will das Schaf nicht verlieren. Es ist eines unserer besten!«

Johanna sah Uwe auffordernd an. »Worauf wartest du noch?«

»Bin schon weg, Mama!«

Kaum hatte Uwe den Stall verlassen, klopfte es, und ein gut aussehender, blonder junger Mann mit langen Koteletten kam herein.

Eike blinzelte kurz, und dann glitt ein Strahlen über sein Gesicht. »Manfred! Manfred Oetjen!«

Der Mann lächelte und trat auf die beiden zu. »Ja, moin. Schön, dich zu sehen!«

Johanna sah den Fremden erstaunt an. Hatte Eike jemals einen Manfred erwähnt? Sie konnte sich im Augenblick nicht erinnern.

»Darf ich dir meine Frau Johanna vorstellen?«, fragte Eike.

»Gern«, sagte Manfred lächelnd. Er hatte zwei sympathische Grübchen.

Eike nannte erneut die Namen und ergänzte: »Manfred und ich haben uns im letzten Jahr in Holland bei unserem Händler kennengelernt. Er arbeitet derzeit in der Nähe von Groningen in einer Schäferei. Ich habe dir von ihm erzählt.«

Johanna streckte ihm die Hand hin, und Manfred schlug ein. »Sehr erfreut.« Er drückte sie kurz, wandte sich dann aber sofort wieder an Eike. »Ich war in der Nähe und dachte, ich gucke mal, wie dein Hof so aussieht und wie es dir geht. – Gibt es Probleme?«

Eike erzählte kurz, was passiert war, und Manfred packte sofort tatkräftig mit an. Als es dem Schaf besser ging, tauschten sie intensiv ihre Erfahrungen aus.

Eike schien mehr als glücklich über den Besuch, und die beiden Männer waren binnen kürzester Zeit so ins Gespräch vertieft, dass sie Johanna vergaßen. Immer wieder musterte sie Eikes Besuch und grübelte darüber nach, wann Eike von diesem Manfred gesprochen hatte. Endlich fiel es ihr wieder ein. Eike hatte voller Bewunderung davon erzählt, wie Manfred einen der Händler ausgetrickst hatte. Johanna hingegen fand ein solches Vorgehen befremdlich, aber es war zu unwichtig gewesen, als dass sie sich lange mit dem Thema aufgehalten hätten. Sie winkte ab und begann, sich wieder um die Tiere zu kümmern.

Erst, als Adda in den Stall kam, unterbrachen die beiden Männer ihr Gespräch, und Johanna sah sehr wohl, dass ihre Tochter auf den jungen Schäfer Eindruck machte.

Kurz schoss Johanna ein Gedanke durch den Kopf: Wenn Adda sich in einen Schäfer verliebte, würde sie sich vielleicht doch für den Hof begeistern können und endlich aufhören zu kämpfen. Doch schon im selben Moment schalt Johanna sich stumm. Sie sollte nicht so denken. Hatte sie doch selbst erlebt, wohin so etwas führte. Und Addas Ablehnung hatte andere Ursachen. Das wusste Johanna nur zu gut.

Johanna verließ den Stall und sog die klare Märzluft tief ein. Sie war froh, dass die anderen Geburten reibungslos vonstattengegangen waren. Jetzt war erst einmal Ruhe, bei den nächsten Mutterschafen dauerte es noch ein wenig.

Adda hatte wie immer gemault, weil sie im Stall helfen sollte, aber beim Anblick der beiden Lämmer war ihr doch das Herz aufgegangen, und sie hatte beiden die Flasche gegeben. Ein Grund für ihr schnelles Einlenken konnte natürlich auch Manfred Oetjen gewesen sein, denn sein unverhohlenes Interesse an Adda hatte ihr geschmeichelt.

Adda hatte sehr lange bei den beiden Lämmern gesessen und sie liebkost. Manfred hatte eine Zeit lang neben ihr gesessen, und sie hatten sich intensiv unterhalten, bis er wieder losmusste.

Adda aber war geblieben und hatte sich noch lange um die beiden Lämmer gekümmert. Es waren die wenigen Augenblicke, in denen Johanna sich ihrer Tochter nah fühlte. Wenn sie so selbstvergessen war, ihre Gesichtszüge weich wurden und keine ständige Abwehr darin zu erkennen war.

Johanna hatte Adda gegenüber immer ein schlechtes Gewissen, weil sie es nicht hinbekam, ihre Tochter so anzunehmen, wie sie war. Sie wagte einfach nicht, dieses Mädchen zu lieben. Es war so, als würde sie Eike ein weiteres Mal betrügen. Hinzu kam diese Lüge, von der Adda nie erfahren durfte, wenn nicht das gesamte Familiengefüge und sie selbst zusammenbrechen sollten. Johanna hätte sich lieber die Zunge abgebissen, als ihre Tochter und ihren Mann derart zu demütigen. Es gab mit ihrer Mutter und Theda zwei Mitwissende, doch auf die konnte sie sich fest verlassen. Und vermutlich dachte sich auch Ingo seinen Teil.

Zum Glück liebte Eike Adda vorbehaltlos. Ob er nichts ahnte oder ob er über alles hinwegsah, wusste Johanna nicht. Und es war auch besser, nicht daran zu rühren und es nicht anzusprechen. Dieses Grabtuch des Schweigens war es, das die Deekens zusammenhielt und das deshalb besser nicht beiseitegezogen werden sollte.

Unwillkürlich wanderte Johannas Hand zur Jackentasche, wo der Brief von Rolf knisterte. Sie hatte ihn noch nicht lesen können. Wie immer hatte ihr die Arbeit im Weg gestanden. Ein so ruhiger Spaziergang wie am Morgen war ihr nur selten vergönnt.

Johannas Hände waren schweißnass. Sie hatte sich sicher gefühlt in den Jahren, als sie und Rolf keinen Kontakt gehabt hatten. Und das drohte nun zu kippen.

Vielleicht sollte ich den Brief einfach verbrennen, ohne ihn zu lesen, dachte sie. Einfach fort damit und so tun, als hätte es ihn gar nicht gegeben. Johanna umfasste das Papier fester. Nein, sie konnte den Brief nicht wegwerfen. Dazu war sie viel zu neugierig.

Eike würde noch eine Weile zu tun haben, denn er musste die frisch entbundenen Mutterschafe in kleinere Boxen neben dem Stall absondern, damit Lämmer und Mütter sich aneinander gewöhnen konnten. Es galt, achtzugeben, ob auch alle Lämmer gesäugt wurden und ob es allen Tieren nach der Geburt gut ging.

Adda war schnell wieder verschwunden. Meist verzog sie sich auf den Eilershof zu Deike. Sie war ihre Großcousine, doch die beiden waren zudem sehr enge Freundinnen. Oft schaute ihre Tochter auch noch bei ihrer Oma auf dem Altenwohnsitz vorbei, der nah am Eilershof lag. Nach dem Tod von Johannas Vater freute sich ihre Mutter Foline über jeden Besuch. Und zu Adda hatte sie ein ganz besonderes Verhältnis.

Von daher hatte Johanna jetzt Zeit, Rolfs Brief in Ruhe zu lesen. Sie beschloss, sich ins Kontor zurückzuziehen. Dort war sie in der Regel allein, denn Eike mochte den Raum mit dem großen Schreibtisch und den vielen Aktenordnern nicht. Hier war er vor Jahren gescheitert, weil er mit der Buchhaltung große Probleme gehabt hatte, woraufhin der Nordseehof beinahe bankrott gewesen wäre.

Johanna steuerte folglich nicht die große Treppe an, über die man in den Nordseehof gelangte, sondern lief mit schnellen Schritten direkt auf das Kontor zu. Es befand sich im Anbau seitlich neben der neu erbauten Scheune und war nur über den Hof zu erreichen.

Sie griff nach dem Schlüssel, den sie immer bei sich trug, öffnete die Tür, huschte hinein und schloss hinter sich ab. Wie liebte sie den Duft der vielen Akten und den Anblick der feinen Staubkörnchen, die im Licht der einfallenden Sonne tanzten! Johanna setzte sich an den Schreibtisch und fingerte den nun schon völlig zerknitterten Umschlag aus der Jackentasche.

Doch dann überlegte sie es sich anders. Hier war nicht der richtige Ort, um Rolfs Brief zu lesen. Hier gab es nichts, was sie mit ihm verband. Sie wollte es dort tun, wo sie sich zum letzten Mal getroffen hatten. Wo sie endgültig erkannt hatten, was sie einander bedeuteten.

Johanna schaute auf die Uhr. Sie würde zum Deich fahren, sich an die Salzwiese setzen und den Brief mit Blick über den Jadebusen lesen.

Johanna steckte den Umschlag zurück in die Jackentasche und ging zur Remise, wo ihr Fahrrad stand. Es wehte zwar – wie immer an der See – eine leichte Brise, aber dafür würde sie auf dem Heimweg Rückenwind haben.

Johanna strampelte mehrere Kilometer gegen den Wind an. Sie überquerte die Bundesstraße 69 und fuhr durch die Marsch, bis sie am Deichfuß des Jadebusens stand. Sie stellte das Rad am Gatter ab, öffnete es und erklomm den Deich. Oben wehte es noch heftiger, aber das mochte sie. Linker Hand lag das kleine Siedlungsdorf Cäciliengroden, schaute man weiter über den Jadebusen, war dort die Stadt Wilhelmshaven zu erkennen. Rechts befanden sich Dangast und weiter nördlich Eckwarderhörne. Jetzt herrschte auflaufend Wasser, und wegen des Windes waren auch Teile der Salzwiese geflutet. Die Wellen tanzten mit Schaumkronen über die Wasseroberfläche des Jadebusens, und die Luft roch nach Salz und Seetang. Johanna atmete ein paarmal tief durch.

Ja, hier ist es passend, Rolfs Brief zu lesen, dachte sie. Da es auf der Landseite aber weniger windig war, beschloss sie, sich am Deichfuß auf das Schafgatter zu setzen.

Mit zitternden Händen öffnete sie den Falz und beförderte das Papier zutage. Ihr verschwammen vor Aufregung die Buchstaben vor den Augen.

Johanna spürte, wie ihr die Tränen kamen, allein bei dem Gefühl, dass sie nach so vielen Jahren etwas von Rolf in der Hand hielt. Ihr wurde deutlich, wie sehr sie die Gedanken an ihn verdrängt hatte und wie leicht es war, alles wieder an die Oberfläche zu spülen. Sie rieb sich die Augen.

Schon die ersten Worte, als er sie »meine Hanna« nannte, lösten in ihr einen wahren Gefühlssturm aus.

Es war fast so, als verströme das Papier seinen erdigen Duft, als flüsterten die Buchstaben die Worte, die sie sich noch nicht zu lesen getraut hatte.

Oberhausen im März 1973

Meine liebe Hanna,

wir haben lange nichts voneinander gehört, und das war sicher auch gut so. Warum ich Dir ausgerechnet jetzt schreibe?

Ich kann es gar nicht genau sagen. Auf jeden Fall hat unser Stern vor einiger Zeit besonders hell geblinkt, fast, als fordere er mich auf, endlich ein Lebenszeichen an Dich zu senden, weil Du vielleicht darauf wartest. Das klingt überaus sentimental, ich weiß.

Wie geht es Dir, meine Hanna? Ach, wie sollst Du mir antworten, wo ich Dir extra keine Adresse aufschreibe! Du wolltest mich nicht mehr sehen und nichts mehr von mir hören. Letzteren Wunsch breche ich nun. Unerklärlicherweise schreiben sich die Worte wie von selbst und müssen einfach aufs Papier. Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht Dein Gesicht vor mir sehe. An dem ich nicht Deine Stimme höre – und dann merke, dass es nur ein Tagtraum war. Und an dem ich nicht unseren Stern am Himmel suche, der unverändert blinkt und mir deine Grüße zuschickt.

Mir liegt am Herzen, Dir zu schreiben, dass es mir trotzdem gut geht, und ich hoffe dasselbe von Dir.

Ich bin noch immer mit Dagmar verheiratet. Es ist keine stürmische Beziehung, aber eine, die mir Halt gibt und mich nicht einsam und traurig werden lässt. Deshalb will ich nicht klagen. Ich lebe weiterhin in Oberhausen, habe mir mit Dagmar ein Bergarbeiterhaus in einer Siedlung in der Nähe der Zeche gekauft. Wir besitzen einen kleinen Garten.

Bei euch geht sicher alles seinen gleichförmigen Gang. So sicher, wie der Tag kommt und geht, so sicher wie die Gezeiten, so gleichförmig verläuft auch euer Dorfleben. Manchmal sehne ich mich direkt danach zurück, liebe Hanna, denn in der Stadt ist alles kurzlebig und ungewiss. Was heute stimmt, muss morgen nicht mehr richtig sein. Die Menschen sind hektischer, reagieren oft unwirsch, wenn es nicht schnell genug geht. Das gibt es bei euch sicher nicht.

Ich arbeite noch immer im Bergbau, bin inzwischen Obersteiger und fahre sogar einen Mercedes! Wer hätte das von dem armen schlesischen Flüchtling gedacht, dass er es einmal so weit bringt? Aber heute nennt man uns ja auch nicht mehr so. Heute sind wir Vertriebene.

Wie lange es auf dem Pütt noch geht, werden wir sehen. Das Ruhrgebiet, die schwarze Lunge, soll wieder atmen können, sagt man. Es sind schon viele Zechen stillgelegt worden. Die Germania in Dortmund. Die Helene in Essen und in Gelsenkirchen die Zeche Graf Bismarck.

Noch bin ich an der Zeche Jacobi, aber hier droht im nächsten Jahr auch das Aus. Ich habe mich schon woanders beworben, möchte meinen Steiger-Status nutzen und als Ingenieur zu den Stadtwerken Oberhausen gehen. Drück mir die Daumen.

Und liebe Grüße an Deine Tochter …

Ich wünsche Dir das Beste, meine liebe Hanna!

Dein Rolf

Johanna ließ den Brief sinken. Sie starrte über die Marsch. Ließ den Blick in die Richtung wandern, wo sich einst das Janßenhaus befunden hatte und Adda gezeugt wurde. Dort befand sich nach all den Jahren nicht einmal mehr eine Ruine. Es war so, als hätte es das alte Haus, das ihnen als Liebesnest gedient hatte, nie gegeben. Sie musste die Vergangenheit endlich ruhen lassen. Allein Eikes und der Kinder wegen. Johanna schloss die Augen und sah in Gedanken Eike aus dem Schafstall kommen. Ruhig und gesetzt, wie er war, gab er den beiden Mitarbeitern Anweisungen. Ihr Mann. Dem sie Treue geschworen und den sie doch mit Rolf betrogen hatte. Es war nicht gut, dass sie dessen Worte in der Hand hielt.

Johanna hatte plötzlich Mühe, tief ein- und auszuatmen. Rolf hätte sich an die Abmachung halten sollen. Seine Worte rissen die alten Wunden mit großer Wucht wieder auf. Wunden, von denen sie gedacht hatte, dass sie schon vernarbt waren, und bei denen sie jetzt feststellte, dass es doch nur dünne Krusten waren, die schon beim vorsichtigen Kratzen zu bluten begannen.

Wenn sie den Brief behalten und ein zweites Mal lesen würde, lief sie Gefahr, dass das Geschriebene sich einen zu großen Platz in ihrem Herzen suchen und sie womöglich Rolfs Adresse ausfindig machen und ihm antworten würde. Das durfte sie auf keinen Fall zulassen.

Johanna nahm den Brief und zerriss ihn in winzig kleine Schnipsel. Dann erklomm sie die Deichkrone erneut und öffnete die Hand. Eine kräftige Böe ließ die Schnipsel aufwirbeln und trug Rolfs Worte Richtung Marsch davon. So war es am besten.

Johanna atmete mit geschlossenen Augen tief ein und aus. So lange, bis ihr etwas leichter ums Herz war. Nach und nach nahm sie auch die Geräusche rings umher wieder wahr.

Ein Hund bellte irgendwo ungestüm, und ein Trecker blubberte über die Wiese. Ein Kiebitz flog von der Salzwiese auf, und ein Brandganspaar watschelte über das Grün.

Hier war ihr Leben. Hier, an der Nordsee. In der Schäferei. Auf dem Nordseehof.

Kapitel 3

Rolf saß auf einem Stuhl in seinem Garten des kleinen, grauen Zechenhauses. Er hatte einen Strohhut auf dem Kopf, eine Flasche Köpi in der Hand und sah einem laut tschilpenden Spatzenpaar zu. Es war sein letzter Urlaubstag, und er hatte sich dick eingemummelt. In den letzten Aprilnächten hatte es tatsächlich noch einmal gefroren, und die Temperaturen bewegten sich auch tagsüber nur selten über zehn Grad. Trotzdem saß Rolf am liebsten draußen und hing seinen Gedanken nach.

Dagmar war gerade dabei, ein paar Primeln einzupflanzen. Das tat sie gern. Rolf betrachtete sie, während er am Bier nippte. Seine Frau hatte sich verändert, auch wenn sie noch immer rank und schlank war. Aber es fehlten das gewisse Etwas und die Beständigkeit. Zwei Merkmale, die Dagmar früher so außergewöhnlich gemacht hatten. Leider trank sie auch oft zu viel. Vor allem vom Danziger Goldwasser, und an den Tagen ließ sie sich gehen. Wenn sie ihren Rausch ausgeschlafen hatte, war sie dann plötzlich wieder wie aus dem Ei gepellt und nach der neuesten Mode gekleidet. Dagmar war ein Widerspruch in sich, was das Zusammenleben mit ihr nicht einfach machte.

»Hömma, Menzelchen!«, rief sie jetzt und schaute vom Beet hoch. Sie wischte sich mit dem Handrücken eine Strähne aus der Stirn. »Du bist so komisch. Hängst da rum und starrst in die Gegend. Was ist denn in der letzten Zeit mit dir los?«

In der letzten Zeit, dachte Rolf. Nein, er war nicht erst in der letzten Zeit komisch. Das ging schon länger, und es wurde tatsächlich immer schlimmer.

Richtig übel war es seit dem Moment, als er sich vor vier Wochen endlich getraut hatte, den Brief an Johanna in den Kasten zu stecken. Natürlich ohne dass Dagmar davon wusste. Sie hätte es mitnichten gutgeheißen, dass er seiner alten Liebe schrieb. Aber er hatte es tun müssen. Die Erinnerungen waren mit Macht auf ihn eingestürmt, nachdem er in einer Nacht ihren Stern besonders hell hatte blinken sehen und die bohrenden Fragen wieder übermächtig geworden waren. So schlimm, dass er es nicht länger ausgehalten hatte.

»Menzelchen!«, rief Dagmar wieder. »Kannst du mir mal helfen? Das ist hier wirklich schwer!«

»Komme gleich!«, rief Rolf, blieb aber sitzen. Er hatte Dagmar gegenüber ein schlechtes Gewissen, weil er wieder Kontakt zu Johanna aufgenommen hatte. Ihn quälte der Gedanke, dass sie damals, nach ihrem letzten Zusammentreffen, noch eine Tochter bekommen hatte. Konnte sie von ihm sein? Er wusste es nicht, weil er nichts Genaues erfahren hatte und Johanna sich beharrlich in Schweigen hüllte. Auch in dem Brief hatte er nicht fragen mögen, nur diesen kleinen Gruß hatte er gewagt. Die jahrelang so erfolgreich verdrängten Gedanken waren nach seinem Anflug von Sentimentalität immer stärker geworden. Deshalb hatte er einen ersten Brief verfasst – zerknüllt und weggeworfen. Dann den nächsten. An einem Tag war Rolf sogar ins Auto gestiegen und einfach losgefahren gen Norden – um nach fünfzig Kilometern wieder umzudrehen. Johanna wollte ihn nicht sehen, und inzwischen bereute er sogar schon wieder, dass er ihr geschrieben hatte. Es war seiner Frau gegenüber unfair. Hanna würde ihm doch nicht antworten und ihn mit seinen Fragen allein lassen. Wenn sie ihm all die Jahre keinen Hinweis darauf gegeben hatte, dass sie ein gemeinsames Kind hatten, würde sie das jetzt auch nicht tun. Vielleicht gab es auch gar nichts zu erzählen, weil Adda Eikes Tochter war.

Wieder riss ihn Dagmars Stimme aus seinen Gedanken. »Rolf, hast du mir überhaupt zugehört? Der Paul will nach Feierabend herkommen! Hat er doch letzte Woche gesagt, als er uns besucht hat. Bis dahin müssen wir das hier fertig haben. Und den Stein kriege ich nicht allein weg. Nun mach mal voran!«

»Ja doch!«, antwortete Rolf genervt. »Ich trage ihn gleich fort. Nur noch das Bierchen.« Er seufzte und hing weiter seinen Gedanken nach. Dass Paul schon wieder zu Besuch kam, wurmte ihn, denn der Junge erinnerte ihn jedes Mal an seine Zeit auf dem Nordseehof, weil er das letzte, wirklich verbindende Glied war. Paul war der Sohn von Dagmars Freundin Manu Ehlers und Reent Deeken, Johannas Schwager, der eine Zeit lang im Ruhrgebiet gelebt hatte.

Manu war damals zusammen mit Dagmar bei ihrem ersten Zusammentreffen in der Kneipe gewesen und hatte sich irgendwann mit Reent eingelassen – der natürlich abgetaucht war, als er von Manus Schwangerschaft erfuhr. Bei Pauls Geburt war Reent schon tot gewesen, aber es hätte für Manu auch nichts geändert, wäre er am Leben geblieben.

Paul hatte Reents blondes, glattes Haar, die Sommersprossen und den kräftigen Körperbau geerbt. An Johannas Schwager aber wurde Rolf nur ungern erinnert. Er war sich sicher, dass weder Eike noch Hanna wussten, dass es neben Deike und Hajo einen weiteren von Reent gezeugten Neffen gab. Rolf wäre es lieber gewesen, wenn Paul nie erfahren hätte, wer sein Vater war. Aber er war machtlos, denn natürlich hatte Manu ihrem Sohn von Reent erzählt und auch, woher er stammte.

Dass Rolf auch mal auf dem Nordseehof gelebt hatte, war bislang nicht zur Sprache gekommen. Er hoffte, dass es so blieb und seine Verbindung zu Johanna kein Thema wurde. Dagmar würde es von sich aus nie ansprechen, um sich nicht selbst in den Rücken zu fallen, denn Johanna war für sie auch nach den vielen Jahren noch immer ein Feindbild. Und Rolf vermied jedes Thema, das mit Ostfriesland oder der Schäferei zu tun hatte. Und doch hing es wie ein Damoklesschwert über ihm, dass Paul davon Wind bekommen konnte. Rolf mochte ihn nicht, er hielt ihn für genauso verschlagen wie seinen Vater und fürchtete, dass dieses Wissen zu großer Unruhe führen könnte.

Jetzt war Paul ohnehin erst einmal beschäftigt, denn er hatte die Banklehre beendet und dort eine Anstellung gefunden. Zudem hatte er den Führerschein bestanden, und mit Unterstützung seiner Mutter und seinem in der Lehre zurückgelegten Geld war er in der Lage gewesen, einen knallroten Porsche zu kaufen, mit dem er nun protzig durch die Gegend knatterte. Diese Überheblichkeit passt zu ihm. Auch wenn er seinen Vater nie kennengelernt hatte, sah Rolf durchaus Parallelen.

Leider hatte Dagmar an Paul einen Narren gefressen. Er genoss das und tauchte ständig bei ihnen auf. Rolf war auf der Hut, nur gab es keinen Grund, Paul das Haus zu verbieten.

»Aber dann wirklich, Rolf!« Er hörte, wie Dagmar den Spaten in die Erde hieb. Langsam wurde ihm kalt, und er sollte ihr endlich zur Hand gehen.

»Nur noch kurz zu Ende denken«, sagte Rolf leise zu sich. »Ganz kurz, bis die Flasche leer ist. Noch ein kleines bisschen nachsinnen …«

Er hatte seinen Kummer wegen Johanna damit kompensiert, dass er Karriere im Bergbau gemacht hatte. Da waren seine Kumpel. Die gaben ihm Halt und den nötigen Spaß am Leben.

Zugegebenermaßen hatte ihn auch Dagmar unglaublich getröstet. Egal, ob sie ab und zu heimlich ein bisschen zu viel trank. Egal, ob sie sich ein wenig gehen ließ und es mit der Treue nicht immer so genau nahm. Wenn Dagmar böse auf ihn war oder enttäuscht, ging sie manchmal zu anderen Männern. Sie hatte es nie zugegeben, aber Rolf wusste, dass es so war. Ihre Rache an ihm, weil er Hanna noch immer liebte. Er hätte sie deswegen verlassen können, doch es verletzte ihn nicht genug. Er und Dagmar – sie klammerten sich aneinander wie zwei Ertrinkende, die nicht begreifen wollten, dass keine Rettung in Sicht war und sich ihre Lage nicht verbessern würde.

Aber Dagmar war für ihn da. Er mochte sie mit einer Selbstverständlichkeit, wie ein Kind seinen abgeliebten Teddy mochte.

Aber sie war eben nicht Johanna … Allein der Gedanke an sie brachte sein Herz zum Glühen, ließ seine Hände noch immer leicht zittern und ihm bei der Erinnerung an ihre Stimme warme Schauer über den Rücken laufen.

Er zuckte zusammen, weil Dagmars Spaten offenbar gegen Stein gestoßen war. Es war ein unangenehmes Ge-räusch.

»Menzelchen! Hier ist noch so ’n Ding!« Dagmar klang zickig. Rolf drehte die Flasche um und ließ den winzigen Rest ins Gras tröpfeln. »Ich komme schon.«

Jetzt stapfte Dagmar auf ihn zu, stellte sich vor ihn und stemmte die Hände in die Hüften. »Ich bin froh, wenn du morgen wieder auf Zeche musst. Urlaub ist nichts für dich, Menzelchen. Dann wirst du apathisch.«

Rolf blinzelte gegen die Sonne, als er Dagmar ansah. Sie war mit der Zeit herrischer geworden. Aber das sagte er ihr lieber nicht, wenn er einer endlosen Diskussion aus dem Weg gehen wollte. Dagmar neigte zum Dramatisieren und würde gleich eine Grundsatzdiskussion beginnen, die immer, wirklich immer, mit ihrem Äußeren zu tun hatte. Sie hatte unglaubliche Probleme mit dem Älterwerden. Deshalb musste Rolf vorsichtig sein, was er sagte. Denn ihn störte ja nichts an ihrem Äußeren. Was ihn wirklich störte, dafür konnte sie nichts. Sie war eben nicht seine Hanna. Es wäre brutal und gemein gewesen, das laut zu sagen. Dagmar liebte ihn nämlich. Auf ihre direkte Art und mit einer unglaublichen Entschlossenheit, die ihm manchmal Angst machte.

Deshalb nahm er alles hin und schwieg. So, wie sie beide zu den meisten Themen schwiegen, die sie zwingen würden, sich miteinander zu beschäftigen und Dingen Farbe zu geben. Die Wahrheit hätte ihre Beziehung nicht verkraftet, doch gleichzeitig wollten sie nicht ohne den anderen sein. Weil es keinen Menschen in ihrem Leben gab, der sie auffangen würde.

Rolf erhob sich und ging zu Dagmar, die sich ächzend den Rücken rieb. Er bekam ein schlechtes Gewissen. »Ich kümmere mich jetzt um die Steine. Du kannst dich ausruhen, Liebes.« Rolf griff nach dem Spaten.

»Danke. Ich mach mal ein paar Schnitten.« Dagmar trollte sich ins Haus.

Morgen würde wieder Normalität bei ihnen einkehren. Er musste zurück auf Zeche, Dagmar ins Büro. Sie arbeitete inzwischen bei der Stadtverwaltung.

Rolf hatte zu Beginn des Urlaubs eine Bewerbung zu den Oberhausener Stadtwerken geschickt. Er hoffte auf eine baldige Antwort, denn die Zukunft der Kohle war ungewiss.

Trotzdem mochte Rolf ihr kleines, beschauliches Leben in der Siedlung. Nach Feierabend kümmerte Dagmar sich um den Haushalt und er sich in der Regel um den Garten. Hin und wieder verschwand er in den Treffpunkt, am liebsten sonntagmorgens zum Frühschoppen. Sie gingen nur noch selten gemeinsam aus. Dagmar zog es vor, zu Hause zu bleiben, mit ihren Freundinnen zu stricken und zu häkeln oder mit ihnen spazieren zu gehen. Ab und zu zog sie mit Manu los. Ohne ihn.

Ende der Leseprobe