Der Orden der Flammen - Luisa Ruthe - E-Book

Der Orden der Flammen E-Book

Luisa Ruthe

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Beschreibung

Der Kaiser des Reiches wurde ermordet. Als Der Orden der Flammen herausfindet, dass die Nachtjäger dahinterstecken, wird eines klar: Dies ist erst der Anfang. Der Beginn eines Krieges, welcher weitere Opfer fordern würde. Während sich die Wege von Herim und Areon vorerst trennen, wird ein Mann auf den jungen Magier angesetzt, der ebenfalls das Brandzeichen des Feuers trägt. Es stellt sich bald heraus, dass den Nachtjägern jedes Mittel recht ist, um Areon auf ihre Seite zu ziehen. Wird der Orden fortbestehen können oder ist sein baldiger Untergang besiegelt?

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Seitenzahl: 217

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Der Orden der Flammen

Kapitel 1:  Von Katakomben und PortalenKapitel 2: Die schwarze SonneKapitel 3: Klare WorteKapitel 4: Stummer AbschiedKapitel 5: Alte KräfteKapitel 6: FeuerteufelKapitel 7: ZweikampfKapitel 8: Wälder und WiesenKapitel 9: KriegsratKapitel 10: Flammende TräumeKapitel 11: Spionin des HofesKapitel 12: HilflosKapitel 13: ZweifelKapitel 14: EinsamkeitKapitel 15: Ein guter LehrmeisterKapitel 16: Wanderndes LichtKapitel 17: Asche und RauchKapitel 18: Eine alte LegendeKapitel 19: Ein gutes HerzKapitel 20: BlutsbandeKapitel 21: Schlechte NachrichtenKapitel 22: EntscheidungenLeseprobe: FeuerschattenMehr Fantasy? (Leseproben)Hinweis der AutorinDanksagungImpressum

Kapitel 1:  Von Katakomben und Portalen

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Anwesen des Ordens der Flammen

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Murrend und schlaftrunken setzte Areon sich in seinem Bett auf. Sein missmutiger Blick streifte die Tür, welche nicht weit von ihm auf den Hauptgang führte. Als er kurz zum Fenster in der Wand gegenüber sah, stellte er fest, dass die Morgendämmerung noch nicht einmal eingesetzt hatte. Und trotzdem erklangen laute Stimmen, beinahe direkt vor seinem Zimmer.

Vor etwa einer Woche waren Herim und er endlich auf dem besagten Hügel angelangt. Die riesige Eiche war kaum zu übersehen. Dort hatte Jarvan sie bereits erwartet und mit wie üblich guter Laune gen Osten geführt, bis sie schlussendlich das alte Gehöft betreten hatten. Es schien ein einst verlassenes Gutshaus gewesen zu sein – ein großes Haupthaus mit etlichen Nebengebäuden und sogar einer Reithalle, welche nun mit Sicherheit von den Schwertkämpfern genutzt wurde.

Seltsamerweise hatte er Tritos bis jetzt nicht gesehen. Viele andere waren ihm bereits über den Weg gelaufen: Franko beispielsweise, welcher sich bereits am dritten Tag mit Herim messen wollte. Natürlich hatte sein Partner den Herausforderer geschlagen, seiner Meinung nach sogar relativ mühelos.

Der Meister des Ordens aber, welchen er bitten wollte, ihn zu unterrichten, war nicht aufzufinden. Selbst die anderen schienen nicht zu wissen, wo er war. Lediglich Jarvan hatte angedeutet, der ältere Mann sei in den Katakomben unterhalb des Gutshofes, um ein Portal zu erschaffen, das sie irgendwie mit dem kaiserlichen Palast verbinden konnte. So wären sie immer zur Stelle, wenn der Kaiser sie wider Erwarten einberufen würde.

Die Aufgabe des Ordens war es schließlich immer noch, die Herrscherfamilie zu beschützen. Dass diese sie nicht in direkter Nähe haben wollte, hatte sich die letzten Generationen über nicht geändert. Trotzdem waren sie an den Schwur ihrer Vorväter gebunden und mussten stets bereit sein, dem nachzukommen.

Entnervt schlug Areon die leichte Wolldecke, welche bis eben noch seinen Körper wohlig gewärmt hatte, zur Seite. Er stand auf und begab sich auf den Weg zur Tür. Lediglich in eine knielange, dünne Stoffhose gekleidet. Schon wieder erhoben sich von dort eilige Schritte und Stimmengewirr. Wenn er eines hasste, dann war es, so unsanft geweckt zu werden.

Bevor er aber die Klinke auch nur anrühren konnte, schwang das Holz plötzlich auf und knallte ihm mit ganzer Kraft ins Gesicht. Unter einem unterdrückten, allerdings trotzdem laut zischenden Fluch stolperte er einen Schritt zurück und funkelte denjenigen, der erschrocken im Türrahmen stand, wütend an.

Vorsichtig tastete er seine Nase ab. Ein dünnes Rinnsal Blut fand sich auf seiner Handfläche wieder, gebrochen war jedoch nichts. Schmerzen tat es trotzdem und er hatte Mühe, Jarvan durch seine mit Tränen gefüllten Augen überhaupt zu erkennen.

„Oh, entschuldige, Areon. Ich dachte, du schläfst noch.“ Murrend warf er einen Blick am Jüngeren vorbei. Etliche Novizen und ausgebildete Mitglieder des Ordens liefen scheinbar aufgeregt hinter dessen Rücken vorbei.

„Glaubst du wirklich, ich könnte bei so einem Krach weiterschlafen?“, entgegnete er und wischte diese Frage sogleich mit einer einfachen Handbewegung weg. Darauf benötigte er keine Antwort, ganz im Gegensatz zu seiner nächsten.

„Was ist denn überhaupt passiert?“ Der Blick des jungen Mannes wurde eine Spur finsterer – etwas, das man bei ihm nicht oft sah. Also war die Situation wohl ernst.

„Tritos hat uns zu sich gerufen. Wir wissen noch nichts Genaues, aber es scheint wohl, als wäre der Palast angegriffen worden.“ Wie vom Blitz getroffen stand Areon einen Moment einfach nur da, während diese Worte allmählich zu ihm durchdrangen.

„Warte einen Moment“, raunte er dem halb Magier, halb Schwertkämpfer zu, unsicher, ob dieser es überhaupt gehört hatte. Eilig zog er sich in sein Zimmer zurück, zog sich seine übliche Kleidung an und packte den Stab, welcher wie gewöhnlich neben seinem Bett griffbereit lag. Dann öffnete er die Tür erneut und deutete dem Jüngeren, dass er bereit war.

Dieser starrte ihn einen Moment lang nur an, nickte aber schlussendlich und wies ihn an, ihm zu folgen. Natürlich – Areon hielt seine Waffe unverhüllt in der Hand, somit mussten erneut Flammen in seinen Pupillen tanzen. Es war nicht verwunderlich, dass dies Jarvan im ersten Moment irritiert hatte. Bisher hatte er seine Waffe hier auch noch nicht benutzt. Aber der junge Mann wäre nicht Mitglied dieses Ordens, würde ihn so etwas aus der Ruhe bringen.

„Guten Morgen, Bruderherz! Hallo, Areon!“, erklang eine Stimme von der Seite und er sah sich fragend um. Jarvans Schwester, welche ihn auf dem alten Anwesen einmal beinahe über den Haufen gerannt hatte, lief geradewegs an ihnen vorbei und winkte fröhlich zu ihnen herüber. Die blonden, aber dunkler als die ihres Bruders anmutenden Haare hatte sie nach hinten zu einem Zopf geflochten. Den hellen, blauen Augen wohnte der gleiche Glanz inne. Ihre Verwandtschaft war wirklich unübersehbar. In stummer Übereinkunft folgten sie der jungen Frau.

„Was ist denn eigentlich genau geschehen?“, fragte Areon, doch Jarvan erwiderte nur ein undeutliches „Ich weiß es nicht“, während sie das Ende des Flures erreichten und anschließend die Treppe hinunter in Richtung der Katakomben hinter sich ließen.

Die breite, aus dunklem Holz gefertigte Flügeltür, welche normalerweise verschlossen war, stand weit offen. Mit ihnen betraten noch weitere Mitglieder des Ordens die unterirdischen Gänge. Ihm selbst war nicht wohl dabei. Er mochte Friedhöfe nicht sonderlich. Seiner Meinung nach müsste man entsprechend dem Wort FRIEDhof den Toten ihre Ruhe lassen. Normalerweise war er nicht abergläubisch, aber solche Orte bereiteten ihm Unbehagen. Hier, unter der Erdoberfläche und in den schmalen Durchgängen, bildete sich auf seinen Armen sogleich eine Gänsehaut. Auch die feinen Härchen in seinem Nacken stellten sich zitternd auf.

„Ich habe von Herim gehört, du seist ein notorischer Unruhestifter und hättest dich bereits etliche Male mit der Stadtwache angelegt. Und dann macht dir solch ein Ort Angst?“, sprach ihn Jarvan von der Seite an und er schnaubte abwertend – eine Angewohnheit, die scheinbar von seinem Partner auf ihn abgefärbt hatte.

„Das waren doch nur Kleinigkeiten, nicht viel mehr als Scherze. Ich habe nie Gräber geplündert oder sonstiges auf einem Friedhof zu suchen gehabt“, erwiderte er daraufhin. Der Jüngere jedoch lachte nur amüsiert.

Sie passierten etliche dunkle Seitengänge, welche oft Sackgassen darstellten. Einige wenige Fackeln leuchteten ihnen den Weg. Einmal sogar meinte er, rechts von ihm hätte ein Totenkopf auf einem der steinernen Särge gelegen und ihn aus leeren Augenhöhlen angestarrt. Reiß dich zusammen, ermahnte er sich und konnte trotzdem nicht verhindern, dass ein eisiger Schauer seinen Rücken herablief.

Nicht weit vor ihnen schienen sich die übrigen Ordensmitglieder versammelt zu haben, denn dort breitete der Gang sich zu einem größeren Raum aus. Da der Boden unter ihnen abflachte, sie also noch ein wenig tiefer führte, konnte er über die Köpfe der anderen hinweg für einen Moment Tritos ausmachen. Der Meister stand an der hinteren Wand und neben diesem klaffte ein dunkles, großes Loch, dessen schwarzes Inneres sich langsam zu drehen schien – ein Portal?

Jarvan und er blieben hinter den anderen stehen, auch nach ihnen kamen noch vier weitere Mitglieder hinab und schlossen sich der Gruppe an. Einen Moment standen sie lediglich da. Niemand wagte es, ein Wort zu sprechen. Dann endlich erhob der Meister des Ordens selbst seine Stimme: „Gut, nun müssten alle hier sein. Entschuldigt mich, dass ich euch so früh hierher gerufen habe, allerdings gibt es dafür einen Grund, wie ihr euch sicher denken könnt. Der Palast wurde heute Nacht angegriffen. Ceros hat mich kontaktiert und um Unterstützung gebeten.“ Leise raunte Areon dem jungen Mann neben sich zu, wer dieser Ceros sein sollte. Knapp erklärte dieser ihm, dass dies der einzige Magier am kaiserlichen Hofe war, welcher nicht bereits davongejagt worden ist. Er diente wohl sogar als Berater. Verstehend nickte er und wandte sich wieder Tritos zu.

„Ich werde, zusammen mit einigen von euch, zu ihm stoßen, um die kaiserliche Familie zu schützen. Herim, Areon, Jarvan, Franko und Celina – ihr werdet mich begleiten. Ihr anderen achtet darauf, dass niemand außer uns durch dieses Portal kommt. Morhan – ich überlasse dir alle weiteren Angelegenheiten hier auf dem Anwesen.“ Wie zur Selbstbestätigung nickte der ältere Mann und augenblicklich tat sich vor Areon eine schmale Gasse auf. Er schluckte, ihm war das alles nicht geheuer. Zusammen mit Jarvan und dessen Schwester trat er bis auf eine Armeslänge an ihren Meister heran. Tritos' Blick blieb kurz an dem Seinen hängen, dann wandte der ehemalige Magier sich ab.

„Wenn wir auf der anderen Seite angekommen sind, müssen wir sehr vorsichtig sein. Im Palast wird Chaos herrschen“, raunte der Anführer des Ordens ihnen leise zu, als Herim ebenfalls zu ihnen herantrat und die sich drehende Schwärze misstrauisch begutachtete.

„Ich hoffe, das ist es wert“, murrte der Krieger missmutig.

„Der Kaiser ist tot“, erklang Tritos Stimme erneut, gedämpft und leise, sodass nur sie es hören konnten. Bitte was?

Neben ihm ließ sein Partner die bis dahin vor der Brust verschränkten Arme sinken. Beinahe im gleichen Moment trat ihr Meister in den dunklen Wirbel hinein und verschwand. Herim verzog unwillig das Gesicht und folgte ihm, während unwirsche, halb verschluckte Worte dessen Lippen entwichen. Areons Mundwinkel zuckten amüsiert, denn er hatte ihn genau verstanden:

„Ich hasse Portale.“

Kapitel 2: Die schwarze Sonne

„Verdammt!“, schnaubte Herim missmutig, als er sich ächzend wieder aufrichtete. Sein Schädel pochte dumpf, doch immerhin war der Aufprall weich gewesen. Missmutig, aber aufmerksam sah er sich um. Er saß auf einem breiten Bett mit einer Matratze, welche seinen Rücken schon jetzt schmerzen ließ. Da schlief er doch lieber auf dem Boden. Das Zimmer, in dem er sich befand, war mit dunklen Holzmöbeln eingerichtet. Es erinnerte ihn an das Arbeitszimmer des Ordensmeisters.

Überhaupt – wo waren die anderen? Schnaubend stellte er fest, dass er allein war. Nicht einmal die andere Seite des Portals war mehr zu sehen. Das Schlimme an Portalen war ihre Ungenauigkeit, besonders auf großen Distanzen. Er hasste diese Unzuverlässigkeit. Zwar hatte dieser Magier, welcher im Palast angestellt war, es scheinbar geschafft, eines zu öffnen, doch eigentlich überraschte es ihn nicht, dass sie nicht dort ankamen, wo sie es hätten tun sollen. Ob alle von ihnen woanders gelandet waren? Hoffentlich war zumindest jeder von ihnen in einem Stück angekommen.

Schnaufend verließ er die weiche Matratze und stemmte sich hoch. Er warf einen Blick auf die riesige Fensterfront, welche rechts von ihm in die Wand eingelassen war. Ein Hof, größtenteils gepflastert und gepflegt. Nur wenige Menschen, meist in zumindest leichter Rüstung, liefen hin und her. Er sah einen Ritter unter ihnen, das Wappen des Reiches auf dem schwarzen, langen Mantel tragend. Ein Kaiserlicher Ritter? Im gleichen Moment fiel ihm das Banner auf, welches den gegenüberliegenden Turm zierte. Ein goldener Adler auf schwarzem Grund. Darunter zwei sich kreuzende Getreideähren. Dieses Wappen markierte die Herrschaftssitze des Kaisers. Davon gab es nur zwei. Einen in der Hauptstadt im Norden und die andere im Süden.

Die Landschaft schien eher von Flachland geprägt. Äcker, Wiesen und Wälder waren bis zum Horizont hin zu erkennen. Dort – über den Wipfeln der Bäume – zeigte sich bereits das erste zögerliche Sonnenlicht des angebrochenen Tages. Somit war er hier wohl richtig. Nun war es an der Zeit, loszuziehen und die anderen zu finden. Am besten so unauffällig wie möglich.

Während er gerade das Bett verlassen wollte, schwang auf einmal eine der zwei hereinführenden Türen auf. Einen Moment später – er hatte nicht einmal wirklich reagieren können – ließ der hohe Schrei einer Frau es in seinen Ohren klingeln. Eine Haarbürste flog knapp an seiner linken Wange vorbei.

„Ein Dieb! Ein Dieb! Wachen! Wachen!“, kreischte es, dass er wünschte, er hätte sich die Ohren zugehalten. Die sichtlich erschrockene Frau stand, nur in ein Handtuch gewickelt, rechts von ihm im Raum. Bevor er auch nur auf sie hatte eingehen können, warf es die zweite der Türen beinahe aus den Angeln. Zwei in schwere Rüstungen gekleidete Männer betraten das offensichtliche Schlafzimmer. Herim war definitiv überrascht. Was machte denn die Garde des Kaisers vor dem Zimmer einer Frau?

„Prinzessin, ist mit Euch alles in Ordnung?“, brachte einer von ihnen überhastet heraus. Dieser blieb dann jedoch wie angewurzelt stehen und starrte Herim an. Irgendwie kam dieser Ritter ihm bekannt vor. Schließlich fiel es ihm wieder ein, als dessen tiefe, befehlsgebende Stimme sich gänzlich an ihn wandte: „Du schon wieder.“ Dieser Mann war Mitglied der Gruppe gewesen, welche Areon und er in einem kleinen Dorf... kennengelernt hatten. Ein Kind war von wilden Hunden verschleppt worden und dieser Kerl hatte sich am Morgen danach über den jungen Magier beschwert. Eine gute Basis für ein erneutes Aufeinandertreffen bot dies nicht gerade. Die dunklen Augen musterten ihn skeptisch, dann jedoch wandte der Ritter sich wieder der jungen Frau zu.

„Ist mit Euch alles in Ordnung? Hat er Euch etwas getan?“ Erst da realisierte Herim, dass vor ihm wohl gerade die Tochter des Kaisers stand. Was tat man in einer solchen Situation? Sich verbeugen und entschuldigen? Er wusste es nicht, schließlich hatte er bisher nie mit der kaiserlichen Familie zu tun gehabt. Besser, er tat nichts davon, eh er sich noch blamierte.

„Ich kann Euch vergewissern, dass ich kein Dieb bin. So schnell, wie Eure Wachen hier waren, standen sie vermutlich vor der Tür. Zudem befinden wir uns hier im dritten Stockwerk. Ich mag viele Fähigkeiten haben, aber Fliegen zählt nicht dazu. Meine Freunde und ich kommen vom Orden der Flammen. Euer Hofmagier sollte uns durch ein Portal geleiten, aber diese Dinger sind leider sehr ungenau, wenn die Entfernung weit ist. Dadurch muss ich wohl hier gelandet sein. Ich wollte Euch nicht erschrecken, entschuldigt.“ Jetzt hatte er sich doch entschuldigt. Vermutlich war das auch ganz gut so. Herim kam es vor, als würden seine Lippen beim Reden austrocknen. Weshalb war er denn so nervös?

„Wenn das so ist, muss ich mich bei Euch für Euer Kommen bedanken. Mein Vater wurde vor ein paar Tagen von einigen Männern getötet, daher habe ich Euch rufen lassen. Wenn Ihr mich entschuldigen würdet – ich möchte mich ankleiden. Anschließend werde ich Euch in die Gemächer unseres Hofmagiers geleiten, dort dürften Eure Freunde bereits auf Euch warten“, erwiderte die Prinzessin und Herim musterte sie einen Moment lang. Ihre Stimme klang nun wesentlich gefasster. Ihre Haltung war selbstsicherer, aufrechter. Das stechende Grün ihrer Augen wirkte ruhiger. Es schien, als würde es durch die schwarzen Haare, welche ihr Gesicht umrahmten, beinahe leuchten. Er musste sie vorhin wirklich kalt erwischt haben. Gut, wer rechnete schon damit, dass plötzlich trotz Wachen ein Fremder mitten im eigenen Schlafzimmer stand? Also nickte er schnell und folgte den zwei Männern aus dem Raum.

„Schwertkämpfer“, sprach ihn der weniger Fremde von der beiden draußen auf dem Gang an.

„Bitte erwähnt ihren Vater nicht in ihrer direkten Gegenwart. Diese Nacht hat sie verständlicherweise sehr mitgenommen.“ Er gab lediglich einen zustimmenden Laut von sich, erwiderte dann: „Das kann ich verstehen. Es ist sicher schlimm, ein Elternteil zu verlieren, gerade in ihrem Alter.“ Nur murmelnd, als hätte er mit sich selbst gesprochen, entgegnete der andere daraufhin: „Wenn sie ihn schlicht und einfach getötet hätten...“ Sofort traf den Unglücklichen ein stechender Blick des anscheinend Ranghöheren.

„Hüte deine Zunge, Bekras, sonst lass ich sie dir herausschneiden.“ Der Getadelte schluckte schwer und entschuldige sich leise. Nun allerdings hatten die beiden seine Neugier geweckt. Die Tür zu den Gemächern der Prinzessin öffnete sich in ebendiesem Moment.

„Rugon, es ist schon in Ordnung. Die anderen seiner Gruppe haben es vermutlich ebenfalls bereits erfahren, also müsst Ihr es dem werten Schwertkämpfer nicht vorenthalten. Und macht Euch um mich keine Sorgen, mir geht es gut.“ Die junge Frau stand noch über der Türschwelle und trotzdem konnte Herim sehen, wie der angesprochene Ritter eilig ein Stück zur Seite wich, um ebendieser Platz zu machen. Sie trug ein dunkelblaues, für eine Prinzessin sicher schlichtes Kleid, das unterhalb ihrer Taille locker dem Boden entgegenfiel. Die Haare hatte sie in einigermaßen vorzeigbare Formen gebracht.

Hatten Prinzessinnen nicht eigentlich so etwas wie Diener? Zofen? Vermutlich eine Vorsichtsmaßnahme. Wenn der Kaiser in seinem eigenen Palast getötet werden konnte, war es wahrscheinlich naheliegend, auch dem einfachen Personal nicht mehr zu trauen. Ihre Augen wirkten im Licht der Fackeln beinahe glänzend. Sah er in diesen einen Anflug von Tränen?

„Wie Ihr wünscht, Eure Majestät“, entwich dem Ritter eine der wahrscheinlich geläufigsten Floskeln, welche man im Umgang mit solch hohem Adel verwendete.

„Aber bevor Ihr dies tut, möchte ich mich nicht weiterhin an der Tugend der Höflichkeit versündigen“, zog die Prinzessin Herims Aufmerksamkeit gänzlich auf sich, als sie sich ihm zuwandte. Mit einer leichten Verbeugung stellte sie sich ihm vor.

„Mein Name ist Sorana, Tochter des Herdas, Kaiser des Reiches des Roten Adlers. Ich heiße Euch in diesem Schloss willkommen, Schwertkämpfer des Ordens.“ Einen Moment lang starrte er sie nur an, wurde sich dann schnell der stechenden Seitenblicke der Wachen bewusst und reagierte reflexartig. In einer leichten Verbeugung erwiderte er: „Mein Name ist Herim. Wie Ihr bereits wisst, bin ich Schwertkämpfer des Ordens der Flammen. Es ist mir eine Ehre, Euch zu dienen.“ Glücklicherweise hatte Tritos seinen Schülern stets beigebracht, dass Manieren durchaus hilfreich sein konnten. In ebendiesem Moment war er dem Ältesten dafür mehr als dankbar.

Sie hatten sich kurz darauf bereits die Treppen hinunterbegeben. Gerade schritten sie über eine breite Terrasse, auf der in den warmen Monaten wohl kleine Banketts abgehalten wurden. Vor dort aus hatte man einen fantastischen Blick über die Stadt, welche sich rings herum an die Mauern des Palastes drängte. Da das Schloss auf der Spitze eines kleinen Hügels lag, war es möglich, einen erneuten Blick auf die umgebende Landschaft zu werfen. Obwohl Mannsheim nicht die Hauptstadt des Reiches war, war sie wohl die schönste. Beinahe idyllisch. Am Fuße des Hügels schlängelte sich ein breiter Fluss entlang. Dort unten lag der berühmte Hafen, welcher als der Größte des Reiches galt.

Herim glaubte, sich zu erinnern, dass Areon ihm erzählt hatte, hier aufgewachsen zu sein. Noch einmal ließ er den Blick etwas genauer über die zahlreichen Hausdächer schweifen. Er mochte Städte nicht – zu viele Menschen, zu viel Gestank und zu viele Blicke, die auf ihn fielen. Gut, dies mochte der Narbe zuträglich sein, welche sich über eine seiner Gesichtshälften zog – ein gerader, präziser Hieb war es gewesen. Es war ein Andenken an den ersten Nachtjäger höheren Ranges, auf den er gestoßen war. Während die niederen Kreaturen von ihnen bis auf ein wenig Magie ungefährlich waren, war dies bei höheren Rängen grundlegend anders. Der Gedanke an diese leuchtend gelben Augen trieb ihm noch immer ein ungutes Gefühl in den Bereich seiner Magengegend.

Durch eine Reihe von Rundbögen gelangte man auf den Innenhof des Palastes. Den Teil, welchen er vom Fenster der Gemächer nicht hatte einsehen können. Herim spürte, wie ihn ein zarter Hauch des Grauens streifte, ihn kurz stocken ließ. Auch die Männer vor ihm waren stehengeblieben, den Blick vom linken Teil des gepflasterten Platzes abgewandt.

„Prinzessin, Ihr solltet nicht...“, begann eine der Wachen, vorsichtig auf die junge Frau einzureden. Spuren eines Feuers zogen sich über den einst wohl grauen Stein, doch nicht zufällig. Sie ergaben ein Muster. Er benötigte keinen höheren Standpunkt, um es zu erkennen: eine schwarze Sonne. Dies war das Symbol des Landes, aus welchem die Nachtjäger ursprünglich stammten. Im Zentrum dieser Brandspur stand ein Schafott. Nicht einen Kratzer wies es auf. Das Holz war gänzlich unversehrt. Ein Schatten bewegte sich geringfügig unterhalb des Galgens. Das Seil schwankte im leichten Westwind wie ein Pendel. Hin und her. Mit ihm bewegte sich auch etwas anderes, das im Griff dieser Schlinge hing und ihn mit ausdruckslosen Augen zu mustern schien.

Zwar war sich Herim sicher, dass es einmal ein Mensch gewesen sein musste, dessen Körper leblos am Galgen hing. Einige Kleidungsfetzen hoben sich zitternd an, stellten sich im Windzug auf. An anderen Stellen wie dem linken Bein waren es nicht einmal mehr Fleischreste, welche sich noch über die rußig schwarzen Knochen zogen. Der Kopf dagegen schien beinahe unversehrt, lediglich der Hals war leicht angesengt. Schmerz stand in den starren Gesichtszügen. Die Augen waren beinahe aus ihren Höhlen gequollen. Ein entsetzlicher Anblick.

Der Geruch nach gebratenem Fleisch sowie kalter Asche wehte zu ihnen herüber. Ein schwacher Wind trug ihnen einige gefallene Laubblätter ein Stück weit entgegen. Der leicht süßliche Hauch des Todes und der beginnenden Verwesung begleitete ihn. Es musste ein grausamer Tod gewesen sein. Herim schluckte, als er aus dem Augenwinkel bemerkte, wie eine der Wachen zu würgen begann und die Prinzessin sich vom Innenhof abwandte.

„Wie lange... warum hat ihn da noch niemand heruntergeholt?“, fragte er vorsichtig nach. Dem Geruch nach zu urteilen musste der einstige Kaiser dort bereits wenige Tage hängen. Weshalb hatte man sie erst jetzt um Hilfe gebeten?

„Wir haben versucht, uns ihm zu nähern, aber-“

„Das war uns leider bisher nicht möglich“, mischte sich eine fremde Stimme ein. Herim sah auf. Eine weitere, etwas größere Gruppe hatte den Innenhof betreten, beinahe direkt gegenüber von ihnen. Angeführt wurde diese von einem hochgewachsenen, schlanken Mann, welcher sich in eine lange, dunkle Kutte gekleidet hatte. Der Schwertkämpfer verspürte ein tiefes Gefühl von Zufriedenheit, als er auch Areon unter ihnen erkannte. Hatte er sich um seinen Partner tatsächlich Sorgen gemacht? Gut, scheinbar hatte das Portal lediglich ihn an einem anderen Ort ausgespuckt, aber dies hätte dem jungen Magier ebenfalls geschehen können. Obwohl – so langsam glaubte er, seine Abneigung gegen Portale beruhe durchaus auf Gegenseitigkeit. Der junge Magier schien ihn ebenso bereits bemerkt zu haben und er konnte Erleichterung in dessen Gesicht erkennen.

„Herim! Bei den Göttern, es geht dir gut!“, begrüßte ihn der Älteste des Ordens.

„Schön, Euch zu sehen“, erwiderte er die Begrüßung, als die beiden Gruppen aufeinandertrafen. Die Blicke der Neuankömmlinge richteten sich wie der Seine zuvor auf das Schafott. Einige von ihnen wandten sich betrübt ab, andere gar angewidert. Auf Areons Gesicht stand tiefe Erschütterung. Dessen Haut war schlagartig um etliche Nuancen heller geworden. Sicher, der junge Mann kannte den Grauen des Krieges nicht, zumindest nicht im gleichen Maß wie viele Mitglieder des Ordens. Solch eine Grausamkeit jedoch schockierte wohl jeden von ihnen.

„Prinzessin“, wandte sich Tritos letztendlich an die Frau, welche noch immer etwas versetzt hinter ihm stand. Herim trat augenblicklich zur Seite und schloss sich der allgemeinen Verbeugung aller an. Aus dem Augenwinkel bemerkte er, dass die seines Partners nicht ungelenker hätte sein können. Ein amüsiertes Grinsen zog sich über seine Lippen, die Narbe spannte sich dabei leicht an. Dann übernahm nüchterne Aufmerksamkeit seine Züge. Er musste sich konzentrieren.

„Ich bin froh, dass ihr alle hier seid. Froh und dankbar. Mein Vater hätte niemals gewollt, dass ein Mitglied des Ordens diesen Platz jemals betritt. Zumindest kein Magier. Ceros meinte, ihr wärt unsere letzte Hoffnung, falls... falls diese Monster uns erneut angreifen würden.“ Sie ließ ihren Blick über die Neuankömmlinge schweifen, als würde sie sich vergewissern wollen, dass ihre Entscheidung die richtige gewesen war. Herim sah zu Tritos hinüber, doch ihr Meister zeigte keine deutliche Regung. Eigentlich waren ihm Menschen, die kaum Emotionen zeigten, suspekt, dem Ältesten jedoch konnte er blind vertrauen. Das hatte der seltsame Kauz bereits oft genug bewiesen.

„Der Orden der Flammen wurde einst gegründet, um Euch, der Kaiserlichen Familie, zu dienen. Euch zu schützen. Daran hat sich nichts geändert. Was auch immer Euer Auftrag für uns sein wird, wir werden ihn ausführen.“ Man bemerkte deutlich, wie durchdacht der Älteste seine Worte wählte. Herim war sich durchaus bewusst, was für einen schlechten Ruf der Bund aus Magiern und Schwertkämpfern hatte. Die Vergangenheit war nichts, das sich ändern ließ. Sie war ein Teil von ihnen, von jedem einzelnen – selbst von Areon, obwohl dieser wahrscheinlich am wenigsten mit den vergangenen Ereignissen zu tun hatte. Er war einfach hineingeraten – in diesen Krieg, der bereits seit so langer Zeit tobte. Sich stetig zurückzog, nur, um irgendwann erneut auszubrechen.

„Ich will, dass Ihr mit Ceros und den Männern meiner Leibwache diese Monster aufspürt – die, welche meinem Herrn Vater so etwas angetan haben. Und dann sollt Ihr sie hierherbringen. Ich möchte den Mördern des Kaisers in die Augen sehen, bevor sie sterben.“ Herim schluckte. Harsche Worte für eine Prinzessin.

Kapitel 3: Klare Worte

Areon sah sich suchend um. Seit sie auf dem Hof des Schlosses zusammengetroffen waren, hatte er Herim aus den Augen verloren. Der Schwertkämpfer war von ihnen getrennt worden, als sie durch das Portal reisten. Kaum auszudenken, was hätte geschehen können, wenn er sonst wo gelandet wäre. Ihm war ein halbes Gebirge vom Herzen gerollt, als er den mürrischen Krieger an der Seite der Leibwache und der Prinzessin gesehen hatte.

Er schlenderte gerade ziellos durch die langen Gänge im Inneren des Westflügels. Dort hatten sie eigene Räumlichkeiten erhalten, solange sie sich in der Residenz des Kaisers aufhielten. Anders als im neuen Anwesen des Ordens hatte niemand ein eigenes Zimmer. Abgesehen von Celina und Tritos natürlich. Ehrlich gesagt war er allerdings froh, dass er sich nicht mit Herim, sondern mit Jarvan einen Schlafraum teilte. Das Schnarchen seines Partners war einfach ohrenbetäubend – als würde er des Nachts Baumstämme zersägen. Bei Sonnenuntergang würden sie sich im Saal des Kaiserlichen Rates – soweit er wusste, im Hauptgebäude – treffen und einen gemeinsamen Plan erörtern, was nun zu tun war.

Seine Gedanken wanderten zu dem Toten, welcher noch immer am Galgen hing – ein Mahnmal, nicht nur für den Orden, sondern das gesamte Reich. Ob die umliegenden Städte, gar das gesamte Land bereits davon wussten? Gerüchte verbreiteten sich schnell, vor allem, wenn sie sich um die Kaiserliche Familie rankten. Auch die Nachbarreiche würden nicht lange untätig bleiben. Ein Land ohne klare Führung war ein gefundenes Fressen für Aasgeier.

Eigentlich war er auf der Suche nach Jarvan. Der Magier war zwar ein wenig jünger als er selbst, aber dennoch konnte er dessen Hilfe gut gebrauchen. In letzter Zeit gelang es ihm einfach nicht mehr, eine korrekte Flammenkugel mit einer Hand zu formen. Die Konturen verschwammen stets und das Feuer züngelte, unterwarf sich nicht gänzlich seinen Befehlen. Es machte ihm fast ein wenig Angst. Geschah irgendetwas mit ihm? Etwas, das den anderen schaden könnte? Dann musste er diese Entwicklung unbedingt unterbinden. Er hoffte, Jarvan könnte ihm vielleicht einige Tipps geben, eventuell Unterricht, wie dieser es früher getan hatte.

„Areon? Warte bitte“, wandte sich eine Stimme an ihn. Erschrocken hielt er mitten im Schritt inne. Das musste albern aussehen. Schnell drehte er sich um.

„Meister, schön, Euch zu sehen“, begrüßte er den Ältesten. Tritos erwiderte den Gruß mit einem knappen Nicken und deutete mit einer einfachen Handgeste, er solle ihm folgen. Einen Moment zögerte Areon, gehorchte aber. Was hatte der Anführer ihres Ordens mit ihm vor? Seit sie das neue Anwesen im Osten des Reiches erreicht hatten, war dieser ihm kein einziges Mal über den Weg gelaufen. Dabei legte der ältere Mann eigentlich recht viel Wert darauf, regelmäßigen Kontakt zu jedem von ihnen zu pflegen.

Die Schritte ihrer Stiefelpaare hallten dumpf von Boden und Wänden wider, als sie in einen Seitengang einbogen. Der dunkelrote, schmale Teppich, welcher sich durch die Gänge zog, wirkte so teuer, dass er sich kaum traute, ihn zu betreten. Nicht einmal zwei Schritte trennten ihn von seinem Meister. Diese breiten Schultern trugen eine schwere Last, betrachtete man die Verantwortung, welche auf ihnen ruhte. Mit Tritos‘ Rolle als Anführer des Ordens würde er mit Sicherheit niemals tauschen wollen. Da gehörte er doch lieber zum einfachen Fußvolk – wobei diese Bezeichnung wohl nicht ganz auf ihn zutraf.

Statuen aus Marmor zierten das Ende des schmalen Gangs, welcher nach links und rechts in einen weitaus größeren mündete. Pflanzenkübel – Rosenbüsche, soweit er erkennen konnte – säumten die Bereiche zwischen den großen Glasfenstern. Von ihnen aus hatte man einen fantastischen Blick auf den Schlossgarten. Blumen blühten in zahlreichen, geordnet angelegten Beeten. Personal, welches sich um sie kümmerte, war nirgends zu sehen. Es wirkte so idyllisch – beinahe grotesk, bedachte man, was erst vor kurzem hier geschehen war. Speziell die übel zugerichtete Leiche am Galgen.