Der Pfad der Klingen (Einzelgänger Buch 2): LitRPG-Serie - Alex Kosh - E-Book

Der Pfad der Klingen (Einzelgänger Buch 2): LitRPG-Serie E-Book

Alex Kosh

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Beschreibung

Andrew setzt seine Erkundung von Arktanien fort. Dabei meistert er sowohl seine neue Fähigkeit im Umgang mit der Elektrizität als auch seinen Beruf als Glasbläser. Während er für die Schicksalsgöttin Elenia auf einer epischen Quest unterwegs ist, stellt er mit Schrecken fest, dass ihre Macht nicht auf die Spielwelt beschränkt ist. Aus der virtuellen Welt folgt sie Andrew in die Realität. Sollte er ihren Auftrag nicht erfüllen, steht sein Leben auf dem Spiel. Er muss weitermachen. Zum Glück fühlt er sich in Arktanien und unter seinen Bewohnern wohl. Doch der Auftrag der Göttin ist sehr viel komplexer als die anderen Rätsel und Abenteuer, die Andrew in dieser Welt erlebt. Er muss sich an gefährlichen Schauplätzen auf die Suche nach Artefakten machen. Als Einzelgänger ist Andrew auf sich allein gestellt. Da er sich keiner Gruppe anschließen kann, ist er auf Unterstützung aus dem Stahlratten-Clan angewiesen. Aber wie soll er auf seinem niedrigen Level diese Hilfe vergelten?

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Inhaltsverzeichnis

Teil 1: Die tote Stadt

Teil 2: Das Zeichen des Gesetzlosen

Über den Autor

Der Pfad der Klingen

Roman

von Alex Kosh

Einzelgänger Buch 2

LitRPG-Serie

Magic Dome Books

Der Pfad der Klingen

Einzelgänger Buch 2

Originaltitel: The Highway of Blades (Loner Book 2)

Copyright © Alex Kosh, 2022

Covergestaltung © Ivan Khivrenko, 2022

Designer: Vladimir Manyukhin

Deutsche Übersetzung © Guido Lenz, 2022

Erschienen 2022 bei Magic Dome Books

Anschrift: Podkovářská 933/3, Vysočany, 190 00

Praha 9 Czech Republic IC: 28203127

Alle Rechte vorbehalten

Dieses Buch ist nur für deine persönliche Unterhaltung lizensiert. Das Buch sollte nicht weiterverkauft oder an Dritte verschenkt werden. Wenn du dieses Buch mit anderen Personen teilen möchtest, erwirb bitte für jede Person ein zusätzliches Exemplar. Wenn du dieses Buch liest, ohne es gekauft zu haben, besuche bitte deinen Shop und kaufe dir dein eigenes Exemplar. Vielen Dank, dass du die harte Arbeit des Autors respektierst.

Die Personen und Handlung dieses Buches sind frei erfunden. Jede Übereinstimmung mit realen Personen oder Vorkommnissen wäre zufällig.

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Teil 1: Die tote Stadt

Arktanien, das neue, virtuelle Universum, gewinnt mehr und mehr Fans. Seine Beliebtheit bleibt ungebrochen, und jeden Monat kommen neue Spieler hinzu. Was ist der Grund für diesen Hype? Einige sagen, es sei der revolutionäre Ansatz im Questsystem, andere nennen den hochgradigen Realismus der Charaktere oder die kontinuierliche Weiterentwicklung der Spielwelt. Ein solch virtuelles Universum verschlingt auch ganz reale Ressourcen. Noch nie hat ein IT-Unternehmen derartig viel Rechenleistung aufgestellt. Offizielle Zahlen sprechen von sechs Supercomputern des Typs „Titan-21“, auf denen die Virtualität gehostet wird. Zwei weitere sollen in Kürze in Betrieb genommen werden.

CompuTerritory

Entgegen der Meinung von Fachleuten sind viele Spieler überzeugt davon, dass sie in der Spielwelt erworbene Fähigkeiten auch in ihrem echten Leben einsetzen können. Es gibt sogar einen Namen dafür. Nach dem bekannten Protagonisten aus den Matrix-Filmen wird die Überzeugung als Neo-Phänomen bezeichnet. Ein wissenschaftlicher Beleg für diese Behauptungen steht noch aus. Dennoch verbreiten sich Gerüchte über angebliche Beweise im Web. Unmengen an Videos sollen derartige Vorfälle zeigen, doch die meisten sind offensichtlich Fakes und von zumindest dubioser Qualität.

CompuTerritory

Ich kann Kung-Fu.

Matrix

Kapitel 1

DAS LUFTSCHIFF ERREICHTE weder die Flughöhe noch die Geschwindigkeit moderner Flugzeuge in der echten Welt. Das hatte sein Gutes, denn so konnte ich den Blick auf die atemberaubenden Landstriche Arktaniens genießen und dabei jede Menge coole Details entdecken. Hin und wieder begleitete eine neugierige Kreatur unseren Weg und blickte neugierig in die Gondel hinein.

Der Start war so leise und unmerklich erfolgt, dass wir uns bereits weit über dem Erdboden befanden, bevor ich merkte, dass wir flogen. Ich saß in einer Art Steampunk-Eisenbahnabteil und musterte die anderen Fluggäste.

Ich teilte das Abteil mit zwei Elfen und einem kleinen, haarigen Wesen. Unter all den Haaren war das Gesicht nicht zu erkennen. Ich rätselte, ob es sich vielleicht um einen unrasierten Hobbit, einen Worgen oder etwas ganz anderes handelte. Laut seiner Namensmarkierung handelte es sich um Rygmus, Level 36. Auf jeden Fall ein Spieler. Vermutlich männlich, aber auch das ließ sich nicht mit Gewissheit feststellen. Bei den Elfen handelte es sich dagegen um NPCs, die fast auf Level 50 waren. Ihren abwertenden Blicken konnte ich entnehmen, dass sie mich und die haarige Kreatur für Abschaum hielten.

Vielmehr galt der Ausdruck dem Hobbit-Worgen-was-weiß-ich. Meine Wenigkeit wurde gar nicht beachtet. Die spitzohrigen Aristokraten überlegten vermutlich, ob ein Schaffner den Haarbalg und mich entfernen würde, wenn sie darum baten.

Die beiden unterhielten sich im majestätischen Singsang der Elfensprache und taten so, als wären wir nicht anwesend. Soweit ich wusste, war das Luftschiff von der Grenze gekommen. Was die Elfen wohl in einer Grenzfestung gewollt hatten?

Natürlich war ich neugierig, denn schließlich waren es die ersten Angehörigen ihres Volkes, die ich in natura sah. Sie erinnerten mich an Legolas, dem man jede Regung entfernt hatte. Keine Emotionen spiegelten sich auf ihren Gesichtern wider. Wenigstens machten sie keine Anstalten, mich oder unseren haarigen Begleiter zu beleidigen.

Ich lehnte mich im Sitz zurück, um besser aus dem Fenster blicken zu können. Es war an der Zeit, meine nächsten Schritte zu planen. Im Gepäckabteil reiste ein ziemlich großer Koffer mit allem möglichen Krimskrams mit mir. Das meiste Zeug stammte von den Spielern, die den Angriff auf unsere Instanz nicht überstanden hatten. Das bedeutete auch, dass es keine Items über Level 35 darin gab. Trotzdem – ich würde den Inhalt des Koffers für ein hübsches Sümmchen verkaufen können. Sogar ein paar seltene und einzigartige Gegenstände hatte ich dabei. Wie sagte man so schön? Der Gewinn des Einen ist des Anderen Verlust! Wie wahr.

Sobald ich in Katar ankam, gab es viel zu tun. Ich musste die Artefakte verkaufen, Rathmir finden und retten und eine geheimnisvolle Quest für die Göttin erledigen. Das Spannende an der Quest war, dass ich praktisch nichts darüber wusste. Dann waren da noch die Akte mit den geheimen Dokumenten und dem seltsamen Foto von mir, die gravierte Pistole und das nicht identifizierte alchemistische Reagens, dessen Verpackung und Beschreibung mit elfischen Schriftzeichen versehen war. Bestimmt konnte ich auch etwas mit den Schwingen der Stahlvögel anfangen.

Alles in allem sah die Zukunft rosig aus. Doch zuerst musste ich die Stadt erreichen. Also hoffe ich auf einen ruhigen Flug. Großer Fehler!

Ein heftiger Ruck warf mich aus dem Sitz und in die Höhe. Fast hätte ich mir den Kopf an der Decke gestoßen. Während eine Sirene losheulte und die Beleuchtung flackerte, war eine ruhige, männliche Stimme zu hören.

„Achtung, eine wichtige Durchsage: Luftpiraten greifen uns an. Alle Zauberer werden aufgerufen, sich auf dem Außendeck zu versammeln und uns zu verteidigen. Die anderen Fahrgäste bleiben bitte in den Abteilen und bewahren die Ruhe.“

Ich spähte durchs Fenster. Doch außer klarem, blauen Himmel war nichts zu erkennen. Die Angreifer mussten sich auf der anderen Seite befinden. Ich öffnete die Tür und versuchte, einen Blick durch die Kabine auf der anderen Seite des Ganges zu erhaschen. Fast hätte die Schwertscheide der rennenden Bordwache mir ein Veilchen verpasst. Ich schien die einzige Person zu sein, die wissen wollte, was geschah, denn alle anderen Abteiltüren waren geschlossen. Die Elfen unterhielten sich weiter – fast so, als wäre nichts geschehen.

„Dein erster Flug?“, fragte das haarige Wesen mit heiserer Stimme.

„Ja“, bestätigte ich. Dem Klang nach war es definitiv ein männliches Exemplar seiner Gattung. „Was ist da los?“

„Nichts.“ Er zuckte mit... den Achseln? „Sie werden die Piraten zurückschlagen, bevor sie einen Fuß an Bord setzen können. Oder spätestens, wenn sie versuchen, an Bord zu kommen. Die Angreifer sind entweder dämlich oder unerfahren. Fahrgastschiffe sind viel zu gut bewacht. Niemand versucht, sie zu entern. Die Gnome werden ihnen die Kehlen herausreißen, zur Not mit den eigenen Zähnen. Immerhin haben sie einen Ruf als sicherste Fluggesellschaft der Welt zu wahren.“

Die Elfen gaben vor, sich nicht für unsere Unterhaltung zu interessieren, aber es war eindeutig, dass sie zuhörten.

„Warst du schon mal in so einer Lage?“, hakte ich nach.

„Bestimmt schon einhundert Mal. Ich bin ein Sonderkurier und verbringe den Großteil meiner Spielzeit auf Langstreckenflügen. Meines Wissens wurde nur ein Passagierluftschiff jemals geentert – vom Piratenkönig höchstselbst. Er hatte so viele Leute um sich geschart, dass selbst die Gnome nichts gegen ihn ausrichten konnten.“

Ein weiterer Ruck ging durch das Schiff. Vor unserem Fenster wirbelten ein paar gnomische Gestalten in Wächteruniformen vorbei.

„Oha“, stellte Rygmus fest. „Die Piraten zielen gut. Vielleicht schaffen sie es doch an Bord.“

Dabei hatte man mir versichert, das Reisen per Luftschiff sei sicher! Züge wurden, so hieß es, ständig angegriffen. Doch bei einem Luftschiff käme das so gut wie nie vor. Ich sollte Lotto spielen.

„Müssen wir kämpfen?“, fragte ich besorgt.

Auf Level 20 war mir ein schneller Tod sicher. Zumindest vermutete ich, dass die Piraten zwischen Level 70 und 100 waren. Wieso ich das dachte? Die Markierungen der Wächter hatten Level 80 gezeigt. Die Piraten mussten ihnen in etwa ebenbürtig oder überlegen sein.

„Nur, wenn du das willst“, erwiderte Rygmus. „Der Fahrgastbereich wird von Gnomen auf Level 100 beschützt. Sie sind von Kopf bis Fuß in Mithril gerüstet. Es handelt sich ausschließlich um Meister der Verteidigung. Aber niemand hält dich auf, wenn du dich an der Schlacht beteiligen willst. Außerdem haben die Piraten es normalerweise auf die Fracht abgesehen, denn das Gepäckabteil wird weniger gut bewacht. Für einige Spieler lohnt es sich, mit den Wächtern gemeinsam zu kämpfen und die Fracht zu verteidigen. Manchen suchen auch nur etwas Ablenkung oder wollen sich ein paar Erfahrungspunkte dazuverdienen.“

„Ablenkung?“, wiederholte ich verständnislos. „Und überhaupt: All mein Zeug ist da drin.“

„Ach, auf deinem Level wirst du kaum etwas von Wert bei dir tragen.“

Junge, dir könnte ich was erzählen! Würde ich wirklich alles verlieren, für das ein ganzes Dorf gekämpft hatte? Meinen kostbaren Koffer voller Artefakte?

„Wo sammeln die Freiwilligen sich?“, fragte ich.

Rygmus musterte mich skeptisch, soweit ich das beurteilen konnte.

„Bist du sicher? Die Piraten haben schon einen Grund, gerade jetzt anzugreifen. Wir sind nur halb besetzt. Die hochleveligen Spieler sind in den Festungen. Hier an Bord sind hauptsächlich Leute, die nicht kämpfen wollen oder können. Kanonenfutter, wenn du so willst.“

„Mag sein, aber ich bin zumindest zum Teil ein Kämpfer“, gab ich zurück.

„Ach? Du weißt schon, dass die meisten Piraten dir überlegen sind?“, stellte Rygmus fest. „Das ist eine ganz andere Hausnummer als die Springmäuse, mit denen du bisher zu tun hattest.“

Konnte denn wirklich jeder diese Auszeichnung sehen?

„Ich habe keine andere Wahl. Ich muss meinen Besitz retten. Wo liegt der Respawn-Punkt?“

„Sofern dir ein Gnom mit Rang Offizier oder höher den Auftrag zur Verteidigung des Luftschiffs erteilt, befindet sich dein Respawn-Punkt automatisch hier.“

Auch das noch. Woran würde ich die Offiziere erkennen?

Rygmus musste mein Zögern bemerkt haben. „Halte Ausschau nach Gnomen mit in den Bart geflochtenen, roten Bändern. Auf mich werdet ihr verzichten müssen. Ich kann es mir gerade nicht leisten, zu sterben. Noch ein Tipp für die nächste Reise: Behalte deine Wertsachen bei dir, das ist sicherer.“

Das wusste ich jetzt auch. Andererseits hätte ich die vielen Gegenstände gar nicht in meinem persönlichen Inventar unterbringen können. Verdammte Piraten. Ich konnte es mir nicht leisten, den Koffer zu verlieren.

„Viel Glück“, rief mir das Haarknäuel aufmunternd nach, als ich das Abteil verließ.

Ich fragte mich, ob ich zurückkehren sollte. Immerhin trug ich meine wertvollsten Besitztümer wirklich am Leib: die Glasrose des Schicksals und einige Questgegenstände. Aber es wäre ebenso verrückt, die dreckigen Piraten in meinem Koffer herumwühlen zu lassen.

„Hallo? Ich würde gern gegen die Piraten kämpfen!“ Der Gnom auf Level 90 in seiner Plattenrüstung schien mich zuerst nicht zu hören.

Dann sah er zu mir hoch und ließ den Blick langsam nach unten wandern.

„Du? Kämpfen? Hast du den Verstand verloren?“

„He, ich bin stärker, als du denkst“, sagte ich forsch.

„Na schön“, gab der Gnom zögerlich zurück. „Dann ab zum Gepäckabteil mit dir. Dort werden die Piraten an Bord kommen. Dort befinden sich auch die anderen Fahrgäste, die kämpfen können.“

Interessant. Dann waren die beiden Elfen aus meinem Abteil wohl nicht kampferprobt. So recht wollte ich das nicht glauben.

Das Luftschiff war nicht besonders groß. Neben dem Passagierdeck gab es ein Servicedeck und das Frachtdeck. Die Gondel ähnelte einem auf den Kopf gestellten Trapez. Das Passagierdeck nahm die größte Fläche ein, das Frachtdeck die kleinste. Das Gepäck war hinter stählernen Tresortüren verstaut, die sich an den Wänden eines zentralen Raums befanden. Hinter einer davon lag auch mein unbezahlbarer Koffer mit allem, was die Dörfler erbeutet und mir mitgegeben hatten.

In dem Raum standen einige Gnome und etwa zehn Spieler auf Level 30 bis 40. Bedachte man meine Waffen, passte ich trotz Level 20 ganz gut in die Gruppe.

„Fernkampf oder Nahkampf?“, wollte ein Offizier von mir wissen.

Das war eine gute Frage. Ich wusste es selbst nicht genau, aber ich musste jetzt eine Antwort liefern. Fernkampf auf kurze Distanz oder Nahkampf auf lange Distanz? Was sollte ich sagen? Ich entschied mich für die zweite Option.

„Ab in die erste Reihe mit dir“, befahl der Gnom. „Vielleicht verschaffst du den Bogenschützen und Zauberern ein wenig Zeit.“

Ach so war das! Die erste Reihe war das Kanonenfutter für die fähigeren Kämpfer. Es war mir egal. Wenn ich so meinen Koffer retten konnte, spielte ich gern den menschlichen Schutzschild. Lieber ein kurzer Schmerz als keine Mittel für die nächsten Wochen. Ohne das Geld für die Artefakte aus dem Koffer wäre die Suche nach Rathmir noch schwieriger. Überhaupt wäre es ohne Geld in der Stadt nicht leicht. Mit 1.000 Kupfermünzen würde ich nicht weit kommen.

Mittlerweile standen wir in Verteidigungsformation. Wir bildeten zwei Reihen. Sechs Tanks, darunter zwei Gnome auf Level 60, in der ersten und vier Zauberer in der zweiten Reihe. Ich schnappte noch auf, dass es etwa 20 oder 30 Piraten mit maximal Level 40 waren. Auch würden sie nicht als Gruppe angreifen können. Unsere Chancen standen nichts schlecht!

„Bereit machen“, befahl der Anführer der Gnome. Dann überschlugen sich die Ereignisse. Die Piraten stürzten in den Raum. Es waren Orks!

„Ich habe Vorteil gegen Orks“, murmelte ich leise. Mein Nebenmann hörte das und kicherte.

„Die meisten Piraten sind Orks. Ich bin kein Rassist, das sind Fakten.“

Es mussten etwa doppelt so viele Piraten wie Verteidiger sein. Sie waren auf Level 30 bis 50, der Anführer sogar auf Level 60. Er war locker 2,10 Meter groß. Er besaß nur noch ein Auge, hatte gewaltige Stoßzähne und schwang eine riesige Axt, die fast so groß war wie ich.

Rechte Hand des Königs, Level 60, zeigte seine Markierung. Er war der einzige NPC unter den Angreifern. Ich war mir ziemlich sicher, dass es um genau den König ging, von dem Rygmus berichtet hatte. Was ein Glück, dass er nur seinen Stellvertreter geschickt hatte!

„Tötet sie alle“, brüllte der einäugige Ork.

Die Piraten ließen einen Kriegsschrei erschallen und warfen sich auf uns.

Ich warf ihnen meine letzte Stromschlagfalle entgegen. Dicht gedrängt mit den anderen Spielern konnte ich meine Kette nicht abwickeln. Also griff ich das Shanbiao und rammte es einem der Orks in den Hals. Verblüfft blieb er stehen. Sofort wirkte eine der Zauberer einen Eiszauber, der den Angreifer zurück in seine Respawn-Zone schickte.

Der Kampf tobte erbittert.

Die Stromschlagfalle löste aus, tötete aber niemanden.

„Jetzt geht es los!“, krähte der Mann neben mir und stürzte sich mit seinem Knüppel ins Gefecht.

Noch nie hatte ich bei so einer Schlägerei mitgemacht. Wie bei zwei wütenden Banden ging es Faust auf Faust. Keine Spur von Taktik oder Befehlsstrukturen. Zwar versuchten die gnomischen Offiziere, Anweisungen zu geben, aber niemand hörte zu. Schon nach Sekunden war jede Schlachtordnung dahin. Ich teilte Schläge aus, duckte mich weg und verbrauchte einige Heiltränke. Entrinnen war in einem solchen Kampf extrem nützlich.

Ich hielt das Shanbiao kurz und schlug immer wieder zu, während ich die Rücken von Feind und Freund als Deckung nutzte. Zum ersten Mal in meinem Leben spürte ich die Aufregung und das Hochgefühl eines Kampfes auf Leben und Tod. Eine Weile vergaß ich sogar, wieso ich hier war und was ich verteidigte. Tatsächlich hatte ich Spaß an der Situation.

Doch dann kam das jähe Ende.

Ich stand allein dem einäugigen Ork und vier Piraten gegenüber.

„Sieh mal einer an. Der Noob hat überlebt“, lachte einer der Orks hämisch. „Level 20, wie niedlich.“

„Ein Wunder, dass wir ihn nicht versehentlich zu Brei gestampft haben“, grinste ein anderer.

Ich wagte ein paar schnelle Blicke. Alle anderen Verteidiger waren tot.

„Wir haben ein paar Minuten, bevor die ersten wieder auftauchen“, meldete sich ein dritter Ork zu Wort. „Erledigen wir ihn und schnappen uns, was wir tragen können.“

„Ich darf!“, rief der erste Ork.

Mit riesigen Sätzen sprang er auf mich zu und schwang theatralisch drohend sein Schwert.

„Dein Ende naht, Wurm!“

Ich wartete, bis er nah genug war, dann wirbelte ich mein Shanbiao auf ihn zu.

Doch, statt dass sich die Kette um seinen Hals legte, fing er sie auf.

„Ich bin ein Schwertmeister! Dein Spielzeug kann mir gar nichts!“

In diesem Moment aktivierte ich Stromschlag. Still und leise hatte ich den Spruch mit all meinem Mana aufgeladen. In dem hektischen Kampf zuvor hatte ich gar nicht an die neuen Fähigkeiten gedacht. Wie gut, denn so hatte ich mehr als genug Mana.

Du hast kritischen Stromschaden verursacht! 300 Punkte

Der Spieler Nergal wurde getötet.

Belohnung: +3.000 Erfahrungspunkte (mit Modifikator: 3.300 Punkte)

Klasse.

Nur mühsam konnte ich einen Jubelschrei unterdrücken. Besser, die Gegner dachten, ich hätte es genauso geplant. Vielleicht glaubten sie, ich könnte den Zauber ein zweites Mal wirken. Natürlich hatte ich meinen gesamten Manavorrat verbraucht und konnte nur noch mit der Kette kämpfen. Damit hatte ich heute genau einen Spieler auf Level 38 erledigt, weil er bereits im gelben Bereich war, als er mich angriff.

„Du Bastard!“, riefen die anderen drei Spieler wie aus einem Munde. Sie rannten los, um mich zu erledigen, als ein drohendes Schnaufen sie erstarren ließ.

„Der gehört mir!“

Der riesige, einäugige Ork hob seine gewaltige Axt.

„Ha, er wird dich vom Kopf bis zum Fuß zweiteilen!“, höhnte einer der Orks.

Ich machte einen Schritt zurück und stieß direkt gegen die Wand.

„Du Mistkerl!“, spie ich dem Angreifer entgegen.

Mir war klar, dass er sich durch Worte nicht aufhalten lassen würde, aber in Arktanien neigte ich zu unlogischem Verhalten. Vermutlich ließ ich mich zu sehr von all den Fantasy-Romanen inspirieren, die ich gelesen hatte. Daraus wusste ich auch, dass der Held immer eine Chance hat.

Der Ork holte aus, um mich mit einem Hieb zu erledigen. In diesem Moment fielen mir die Worte des Schamanen wieder ein. Das Perlenarmband! Vielleicht würde es mich retten! Ich holte es aus dem Inventar und streckte es dem Ork entgegen. Dann schloss ich die Augen. Doch der Schmerz blieb aus.

Langsam öffnete ich ein Auge einen Spalt. Der Ork hatte sich umgedreht und ging weg.

„Wir gehen“, befahl er seinem Trupp.

„Aber Boss, was ist mit der Beute?“, fragte einer der Spieler. Die anderen stimmten lauthals ein.

„Ich sagte: Wir GEHEN“, bellte der Anführer sie an.

Gehorsam folgten sie ihm. Ich blieb allein zurück. Der Schamane hatte mich nicht belogen. Ich wünschte ihm ein langes Leben. Nicht nur, dass ich überlebt hatte! Nein, auch die Fracht war geschont worden.

Kurz danach hörte ich eilige Schritte. Einige Gnomenwächter und ein paar Spieler kamen in den Raum.

„Wo sind sie? Was ist mit dem Gepäck?“

„Die Türen sind noch ganz“, stellte einer der Spieler verwundert fest.

Ein Gnom sah aus dem Bullauge. „Sie fliegen weg. Wie hast du das geschafft? Das waren Luftpiraten, keine Springmäuse!“

Respekt klang in seiner Stimme mit. Das fühlte sich gut an. Mein Aussehen sorgte normalerweise nicht gerade dafür, dass man mir solche Dinge zutraute. Natürlich gibt es auch die Rocker, die in Wirklichkeit keiner Fliege etwas zuleide tun können. Ich war eine Art nobler Depp, der aussah, als würde er gerade Fermats letzten Satz lösen.

„Ich habe keine Ahnung“, log ich. „Sie sind einfach abgehauen.“

„Ohne dich zu töten?“, sagte einer der Spieler skeptisch.

„Wie sonst?“, höhnte ich ihn an. Mit festem Schritt machte ich mich auf den Weg zu meinem Abteil.

Noch auf dem Frachtdeck holte einer der Wächter mich ein.

„Was auch immer da passiert ist: Du hast gute Arbeit geleistet, statt deinen Hintern auf dem Passagierdeck auszuruhen. Das verdient Respekt.“

Ansehen beim Gabilzkhar-Clan der Gnome: +100

Gegenwärtiger Status: neutral, Punkte bis freundlich: 900

„Komm mit, wir feiern deinen Sieg mit einem guten Tropfen.“

Er klopfte mir auf die Schulter. Ich musste mich festhalten, um nicht die Treppe hinaufzufallen.

„Kein Bier?“, hakte ich nach.

„Bier ist für den Export“, wischte er meinen Einwand beiseite. „Diesen Stoff behalten wir für uns.“

„Na dann“, sagte ich beiläufig.

Es würde noch eine Weile dauern, bevor wir ankamen. Ich war gespannt, was der Gnom mir kredenzen würde. Immerhin fand er, dass ich Respekt verdiente.

Die Party, so stellte sich heraus, wurde für alle Verteidiger geschmissen, die mit den Gnomen gekämpft hatten. Wir nahmen das Speiseabteil in Beschlag und prosteten uns zu. Auf den Tischen wurden kleine Happen serviert, aber das Highlight war die große Flasche aus dunkel getöntem Glas. Daraus wurde eine bräunliche Flüssigkeit in unsere Gläser gegossen.

„Auf echte Kämpfer!“

Ich nippte vorsichtig. Geruch und Aussehen erinnerten an Branntwein. Doch der edle Tropfen war sehr viel milder. Schon bald breitete sich ein warmes, wohliges Gefühl in meinem ganzen Körper aus.

Es war überaus angenehm, aber ich ermahnte mich, nicht zu viel zu trinken. Ich blieb still an meinem Platz sitzen, aß von dem Fleisch und hörte den anderen Anwesenden zu. Gesprächsthema Nummer eins waren die Kampagnen an der Grenze und die Erfolge, die diese Spieler gegen die grünhäutigen Feinde des Reichs errungen hatten.

„Auf den Springmaus-Hammer!“, prostete einer von ihnen.

Verdammt! Ich wünschte, sie würden mich nicht so nennen.

Glas auf Glas wurde gefüllt, aber ich hielt mich zurück. Das war nicht die Zeit, mich zu betrinken. Ich wandte mich an den Offizier neben mir.

„Ich habe eine Frage: In meinem Abteil sitzen zwei Elfen. Was hatten die in einer Grenzfestung zu tun?“

„Sie sind Beobachter aus dem Elfenkönigreich Ellendril“, schnaubte der Gnom verächtlich. „Sie haben sichergestellt, dass die imperialen Truppen keine verbotenen Zauber wirkten, um Untote oder Blutgötter herbeizurufen.“

Ich hatte das Gefühl, dass niemand gut auf die Elfen zu sprechen war. Sie schienen sich zur Weltpolizei in dieser virtuellen Welt ausgerufen zu haben, die sich überall einmischte. Ich wunderte mich, warum ihr Königreich überhaupt noch existierte.

„Der Krieg ist noch nicht zu Ende. Warum fliegen sie zurück?“

„Sie wurden beim Spionieren erwischt“, lachte der Gnom. „Also wurden sie mit der gebotenen Höflichkeit von einer Eskorte aus der Festung geleitet.“

„Wenn ihr mich fragt, hätten sie eine Kugel verdient“, warf ein Spieler ein. „Ich mag sie nicht. Hochnäsige Snobs!“

Ich teilte seine Ansicht. Elfen waren unerträglich. Ohne dass sie ein Wort an uns gerichtet hatte, hatten sie dennoch einen unangenehmen Eindruck hinterlassen.

Nach einer halben Stunde ging ich in mein Abteil zurück. Obwohl ich nur wenige Gläser getrunken hatte, schwankte ich ein wenig. Dieser Gnomenschnaps hatte es in sich. Ich musste mir ein wenig davon beschaffen, sobald ich mein eigenes Haus besaß.

Die Elfen und Rygmus schliefen. Es wirkte nicht so, als hätten sie sich Sorgen gemacht.

Noch acht Stunden bis Katar. Ich beschloss, meinen Charakter ebenfalls schlafen zu lassen und in die echte Welt zurückzukehren.

Heute würde ich nicht ins Fitnessstudio gehen. Stattdessen stand Aufräumen auf dem Plan. Danach kochte ich nach langer Zeit wieder richtig. Mit Stromschlag zündete ich den Gasherd an. Falls mir das Programmieren irgendwann nicht mehr zusagte, würde ich als lebendiger Piezozünder auftreten können!

Später am Abend kehrte ich in die virtuelle Welt zurück. Der haarige Passagier war wach, und auch die Elfen unterhielten sich wieder in ihrem melodischen Singsang.

„Du bist wach“, begrüßte Rygmus mich. „Stimmt das? Hast du die Piraten ganz allein besiegt? Du bist ein echter Held!“

„Ach was“, schmunzelte ich. „Ich habe sie nur verjagt.“

„Und du durftest den Gnomenschnaps trinken!“, seufzte er sehnsüchtig. „Wenn ich gewusst hätte, wie großzügig die Gnome sind, wäre ich auch mitgekommen.“

„Branntwein ist Branntwein“, sagte ich. „Klar, das Zeug war lecker. Aber ich bin kein Fachmann in diesen Dingen.“

Rygmus Haare standen ihm zu Berge.

„Was soll das heißen? Hast du eine Ahnung, was das Zeug kostet?“

Ich schüttelte den Kopf.

„Wer kein Gnom ist, bezahlt eine ganze Goldmünze für ein Pinnchen.“

„Wie viel?“, rief ich erstaunt und so laut, dass die Elfen innehielten und mich voller Abscheu musterten.

„Du hast das schon richtig verstanden“, bestätigte Rygmus. „Und es wird nicht an jeden verkauft. Darum bin ich so neidisch.“

Jetzt wunderte ich mich nicht mehr darüber, dass die anderen Spieler so viel getrunken hatten. Hätte ich gewusst, wie teuer der Tropfen war, hätte ich mir auch noch ein paar genehmigt.

„Tja nun“, seufzte Rygmus. „Vorbei ist vorbei. Ganz ehrlich, ich bin sowieso nicht der geborene Kämpfer. Zu klein, weißt du.“

„Zu welchem Volk gehörst du eigentlich?“, fragte ich die Frage, die mir von Anfang an unter den Nägeln gebrannt hatte. „Ich bin noch nicht lange hier und kenne nicht alle Völker.“

„Du hast deine Neugier gut gezügelt“, kicherte Rygmus. „Ich bin ein Mensch. Die Haare sind das Ergebnis meiner Neugier. Ich bin in ein verfluchtes Grabmal gestiegen. Das war wohl doch nicht so clever, wie ich dachte. Einer der lokalen Götter hat mich mit diesem unbändigen Haarwuchs geschlagen. Ich muss ein paar Monate damit leben. Ich kann weder Rüstungen anziehen noch Waffen schwingen. Und soziale Interaktionen mit NPCs kann ich auch vergessen.“

Ich unterdrückte mühsam ein Lachen. Er war nicht zu beneiden, aber der Fluch war eine Nummer für sich. Ich erinnerte mich, dass Artjom vor einer Weile von so etwas gesprochen hatte. Virtuelle Gottheiten konnten das Leben eines Spielers derart zur Hölle machen, dass er einen neuen Charakter erschaffen musste. Rygmus war ein harter Hund und erfindungsreich. Er hatte beschlossen, den Fluch zu ertragen und derweil als Kurier zu arbeiten. Ich kannte genug Spieler, die das nicht getan hätten.

„Wie lange wirkt der Fluch noch?“, fragte ich teilnahmsvoll.

„Die Hälfte der Zeit ist um“, winkte er ab. „Eigentlich würde ich gern neu anfangen, aber mir fehlt das Geld, um den Pod zurückzusetzen. Bis ich die Summe gespart habe, ist der Fluch auch vorbei. Eigentlich habe ich sogar noch Glück. Andere werden mit schlimmeren Flüchen belegt, und das auf Level 100 oder so. Wer es so weit gebracht hat, muss es auf jeden Fall durchstehen. Ansonsten sind Monate futsch.“

„Was ist der schlimmste Fluch, von dem du gehört hast?“

„Oh, es gibt jemanden, dessen Geschlecht von der Liebesgöttin geändert wurde. Er war ein Mann, so ein richtig wilder Kerl, der vor nichts Halt machte. Sein Verhalten gegenüber NPCs war nicht gerade fein. Doch die Damen haben sich gemeinsam bei der Göttin beschwert. Und jetzt ist er eben kein Mann mehr. Auf Level 90 wollte er – pardon, sie – auch nicht von vorn beginnen. Angeblich fühlt sie sich mittlerweile sogar wohl in der neuen Rolle.“

„Anderes Thema“, bat ich. „Mir wird gerade ein wenig mulmig. Ob das die Luftkrankheit ist?“

„Ach, komm schon. So schlimm ist das gar nicht.“ Rygmus grinste. „Habe ich dir schon von der virtuellen Lepra erzählt? Was ist mit ständigem Pech? Allergie gegen Heiltränke? Die Unfähigkeit, anderen Lebewesen wehzutun? Oder eine Sperre deiner stärksten und wertvollsten Fertigkeiten?“

Ich schüttelte den Kopf.

„Wer sich mit den Göttern einlässt, begibt sich in Gefahr.“

„Mag sein. Doch der Segen der Götter verschafft einen gewaltigen Vorteil, der jedes Risiko wert ist. Aber ich will dieses Risiko nicht eingehen. Und dir würde ich auch davon abraten. Was willst du eigentlich in Katar?“

Ich schmunzelte.

„Ganz ehrlich? Ich besuche den Haupttempel der Schicksalsgöttin.“

Kapitel 2

SANFT SETZTE DAS LUFTSCHIFF neben einer Art Flugsteig zur Landung an, der sich als Dach eines hohen und sehr langen Gebäudes herausstellte. Wie an einem Bootssteg waren überall Luftschiffe festgemacht, kamen an oder flogen ab. Ein leichter Stoß kündete vom Ende der Reise. Gemächlich erhoben die Elfen sich von ihren Sitzen und liefen ohne Eile in Richtung Ausgang. Rygmus hatte sich bereits von mir verabschiedet und war mit der Zielstrebigkeit eines Kuriers während des Landeanflugs aus dem Abteil verschwunden, um mit seinem wertvollen Paket möglichst nah an der Ausgangstür zu stehen.

Ich schloss mich den Elfen an und pfiff vergnügt vor mich hin. Dieser Flug war überaus interessant gewesen und hatte sich in mehr als einer Hinsicht gelohnt. Der Kampf hatte mir ein paar Erfahrungspunkte eingebracht, aber das Sahnehäubchen war doch, dass ich überlebt hatte, während hochlevelige Spieler gestorben waren.

Nachdem ich das Luftschiff verlassen hatte, teilte man mir mit, dass es noch ein Weilchen dauern würde, bis das Gepäck entladen sei. Also sah ich mir den Flugsteig genauer an. Die meisten Passagiere strömten direkt zur Treppe in der Mitte des Bauwerks. Ich kämpfte mich bis zum Rand durch, lehnte mich ans Geländer und genoss die Aussicht aus dem sechsten Stockwerk. Da die anderen Gebäude in der Stadt weniger Geschosse hatten, konnte ich mir einen Eindruck von Katar aus der Vogelperspektive verschaffen.

Die Straßen waren voller Menschen. Im Gegensatz zum Dorfleben war das hier ein geschäftiger Ameisenhaufen. Die endlosen Gassen waren beleuchtet und wurden von Häusern jeder Größe, Form und Farbe gesäumt. Es herrschte eine zwei- bis dreigeschossige Bauweise vor. Alle Häuser wirkten durchdacht und sahen schick aus. Sogar die sehr ähnlichen Gebäude unterschieden sich in Details von den Nachbarn. Die Schöpfer von Arktanien hatten wirklich darauf geachtet, dem Auge sogar in Nebensächlichkeiten etwas zu bieten. Hier und dort erhoben sich hohe Türme aus dem Häusermeer. Ich vermutete, dass es die Wirkstätten von Zauberern waren.

Während die NPCs ohne besondere Eile ihrem Tagwerk nachgingen, waren die Spieler in den Straßen an ihrem schnellen Schritt gut zu erkennen. Die „Ureinwohner“ der virtuellen Welt dagegen zeichneten sich durch einfache, aber geschmackvolle Kleidung aus. Die meisten Spieler dagegen legten mehr Wert auf gute Attribute, sodass viele aussahen, als hätten sie in der nächstbesten Kleiderkammer genommen, was es gab. Wie Touristen, die keine Minute ihrer Zeit vergeuden wollten, hoben sich die Spieler von den einheimischen NPCs ab. Manchmal dachte ich, dass ein ähnlicher Eifer in der echten Welt der Menschheit guttun würde. Was könnten wir alles erreichen!

Meine Gedanken wurden unterbrochen, als ein riesiger Troll meinen Koffer vor mir abstellte. Er tat das mit solcher Leichtigkeit, dass ich schon befürchtete, die Piraten hätten meinen Besitz doch mitgenommen und nur einen leeren Koffer zurückgelassen. Doch zum Glück war dem nicht so. Ich sah mich nach einem Kofferträger um.

„Darf ich behilflich sein?“, sprach mich ein uniformierter Troll an.

Mit der Hose und Mütze der Kofferträger wirkte er geradezu komisch auf mich. Ich war vielleicht kein Experte in Trolldingen, aber mit der ausgebeulten Hose und dem grauen Pelz erinnerte er mich an einen Gorilla.

„Auf jeden Fall. Dieser Koffer muss in mein Hotel. Ich weiß allerdings noch nicht, wo ich wohnen werde.“

„Zehn Kupfermünzen“, antwortete der Troll und hielt drei Finger hoch. „Pro Stunde.“

Sein Name war Yr, und er war auf Level 31.

„Abgemacht“, stimmte ich zu. Ich musste unbedingt an mir arbeiten, wenn selbst die Kofferträgertrolle ein besseres Level hatten als ich.

Keine Ahnung, ob ich gerade über den Tisch gezogen wurde, aber ich hatte es eilig. Ich zählte die Münzen ab und gab sie dem Troll.

„Nimm dir den Koffer und los“, befahl ich. Nach kurzer Überlegung und einem Blick auf die gewaltigen Pranken fügte ich noch ein „Bitte“ hinzu.

Der Troll setzte den Koffer auf seine Schulter und sah mich erwartungsvoll an.

Hm, wohin jetzt? Wenn ich das nur wüsste.

Erst einmal nach unten. Auf der Straße blickte ich mich um. Ich musste einen Ort finden, an dem ich mich häuslich einrichten konnte. Eine eigene Wohnung wäre Gold wert, denn niemand konnte ohne die Genehmigung des Eigentümers hinein. Darin wären all meine Sachen absolut sicher. Außerdem erhielt man einen Erfahrungsbonus, wenn man unter seinem eigenen oder einem gemieteten Dach schlief.

„Kennst du ein günstiges Hotel in der Nähe?“, fragte ich den Troll.

„Hä?“

Vermutlich konnte ich mir von ihm keine Hilfe erhoffen. Na gut. Dann würde ich eben zu dem einzigen Gebäude gehen, von dem ich wusste. Natürlich war die Clan-Taverne kein Hotel. Andererseits würde ich nicht mit Sophie und Aleksandr unter einem Dach schlafen wollen. Vielleicht übertrieb ich etwas, aber wer sich Hals über Kopf verliebt hatte, wollte die Frau seiner Träume nicht mit einem anderen Mann sehen. Was ich mir in der Taverne erhoffte, war ein guter Rat.

„Weißt du, wo die Bar Zum glücklichen Vampir ist?“, fragte ich den Kofferträger.

„Ah“, bestätigte er unerwartet und lief zielstrebig los.

Obwohl er einen schweren Koffer schleppte, konnte ich kaum mithalten. Dabei hatte ich fast all meine Attributpunkte in Geschicklichkeit investiert, damit ich wie eine Grille hüpfen und wie ein Jaguar rennen konnte. Was denn? Man durfte doch wohl träumen!

Unterwegs schnappte ich unzählige neue Eindrücke auf. Hier unten gab es so viel mehr zu entdecken, als ich vom Flugsteig aus gesehen hatte. Ich begegnete Dunkel- und Lichtelfen, Gnollen, Trollen, blauhäutigen Humanoiden, Drakoniern, Hobbits, Orks und anderen Gestalten, die ich noch nie gesehen hatte. Spieler konnten aus etwa 20 Völkern wählen, aber es gab viele NPC-Völker mehr. Das Universum war grenzenlos detailliert und variantenreich. Ich kam mir ein wenig wie Luke Skywalker vor, der die Bar mit den Außerirdischen betritt. Zum Glück herrschte in der Stadt ein Reittierverbot, denn ansonsten wären die Straßen ein absoluter Hexenkessel gewesen. Natürlich gab es Träger aller Art und Größe wie meinen Troll. Sogar riesige Spinnen zählten dazu, die so groß waren, dass sie einen normalen Spieler zu Tode trampeln konnten.

„Aus dem Weg, Noob!“ Ein grünhäutiger Goblin bellte mich an. Er saß auf einem Sitz, der auf den Schultern eines Steingolems befestigt war. „Nicht, dass ich dir noch Schmerzensgeld zahlen muss.“

Ich sprang beiseite und wich den Steinfüßen aus. Im selben Augenblick tauchte eine Gestalt in einer gelben Militäruniform neben mir auf.

„Ist alles in Ordnung?“, fragte er mich.

„Äh... ja“, antwortete ich zögerlich, während ich dem seltsamen Gespann nachblickte.

„Na dann, einen schönen Tag noch“, sagte der Mann und nahm seine Patrouille wieder auf.

Tatsächlich waren viele wie er gekleidete Wächter auf Level 80 oder höher in den Straßen unterwegs. Vermutlich sollten sie die Spieler daran hindern, Dummheiten zu machen. Das beruhigte mich. Ein anderer Anblick dagegen beflügelte mein Herz: Die Frauen in dieser Stadt schienen alle Models zu sein. Eine war schöner als die andere! Oder fand hier gerade der Miss-virtuelles-Universum-Wettbewerb statt? Ob es wohl Studien dazu gab, wie ähnlich die männlichen und weiblichen Avatare den echten Gegenstücken ähnelten? Wenn ich die Charaktere hier richtig deutete, dürfte der Unterschied bei den Frauen gewaltig sein.

Der Troll führte mich durch das Straßenlabyrinth, vorbei an Läden, Handwerkerständen und Restaurants. Ich konnte nur ein paar der Schilder lesen: Blasser Elch, Einsamer Karpfen, Liebestolle Eiche, Feinste Künste. Auch Magie wurde allerorten beworben oder genutzt. Neben Neonschildern gab es Illusionen, die einfach so in der Luft schwebten und mich an moderne Hologramme erinnerten.

„Hier“, grunzte der Troll und deutete auf ein vertrautes Schild.

Die Gebäudefront war selbst für Arktanien ein faszinierender Anblick. Mit dem Troll an meiner Seite verstand ich auch, wieso die Tür so riesige Ausmaße hatte.

Ich wusste, dass Artjom in Sachen Grenzverteidigung unterwegs war, hoffte aber, dass jemand in der Bar war, denn ich aus der realen Welt kannte. Vielleicht Fox oder der Gnom... wie hieß er doch gleich? Es fiel mir nicht ein, denn Sophie hatte mich abgelenkt. Verdammt, ich gab es ja zu: Sophie wollte ich auf keinen Fall da drin treffen. Aber möglicherweise war auch sie an der Grenze und kämpfte Seite an Seite mit ihrem Mann gegen die Orks?

Ich trat ein. Alles sah aus wie daheim in der Realität. Der Troll wartete am Eingang. Die meisten Tische waren unbesetzt. Es waren nur sehr wenige Menschen (oder andere Völker) hier, darunter niemand, der mir bekannt vorkam. Ich musste darauf vertrauen, dass jemand von ihnen mich erkannte. Immerhin sah ich in Arktanien genauso aus wie im echten Leben.

Die Barkeeperin war etwas hübscher als ihr Gegenstück in der Wirklichkeit. Dunkelhaarig und ohne besondere Spielereien wirkte sie viel natürlicher als die Schönheiten auf der Straße. Sie war einfach nur hübsch. Keine übertriebene Oberweite, die von einem Push-up betont wurde, kein Zwei-Meter-Schwert auf dem Rücken. Einfach nur eine Spielerin, die hinter der Theke stand.

„Guten Tag“, begrüßte ich sie höflich.

„Erstaunlich“, gab sie mit einem Lächeln zurück. „Der Springmaus-Hammer. Du bist doch Artjoms Freund, oder?“

„Genau, das bin ich. Weit und breit bekannt als Springmaus-Hammer.“ Vielleicht sollte ich die Auszeichnung als Namen übernehmen.

„Ich hatte gehofft, hier auf Fox oder seinen Kumpel zu treffen. Du weißt schon, der mit dem mächtigen Bart.“

„Dorn?“

Ah, so hieß er also!

„Genau.“

„Sie sind alle an der Grenze. Möchtest du was trinken?“

„Ja, aber bitte ohne Alkohol“, sagte ich.

Sie goss mir eine hellgrüne Flüssigkeit ein, steckte einen Trinkhalm hinein und stellte das Glas vor mir ab.

„Bitte.“ Sie sah mich erwartungsvoll an.

Vorsichtig nahm ich einen kleinen Schluck und war begeistert. Das Getränk war lecker und erfrischend. Fruchtig, nein, würzig, nein, herb oder...

Verwirrt sah ich die Barkeeperin an.

„Toll, oder?“, sagte sie. „So etwas gibt es nur in der virtuellen Realität, ein Getränk, dass ständig seinen Geschmack ändert. Es gibt auch Fleisch, dass zuerst wie Knoblauchhühnchen schmeckt, dann wie ein Truthahnbraten aus dem Biersud und danach wie gedämpftes Kaninchen. Es nicht billig, aber jeden Cent wert.“

Ich setzte mich und machte große Augen. Jetzt schmeckte es nach Gurken. Das brachte meinen Magen in Aufruhr.

„Hm“, brummelte ich und schluckte. „Du solltest die Leute vorwarnen.“

„Wo bliebe dann die Überraschung?“, kicherte sie.

Mir fiel auf, dass ich ihren Namen noch gar nicht kannte. Ich sah mir die Markierung an: Sofitel, Level 104

„Sofitel?“, fragte ich überrascht. „Dann bist du...“

„Sophie.“ Sie lächelte.

Verdammt noch eins! Die hübscheste Frau, die ich kannte, hatte einen Avatar ausgewählt, der ihre wahre Schönheit verbarg. Das war ein Plot für einen stupiden Liebesroman oder einen Kitschfilm. Wieso sollte sie ihr Aussehen verstecken? Ja, schöne Frauen beschwerten sich manchmal, wenn ihnen die Männer ungewollte Avancen machten. Bisher hatte ich immer gedacht, dass das nur eine verquere Art der Prahlerei wäre. Seht nur, wie schön ich bin...

„Du bist... Aleksandrs Freundin.“

Sie lächelte geheimnisvoll. „Wieso klingst du so enttäuscht?“

„Ich bin nicht gerade gut mit ihm zurechtgekommen. Aber ich bin dir unglaublich dankbar dafür, dass du auf meinen Hilferuf geantwortet hast. Ohne dich hätten die Orks das Dorf ausgelöscht.“

„Gern geschehen. Ich habe gehört, du wolltest den Schamanen nicht hergeben?“

Das wusste sie also auch schon.

„Weißt du, für Alex ist die Welt ganz klar unterteilt in seinen inneren Kreis und alle anderen. Er ist halt introvertiert. Darum sind ihm die Interessen des Clans so wichtig. Leute, die er nicht gut kennt, haben für ihn keine Bedeutung.“

Oh Mann. Ich hatte eine Ahnung, was Sophie studierte. Oder welche Frauenzeitschriften sie las. Introvertiertheit, klare Grenzen, pah. Das klang ganz nach Horoskopen.

„Aha“, nickte ich vorsichtig. „Es ist bestimmt eine grandiose Idee, alle außerhalb des Clans wie Fußabtreter zu behandeln. Ich dachte, die Leute spielen, um Spaß zu haben.“

„Schon. Aber was bedeutet Spaß? Das sieht jeder anders, nicht wahr?“, stellte Sophie fest. „Für uns geht es darum, den Clan besser zu machen und an die Spitze zu bringen. Außerdem lohnt sich das auch finanziell.“

„Was verdient man denn so als Level-104-Barkeeperin?“

„In etwa so viel wie die besten Heiler des Clans auf diesem Level“, antwortete sie wie aus der Pistole geschossen. „Außerdem darf ich so viel Kaffee trinken, wie ich will. Im Ernst: Ich habe das Luftschiff zur Grenze verpasst. Ich musste noch den Entwurf für eine Hochzeitstorte fertigstellen.“

„Im echten Leben?“

„Dort und hier. Heute feiert man in beiden Realitäten. Ich sage dir, es macht nur halb so viel Spaß, wie amerikanische Sitcoms vorgeben. Manchmal weiß ich gar nicht mehr, wo mir der Kopf steht.“

„Entschuldige, wenn ich dich nicht wirklich bedauere. Ich kann mir nicht einmal vorstellen, wie es ist, zu heiraten. Tiefe Beziehungen sind nicht so mein Ding.“

„Wie schade.“ Sophie lächelte. „Ich habe gehört, dass einige Leute ihr Glück in der virtuellen Welt finden. Wer weiß, vielleicht triffst du jemanden oder verliebst dich in eine virtuelle Prinzessin.“

Ich sah sie betrübt an.

„Verliebt in einen NPC? Was soll das bringen?“

„Wieso? Menschen verlieben sich seit Urzeiten in Roman- und Filmhelden oder Mangafiguren. VR und KI sind unglaublich fortgeschritten.“

„Die Zeiten ändern sich“, grinste ich. „Es stimmt schon, die Menschen hier können einen überraschen. Wenn alles gut läuft, besuche ich demnächst meinen Startschauplatz, um einer Hochzeit beizuwohnen.“

„Du hast Freunde gefunden?“ Sie nickte wissend. „Hier fühlt sich alles stärker an als in der echten Welt. Freundschaften, Wut und Liebe. Manchmal überwältig mich all das.“ Ich blickte ihrem Avatar ins Gesicht und versuchte, mir vorzustellen, wie sie in Wirklichkeit aussah.

„Lass uns nicht weiter darüber reden“, bat ich sie. „Eigentlich wollte ich fragen, wo ich in der Stadt wohnen kann. Gibt es andere Dinge, die ich benötige oder erledigen muss?“

„Wir haben ein Clan-Hotel; es ist gleich nebenan. Ich denke nicht, dass der Boss ein Problem damit hat.“

Hm, die Gastfreundschaft des Clans genießen, ohne Mitglied zu sein? Keine gute Idee. Ich zog eine gewisse Distanz vor, denn ansonsten müsste ich meine Pläne vorzeitig mit ihnen teilen.

„Sei mir nicht böse, aber ich würde lieber anderswo wohnen“, sagte ich ein wenig verlegen.

„Alex steht nicht für den gesamten Clan“, sagte sie. „Du solltest nicht wegen eines Querkopfes alle Bande abschneiden.“

„Ich schneide gar keine Bande ab“, gab ich zurück. „Ich will nur keine Verpflichtungen eingehen, bevor ich alles gut durchdacht habe.“

„Oh. Na dann würde ich dir eines der Hotels in der St.-Helena-Straße empfehlen. Es ist ein ruhiges Viertel, und die Preise sind in Ordnung.“

„Vielen Dank“, sagte ich aufrichtig. „Was muss ich mir in der Stadt unbedingt besorgen? Und weißt du vielleicht auch, wo ich ein paar nette Quests für Neulinge wie mich finde?“

„Du brauchst auf jeden Fall ein Tablet. Damit hast du Zugriff auf Bibliotheken, den Marktplatz und persönliche Nachrichten. Auf deinem Level kannst du die Basisversion kaufen.

---ENDE DER LESEPROBE---