Der Raum so weit, so groß die Welt - Christian Hermenau - E-Book

Der Raum so weit, so groß die Welt E-Book

Christian Hermenau

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Beschreibung

Gibt es wirklich schwarze Löcher, warum drehen sich die Galaxien so schnell, liegt das an der dunklen Materie oder haben wir etwas falsch verstanden? Ist die Lehre vom Urknall tatsächlich die einzig denkbare Möglichkeit, ein Universum aufzubauen? Was sind der Raum und die Zeit? Kann man sie biegen und krümmen oder führt uns diese Vorstellung in eine Sackgasse? Die Physik steht heute so unangefochten dar, wie nie zuvor. Sie kennt anscheinend souverän Antworten auf jede Grundsatzfrage der Natur. Doch tatsächlich sind die entscheidenden Fragen weiter ungelöst. Vielleicht braucht es nur wenige, aber entscheidende Veränderungen, um wieder Bewegung in das Ganze zu bringen. Der Autor setzt sich hier kritisch mit den grundlegenden Theorien der Physik auseinander und sucht Ideen und Wege, die Welt im Größten und Kleinsten zu begreifen.

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Christian Hermenau

Der Raum so weit, so groß die Welt

Von der Suche nach dem Elementaren im Kleinsten und Größten

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Einleitung

Die Anfänge der Physik

Galilei, Newton, Einstein

Kepler, Gutenberg, Luther

Physik heute

Der Urknall

Der Raum, die Zeit

Masse

Raum und Feld

Licht

Ein wachsendes Universum

Endlichkeit in einer Unendlichkeit

Ein abgeschlossenes Universum

Änderungen im Aufbau des Universums

Die Stabilität der Sphären

Rotverschiebung

Das Linienelement

Elektrischer Druck

Der Rand der Welt

Die Unschärfe

Vakuum

Bewegung

Eigenzeit

Trägheit

Zeit

Das Zentrum

Der Spin

Komplexes Leben

Schwarze Löcher

Fusion

Kleine Rückbeschleunigungen

Verbindungen

Dunkle Materie

Übergroße Massenansammlungen

Gravitationslinsen

Die starke Wechselwirkungskraft

Farbladungen

Quarks und Ebenen

Elektrische Punktladungen

Einfache Verbindungen

Ebenen und Strings

Schluss

Impressum neobooks

Einleitung

Ein kleiner Junge saß im Sand, abseits von den anderen Kindern auf dem Spielplatz, harkte, ordnete die Körner zu Linien, ebnete die für ihn so chaotischen Sandhäufchen, diese vielen kleinen unregelmäßigen Hügel zu einem flachen gleichmäßigen Feld. Hin und her fuhren die Harke und die Schippe, bis alles seinen Ansprüchen genügte. Dann nahm er seinen geliebten massigen Trecker aus Holz und bewegte das schwere Fahrzeug langsam durch den ebenen, gerade so mühevoll bearbeiteten Sand. Den Trecker hatte ihm sein Onkel gebaut. Mit viel Liebe hatte er ihn geduldig aus Blech und Holz für seinen Neffen zusammengebastelt. Nun lag der Neffe auf der Seite im Sand, kämpfte sich kraftvoll mit dem Trecker immer tiefer hinein und brummte versonnen vor sich hin. Er war weit weg mit seinen Gedanken, beobachtete konzentriert die Bewegung und fühlte der Kraft nach, die sich ihm entgegensetzte.

Im Hintergrund lachten und johlten die anderen Kinder auf dem Spielplatz, kämpften ihre Schlachten, eroberten Teile des Spielplatzes, teilten sich auf in Gut und Böse, verteidigten die Rutsche, schossen mit Stöcken auf ihre Angreifer, brüllten und kreischten und hatten ihren Spaß dabei. Nicht so unser Junge mit dem Trecker. Krieg spielen war nicht sein Fall und die vielen anderen Kinder machten ihn eher nervös, als dass er mit ihnen zusammen sein wollte. So wie die anderen ihr lautes Zusammensein liebten, das Spiel mit ihresgleichen, so genoss er den kühlen Sand unter sich, die leisen Geräusche die der Traktor machte, ja sogar das Alleinsein gefiel ihm. Er hatte seine Ruhe, keine Aufgaben, keine Verpflichtungen, musste an nichts denken, er fühlte sich frei und geborgen.

Er war ein hübsches Kind mit einem zu eckigen Hinterkopf, wie seine Mutter fand. Leider sprach er erst spät, nur wenig und wenn formulierte er gleich komplette, wohlgeformte Sätze, die er sich sicherheitshalber zuerst einmal leise selbst aufsagte, bevor er sie laut aussprach. Zudem brauchte er oft recht lange für eigentlich einfache Überlegungen, so dass seine Eltern schon Sorge hatten, ihr Sohn könne etwas zurückgeblieben sein. „Albert! Deine Lehrerin ist da“, rief seine Mutter, eine sehr fürsorglich, disziplinierte Frau, voll von großen Erwartungen, was ihren kleinen verträumten Liebling betraf. So sollte er schon, bevor er in die Schule kam, von einer Hauslehrerin unterrichtet werden. Er war ihr Augenstern, aber sie hatte auch genaue Vorstellungen, was aus ihm später werden sollte und dazu gehörte eine gute Ausbildung. Aus ihm sollte mal ein gebildeter Mann werden, auch studieren sollte er, und das wollte sie nicht dem Zufall überlassen. Zum Glück waren da noch sein Vater und der Onkel, die das Leben nicht ganz so ernsthaft angingen. Die Beiden wussten über die neusten Entwicklungen der Elektrotechnik Bescheid und liebten es, das Kind in die geheimnisvolle Welt der Elektrizität mitzunehmen. Sie erklärten ihm geduldig, stundenlang die Phänomene der Spannung und des Stroms. Das war, in den Augen des kleinen Jungen, die wirklich aufregende Welt. In einer Zeit, wo die Straßen noch von Fuhrwerken befahren wurden, waren die Elektrizität und der Magnetismus das spannendste, was ein Junge damals entdecken konnte. Für ihn war es die moderne große, weite Welt. Es brannte in ihm, die Geheimnisse der Elektrizität und des Magnetismus zu beobachten und zu verstehen.

Die Einsteins - eine liberale, liebevolle, kleine Gemeinschaft. Vater Hermann war ein Freidenker, der sich wenig respektvoll über Dogmen und Rituale äußerte. Starres Obrigkeitsdenken waren Hermann und Pauline Einstein fremd. Sie dachten fortschrittlich, pflegten das gemeinschaftliche Gespräch bei Tisch, förderten Belesenheit und die Musik. In diesem harmonischen, geborgenen Familienumfeld konnte sich der kleine Albert frei entwickeln oder sich einfach nur wohl fühlen. Seine übermäßige Phantasie fand in der Familie immer wieder neue Nahrung und sein Gehirn wurde fortwährend angeregt, bis sich sein Geist langsam zu dem späteren Genie entwickelte. Nicht die verhasste Schule war es, die aus ihm das machte, was später aus ihm wurde. Im Gegenteil, man muss fast sagen, trotz der Schule hat er seine unkonventionelle Art zu denken beibehalten. Denn die Schule im 19. Jahrhundert war, aus der Sicht eines kleinen, sensiblen Jungen, brutal. Sie versuchte eher kleine folgsame Untertanen hervorzubringen, als kreative und kritische Menschen zu fördern. Disziplin und Ordnung waren auch hier das oberste Gebot. Der Staat brauchte Bürger, die mit Feuereifer, in den Krieg ziehen würden, wenn das Vaterland bedroht wurde und so wundert es nicht, dass der kleine Einstein die autoritäre Strenge und Gewalt hasste und jedes Interesse am Unterricht verlor. So brach er als 15-Jähriger die Schule ab und reiste seinen Eltern nach Mailand hinterher, wo er ein Jahr lang ohne Unterricht oder Ausbildung lebte.

Albert Einstein war ein außergewöhnlicher Mensch, der nicht nur wegen seiner großen Leistungen so berühmt wurde, sondern auch wegen seiner Originalität. Er verkörperte, wie kaum ein anderer, den Traum von Unabhängigkeit und Freiheit im Geist, der vielen als Vorbild dient. Bis heute prägt Einstein noch das Bild vom zerstreuten Physiker, der vergeistigt die Welt betrachtet.

In seiner frühen Kindheit zeichnete sich eine derartige Entwicklung zunächst nicht ab. Und als er dann noch als Jugendlicher das Gymnasium verließ, hätte man ihm wohl eher das Ende seiner Karriere vorausgesagt.

Sein Vater und sein Onkel legten vielleicht den Grundstein für sein technisches und naturwissenschaftliches Interesse und seine Mutter gab ihm den Ehrgeiz, Großes zu leisten und die Liebe zur Musik mit auf den Weg. Doch reicht das, um sein Genie zu erklären? Im Fall von Einstein hätte wohl niemand zu prophezeien vermocht, dass aus ihm mal der bekannteste Physiker des 20. Jahrhunderts werden würde.

Die Anfänge der Physik

Einstein steht mit seiner allgemeinen Relativitätstheorie und seinen Arbeiten zur Quantentheorie genau an der Schwelle zur modernen Physik. Die klassische Physik vor Einstein wurde von vielen bedeutenden Physikern, wie Galilei, Newton oder Maxwell, geprägt. Die Zahl der großen Persönlichkeiten, die mithalfen das Gebäude der klassischen Physik zu errichten, ist lang, zu lang um sie alle aufzuzählen. Dabei liegen die Ursprünge der Physik, in ihrer wissenschaftlich strengen Form, bei Galileo Galilei, der nur 200 Jahre vor Einstein wirkte.

Es gab auch schon in der Antike zahlreiche Gelehrte, die sich mit Naturphänomenen beschäftigten und diese zum Teil auch mathematisch beschrieben, doch war die antike Physik noch hauptsächlich eine Natur beschreibende Physik. Gute Kenntnisse hatte man, beispielweise über die Luftdichte, den Aufstieg von warmer Luft und die magnetische Anziehung. Das Gesetz vom Auftrieb, nach Archimedes, wird selbst heute in der Schule genau so gelernt. Besonders die Vorstellung von Licht als geometrischer Erscheinung bei der Spiegelung und Brechung waren genauestens bekannt und nährten den Verdacht, dass in der Natur mathematische Regeln in ihrer Idealform stecken. Aristoteles, 384 Jahre v. Chr. geboren, nannte sein Werk schlicht „Physik“. Damit prägte er den Namen Physik, auch wenn seine Naturbeschreibung noch nicht der heutigen wissenschaftlichen Form entsprach. Trotzdem waren seine Erkenntnisse, bis in die frühe Neuzeit, für den Wissenschaftsbetrieb maßgeblich. Noch im späten Mittelalter und in der Renaissance mussten sich die Naturwissenschaften mit der aristotelischen Naturlehre auseinandersetzen. Über einen Zeitraum von 2000 Jahren prägte die aristotelische Naturphilosophie das Weltbild der Menschen mit.

Die heutige Form der physikalischen Weltbetrachtung wird durch das alles entscheidende Instrument der Physik, dem Experiment, vervollständigt. Alle Ideen, jede Vermutung, jede Hypothese und Theorie, müssen empirisch überprüft werden. Damit unterscheidet sich die Physik von der Philosophie und von der Theologie, aber auch von allen metaphysischen Lehren. Die entscheidenden Punkte der Behauptung müssen genauestens herausgearbeitet werden und in einem möglichst idealen, jederzeit wiederholbaren, allgemeingültigen Experiment, überprüft werden. Erst dadurch unterscheidet sich eine physikalische Theorie von einer Fiktion. Jahrtausende lang war dies keineswegs selbstverständlich. Anders als unsere technologische, rational aufgeklärte Gesellschaft, verschwammen Wissen und Vorstellung. Der Alltag war von phantasievollen, gefühlt sinnvollen Beschreibungen bestimmt. Vermutlich hätten die Menschen mit Unverständnis darauf reagiert, Sachverhalte die selbstverständlich waren zu hinterfragen oder gar aufwendig zu überprüfen. Das Denken sah diese Option gar nicht vor. Das reformierte sich erst in der Neuzeit grundlegend. Mit der Entdeckung neuer Länder und der rasanten Zunahme an Wissen durch den Buchdruck, veränderte sich das Weltwissen jedes Einzelnen. Immer mehr Persönlichkeiten stellten die alte Ordnung in Frage und öffneten sich den neuen Entdeckungen, mit Hingabe.

In diesem Kontext wundert es nicht, dass auch ein Mann wie Galilei anfing, das bisherige Wissen, die Physik der Alten, systematisch im Experiment zu überprüfen und so zu ganz neuen Bewertungen und Einschätzungen über die Natur kam. Schöpfung und Naturgesetze wurden nicht mehr als eine von Gott so gewollte, in einem Schöpfungsakt entworfene und realisierte Welt angesehen, die man fraglos hinnahm, sondern es wurden Messungen und Analysen vorgenommen, aus denen sich Gleichungen und Axiome ergaben. Die Freiheit des Phantastischen, die vielen Möglichkeiten, die uns unser Gehirn auch als realistische Einschätzung aufzeigt, wurden gestutzt auf eine überprüfbare Endlichkeit und eine geordnete Gesetzmäßigkeit der Natur, mittels Formeln und Gleichungen. Unsere Welt wurde dadurch zunächst viel kleiner und enger, aber wie wir wissen, entwickelten sich aus dieser Methodik neue, völlig ungeahnte Welten und letztendlich eine so unglaubliche Technik, dass sie die Vorstellungskraft der Alten von dem was man bewerkstelligen kann, bei weitem übertraf.

Galilei hatte das Experiment in der Physik, mit seiner Autorität, fest installiert und damit die Physik von Aristoteles und Sokrates, durch die Empirie vervollständigt. Damit wurde sie zu einer echten modernen Naturwissenschaft. Jede Idee, jede Hypothese und jede Theorie musste an der Natur wiederholbar überprüft werden und es kamen plötzlich immer mehr Geheimnisse ans Licht, die in den Naturerscheinungen schlummerten und erst durch das Experiment entdeckt wurden. So entwickelte sich ein eigener Zweig der Physik, die Experimentalphysik, die entweder die Theorien zu bestätigten versuchte, bekannte Größen und Konstanten immer genauer bestimmte oder sogar Neues erforschte, bzw. entwickelte, also echte Grundlagenforschung betrieb. Die Befunde der experimentellen Physik waren dann wieder Anlass für die theoretische Physik, die Hypothesen und Theorien zu verbessern oder ganz neu aufzustellen.

Damit kann Galileo Galilei vielleicht als Vater der heutigen Physik bezeichnet werden, falls man überhaupt eine Einteilung vornehmen will. Verblüffend ist, dass sich seine allgemeingültigen Gesetze, im Vergleich zu Aristoteles, aus ungenauen Verallgemeinerungen ergaben. Aristoteles konnte den Kreis zur vollkommensten Form der Bewegung erheben und darauf die Bewegungen der Gestirne aufbauen. Stützt man sich auf Experimente, so sind diese immer unvollkommen, erst recht mit den Mitteln der damaligen Zeit. Will man trotzdem universelle Gesetze daraus ableiten, muss man sie in Gedanken idealisieren. Beispielsweise stellt man sich in Gedankenexperimenten den Raum luftleer oder reibungsfrei vor und bezieht das in seine Experimente mit ein. Auf diese Weise kommt man zu Zusammenhängen, die zwar so nur für den Idealfall gelten, in denen aber doch das Wesen der Natur in Form eines Gesetzes steckt.

Natürlich hatte Galilei auch die Persönlichkeit und die Anerkennung der Fachwelt hinter sich, um das Naturwissen ganz von der Philosophie zu lösen und damit auf eine neue Stufe zu stellen. Trotz seiner Schwierigkeiten mit der Obrigkeit, genoss er, besonders außerhalb von Italien, in Fachkreisen hohes Ansehen und mit seinem Werken über die Mechanik nahm der Weg der Physik bei ihm seinen Anfang.

Inzwischen hat sich das gesellschaftliche Bild von der Physik und ihrer Bedeutung für die Gesellschaft, sowie auch für die Philosophie, komplett gewandelt. Was die Frage nach dem Ursprung allen Seins betrifft, ist heute nicht mehr die Theologie die Instanz, die als einzige, neben der Philosophie, antworten auf die Grundsatzfragen gibt, die anerkannt werden. Bislang stand die Physik immer im Schatten der Mathematik und der Philosophie und musste sich aus den übergeordneten Schöpfungsfragen heraushalten. Die Theologie gab die Grundlagen vor, daran hatte sich der Mensch zu halten. In der Philosophie wurden akademische Fragen über das Denken, auch das Naturgeschehen betreffend, theoretisch diskutiert und es wurde versucht die Klarheit der Mathematik und der Logik in den Aufbau der Welt mit einzuarbeiten. Doch der Durchbruch, der Physik als exakte Wissenschaft, gelang ihr erst, als auch das Denken jedes Einzelnen, kritischer und rationaler wurde. Erst nachdem die Menschen anfingen sich selbst zu erkennen, sich ihrer Individualität bewusst wurden, war es ihnen möglich die biblische Schöpfung in Frage zu stellen. Ab dann, konnten sie die Gesetzmäßigkeiten in der Natur analytisch, sachlich, nüchtern begreifen und verstehen.

Musste der Italiener noch um die Reputation seiner Person als Physiker in der allgemeinen Gesellschaft kämpfen, so genießt ein Physikprofessor inzwischen großes Ansehen, selbst wenn er unbekannt bleibt. Heute würde niemand darüber spötteln, wenn sich jemand als Physiker vorstellt.

Physiker stehen für Intelligenz und Klugheit. So heißt es, dass Physiker komplexe Sachverhalte verstehen und Lösungen dafür finden können. Sie sind diejenigen, die heute über den Ursprung des Universums nachdenken, sich über die ganz großen Weltfragen Gedanken machen und die Entscheidung darüber fällen, was als anerkannte Meinung akzeptiert wird und was nicht. Nicht mehr die Theologie und auch nicht mehr die Philosophie findet heute in der gesellschaftlichen Diskussion über das Woher und Wohin so viel Respekt und Gehör wie die Physik. Ob zu Recht oder zu Unrecht und ob man wirklich jeden Physiker ernst nehmen sollte, ist eine andere Frage. Allein schon die verwirrenden, fremdartigen Formeln und Gleichungen, mit ihren vielen abstrakten Zeichen, haben etwas Achtung gebietendes. Gleichungen die eine ganze Tafellänge beanspruchen und Umformungen, Beweise und Rechnungen, die sich in einer Vorlesung über viele große Tafeln erstrecken, sind selbst für Physiker ermüdend und schwer zu verfolgen, haben aber eine respekteinflößende Wirkung.

Der Weg zum Physiker ist lang und mühevoll und die wirklich spannenden Themen werden oft nur kurz behandelt oder verschwinden wieder aus der Anschaulichkeit in die Mathematik. Das Physikstudium bietet wenig Raum für philosophische Betrachtungen. Meistens bleibt die Ausbildung sehr sachlich und nüchtern, mit einem hohen Maß an Spezialisierung.

Die Physik ist eine Grundlagenwissenschaft. Auf ihren Erkenntnissen bauen die weiterführenden Naturwissenschaften und die Technik auf. Es steht weder die Anwendungsbezogenheit im Vordergrund noch ob es für den Menschen wichtig ist, ob es ihm in irgendeiner Weise Nutzen bringt. Sie beschäftigt sich mit den grundlegenden Phänomenen in der Natur und versucht ihre Eigenschaften und ihr Verhalten, in Modellen und Gesetzmäßigkeiten zu erklären. Liest man über die großen Entdeckungen in der modernen Physik, dann wird man angeregt, sich selbst über elementare Dinge wie die Materie oder den Raum Gedanken zu machen. Studiert man später Physik, fällt gleich auf, wie wenig das Erhabene im Studium eine Rolle spielt und wie sachlich die Lehre mit dem Geheimnisvollen, dem Unbekannten umgeht. Auch im späteren Tätigkeitsfeld eines Physikers, wird nicht mehr über die großen, offenen Fragen diskutiert, als in anderen Bereichen der Gesellschaft. Mit den wirklich großen, spekulativen Fragen der Physik beschäftigt sich beruflich später nur ein äußerst kleiner, fast elitärer Kreis, an den großen Grundlagen-Laboratorien und in den bedeutenden Universitäten. Vielen Physikern, aber auch fachfremden Menschen, die sich Gedanken über den Aufbau der Welt machen, ist dieser Zugang meist verwehrt. Gehör findet nur, wer Einlass zu den alles bestimmenden akademischen Zeitschriften der Physik hat. Dafür braucht man Reputation. Es muss ein angesehenes Institut oder ein großes Forschungslabor hinter ihm stehen. Außenstehende haben da keine Chance. Es geht nicht darum über falsche Ideen und kreativen Gedanken sich weiterzuentwickeln, sich hoch zu irren, etwas auszuprobieren und daraus zu lernen, sondern wer den Zugang hat, wer ganz oben steht, der gibt den Weg vor, er bestimmt was richtig und was falsch ist. Doch auch innerhalb der Fachkreise werden Kritiken oder aufgedeckte Fehler nicht als Bereicherung auf dem Weg zu neuem Erkenntnisgewinn gesehen, sondern sie werden wie ein Angriff auf die eigene Person gewertet. Mitstreiter gelten als Konkurrenten auf die wenigen Karriereposten.

Die scheinbar so objektive Physik wird in den großen, spekulativen Fragen von einigen wenigen festgelegt und selbst wenn die zunehmenden Ungereimtheiten schwer auf ihr lasten, so bauen sich weiter die Karrieren innerhalb der Physik, auf die bewährten Standardmodelle auf, die fest in der Hand der alten Ordnung liegen.

Galilei stritt sich noch mit der über Jahrhunderte alles bestimmenden Autorität der Kirche und den gesellschaftlich hoch im Ansehen stehenden Theologen - er, als kleiner Mathematicus, gegen die Kardinäle Roms. Heute sind es die Mechanismen der Physik selber, die zwar zweifellos höchste Standards hervorgebracht haben, nun aber wegen der Qualität ihrer Ergebnisse und dem Establishment, in Reglosigkeit erstarren.

Wie in allen Bereichen im Miteinander von Menschen, geht es auch in der Physik nicht nur um die Wahrheit, selbst wenn sie von naturwissenschaftlich denkenden Menschen als Alibifunktion herhalten muss, sondern auch hier geht es um Einfluss und Macht, um Karrieren, den Ruf und das Geld. Auch die Physik des 21. Jahrhunderts ist nicht frei davon und wir sollten weiter kritisch mit den anerkannten Lehren sein.

Galilei, Newton, Einstein

Zu Galileis Zeiten sah die Welt, aus der heutigen Sicht, noch viel einfacher aus. Er musste nur die Obrigkeit davon überzeugen, dass sich die Erde um ihre eigene Achse dreht und nicht das Universum um die Erde. Doch ist das wirklich so einfach zu erklären? Warum merken wir denn nichts von der Bewegung der Erde, obwohl sie in nur 24 Stunden, am Äquator, ihren gesamten Umfang zurücklegt. Müssten wir denn nicht weggeschleudert werden? Warum wird uns nicht schwindelig bei diesen hohen Drehgeschwindigkeiten?

So oder so ähnlich argumentierten die Kritiker und waren sich ganz sicher, dass sie Recht hatten. Man müsse es irgendwie fühlen, wenn sich die Erde unter den Füßen bewegt. So etwas bräuchte man auch nicht zu überprüfen - es wäre einfach klar!

Auf der Suche nach einem unwiderlegbaren Beweis dafür, dass sich die Erde dreht und wir trotzdem nicht davon fliegen oder die Bewegung spüren, entdeckte Galilei die Trägheit von Körpern. Er beobachtete genau, wie sich Massen verhielten, wenn sie gleichmäßig bewegt werden, immer und immer wieder. Dann verallgemeinerte er seine Beobachtungen auf den Idealfall und entwickelte daraus eine Gesetzmäßigkeit für alle Körper die sich gleichmäßig bewegen, die er Trägheit nannte. So bemerkte er, über die Untersuchung der Bewegung, dass physikalischen Gesetze unabhängig von dem Bewegungszustand des Bezugssystems sind. Also definierte er zum einen, das Inertialsystem als ein Bezugssystem, das kräftefrei ist und zum anderen das Relativitätsprinzip, das alle Inertialsysteme gleichwertig sind. Zusätzlich entwickelte er eine Koordinatentransformation, um die verschiedenen Bezugssysteme ineinander überführen zu können. Galilei geometrisierte die Welt. Ja er selber ging in seiner Euphorie so weit, die Welt selber, als die Geometrie anzusehen und war mit diesem Grundgedanken überaus erfolgreich.

Nur wenige Generationen später stellte, auf den Erkenntnissen Galileis zu den Relativsystemen, den Fallgesetzen, den Beschleunigungen und den Planetenbewegungen des Nikolaus Kopernikus, in England, Isaak Newton, einer der bedeutendsten Physiker, sein universelles Gravitationsgesetz auf. Newton erkannte als erster den Zusammenhang zwischen dem, dass ein Stein immer nach unten fällt, weil sich die Masse der Erde und der kleine Stein anziehen und dem, dass der Mond und die Erde sich anziehen. Der Mond fällt immerzu um die Erde herum. Es gelang ihm dafür ein Gesetz zu finden, das für alle Massen gilt und anscheinend universelle Gültigkeit besitzt. Zusammen mit den Bewegungsgesetzen legte Newton damit den Grundstein der klassischen Mechanik.

Im Jahre 1686 veröffentlichte Newton sein Werk, die „Philosophiae Naturalis Principia Mathematica“, in dem er erstmals sein Gravitationsgesetz vorstellte. Seitdem bestimmte es den Lauf der Gestirne, Kometen und aller sonstigen Himmelskörper. Es wurde zum unangefochtenen Gesetz, dem sich die ganze Physik und besonders die Himmelsmechanik unterwarfen. Erst zweihundert Jahre später zeigten sich im Detail gewisse Schwächen der Gravitationstheorie. Einstein war da gerade sieben Jahre alt, hatte aber schon die Naturwissenschaft und Technik für sich entdeckt und war speziell von physikalischen Naturphänomenen fasziniert. Bis er allerdings alt genug war um es mit einem Isaak Newton aufnehmen zu können, hatte er noch einen langen mühseligen Erkenntnisweg vor sich. Knapp 30 Jahre später, gehörte er nicht nur zur Elite der Physiker, sondern es gelang ihm die Gravitation Newtons, durch eine genauere, noch umfassendere Theorie der Gravitation, zu erweitern, die nicht nur die Massen einbezog, sondern auch den Raum und die Zeit.

Schon 1905, damals war er noch ein Niemand, fasste er seine Erkenntnisse über bewegte Bezugssysteme in den „Annalen der Physik“ zusammen. Zur Relativität bewegter Bezugssysteme nach Galileo, fand Einstein noch die Relativität von Raum und Zeit. Zwei Grundgrößen allen philosophischen und physikalischen Denkens, die in ihrer absoluten und beständigen Form, unangefochten immer fest waren. Aus präzisen Experimenten zeichnete sich ab, dass anscheinend die Lichtgeschwindigkeit eine Grenzgeschwindigkeit darstellt, die nicht überschritten werden kann. Einstein verallgemeinerte diese Vermutung auf alle Körper und Bewegungen und postulierte, dass zum einen keine Information schneller als mit der Vakuum-Lichtgeschwindigkeit übermittelt werden kann und zum andern, dass nicht der Raum und die Zeit absolut sind, sondern nur die Lichtgeschwindigkeit. In jedem sich bewegenden Bezugssystem, ist nur die Lichtgeschwindigkeit gleich groß. Nur an ihr kann man sich orientieren.

Die spezielle Relativitätstheorie galt nur für Relativsysteme, die sich mit gleichförmiger Geschwindigkeit bewegen und so kam gleich der Wunsch in Einstein auf, die Veränderung von Raum und Zeit auch auf beschleunigte Systeme zu verallgemeinern. Speziell hier auf der Erde scheinen wir ununterbrochen zum Erdboden hin beschleunigt zu werden, auch wenn wir dabei ruhen. Wir werden an den Boden gepresst, genauso als wären wir in einer Rakete, die mit knapp 10 m/s² beschleunigt wird. In einem Fahrstuhl könnten wir den Unterschied kaum feststellen. Damit legte er den Finger auf die tieferen Zusammenhänge von beschleunigten Trägheitssystemen und ruhenden Schweresystemen. Massen und Bewegungen im Raum könnten miteinander in Verbindung stehen. Galilei glaubte noch fest die Welt, der Raum in ihr, ist Geometrie. Einstein geometrisierte nun, zu Galileis Raum, auch noch die Zeit als vierte Raumgröße. Dann verallgemeinerte er die Relativsysteme auf beschleunigte Inertialsysteme. Er geometrisierte Raum und Zeit und ließ als Höhepunkt zu diesen verallgemeinerten, geometrischen Koordinaten auch noch Raum- und Zeitkrümmungen zu. Damit ergab sich eine ganz neue Betrachtungsweise von Newtons Gravitationsgesetz. Jetzt sind es nicht mehr die Massen alleine, die sich anziehen, sondern die Massen verändern den Raum und die Zeit drum herum, und das führt indirekt dazu, dass sich Materie in einem gekrümmten Raum aufeinander zubewegt.

Einstein setzte dabei eine Mathematik ein, die bisher unter Mathematikern keine besondere Bedeutung hatte und 1840 von dem großen Mathematiker William Hamilton eingeführt wurde - die Tensorrechnung. Erst 1900 machte Gregorio Ricci-Curbastro, diese Rechenmethode, in seinem Buch „Calcolo differenziale assoluto“, sie einem größeren Fachpublikum zugänglich. Das Buch wurde in verschiedene Sprachen übersetzt, unter anderem ins Deutsche und so konnte sich auch Einstein sein Wissen darüber aneignen. Er benutzte diese neue Rechnung für seine allgemeine Relativitätstheorie und durch ihn bekam diese Art der Mathematik erst eine so große Bedeutung. Es war eine ausgearbeitete, mathematische Methodik, um mehrdimensionale Räume, die nicht zwingend euklidisch, also rechtwinklig waren, analytisch beschreiben zu können. Für Einstein waren der Ursprung von solchen Raum- und Zeitkrümmungen die Massen. Newtons gravitative Massen krümmten Einsteins Raumzeit und führten zu dem, was wir als Anziehung wahrnehmen. Egal ob es nun ein Apfel ist, der Newton auf den Kopf viel oder der Mond, der um die Erde, im gekrümmten vierdimensionalen Raum, herum fällt, hier fanden sich die Zusammenhänge der Himmelsbewegungen, im Ablauf der kleinen Dinge des Alltags, wieder.

Galilei hatte die Physik nicht erfunden, aber er hat ihr das Fundament für eine solide moderne Wissenschaft gegeben. Sein Wirken fiel in eine Zeit die im Umbruch lag.

Kepler, Gutenberg, Luther

So versuchte auch der deutsche Astronom und Mathematiker, Johannes Kepler, in den Bewegungen der Gestirne, mathematische Regelmäßigkeiten zu entdecken. Kepler begegnete genau im Jahr 1600 den 25 Jahre älteren dänischen Astronomen Tycho Brahe, der in mühevoller jahrelanger Kleinarbeit, die Fixsterne und Planetenbewegungen genau beobachtet und ihre Position notierte. Das alles noch ganz ohne Teleskop. Tycho Brahe war von den Werken Keplers beeindruckt und hoffte, dass dieser, in seinen vielen gesammelten Daten, eine Gesetzmäßigkeit entdecken würde. Brahe glaubte noch fest an das alte ptolemäisch-geozentrische Weltbild und hatte entsprechend Schwierigkeiten seine Planetenbahnen, die zum Teil eindeutige Schleifen zogen, sinnvoll zu erklären. Er begegnete nun den viel jüngeren, sehr empfindsamen Johannes Kepler, der trotz seiner tiefen Religiosität, das heliozentrische Weltbild für das richtige hielt. Kepler war ein pythagoreischer Mystiker. Auch er glaubte, dass die Natur auf mathematischen Grundlagen aufgebaut ist und alles ein zusammenhängendes Ganzes ergibt. Hier suchte also der jähzornige Brahe der alten Welt, den sensiblen jungen Kepler auf, einen Anhänger des modernen Zeitgeistes. Brahe, bewaffnet mit endlos vielen Datenreihen und Tabellen, die er nicht zu deuten wusste, aber argwöhnisch verteidigte, traf auf Kepler, der das richtige Wissen hatte, um die Rätsel die in den Zahlenreihen stecken, lösen zu können. Es war keine einfache Begegnung, aber sie führte dazu, dass Kepler einen Teil der Daten zur Verfügung gestellt bekam und sogar wenige Jahre später, alle gesammelten Positionswerte, des Tycho Brahe erbte. Und tatsächlich gelang es Johannes Kepler, nach 20 Jahren geduldiger Arbeit, mit der passenden Grundannahme, die richtigen gesetzmäßigen Zusammenhänge der Planetenbewegungen aufzuschreiben. Kepler glaubte fest daran, dass die Himmelskörper die irdischen Belange beeinflussen. Für ihn musste sich zwar nicht alles um die Erde drehen, doch war das ganze große Universum allein für die Erde geschaffen worden. Also drehte sich doch indirekt alles nur um uns Menschen. Mit Hilfe der Messwerte des Tycho Brahe, konnte er beweisen, dass sich die Erde und alle anderen Planeten, auf elliptischen Bahnen um die Sonne bewegen. Er degradierte die Bewegung der Erde aus dem Zentrum und die der Planeten zu den unvollkommenen Ellipsen. In seinem Hauptwerk beschreibt er sehr detailliert, wie sich die Erde um ihre eigene Achse dreht und entwickelte sogar ihre Präzessionsbewegung. Kepler wird damit zum Begründer der neuzeitlichen Astronomie. Doch noch war die Erde und auf ihr der Mensch, das Zentrum der Welt. Noch gab Kepler nicht unsere zentrale Göttlichkeit, unsere Einmaligkeit auf, aber er gehörte zu denen, die die große Änderung im Denken mit einleiteten. Kepler rückte die Erde aus dem Mittelpunkt und setzte den Menschen hinein.

Unter anderem begann mit ihm eine ganz neue Art von Weltbild, bei der der einzelne Mensch, auch der gewöhnliche, immer mehr Bedeutung gewann. Eingeleitet wurde die Veränderung des Denkens, rund 150 Jahre vor Kepler, durch eine Maschine. Johannes Gutenberg aus Mainz, entwickelte eine Möglichkeit, Bücher mit beweglichen Lettern zu drucken und revolutionierte, mit dieser scheinbar so einfachen Veränderung, die Buchproduktion. Es gelang ihm die einzelnen Komponenten beim Buchdruck so perfekt aufeinander abzustimmen, dass die Herstellung von Büchern viel effizienter wurde, so dass an Massenproduktionen gedacht werden konnte. Er löste damit in Europa eine Medienrevolution aus. Vielleicht war die Erfindung des massenhaften Buchdrucks, sogar die bedeutendste Erfindung des zweiten Jahrtausends.

Das Wissen der Welt war nun nicht mehr einem kleinen elitären Kreis vorbehalten, die die Macht und das Geld hatten, sondern konnte sich potentiell immer weiter und immer schneller ausbreiten - es kommunizierte. Dies führte dazu, dass auch zunehmend das einfache Volk von den Veränderungen in der Welt erfuhr. Doch erst mit Martin Luther wurden die Menschen von der Knechtschaft der Religion, eines strafenden, unnachgiebigen Gottes, des Alten Testaments, befreit. Luther übersetzte die Bibel nicht nur ins Griechische, sondern auch ins gewöhnliche Deutsche, womit sie auch für das einfache Volk zugänglich wurde. Dabei entdeckte er für sich, die Gnadenzusage Gottes im Neuen Testament und legte darauf in seiner Übersetzung den Schwerpunkt. Diese leicht veränderte Sichtweise und die Möglichkeit, durch den Massendruck und der Übersetzung ins Deutsche, selber in der Bibel lesen zu können, führten zu einer Bedeutsamkeitszunahme jedes Einzelnen. Ohne es zu wissen war auch Luther ein Keim für eine sich entwickelnde Bewusstwerdung, ein Erwachen des Geistes, die plötzlich jedem eine Verantwortung für das Weltwissen zuteilte. Doch erst mit Kepler geht die Saat langsam auf.

So gesehen reitet Galilei schon auf der Welle dieser neuen Zeit. Nur erkennt er schärfer als andere das Moderne und führt die Fäden für die Physik auf der richtige Spur zusammen.

Physik heute

Was hat sich seit Galileis Tagen geändert? Wie sieht die Physik heute aus? Haben wir alle Fragen nach dem Woher und dem Wohin, mit all unseren modernen Mitteln, hinreichend beantwortet? Schließlich ist die Physik zu einer der wichtigsten Wissenschaften, unserer technologischen Welt geworden. Ihre Grundlagenforschung hat zur Entwicklung zahlloser, immer raffinierterer Geräte geführt. Es wurden gewaltige Teilchenbeschleuniger gebaut, um tief in die Natur der Materie einzudringen. Aus dem einfachen Teleskop von Galilei, sind beeindruckende Apparate, mit Meter großen Spezialspiegeln geworden, die mit Hilfe von ausgefeilten Computerprogrammen, die Tiefen des Weltraums durchforschen. Inzwischen haben wir ausgereifte Theorien zu jedem Phänomen. Aber hat all das uns weiter gebracht? Kennen wir heute den Ursprung des Lebens, das Woher der Dinge und ihrem Zusammenspiel? Können wir es berechnen und lösen?

Leider nein.

Alles was wir bisher dabei geschafft haben ist, dass die Antworten immer verwirrender und vor allem immer komplizierter werden. Wir schieben einen Berg von Lösungen vor uns her, von dem jeder einzelne Ansatz und jede Erklärung der Zusammenhänge so spezialisierte Lösungen der Fragen hat, dass sie nur die entsprechenden Fachexperten verstehen - wenn überhaupt. Denn die Antworten, auch auf ungestellte Fragen, liegen in einer mathematischen Fachsprache vor, die man sich nicht mal eben so aneignet. Darum wird es auch immer schwieriger, einen Überblick zu bekommen und einen möglichen Zusammenhang der einzelnen Bereiche zu erkennen.

Die Sprache, die jeder mehr oder weniger gut versteht, die Sprache der Anschaulichkeit, das Beschreiben in Bildern und Vorstellungen, diese Sprache blieb bei den Physikern schon lange auf der Strecke. Wer heute in der Physik noch Karriere machen will, muss hervorragend in Mathematik sein. Er muss sich darin wohl fühlen und sie lieben. Wer aber große mathematische Fähigkeiten hat, kann gut im abstrakten Formalismus denken. Diese Fähigkeit wird im Studium noch gestärkt, denn anders lassen sich die komplex mathematischen Theorien meist gar nicht mehr bearbeiten. Zudem wird von einem Physiker erwartet, dass er die Formeln anwenden, also berechnen kann und nicht das er sich vorstellt was sie bedeuten. Das heißt aber auch, dass man die schlüssigen, anschaulichen Bilder wohl nicht von den Physikern bekommt. Sie vertrauen zu Recht nur ihren Gleichungen, die sie miteinander kombinieren und mathematisch umformen. Die äußerst abstrakten Ergebnisse werden dann wieder auf die Natur übertragen. Das ist aber immer kritisch zu bewerten, da die Ergebnisse nicht die Natur selber sind, sondern nur logische Zusammenhänge und Umformungen von Zeichen. Sind die Rechnungen einfach und gut zu überschauen, hängt die abstrakte Formulierung eng mit den realen Versuchsbedingungen, gut erkennbar zusammen, dann sind auch die Ergebnisse klar und übersichtlich und wir sehen mehr die Mathematik als Instrument, schneller ans Ziel zu kommen. Wir müssen nicht jede Addition mit Äpfeln und Apfelsinen überprüfen. Aber was, wenn wir uns auf Mechanismen der Logik verlassen müssen, die so kompliziert sind und so verschachtelt, dass wir sie weder richtig bei der Mathematik durchschauen noch ihren Bezug zur Wirklichkeit jederzeit intuitiv erahnen? Wenn wir nur vermuten, dass sich ein Elektron mit einer mathematischen Beschreibung so verhält, wie es die Formel vorgibt? Was, wenn wir etwas übersehen haben oder die Formel nur fast passt?

Entwickeln wir dann die Mathematik weiter und treiben unsere Rechnungen immer aufwendiger voran, mit diesen nur ein bisschen falschen Annahmen, sind dann die Abweichungen zur Wirklichkeit nur klein oder sind sie ganz falsch? Plötzlich erleben wir die Vielfalt der Mathematik, die in jeder komplexen Formel steckt. Lösungen die alle innerhalb der Logik, im Abstrakten möglich sind und vielleicht in einer anderen Welt, in einem anderen Universum verwirklicht wurden, aber die nicht unsere Welt widerspiegeln. Auf diese Weise kann man eine Theorie entwickeln, die in sich so symmetrisch und so vollkommen geschlossen und logisch ist, dass wir ähnlich wie Archimedes, lieber an den Sphärenklang der Planeten auf vollkommenen Kreisbahnen festhalten, als uns ins kalte Wasser, der chaotischen Wirklichkeit zu begeben. Auch hinter dem Chaos können einfache, leicht zu verstehende Gesetzmäßigkeiten, stecken. Hat man es mit dem Vielen zu tun, dann entsteht auch leicht darin ein heilloses Durcheinander, indem sich die Ordnung dahinter versteckt. Die Mathematik ist hervorragend darin, logische und geordnete Prozesse darzustellen. Unser Gehirn wiederum kann am besten in Bildern arbeiten und ist ständig auf der Suche nach Mustern und Veränderungen. Die komplexe Welt auf der Erde, ist nur in einigem Abstand oder tief im Detail schön geordnet. Auf der Ebene wie wir sie wahrnehmen, ist sie heillos kompliziert und unübersichtlich, ständig im Wandel, immer anders. Darauf hat sich unser Gehirn spezialisiert und nur so können wir die Umwelt erkennend erfassen und Strukturen in dem unübersichtlichen Durcheinander sehen. Unser Gehirn kann aus einer wirren Flut von Informationen, die Essenz herausziehen und planerisch damit die Zukunft gestalten. Es kann Bilder und Phantasien produzieren und sich so eine Vorstellung von der Außenwelt machen, aber dafür brauchen wir die Anschaulichkeit. Wir müssen uns die Bewegungen der Elektronen vorstellen. Unser Gehirn kann sich nicht die Bewegung die in einer Formel steckt vorstellen, es muss erst wieder übersetzt werden und dafür fühlen sich die Physiker entweder nicht genug verantwortlich oder sie können es auch nicht besonders gut, weil durch den Prozess der Mathematisierung immer mehr mathematisch begabte Physiker die Physik erobern. Zudem fehlt es meist den mathematischen Begabungen und sehr rationalen Menschen, an der Liebe zum Chaos und dem Fantastischen, dem Wunsch etwas nur unvollkommen anschaulich beschreiben zu wollen. Vielleicht muss man sich dafür an die Philosophen wenden. Vielleicht sind doch sie es, die in diese Gleichungen und mathematischen Systemen, Sinn und Anschaulichkeit bringen könnten - wenn sie sie nur verstehen würden. Vielleicht ist die Philosophie aber auch schon zu verdorben von der Logik und der Rationalität?

Physiker, sowohl experimental- als auch theoretische Physiker, suchen in erster Linie Regelmäßiges. Daraus leiten sie dann ihre gesetzmäßigen Zusammenhänge und Formeln ab. Sie versuchen die unterschiedlichsten Bereiche miteinander zu verbinden und darin das immer Gleiche zu erkennen. Können viele sehr unterschiedliche kleine Entwicklungen in einem übergeordnet Ganzen zusammengefasst werden, so spricht man von den Theorien. Sind es wichtige, übergeordnete Zusammenhänge, so führt uns dies auf die großen Theorien der Physik. Dabei spielt die Anschaulichkeit wieder nur eine Nebenrolle. Physiker können, beispielsweise alle diese auseinanderlaufenden Bewegungen im Universum zurückrechnen und kommen so zur Theorie vom Urknall, die eigentlich nur eine Hypothese ist, weil sie nicht überprüft werden kann. Sie können inzwischen auch viel darüber aussagen, was passiert, wenn Materie immer mehr verdichtet wird, aber schon da sind die Meinungen nicht mehr so einheitlich. Doch sind Physiker bei der Sinnfrage nicht die richtigen Ansprechpartner, weil die Frage des „Woher und Wohin“, sie nur in der allgemeinen Form interessiert, so wie es jeden interessiert, sie aber nicht in dem Bereich mehr Vorstellung und Ideen haben, als andere.

Die Frage nach dem Sinn des Lebens ist eine sehr persönliche Frage, die jeder für sich selber beantworten muss. Gläubige Menschen sehen in Gott die höchste Instanz. Gott ist dann die Antwort auf die Frage wo alles herkommt, aber auch was mit uns nach unserem Tod geschieht. Wir besitzen danach allesamt eine Seele, die unsere Unsterblichkeit verkörpert. Ein religiös denkender Mensch, will und sollte nicht Gott weiter hinterfragen. Für ihn endet die Suche nach dem Grund allen Seins hier. Will man noch weiter gehen, noch tiefer in die Zusammenhänge eindringen, darf man auch nicht an einem Grund für alles festhalten, sondern es fällt eher auf wie unwichtig, wie belanglos wir für das Ganze sind, und das möglicherweise das ganze Universum weniger wichtig oder unendlich ist, als wir bereit sind auszuhalten. Die Antwort darauf, was vor dem Urknall war, was bleibt, wenn alles verschwindet, hängt auch davon ab, wie viel man bereit ist zu akzeptieren. Und doch ist genau das vielleicht, für die Meisten, der eigentlich tiefere Grund, sich überhaupt mit dem Ursprung zu befassen. Wir suchen einen Sinn für das Ganze, etwas beständiges, etwas Ewiges, etwas das jeden Einzelnen zu etwas Besonderen macht. Materie, die von einer Ewigkeit ist und von einem kosmischen Geist berührt wird. Es kann sein, dass wir uns deshalb so schwer mit dem Nichts und der Unendlichkeit tun, weil damit auch so eng die Sinnlosigkeit alles Seienden verbunden ist.

Der Urknall

Wollten wir die Welt wie ein Gott selber erschaffen oder an einem zukünftigen Quantencomputer simulieren, wäre die Idee, dass alles in einem Punkt in einer Singularität begonnen hat, die denkbar abwegigste aller Ideen. Niemand käme auch nur auf den Gedanken, alles, das ganze riesige Universum, hätte in einem winzigen Moment, aus dem Nichts, wie ein Gottesfunke entstehen können. Es ist einfach zu abwegig. Als Schöpfer der Dinge würden wir von wenigen, aber entscheidenden Grundbedingungen ausgehen. Wir würden uns viel, viel Material von einem Stoff derselben Sorte besorgen und uns lange Gedanken darüber machen, wie wir die Komponenten am geschicktesten miteinander verbinden könnten, so dass die Dinge in Bewegung kommen, sich verkomplizieren, komplexer werden, und das möglichst aus sich selbst heraus. Wir würden uns lange den Kopf zermartern wie man Körper dazu bringt sich in Bewegung zu setzen, denn nur einfach Körper oder irgendetwas Substanzielles zu haben, reicht nicht. Es muss eine Verbindung zwischen ihnen geben, einen Austausch. Sie dürfen nicht nur starr angeordnet sein, sonst würde über Millionen von Jahren alles beim Gleichen bleiben. Umgekehrt wissen wir von der Natur, dass nichts ewig hält, nicht einmal so beständige Dinge wie Steine und Berge. Und in komplexen Welten, wie hier auf unserer Erde, würden sich sogar die gewaltigen Berge innerhalb weniger Millionen Jahren, allein durch Regen und Verwitterung abtragen, gäbe es die Plattentektonik nicht, die die Kontinentalplatten übereinander schiebt und damit aus den Meeren anheben.

Aber wie kommt man dahin wie können wir eine Welt erschaffen?