Der schwarze Milan - Régine Deforges - E-Book

Der schwarze Milan E-Book

Régine Deforges

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Beschreibung

Diese herrlich freimütigen Erzählungen spielen auf den Antillen, in Hongkong, Griechenland, Spanien, Italien und der französischen Provinz: unerschrocken erforscht Régine Deforges die Variationen und Vergnügungen des erotischen Abenteuers.

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Régine Deforges

Der schwarze Milan

Erotische Erzählungen

Aus dem Französischen von Brigitte Schenker

Ihr Verlagsname

Über dieses Buch

Diese herrlich freimütigen Erzählungen spielen auf den Antillen, in Hongkong, Griechenland, Spanien, Italien und der französischen Provinz: unerschrocken erforscht Régine Deforges die Variationen und Vergnügungen des erotischen Abenteuers.

Über Régine Deforges

Régine Deforges begann als Journalistin in Paris, bevor sie mit ihren Büchern «Die O hat mir erzählt», «Lola» und «Zärtliches Tagebuch» als Autorin erotischer Romane einiges Aufsehen erregte.

Inhaltsübersicht

Die hier veröffentlichten ...Für Jean-Jacques Pauvert, ...Die einzige Aufgabe ...VorwortMade in Hong KongDie BesenkammerDer schwarze MilanDas Vorübergehen des WirbelsturmsDie Beerdigung des Vater RenaudDer LastwagenfahrerKapitel für Kapitel

Die hier veröffentlichten Erzählungen wurden dem Band «Contes pervers» entnommen, der 1980 bei der Librairie Arthème Fayard, Paris, erschien

Für Jean-Jacques Pauvert, der weiß, wovon ich spreche …

Die einzige Aufgabe einer Erzählung ist es, zu unterhalten. Ihr Wert besteht darin, auf geistreiche oder naive Art über Ereignisse zu berichten, die auf keinerlei realer Grundlage beruhen.

 

‹Larousse› (19. Jahrhundert)

Vorwort

Ist für diese Art von Sammlung ein Vorwort oder eine Einführung wirklich notwendig? Geht der Autor nicht die Gefahr ein, dem Leser mit Erklärungen und Rechtfertigungen lästig zu fallen, die häufig ungeschickt sind, er, der im Grunde gerade dann, wenn sein Buch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird, es zurückhalten möchte? So sehr ist er davon überzeugt, wieviel Unvollkommenes und Unbeholfenes sein Werk enthält. Aber das Schiff ist, ob recht oder schlecht, vom Stapel gelassen, und nun kommt es darauf an, daß es wohlbehalten im Hafen landet. Einige dieser Erzählungen dienten als Vorlage für einen erbärmlich schlechten Film. Es ist hier nicht der Ort, zu erklären, warum das so war. Möglicherweise besteht die Ursache darin, daß Welten zwischen der Erotik im Film und der literarischen Erotik bestehen und daß man für den Film eine Begabung braucht, eine Kraft, eine Autorität und ein technisches Können, die mir fehlten.

Ich überlasse es dem Leser, zu entscheiden, ob ich mich in diesem Buch besser aus der Affäre gezogen habe als im Film und ob diese ‹Contes pervers› – aber sind sie das wirklich? – ihm die Zerstreuung bereiten, die er sich davon erwartet.

 

Régine Deforges

Made in Hong Kong

Wenn du wüßtest, was das ist, You,

Eine Französin. So zart –

Sanft an der Hand und sanft die Stimme.

Und Feuer … wie ein Edelstein.

 

P.J. Toulet: ‹Les Contrerimes›

(Princes de la Chine)

«Cartes.»

Die heisere Stimme von Jeanne kam dem Spielbankdirektor diesmal noch belegter vor als sonst. Schon lange stand er hinter ihr und sah zu, wie sie verlor. Was würde ihr Ehemann, der Minister, dazu sagen, wenn er von ihm das Geld zurückverlangen würde, das er seiner Frau geliehen hatte? Bei diesem Gedanken verzogen sich die dünnen Lippen von Monsieur Georges, wie ihn die Angestellten nannten, zu einem boshaften Lächeln. Er war ein auffallend großer Mann, fast mager, und von ausgesuchter Eleganz, die allerdings in ihrer Perfektion eine Spur zu übertrieben war und so auf eine gewisse Gewöhnlichkeit schließen ließ. Er hätte verführerisch aussehen können ohne diese dicken Killerhände und diesen harten Blick, der nur milder wurde, wenn er eine Bosheit im Schilde führte.

Im Augenblick wanderten seine Augen von den sorgfältig manikürten zarten Händen, deren Bewegungen einen herrlichen Saphir und die Diamanten eines Eherings funkeln ließen, zu den Schultern, deren Blöße ein Abendkleid aus dunkelrotem Taft nicht verbarg.

Die schönen Hände ließen müde die Karten fallen. Jeanne sah sich verwirrt um. Sie war verrückt. Innerhalb weniger Stunden hatte sie mehr als 20000 Francs verloren. Am Vorabend hatte sie ebensoviel verloren, am Abend davor auch … Wieviel schuldete sie Georges? Sie verbot es ihrem Verstand, sich die genaue Zahl zu vergegenwärtigen. Was sollte sie nur tun, um eine so beträchtliche Summe zurückzuzahlen? Unmöglich, mit Jacques darüber zu sprechen, der es satthatte, ihre Spielschulden zu bezahlen und mit Scheidung gedroht hatte, falls so etwas sich wiederholen sollte. Sie wußte, daß er die Drohung diesmal wahrmachen würde. Obwohl erst seit kurzem Minister, würde er sein Wort halten. Er würde es vorziehen, wieder ein gewöhnlicher Abgeordneter zu werden, statt weiter ein Vermögen zu verschleudern, das schon nichts weiter mehr als ein Mythos war. Beim Klang von Georges’ Stimme, als er ihr die Summe lieh, die sie gerade verloren hatte, war ihr klargeworden, daß sie von ihm nichts mehr zu erwarten hatte. Sollte sie ihre Freunde bitten? Kam nicht in Frage. Denen schuldete sie schon zu viel! Diesmal war es wirklich aus, sie würde niemals mehr spielen!

Sie nahm ihr Perlentäschchen, ihr Feuerzeug, ihre Zigaretten und erhob sich schwerfällig. Ihr Körper schien ihr schwer, wie zerschlagen. Sie stieß gegen Georges, der zurücktrat, um sie vorbeizulassen.

«Ich möchte Sie sprechen. Würden Sie mit mir in mein Büro kommen?»

Jeanne stimmte zu und folgte ihm durch die Spielsäle.

«Faites vos jeux, Monsieurs, faites vos jeux …»

«Rien ne va plus.»

«Le six gagne.»

Ich hätte wohl besser Roulette spielen sollen, dachte Jeanne. Georges zog einen Schlüssel aus seiner Tasche und öffnete eine Tür, die mit grünem Leder gepolstert war.

«Kommen Sie. Setzen Sie sich! Was möchten Sie trinken? Whisky, Champagner, Porto?»

«Champagner, bitte.»

«Mögen Sie roten Champagner? Ich habe einen ausgezeichneten da.»

Er nahm eine Flasche aus einem Kühlschrank, der hinter falschen Buchrücken verborgen war, und stellte zwei Gläser auf ein Tablett, das er auf einer Ecke des Schreibtischs absetzte. Der Lärm des Korkens ließ Jeanne hochschrecken, die wieder in ihre finstersten Gedanken versunken war. Er schenkte ein. Ein wenig Schaum lief an den Gläsern herunter. Er reichte eines Jeanne, die es in einem Zuge austrank. Wieder schenkte er ihr ein Glas ein und trank seines langsam aus, während er Platz hinter seinem Schreibtisch nahm. Sein Gesicht hatte einen ausgesprochen verdrießlichen Ausdruck.

«Sie wollten mich sprechen?» fragte Jeanne und setzte sich in einen der beiden Sessel.

«Ja. Ich bin zur Zeit in einer sehr mißlichen Lage. Sie schulden mir 150000 Francs. Dieses Geld brauche ich unbedingt.»

«Aber ich verfüge nicht über eine solche Summe!»

«Fragen Sie doch Ihren Mann …»

«Sie wissen besser als irgend jemand, daß mein Mann mir verboten hat zu spielen und daß er sich weigern wird zu zahlen.»

«Es wird ihm aber kaum etwas anderes übrigbleiben.»

Jeanne stand zornig auf.

«Meine verehrte Madame, fassen Sie es nicht so auf. Ich brauche dieses Geld. Sie müssen es mir zurückgeben.»

Jeanne setzte sich wieder hin. Sie war den Tränen nahe.

«Das ist unmöglich. Und Sie wissen es genau!»

«Verkaufen Sie doch Ihren Schmuck.»

«Das ist schon geschehen. Womit, glauben Sie wohl, habe ich jedesmal meine Schulden bei Ihnen bezahlt?»

«Und dieser Ring?»

«Er gehörte Jacques’ Mutter. Er bedeutet ihm viel.»

«Ich bin untröstlich, aber ich muß Ihren Gatten anrufen.»

Georges zog ein Telefonverzeichnis zu Rate, hob den Hörer ab und wählte eine Nummer.

«Lassen Sie das!»

Man hörte, wie es läutete.

«Ich flehe Sie an, hören Sie auf, ich werde alles tun, was Sie wollen.»

Gemächlich legte Georges den Hörer auf und betrachtete Jeanne, die aufrecht und sehr blaß vor ihm stand. Mit den Händen stützte sie sich auf den Schreibtisch. Sie war eine der schönsten Frauen, die er jemals gesehen hatte. Mit herrlichen Haaren von einem warmen, fast rötlichen Blond, mit leuchtend grünen Augen, einem Gesicht, dessen Oval vollkommen war, einem Kinn, das ein Grübchen zierte, einer makellosen Nase, einem Mund, der den Männern Lust machte, hineinzubeißen, einem Körper mit üppigem Busen, den lange Beine mit Knöcheln von der Schlankheit eines Vollbluts trugen. Und dazu war ihr ein so distinguiertes Benehmen eigen, eine wache Intelligenz und Humor, Eigenschaften, die Jeanne zu einer der gefragtesten Damen von Paris machten. Als Abkömmling einer alten protestantischen Familie aus der Vendée hatte sie von ihrem Vater diese Lust am Spiel geerbt, die ihre Kindheit vergiftet, ihre Mutter um Hab und Gut gebracht und mit dem Selbstmord des Vaters geendet hatte. Sie spielte, wie man Rauschgift nimmt, ohne Rücksicht auf sich selbst zu nehmen. Jahrelang war ihr das Spielen verboten worden, aber ihre Leidenschaft trieb sie bis in Spielhöllen oder die Nebenzimmer von Cafés. Als sie eines Tages, ohne es zu wollen, eine Schlägerei provoziert hatte, war sie ernsthaft durch einen Messerstich verletzt worden. Das heilte sie vom Pokerspiel in Gesellschaft der Strolche aus den Bistrots, aber nicht vom Spiel. Als sie aus dem Krankenhaus entlassen wurde und ihr Spielverbot abgelaufen war, kehrte sie zu den Spieltischen der Casinos und Clubs zurück. Trotz der Liebe zu ihrem Mann und ihren Versprechungen, niemals wieder eine Karte zu berühren, gelang es ihr nicht, sich von diesem «kostspieligen Laster» zu befreien, wie es ihre Mutter nannte. Das alles war Georges bekannt. Einmal hatte sie ihn voller Verachtung zurückgestoßen, als er ihr zu verstehen gab, daß es mehrere Möglichkeiten gab, ihre Schulden zu zahlen. Von diesem Tag an hatte er sich geschworen, sich zu rächen.

«Ich habe einen Auftrag, mit dem ich Sie betrauen möchte. Wenn Sie ihn annehmen, gebe ich Ihnen alle Papiere wieder, die Sie unterzeichnet haben.»

«Worum geht es? Soll ich Drogen befördern?»

Jeanne hatte das in einem so verächtlichen Ton gesagt, daß es Georges schwerfiel, die Fassung zu bewahren.

«Sie haben aber eine sehr schlechte Meinung von mir, verehrte Madame. Es geht nicht um Drogen. Aber sprechen wir nicht mehr darüber …»

Er streckte die Hand nach dem Telefon aus.

«Bitte, verzeihen Sie mir, ich bin müde, ich weiß nicht mehr, was ich sage. Worum geht es denn?»

«Es geht darum, Dokumente zu überbringen. O nein! Nichts Geheimes. Aber es ist mir wichtig, daß sie in die richtigen Hände kommen, vor Ihren Augen unterschrieben und von Ihnen zurückgebracht werden.»

«Wo muß ich hin?»

«Nach Hongkong.»

«Nach Hongkong? Aber das ist ja am Ende der Welt …»

«Sie werden Ihrem Gatten sagen, daß Madame Wong, Ihre Freundin, die Antiquitätenhändlerin, sich aus gesundheitlichen Gründen nicht nach Hongkong begeben kann und daß sie Sie gebeten hat, an ihrer Stelle hinzufahren.»

«Sie haben an alles gedacht!»

«Ja. An alles. Kennen Sie Hongkong? Nein? Ich auch nicht. Nach dem, was man hört, soll es eine merkwürdige Stadt sein.»

«Wann soll ich abreisen?»

«Oh … Nächste Woche. Am Dienstag, zum Beispiel. Ist das recht? Sehr gut. Ich werde Ihnen Ihr Ticket zustellen lassen. In dieser Jahreszeit ist es sehr mild in Hongkong.»

 

«Anläßlich eines Ihrer Aufenthalte in Paris haben Sie den Wunsch geäußert, daß die Verträge Ihnen von einer reizenden jungen Frau überbracht werden sollten. Ich habe eine meiner Freundinnen mit dieser Aufgabe betraut. Sie ist bezaubernd, blond und sehr elegant. Ihr einziger Fehler ist ein maßloser Spieltrieb. Ich hoffe, daß sie Ihnen gefallen wird. Sie steht ganz zu Ihrer Verfügung. Eintreffen wird sie am …»

Lotus, eine sehr junge und sehr schöne Chinesin, die gänzlich nackt auf einigen Kissen saß, legte den Brief auf ihre Knie und wartete auf eine Antwort von dem Mann, dem sie ihn vorgelesen hatte. Es war schwierig, sich etwas Monströseres vorzustellen als diesen Chinesen, dessen enorme Körperfülle über einem niedrigen Diwan ausgebreitet war und von zwei hübschen Thailänderinnen mit nacktem Oberkörper massiert wurde. Er mußte an die 200 Kilo wiegen. Unter den kundigen Fingern der Mädchen stieß er leise Grunzlaute des Behagens aus. Er lachte so laut auf, daß die junge Chinesin hochsprang.

«Georges ist zu allem fähig, um ein Abkommen zu schließen. Wenn diese Frau so schön ist, wie er vorgibt, werde ich mich gut amüsieren. Was meinst du dazu, Lotus?»

«Ich dachte, daß Ihnen die weißen Frauen nicht gefielen …»

«Das stimmt. Aber diese hier ist außergewöhnlich, wie es scheint. Sogar Tchou, der sie bei Georges gesehen hat, hat mir nur das Allerbeste von ihr erzählt … Vielleicht schafft sie es, mir eine Kraft wiederzugeben, die du nicht einmal wiedererwecken kannst, du Hündin!»

Er warf eine herrliche Vase nach ihr, die neben ihm auf einem niedrigen Tisch gestanden hatte. Die Vase zerbrach vor Lotus’ Füßen, ohne daß sie sie getroffen hatte. Mit einer Bewegung seiner Schultern stieß er die Mädchen zurück, die mit ihrer Massage aufhörten. Sie hoben ein prächtiges Seidenkleid vom Boden auf und bedeckten Truong damit. Lotus ging zu ihm, schmiegte sich an ihn und rieb sich an seinem Körper wie ein junges Tier. Sie erschien winzig neben diesem Fleischberg.

«Meister, ich habe eine Überraschung für Sie … Heute abend werde ich Ihnen ein Stück bringen, das noch in Ihrer Sammlung fehlt.»

Truongs Gesicht leuchtete auf.

«Das ist aber eine erfreuliche Nachricht.» Dann stieß er das junge Mädchen zornig von sich, so daß sie auf die Kissen fiel. «Närrin, wenn du es mir vorher sagst, ist es keine Überraschung mehr!»

Er verließ das Zimmer, wobei er das bestickte Seidenkleid um die Wülste seines Körpers in Falten legte.

 

Lotus nahm den Star Ferry nach Kowloon, dann den Doppeldeckertrolleybus zur Salisbury Road und stieg an der Jordan Road aus. Sie trug die Hose und den Rock aus schwarzer Baumwolle, wie ihn die alten armen Frauen von Aberdeen und von Repulse Bay tragen. Aber an ihrem Körper sah dieses einfache und rein zweckbestimmte Kleidungsstück so aus, als ob es von einem der Couturiers des Mandarin oder des Peninsula kreiert worden wäre. Sie ging auf die Nanking Street zu und bog dann in die Reclamation Street ein. Das war eine kleine, sehr belebte Straße, wo die Tische der Restaurants draußen gedeckt waren, wo es Obsthändler gab, eine große Eisenwarenhandlung, eine Boutique, die Flitterzeug feilbot, einen Schneider, der sein Handwerk im Freien ausübte, eine chinesische Apotheke und ein Antiquitätengeschäft, dessen Schaufenster mit vergoldeten Buddhas, Porzellangöttern, mit Perlmutt verzierten spanischen Wänden, Jadearmbändern, Mandarinroben und Fächern vollgestopft war. Lotus stieß die schmale Tür auf und fand sich zwischen zwei Mauern wieder, an denen allerhand wunderliche Gegenstände hingen, die in dem Halbdunkel golden glitzerten. Hinter einer dieser Mauern kam ein sehr alter Mann hervor, der ein langes graues, altmodisches Kleid trug. Er verneigte sich mehrmals. Seine Hände, die sehr mager waren, beschrieben komplizierte Arabesken. Er sprach sehr schnell, wobei er den Kopf schüttelte oder lächelte und dabei einen zahnlosen Kiefer sehen ließ. Er holte ein langes rotlackiertes Kästchen, das mit schwarzer Seide ausgelegt war, auf der ein herrlicher Olisbos aus Jade ruhte. Lotus nahm den Gegenstand aus seinem Schrein und betrachtete ihn lange.

«Er ist wirklich sehr schön.»

Der alte Mann lachte vor Vergnügen.

«Das ist ein einzigartiges Stück und wäre es wert, in einem der bedeutendsten Museen der Welt zu liegen. Wahrscheinlich hat es einer unserer Kaiserinnen gehört. Ich habe es vor zwei Tagen aus Peking erhalten. Der amerikanische Botschafter, der französische Kulturattaché und sogar Sir Stephan, der Vetter der Königin, haben mir ein Vermögen geboten. Aber für mich bedeutet es eine Ehre, es meinem hochverehrten Landsmann, Monsieur Truong, zu verkaufen.»

Lotus zog ein Bündel amerikanischer Dollars aus ihrer Hosentasche. Der alte Mann griff danach, zählte sie kopfschüttelnd und kicherte zufrieden. Dann schob er sie in einen seiner weiten Ärmel.

«In Ordnung», sagte er und packte das Kästchen ein, das er Lotus übergab.

 

Jeanne war sehr beeindruckt von der Landung auf der Piste des Flughafens von Hongkong, und erleichtert setzte sie ihren Fuß auf chinesischen Boden. Viele Männer sahen sich nach ihr um und musterten ganz offensichtlich die Reize der jungen Frau. Ein Chinese in der Uniform eines herrschaftlichen Chauffeurs, den ein Zollbeamter begleitete, verneigte sich vor ihr.

«Madame Robert Descarpes?»

«Ja, das bin ich.»

«Ich bin der Chauffeur von Monsieur Truong, er hat mich hierher geschickt, um Sie abzuholen. Das hier ist Monsieur Cheong, dem wir es zu verdanken haben, daß die Zollformalitäten vereinfacht sein werden.»

Der Zollbeamte sagte zu dem Chauffeur einige Worte auf chinesisch und gab ihm ein Zeichen, daß er folgen solle. Jeanne erhielt ihr Gepäck in Rekordzeit zurück und fand sich dann in einem prächtigen Rolls neuesten Modells wieder. Sie betrachtete diese Stadt, die ihr unbekannt war, wo die zierlichen chinesischen Schriftzeichen der gewöhnlichsten aller Fassaden etwas Festliches gaben. Sie durchfuhren den Tunnel und überquerten Causeway Bay. Der Verkehr war sehr stark, und eine dichtgedrängte Menge wanderte auf den Bürgersteigen zu Füßen der Wolkenkratzer herum. Dann ging es flüssiger voran. Sie fuhren über die breiten, ansteigenden Alleen an prächtigen Gebäuden und Gärten vorbei. Bald sahen sie auf die Bucht von Hongkong. Jeanne war sofort hingerissen von so viel Schönheit. Der Wagen kletterte weiter und hielt vor einem breiten Portal aus dunkelgrünem Holz, über dem ein Vordach aus Keramikziegeln im alten chinesischen Stil angebracht war. Das Portal öffnete sich, der Wagen fuhr noch etwas weiter an Hibiskushecken entlang und hielt vor einem unglaublich großen Haus mit grünen Schieferdächern, auf denen Drachen Wache zu halten schienen.

Lotus, die in eine Art Pyjama aus roter und schwarzer Seide gekleidet war, wartete auf den Treppenstufen. Sie war von drei Dienerinnen in rosafarbenen Pyjamas begleitet. Der Chauffeur öffnete die Tür. Jeanne stieg aus und sah sich um. Lotus trat zu ihr und verneigte sich.

«Die Ehrenwerte Madame Robert Descarpes?»

Jeanne lächelte.

«Ja, ich bin die Ehrenwerte Madame Descarpes, aber mein Vorname ist Jeanne.»

«Wenn Madame Jeanne Descarpes mir bitte zu Ihrem Zimmer folgen will, wo sie sich ausruhen kann. Monsieur Truong, mein Herr, läßt Sie fragen, ob Sie ihm die Ehre erweisen wollen, heute abend mit ihm zu speisen?»

 

Ein Gang folgte dem andern, einer köstlicher als der andere. Jeanne, die eine Feinschmeckerin war, hatte fast vergessen, welch abstoßenden Anblick ihr Gastgeber bot, dessen weißer Smoking die monströse Körperfülle noch mehr zur Geltung brachte.

«Ihr Koch ist ein sehr bemerkenswerter Meister seines Fachs.»

«Was für ein Kompliment aus dem Munde einer Französin, und ganz besonders von Ihnen, verehrte Madame, denn ich vermute, daß Sie in allen Dingen einen verwöhnten Geschmack haben …»

Jeanne hatte, um sich Mut zu machen, viel getrunken. Ihre Augen glänzten unnatürlich. Sie war sehr schön. Ein langes, hautenges Kleid aus rotem Satin, das vorne ausgeschnitten war, ließ ihren anmutigen Körper zur Geltung kommen. Träumerisch und herausfordernd zugleich sah sie Truong in die Augen und sagte:

«Ja, ich liebe alles, was selten und kostbar ist, die Dinge und die Augenblicke.»

«Da bin ich ganz Ihrer Ansicht. Ich besitze eine sehr schöne Sammlung. Würde es Ihnen Spaß machen, sie sich anzusehen? Sie ist einzigartig auf der Welt. Gerade heute nachmittag habe ich ein äußerst seltenes Stück erhalten.»

«Mit Vergnügen.»

Truong erhob sich und gab dem Dienstboten ein Zeichen. Dieser half Jeanne, sich zu erheben. Sie folgte dem dicken Chinesen bis zu einem Raum, dessen Eingang ein schwarzer Vorhang verbarg, hinter dem sich eine gepanzerte Tür öffnete, wie die Tür eines Panzerschranks. Truong trat zurück, um Jeanne den Vortritt zu lassen.