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Avas Reise auf Paraside geht weiter. Gemeinsam mit ihrem Seelenverwandten Shariel erlebt sie neue Abenteuer und erreicht neue Hürden, die es zu meistern gilt. Erneut wird ihr Leben auf die Probe gestellt. Der Tod ist ihr ständiger Begleiter. Das verbotene Land von Talon VIII ruft: Auf der Suche nach den Geheimnissen der Welt führt sie eine Expedition zu einer neuen Insel namens "Kronoside", auf der plötzlich ein Krieg ausbricht. Ein neuer Mensch tritt in ihren Alltag, der über den Ausgang ihres zukünftigen Lebens entscheiden wird.
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Seitenzahl: 506
Veröffentlichungsjahr: 2024
Die Autorin:
Maiko FL ist 1993 in Bayern geboren und aufgewachsen. In ihrer Jugend hat sie sich bereits für das Zeichnen und Schreiben von kleinen Geschichten interessiert. Ab ihrer Schulzeit gehörte dann das Schreiben fest zu ihrem Alltag dazu.
Immer, wenn andere sie nach ihrer Kreativität fragen, sagt sie: »Ich schreibe, weil es mir Spaß macht. Die Ideen sind einfach da, sie kommen von alleine.«
Nach langem Zögern und viel Zuspruch ihrer Familie veröffentlichte sie im November 2023 ihr erstes Buch »Der sichere Hafen: Die Vorgeschichte«, welches sie während ihrer Jugend geschrieben hat. Aktuell ist sie hauptberuflich als Lagerarbeiterin beschäftigt. Ihre Freizeit verbringt sie bevorzugt mit Schreiben, Zeichnen lernen, Videospielen und Filme ansehen. Als Filmliebhaberin interessiert sie sich auch für das Drehbuch schreiben.
»In freundschaftlicher Liebe, Toni.«
Der sichere Hafen
Chamäleon
Maiko FL
© 2024 Maiko FL
Lektorat, Korrektorat von: Jasmin @jasminb93,
https://de.fiverr.com/jasminb93
Coverdesign, Buchumschlag von: Lyria @lyriakey,
https://de.fiverr.com/lyriakey
Landkarten Illustrationen von: Lena G. @bluidu,
https://de.fiverr.com/bluidu
Druck und Distribution im Auftrag der Autorin:
tredition GmbH, Heinz-Beusen-Stieg 5, 22926 Ahrensburg, Deutschland
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist die Autorin verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne ihre Zustimmung unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag der Autorin, zu erreichen unter: tredition GmbH, Abteilung "Impressumservice", Heinz-Beusen-Stieg 5, 22926 Ahrensburg, Deutschland.
Cover
Widmung
Titelblatt
Urheberrechte
Prolog: Der Geschichtenerzähler
Kapitel 1: Die Begegnung
Kapitel 2: Das Mädchen hinter der Maske
Kapitel 3: Gute Taten zahlen sich aus
Kapitel 4: Ava und Shariel
Kapitel 5: Der Horrorladen
Kapitel 6: Jeannie
Kapitel 7: Familien
Kapitel 8: Das neue Jahr
Kapitel 9: Der Turm von Lord Fanten
Kapitel 10: Die Hinrichtung
Kapitel 11: Die Zwangsjacke
Kapitel 12: Die Liga der Anarchie
Kapitel 13: Zurück in der Heimat
Kapitel 14: Der verlorene Vater
Kapitel 15: Die Abenteuer der Liga
Kapitel 16: Der Professor
Kapitel 17: Gott sieht alles
Kapitel 18: Karma
Kapitel 19: Der Nexus-Krieg
Kapitel 20: Der kleine Hrys
Kapitel 21: Erkundungstour durch Kronoside
Kapitel 22: Das kalte Herz der Maschine
Kapitel 23: Der Fluch des schwarzen Schlosses
Kapitel 24: Das verbotene Land
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Urheberrechte
Prolog: Der Geschichtenerzähler
Kapitel 24: Das verbotene Land
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Prolog: Der Geschichtenerzähler
Interview eines Freundes aus dem Jahr 2069:
»Thelos III, der Industrieplanet. Die Maschinen der Fabriken hämmern tagein, tagaus. Niemand will dort länger bleiben, als er muss.«
»Sie lächeln. Was geschah dort?«
»An dem Tag gab es einen schweren Unfall in der Fabrik. Ein Angestellter der Firma fiel in eine der Maschinen. Eine Glasscheibe fuhr hinab, der Mitarbeiter wurde eingesperrt. Die vollautomatisierte Maschine schnitt dem Mitarbeiter die Gliedmaßen ab und tötete ihn. Von ihm blieb nicht mehr viel übrig. Ich habe für meine Entscheidung bezahlt. Als ich sie dann vor mir sah … diese Art der Reue war mir zuvor fremd gewesen. Tut mir leid. Natürlich meine ich ihn, nicht mich. Ich bin immer noch etwas durcheinander.«
»Dieses gewollte Opfer, von dem Sie mir vorhin erzählten, können Sie das noch näher beschreiben?«
»Die Zeit brachte uns nach einer Weile zusammen und doch waren wir bereits von Anfang an vereint. In Frieden zusammen glücklich sein. Konnte das möglich sein? Würde man uns lassen? Diese Fragen stellte ich mir immer wieder, während ich ihr Leben vor mir dahinsiechen sah.«
»Konnten Sie mittlerweile eine Antwort darauf finden?«
»Die größte Schöpfung unserer Galaxis. Das war der entscheidende Punkt.«
»Freuen Sie sich gleich auf die Lesung?«
»Ja, denn dies ist unsere Geschichte.«
Kapitel 1: Die Begegnung
Jahr 2048, 3 Jahre vor dem Seuchenausbruch auf der Erde:
Das allererste Mal begegneten sie sich in Liedersang, ein zentraler Ort auf der Insel Paraside auf dem Planeten meiner Geburt Talon VIII, auf der unsere Geschichte spielt. Es ist ein Ort, an dem das Wasser allgegenwärtig ist. Es war friedlich und jeder Bewohner hatte das Wissen, dass einem in diesem Teil der Welt nichts zu passieren vermochte. Außer im Westen.
Im Westen befindet sich ein finsterer Wald, der die Dunkelheit in sich trägt. Niemand wagt sich dort freiwillig hinein.
Liedersang ist nur ein kleiner Teil von Paraside. Es gibt viele Länder auf dieser Welt, unsrige Insel. Doch unsere Geschichte fing genau an dem oben genannten Ort an, bleiben wir vorerst dort.
Eine junge Kriegerin namens Ava aus hohem Hause machte sich auf, um Abenteuer zu erleben. Sie war auf dem Weg, eine amtierende Wächterin zu werden. Auf unserem Planeten Talon VIII gibt es auf jeder Insel einen Wächter, der die Bevölkerung vor Unheil beschützen soll. Diese Hüter galten zu dieser Zeit als unsterblich und konnten so machtvoll wie eine Armee werden.
Ava hatte eine dunkelbraune, kurze Haarpracht. Eine unwirkliche Figur, schlank. Sie trug jederzeit einen Rock. Ein Schweif ragte aus ihm heraus. Die Stiefel gingen bis zu ihren Beinknöcheln. Ihr Markenzeichen waren die gefärbten Spitzen ihrer Haare. Viele sahen sie immer mit einer braunen Weste, auf der das Paraside-Wappen auf der rechten Schulterseite aufgenäht war. Ein sonnengelber Kreis mit vier gelben Stacheln, die von ihr weg zeigten. Unter der Weste hatte sie ein schwarzes Netzgewand an. Es war hauchdünn, aber schützte sie vor Kälte. Zwei goldfarbene Armreife schmückten ihre linke Hand. Sie trug gerne violette Bekleidung. Daher war ihr Rock lila, mit ein wenig hellem rosa geschmückt. Ihr Bauch blieb frei von jeglicher Kleidung. An ihrem selbstgemachten breiten braunen Gürtel war eine goldene Taschenuhr. Sie spielte nicht selten an dieser herum, wenn ihr langweilig war.
Sie galt stets als unbesorgt und war eine angenehme Gesprächspartnerin. Außerdem war sie berühmt für ihre Heldentaten. Sie rettete nicht nur einmal die Welt. Aber über diese Abenteuer sprechen wir heute nicht.
Sie begab sich zu einem Außenposten, der in Liedersangs Südosten liegt. Eine bescheidene Siedlung, wo Abenteurer Missionen annehmen. Es gibt da nur ein kleines Gasthaus und einen Wachturm. Die Kriegerin lief den Pfad bis zur Mitte des Postens entlang und traf sich dort mit einem blonden, jungen Mann, der einen Zettel in der Hand hielt. Nahru ist sein Name. Sie sprach mit ihm: »Hallo, mein Freund. Lange ist‘s her.«
Er erwiderte: »Na endlich sehe ich dich wieder. Hallo. Sag, wie ist es dir ergangen?«
»Nun. Es war schön, mal wieder in der Stadt zu sein. Aber jetzt habe ich wieder Lust auf ein Abenteuer. Ein kleines für den Anfang wäre toll. Hast du was parat?«
»Mal sehen.«
Der Mann sah den Zettel an und sagte dann: »Da habe ich etwas für dich. Eine Pilzsuche für eine kleine Familie. Sie möchte aus den zu sammelnden Pilzen einen großen Kranz für eine Ehe-Feier machen. Bist du interessiert?«
»Gib mir einfach den Zettel und bis zum Nachmittag hast du die Pilze.«
»Die Familie wird sich freuen. Dann bis später.«
»Bis dann.«
Sie verließ den Posten und lief weiter Richtung Norden.
Ein See floss links neben ihr entlang. Sie betrachtete das klare Wasser gerne.
Nördlich befindet sich ein karges Ödland. An jener Stelle ist die Wasseransammlung unglaublich niedrig. Die Bäume sind ebenfalls alle seit Jahrhunderten tot und blätterlos. Man sieht die Mulde, in der einst der See war. Dort suchte sie nach einer speziell mutierten Pilzsorte. Sie betrat diesen Bereich des Landes nur ungern. Es wurde vor dem toten Teil des Waldes ein Schild für Wanderer aufgestellt, um diese vor den giftigen Abgasen zu warnen. Das Brett war inzwischen längst vermodert und zerfallen. Schon lange, sehr lange war dort niemand mehr, der dieses erneuerte.
Sie warf aber und abermals Blicke auf ihre Sammelliste. Sie hatte immer Angst davor, etwas Falsches einzusammeln. Ihr Gedächtnis ließ sie gerne im Stich. Sie führte deshalb Selbstgespräche, um sich wieder an das Gesehene zu erinnern. Es half ihr stets.
Nachdem Ava angekommen war, sah sie etwas, das sie verwirrte. Das Schild stand immer noch da: Betreten auf eigene Gefahr! Doch dahinter war das verdorbene Tal nicht mehr wiederzuerkennen.
Lichterketten, viele bunte Lichterketten schmückten das einst so karge Ödland. Einige Zelte waren aufgebaut worden. An ihnen waren die leuchtenden Ketten befestigt. Weit hinten erkannte sie ein großes Zelt, das über den anderen herausragte. Es sah aus wie ein Zirkuszelt. Es hatte purpur-grüne Streifen auf dem Stoff. Fähnchen hingen um die Plane herum, die sich im Wind bewegten. Die Kriegerin murmelte vor sich hin: »Was ist das? Woher kommt das alles?«
Sie traute sich an dem Warnschild vorbei und betrat den Zirkusplatz. Der Boden war mit brauner Erde weich gemacht worden, um die Verderbnis zu verbergen. Sie wagte sich nahe an das große Zelt in der Mitte des Platzes heran und musterte es. Aus purer Neugier, dass von ihr ausging, traute sie sich in dieses hinein. Sie schob eine Plane, die scheinbar der Eingang war, zur Seite und beschritt einen Holzbalkenboden. Sie sprach erneut mit sich selbst: »Woher kommt das Zeug nur. Das ist völlig illegal.«
Das musste Konsequenzen nach sich ziehen, falls sie den Besitzer hier auffinden würde.
Ihr Gedankengang wurde dann nichtsahnend unterbrochen, nachdem oberhalb ihrer Position die Holzbalken knirschten. Über ihr lief jemand entlang. Die Gestalt rannte schnellen Fußes auf den obigen Balken und entfernte sich von ihr.
Sie nahm ihre Pflichten ernst und beschloss daher, der Person über ihr zu folgen. Die junge Frau lief geradeaus und folgte einer Holztreppe nach oben.
Da drehte die Erscheinung sofort um, so schien es ihr. Sie erweckte den Anschein, die Kriegerin bemerkt zu haben und war auf der Flucht in die entgegengesetzte Richtung. Ava folgte ihr schnell. Sie schrie dem Fremden hinterher: »Bleiben Sie stehen!« Doch natürlich gab es keine Antwort darauf. Indem sie eine weitere Plane beiseiteschob, entdeckte sie ein kleines Kämmerchen.
Diese Kammer war eine Art Glaskasten. Viele Monitore wurden dort aufgestellt, wie in einem Überwachungsraum. Sie sah sich im Häuschen um.
»Der Typ hat hier alles verkabelt«, merkte sie an. Sie schritt nach kurzer Inspektion wieder aus der Kammer und folgte dem einzig übrig gebliebenen Weg immer geradeaus. An den Wänden waren riesige Münder aufgemalt, die grinsten.
Sie sah diese Malereien skeptisch und kritisch an. Sie merkte, dass sie beobachtet wurde. Weiter vorne erkannte sie eine Tür, die zu einem Ausgang zu führen schien. »Da vorne krieg‘ ich dich«, sagte sie mit selbstbewusster Stimme und durchschritt die letzte Tür, um in einem Spiegelraum zu landen. Sie sah keinen neuen Weg dort hinaus. Sie erfasste sich von allen Seiten in einem Spiegel.
Vor ihr, genau in der Mitte des Spiegelraumes, saß eine Person. Sie sah nach unten und hielt sich mit den eigenen Händen über den Schultern fest. So als ob sie vor etwas Furcht hätte. »Haben Sie keine Angst. Ich will Ihnen nur ein paar Fragen stellen.« Sie versuchte, den zitternden Menschen zu beruhigen. Anhand der Statur nahm sie an, die Person sei männlich. Der Unbekannte war in einem auffälligen purpurnen Trenchcoat bekleidet. Er analysierte die Kriegerin mit seinem Blick.
Er hatte Handschuhe an und trug braunes, kurzes Haar. Ava schien das Erscheinungsbild verrückt vorzukommen. Des Weiteren hatte er schwarze Schuhe an, an denen weiße, dünne Socken darüber gezogen waren. Sie sahen schick und hochwertig aus. Die braune Hose passte zu dem Rest der Kleidung. Doch erkannte sie nicht das Gesicht. Ava kam ihm näher und war kurz davor, ihn an der Schulter zu berühren, da verpuffte die Person zu Staub und die Kriegerin erschrak.
Sie zitterte leicht am Körper, doch behielt sie ihre Nerven. Bis sie dann hinter ihr einen Schatten vorbeihuschen sah. Sie schrie erneut: »Bleiben Sie stehen! Sofort!« Sie spurtete der Person geradewegs nach und verließ das Zelt, wo die Spur endete. »Verdammt. Hab´ ich ihn verloren?«, fragte sie sich selbst.
Dann… sah sie weiter vorne jemanden stehen, der nicht zu erkennen war. Sie rannte schnell zu dem Fremden und hielt ihn am Arm fest.
»So! Keine Versteckspielchen mehr. Was machen Sie hier überhaupt?«, sie befragte die Person sofort. Der Unbekannte hatte das Gesicht von ihr weggedreht.
»Ihr Spiegeltrick ist beeindruckend. Sie haben mich ganz schön in die Irre geführt. Doch jetzt müssen Sie reden.«
Auf einmal, urplötzlich, sprang ein Schemen auf die beiden zu. Er war riesig und riss Ava von dem Mann abermals fort. Sie stand schnell wieder auf und sah mit an, wie der Schatten über die unbekannte Person herfiel.
»Was zum Teufel geht hier nur vor?!« Sie schritt sofort ein und bekämpfte den Schatten. Sie ergriff ihren Bogen, der fein von ihr verziert worden war, und benutzte ihn als Nahkampfwaffe gegen den Schemen. Ihre Angriffe zeigten Wirkung. Es war verletzbar. Solange der Schatten und die Kriegerin kämpften, rannte der Unbekannte ins große Zirkuszelt zurück.
»Warten Sie!«, schrie sie ihm hinterher, doch da war er schon im Zelt verschwunden. Der Schatten packte sie am Kragen ihrer Oberbekleidung und warf sie wild herum.
Sie stürzte auf einen Grabstein. Ein kleiner Friedhof befand sich nur ein paar Meter westlich vom Platz. Sie stand erneut auf und kämpfte weiter. Nach kurzer Zeit kehrte der Unbekannte mit einer Schusswaffe in der Hand zurück. Er lief in aller Ruhe auf die beiden zu. Ava erschrak, auch wenn sie endlich sein Gesicht und die Waffe in seiner Hand ausmachte. Er entriegelte sie und schrie: »Weg von meiner Frau, du Monster!« Er schoss auf den Schatten, worauf dieser die Flucht ergriff.
Die Kriegerin behielt die Fassung und zuckte mit keinem Muskel. Die Person kam näher und sie sah in sein Gesicht. Es war ein Mann mittleren Alters, knapp über vierzig. Er hatte nussbraune Augen und leicht schwarze Verfärbungen rund um diese. Seine Nase war spitz.
Sie sprach zu ihm: »Sie werden mir nichts tun? Was bedeutet das hier alles? Was geht hier vor sich?«
Er brachte ihr Schweigen entgegen.
Sie versuchte es erneut: »Ich bin eigentlich nicht ihretwegen hier. Ich wollte nur ein paar Fragen stellen. Es ist verboten hier, zu bauen.«
Er sprach endlich mit ihr: »Er wird Ihnen jetzt nichts mehr tun. Er kam nur meinetwegen.«
»Was machen Sie hier?«
»Ich habe mir hier ein zu Hause gebaut. Die Gründer der Liga und ich. Ich wusste nicht, dass es verboten ist. Ich komme nicht aus diesem Land.«
»Ich darf ein Auge zudrücken. Sie haben mich schließlich gerade gerettet. Doch was meinten Sie vorhin mit Ihrer Frau?«
»Meine Frau liegt auf diesem Friedhof begraben. Er darf sie nicht entweihen.«
»Oh…«
»Mein Name ist Shariel.« Er steckte seine Waffe weg.
»Ich bin Ava. Freut mich, Sie kennenzulernen.«
Die restliche Zeit blieb er stumm und verschwiegen. Sie kannte nur seinen Namen. Er sah ihr hinterher, als sie das Zirkusgelände mit den gesammelten Pilzen verließ. Sie konnte ihn aus irgendeinem Grund über die nächsten Monate hinweg nie vergessen. Sie fand ihn inspirierend.
Viele Jahre vergingen. Große Kriege waren geführt worden, die Ava mit ihren Verbündeten alle für sich entschied. Eine stille Zeit war angebrochen und endlich sehnte sie sich, ihn wieder zu sehen. Shariel aus Liedersang brachte ihr keine Ruhe. Sie wollte wissen, ob es ihm gut geht. Sie beging den langen Weg zum toten Ödland und betrachtete den Zirkusplatz erneut. Drei Jahre waren vergangen seit dem letzten Besuch. Ob er sie überhaupt wiedererkennen würde? Das fragte sie sich oft.
Sie lief auf dem Weg zum großen Zelt an jemandem vorbei, der auf dem Boden leere Dosen wegkehrte.
Ava fragte den alten, grauhaarigen und dürren Jungen: »Hallo. Wenn ich mir eine Frage erlauben dürfte: Ist hier jemand, der Shariel heißt? Ich habe ihn hier vor drei Jahren getroffen.«
Der Junge antwortete höflich, doch wandte er immer wieder seinen Blick von mir ab: »Der Meister kehrte vor ein paar Monaten nach Hause zurück.«
»Ich dachte, dieser Ort hier wäre sein zu Hause?«
»Er war in seine alte Stadt aufgebrochen. Dort gehört ihm jetzt ein größeres Gebiet. Sie können ihn im Industriegebiet finden. Jenes Gebiet, in dem sich der sichere Hafen befindet.«
»Dann werde ich mich dorthin aufmachen.« Ihre Augen wurden leicht feucht, ihr Wundwinkel zog sich nach unten, doch beschritt sie den Weg ins Gewerbegebiet.
Bevor sie den Zirkusplatz verlassen hatte, sah ihr ein unbekannter Herr hinterher, der sie aus dem großen Zelt heraus beobachtete. Dieser Mann hört auf den Namen Draken, auffällig durch seine klaffende Gesichtsnarbe, ist der Inhaber des Geländes. Wir werden ihn später besser kennenlernen.
Sie begab sich auf den südlichen Weg, in Richtung Krakuna, der Hauptstadt von Paraside. Sie war wunderhübsch. Ava besuchte immer die Taverne im unteren Viertel der Stadt. Dann gab es den oberen Stadtbezirk. Dort wohnen die reichen Menschen. Im unteren Viertel findet man nur gewöhnliche Händler und mittelständige Bürger. Arm ist hier niemand.
Ava spendete für die Personen, die in Not waren. Ihre Heldentaten in ihrer Sphäre brachte ihr Reichtum, welches sie gerne mit anderen teilte. In der Mitte der Stadt ist der Portalraum. In diesem Raum verbinden sich Welten mit Paraside. Die Erde, man mag von ihr gehört haben, kann ebenfalls durch ein Portal besucht werden. Nach der Seuche, die dort ausgebrochen war, kommt der Planet schon lange nicht mehr als Urlaubsziel infrage.
Es gibt viele unbekannte Welten, ganze Planeten sogar. Unter dem Portalraum ist die Geister-Ruhestätte. Ein Geisterraum, in denen man die toten Verwandten und Geliebten besucht, wenn sie erlöst waren.
Dann war da die alte Kirche im Nordosten der Stadt. Sie bestand aus zwei Türmen mit roten und blauen Kristallfenstern. Sie war schon lange geschlossen. Damals geschah dort etwas Grauenhaftes.
Ava lief an der Hauptstadt im Süden vorbei, weiter gen Osten. Der Weg führte sie an den Waldungen von Krakuna entlang und zog sie weiter in den Südosten. Schon bald beschritt sie die Grenze von den Wäldern ins Industriegebiet.
Es ist ein Gebiet, in dem der Handel regiert. In der Mitte steht das pompöse Zerlegungswerk. Dort werden Gegenstände für den Horrorladen hergestellt. Was der Horrorladen ist? Das vermag ich Ihnen nicht zu sagen.
Im Nordwesten liegt ein unerforschter, dunkler Wald. Im Nordosten ist die Eiswüste. Man munkelt, es liege auf der Wüste ein Fluch.
Dann gibt es noch den berühmten Hafen im Südosten. Dort handelt man das ganze Material, welches das Industriegebiet benötigt. Metalle, Erze und Geld stehen hier an erster Stelle. Selten wird mit Edelsteinen gehandelt.
Diese Anlegestelle gehörte Ava. Sie hatte ihn vor einigen Monaten erbauen lassen. Schon immer träumte sie davon, einen eigenen Hafen zu besitzen. Es war ein lang ersehnter Traum von ihr, der in Erfüllung ging. Doch sie besuchte ihn nur selten. Die Wächterin war überhäuft von Pflichten. Sie sagte mir, dass es ihr Wunsch sei, ihn in Zukunft öfter zu besuchen.
Nach einer langen Reise war sie an den großen Eisentoren des Industriegebiets angekommen. Am Eingang standen Wachen, die Masken trugen und Gewehre in den Händen hielten.
Einer der beiden Wachmänner sprach mit Ava: »Stehen bleiben. Was wollen Sie hier?«
Sie erwiderte: »Mein Name ist Ava und ich suche nach jemandem, der sich aktuell hier aufhalten soll.«
»Ava? Die Wächterin von Paraside?«
»Genau die«, nickte sie.
»Und wen suchen Sie?«
»Ich suche nach einem gewissen Mann, der sich Shariel nennt. Kennen Sie ihn möglicherweise? Er hat braunes Haar und ein auffälliges Auftreten.«
Die Wachen murmelten sich gegenseitig zu: »Sie spricht vom Boss. Lassen wir sie durch?«
Der andere brabbelte zurück: »Wir sollten ihn vorher lieber fragen.«
Ava verstand jedes Wort, das die Wachtposten voneinander gaben. Eine Wache sagte ihr dann: »Na gut. Aber wir kommen mit Ihnen, Lady.«
»Ist mir recht«, stimmte Ava zu.
Die Wachen brachten sie zu einem großen Gebilde, das man hier das Zerlegungswerk nennt, das Hauptgebäude. Sie führten Ava durch das Gebäude, bis sie in einer Halle angelangt waren. Ein Wachdienst sagte zu ihr: »Dort oben ist er.«
Die Wachposten sahen zu einer Öffnung, die sich über ihnen an der vorderen Wand befand.
»Und wie komme ich dort hinauf?«, fragte sie die Wachen.
Einer erwiderte: »Sie gehen da hinten links entlang, dann durch den Schmelzofen durch die westliche Tür. Dann landen Sie wieder draußen und laufen die Treppe hinauf. Dann kommen sie zu seinem Büro dort oben.«
»Wäre es mir auch erlaubt, einfach hochzuspringen? Ich glaube nicht, dass ich mir diese Wegbeschreibung merken kann«, fragte sie zurück.
Die Wachen sahen sie verwundert an und einer von ihnen sagte: »Also wenn Sie so hoch springen können …«
Ava fasste dies wie ein »Ja« auf und sprang mit einem Satz aufwärts zur Kante.
Oben angekommen fragte sie sich selbst: »Aber wie kommt Shariel hier hinauf? Ich glaube nicht, dass er jedes Mal diesen langen Weg auf sich nimmt, nur um in sein Büro zu kommen.«
Sie betrat das Arbeitszimmer von ihm und sah sie sich erst einmal um. Keine Spur von Shariel.
»Hier wohnt er jetzt also.« Sie sah Lichterketten an den Fenstern, die hell aufleuchteten. Inzwischen war es außerhalb dunkel und die Lichter erhellten das ganze Zimmer. Draußen schneite es friedlich vor sich hin. Links und rechts standen Schreibtische und überall flogen Blätter auf ihnen lose herum. Sie erblickte an den Seiten einige Aktenschränke, die alle überfüllt zu sein schienen.
»Er hat sehr viel Papierkram«, murmelte sie vor sich hin. An den Pinnwänden hingen jede Menge Bilder von ihm. Ein Bett stand unter den Fenstern.
Es war sauber und bezogen, mit Nachttischkommoden auf beiden Seiten. Eine purpurne Decke mit grünen Punkten schmückte das Federbett.
»Das Bett ist der sauberste Platz in diesem Zimmer«, beurteilte sie laut. Das erregte die Aufmerksamkeit der Person hinter ihr, die im Schatten wartete und sprach: »Aha, und wer sind Sie?«
Ava drehte sich um. Der, nach dem sie gesucht hatte, stand an der Tür. Er hielt sich zwar in der Dunkelheit auf, doch erkannte sie ihn ohne Probleme. Er trug dieselbe Kleidung wie damals. Sein Gesicht war exakt dasselbe.
Sie beantwortete seine Frage: »Ich bin Ava. Wir trafen uns vor langer Zeit in Liedersang.«
»Ava! Natürlich, du stehst aber auch ziemlich im Dunkeln. Lass dich ansehen. Du hast dich ja kaum verändert.«
Sie lächelten sich an und kamen sich näher. Sie schüttelten sich die Hände. Ein freundschaftliches Gefühl machte sich im Raum breit.
Ava sagte zu ihm: »Es ist schon lange her. Wie ist es dir in der vergangenen Zeit ergangen?«
Er erwiderte: »Ich habe eine lange Therapiezeit hinter mir und bin nun endlich fit genug, in der Gesellschaft zu leben.«
»In Therapie? Was fehlte dir?«
»Es fehlt mir immer noch einiges. Das Puzzle wird wohl nie vollständig komplettiert werden können. Flie half mir damals beim Finden einiger dieser Teile. Der Name sagt dir bestimmt etwas?«
»Flie? Meine Vorgängerin?«
»Genau. Sie therapierte mich über viele Monate hinweg und hat mich nie aufgegeben. Ich vermisse sie ein bisschen. Sie war es, die mir meinen Platz in Liedersang ermöglichte.«
»Die Geschichte von Flie ist wahrlich sehr traurig. Aber dass sie dir geholfen hat, macht mich als Nachfolgerin stolz. Was ist mit dem Friedhof? Kehrst du noch oft dorthin zurück?«
»Ich mache meine Runden.«
»Das ist schön zu hören. Erzähle mir noch ein bisschen von dir. Also, falls du mir etwas von dir erzählen möchtest.«
»Du hast einen guten Geschmack. Ich bin vielleicht eigenartig, doch hab keine Angst vor meiner Persönlichkeit.«
»Ich habe keine Angst. Ich selbst bin auch gezeichnet.«
»Wahrlich eine gute Aussage!«, lachte Shariel sie an.
Er schien unter enormen Stimmungsschwankungen zu leiden und kontrollierte diese nur schwer. Doch es störte sie nicht. Er fuhr fort: »Ich bin der Boss des Industriegebiets. Das musst du wissen. Ich habe das hier alles selbst erbauen lassen.«
»Warum? Wegen des Geldes?«, fragte Ava nach.
»Ich sehe es als eine Art Geschäft. Ich kann nicht damit aufhören. Es ist meine Pflicht, dies zu tun. Jemand hegt jedoch einen Groll gegen mich und greift mich immer wieder in unbekannten Abständen an.«
»Weiß man, warum diese Person das tut?«
»Nein, nicht direkt. Bis jetzt konnte ich nur herausfinden, woher er gekommen war. Er wohnt in einer Stadt namens New New York City. Dort lebte ich einst ebenfalls.«
»Das ist auf der Erde. Verstehe …«, nickte sie ihm zu.
»Du bist sehr klug, Ava. Das gefällt mir.«
»Oh… meine Güte. So würde ich das nicht bezeichnen.«
Sie war von seinen spontanen Worten zu Tränen gerührt. Doch war sie sich nicht sicher, ob er es ernst meinte.
Sie führte das Gespräch weiter, während sie sich im Raum umsah: »Und du lebst hier?«
»Ja. Vor vielen Monaten zog ich hierher und seitdem führe ich die Produktionen hier durch.«
»Bist du hier ganz alleine oder lebst du mit jemandem zusammen? Familie?«
»Eine Freundin, meinst du? Nein. Da gab es mal jemanden, aber sie interessierte sich mehr für eine Seite in mir, die ich ihr nicht schenken wollte.«
»Oh, okay«, sagte sie leicht verwirrt.
»Oh! Da ist noch jemand, den ich dir gerne vorstellen möchte. Toni!«
Er rief einen Namen. Übergangslos kam eine unbekannte Person von rechts ins Büro herein. Ein großer Mann mit breiten Muskeln. Sein Körper war heftig von Narben übersät. Sein linker Arm schien bewegungslos an seinem Torso herunterzubaumeln. Er trug einen gewaltigen Schlagstock in der rechten Hand. Er hatte das Gesicht eines Attentäters. Dabei handelte es sich um mich. An diesem Tag lernte ich endlich Ava kennen.
Ich antworte ihm: »Was ist, Boss?«
Shariel sagte zu mir: »Toni! Das ist Ava. Sie ist unser Gast, klar? Sie wird wie eine Königin behandelt, dass wir uns da richtig verstehen?!«
Der Chef lief auf mich zu und fügte hinzu: »Hoffe, deine Truppen schießen nicht aus Versehen auf sie, haben wir uns da verstanden? Na, Toni?«
»Ist gut, Boss.«, ich hinterließ den Eindruck, nicht der Hellste zu sein.
Danach verließ ich nach der Anordnung sofort wieder den Raum und Shariel erklärte Ava: »Das ist mein bester Mann. Er hat wenig Hirn, also überanstrenge ihn nicht. Habe ihn damals aus dem Waisenhaus in Krakuna rausgeholt. Er ist der Einzige weit und breit, der an die Legende des Winterbergs glaubt. Ist das zu fassen?«
Ich hörte seine Worte und kehrte noch einmal kurz in die Räumlichkeit zurück, um zu ergänzen: »Der Winterberg.«
»Ja, ja, Toni. Der Winterberg. Jetzt geh!«
Ich gehorchte und ließ die beiden nun alleine.
»Welchen Winterberg? Was meint er damit?«
»Unfug! Nicht wichtig! Was hast du jetzt vor?«, fragte Shariel begierig und lenkte vom eigentlichen Thema ab.
»Puh. Ich weiß nicht. Es ist sehr ruhig geworden, seitdem der Krieg vorbei ist.«
Sie lächelten sich unbekümmert an und wirkten wie beste Freunde. Ihre Hände glitten ineinander, der Raum füllte sich mit Freude. Sie sahen sich in die Augen und wussten, was der andere dachte. Es entstand eine innere Verbundenheit, die ewig zu halten schien. Nur Shariel ahnte den Grund der Bindung.
»Jenseits des Spiegels werde ich dich treffen.«
»Was meinst du?«
»Ach, nichts. Ich schwelge nur in Erinnerungen.«
Zeit verging, in der sich Shariel und Ava immer näher kennen lernten. Sie entdeckte die versteckten und dunklen Seiten von ihm. Er war ein Unternehmer und Mörder, konnte schnell die Fassung verlieren. Doch da kam Ava und beruhigte ihn mit einer ihrer Umarmungen.
Sie hatte nie Probleme oder Ängste davor, ihn zu berühren. Sie war froh, seine Freundin zu sein und er war erleichtert, jemanden kennenzulernen, der ihn verstand und akzeptierte, wie er war.
Hin und wieder brachte Shariel jemanden um. Ava war nicht gewillt, mit seiner Mordlust etwas zu tun zu haben. Ich sah die Leichen der Männer, die in den Lavastrom in den Becken des Industriegebiets geworfen wurden. Alle hatten blonde Haare und den gleichen Kleidungsstil. War mein Boss unter die Serienkiller gegangen? Oder steckte hinter all den Morden mehr? Ich hörte ihn in seinem Büro flüstern. Immer, nachdem er gemordet hatte, sprach er mit einer mir unbekannten Person.
»Es ist getan…wie ihr wünscht, meine Schöpferin. Ich diene, um zu schützen.«
Sie kamen sich immer näher und näher.
Sie waren in absehbarer Zeit auf einem Abenteuer, das Ava nie vergaß. Einmal, da schlug ein Schurke ihm ein Bein in sein Gesicht. Darauffolgend blutete er enorm aus seinem Mund. Ava besiegte den Gauner, doch Shariel windete sich auf dem Boden. Sie rannte zu ihm und sah, dass einige seiner Zähne ausgefallen waren. Er schrie wie verrückt: »Mein Gesicht! Mein Gesicht!« Sie brachte ihn schnell weg und versorgte seine Verletzungen. Sie setzte all seine Zähne wieder ein und beruhigte ihn. Er wurde von ihr zu Bett gebracht und sie legte ihm ein nasses Tuch auf die Stirn.
Am nächsten Morgen war er dankbar dafür, dass Ava sich um ihn gekümmert hatte.
Eines Abends unterhielten die beiden sich vor dem Schlafen ausgiebig. Ava sagte zu ihm: »Hast du eigentlich schon mal darüber nachgedacht, Gutes zu tun?«
»Ich wäre zu so etwas nicht fähig.«
»Bist du dir sicher?«
»Wieso? Wieso fragst du das?«
»Du wirst mich jetzt bestimmt auslachen, aber ich verbinde dich öfters mit einem Engel.«
»Ich bin eher mit dem Teufel verwandt.«
»Du bringst Licht in mein Herz und in meine Seele und dessen bist du dir bewusst.«
»Ich erhelle gerne deine Gedanken, aber ein Engel bin ich wohl kaum.«
»Du bist einzigartig. Egal ob Engel oder nicht.«
»Du findest doch tatsächlich immer die richtigen Worte, um mich aufzumuntern, meine Erdbeere.«
»Ich helfe dir gerne, mein Engel.«
Ava nannte ihn seitdem stets »Engel«. Sie sah immer das Gütige im Menschen und somit das Gutmütige in ihm.
Auch wenn sie Kenntnis darüber hatte, dass es kaum vorhanden war. Shariels Verstand ließ nicht jeden Gedankengang zu. In seinem Körper war zu viel Hass, den er nicht loswurde.
Ava war sich dessen bewusst. Das Positive zu erwähnen, blockierte seine Gedanken. Sie spürte es in seinem Gesicht.
Kapitel 2: Das Mädchen hinter der Maske
Tage später geschah dann ein unausweichliches Ereignis. Ava beschrieb die Momente in ihrem Tagebuch. Wir befinden uns im Jahr 2051, kurz nach der Seuchenbekämpfung auf der Erde.
Auf einer Brücke in New New York City wurden die beiden vom Schemen, dem Erzfeind Shariels, in eine Falle gelockt. Dort gab es einen Kampf zwischen ihnen. Ava wurde an einen Pfeiler unter der Brücke gefesselt, während der Feind ihren Freund zu töten begann. Sie sah dabei zu, wie das Leben ihres Seelenverwandten aus ihm wich.
Nach seinem Tod befreite sie sich von den Ketten, nahm seinen Körper an sich und flüchtete zurück zu Paraside ins Zerlegungswerk. Der Schemen brach die Verfolgung ab.
Ava fand im Arbeitsbüro ihres Freundes ein Testament. Auf diesem unleserlich geschriebenen Dokument standen Aufgaben, die sie nach seinem Tod vollführen sollte. Ohne zu zögern, tat sie alles, was auf der Liste vorgegeben war.
Sie fasste den Entschluss, in Shariels Heimat zu reisen, um dort in seinem Namen Taten zu vollbringen, damit man ihn dort nicht vergisst oder meinen könnte, er sei tot.
Ava machte einen kleinen Ausflug zu den Anhöhen der Rhodes. Dort, in einer kleinen Höhle, haust ein Schneider, der für die TJLOVSMV arbeitet. Womöglich würde der Schneider ihr helfen, da Shariel ein Gründungsmitglied der Liga war.
Sie begab sich dorthin und erklärte dem kleinen Mann, was mit Shariel passiert war. Er verstand die Lage, in der sie sich befand und willigte ein, ihr ein ganz spezielles Kostüm anzufertigen. Mithilfe dieser Kleidung sollte sie so aussehen wie ihr verstorbener Engel.
Die magischen Eigenschaften des Gewands waren stark und mächtig, sodass das Tragen dieser Kleidung selbst für die Wächterin sehr kräftezehrend war. Der Schneider warnte sie davor, es nicht zu lange am Stück zu tragen. Jedoch rückte diese Warnung später in den Hintergrund und sie trug es ununterbrochen.
Nachdem Ava die Kleidung eingetragen hatte, es dauerte nur wenige Stunden, beging sie in seinem Namen Handlungen in New New York City.
Angeblich, laut dem Text seinerseits, sichern diese ihm einen Platz im Himmel. Es kümmerte sie nicht, ob an diesen Worten etwas dran war. Sie führte die Aufgaben in aller Selbstverständlichkeit aus. Denn sonst blieb ihr nur die Leere.
Jederzeit hatte sie stets den Schemen im Hinterkopf. Ihre Rache an diesem würde ihr Ruhe und Frieden bescheren. Leider fand sie keine weiteren Spuren auf den Verbleib des Feindes, sodass ihre Vergeltung vorerst nicht erfüllt wurde.
Sie begann mit einer kleinen Aufwärmaktion. Sie stahl einigen Gaunern in der alten Straße von New New York City ihr Geld und rannte dann fort. Die Gauner verfolgten sie wütend.
Auf einer von New New York Citys großen Brücken schienen sie Ava eingekreist zu haben. Sie sagten zu ihr, sie säße in der Falle.
»War schön mit euch, Kumpels. Ich muss jetzt aber wirklich los«, sprach Ava zu den ahnungslosen Banditen.
Die Typen lachten und wunderten sich, was sie wohl damit meinen könnte. Ava sprang auf das Geländer der Brücke und sah noch einmal kopfüber zu den Typen, die sie bestohlen hatte. Sie grinste sie frech an und sprang nach unten hinab.
Aus ihrem Rücken kamen mechanische Flügel und sie glitt sanft über dem Wasser, mit einem dicken Grinsen auf dem Gesicht dahin.
Das war aber nur eine einfache Aufwärmübung, auf dem Weg zu etwas bedeutend Größerem.
Ava wollte so werden wie ihr großer Bruder. Jedoch wollte sie niemanden töten. Nur, wenn es wirklich notwendig sein sollte.
In New New York City wurde sofort über die Rückkehr von Shariel diskutiert. Der Stadtbesitzer Avoran traf sich mit dem Commissioner auf dem Dach des Polizeigebäudes.
Avoran stellte fest: »Er ist also zurück.«
»Ja, einige Jungs kamen heute Morgen hier her und meinten, sie seien von ihm ausgeraubt worden«, erwiderte der Cop.
»Ich kümmere mich um ihn«, versicherte Avoran ihm.
»Wirklich? Das find ich aber süß.« Ava, verkleidet als Shariel, stand hinter dem Commissioner und Avoran am Rand des Daches des Polizeigebäudes.
Der Cop drehte sich zu ihr um und schrie sie an: »Sie sind verhaftet!«
»Doch nicht beim ersten Date«, erwiderte Ava mit erhobenem Zeigefinger.
Avoran richtete seinen Blick auf den Polizisten: »Rufen Sie Verstärkung. Ich kümmere mich solange um ihn.«
Ava fügte hinzu: »Macht euch keine Umstände, bin doch gleich wieder weg. Ich wollte nur mal Hallo sagen.«
Der Cop rannte die Treppenstufen hinunter und holte seine Truppen.
Währenddessen redete Avoran auf Ava ein: »Noch ist es nicht zu spät. Du kannst dich noch ändern.«
Sie erwiderte grinsend: »Ich bitte um eine Veränderung!«
»Du bist nicht Shariel. Du wirst es niemals sein.«
»Ich find´ das so toll, wie sehr du dich um mich sorgst. Aber so ganz unschuldig bin ich auch nicht. Solange mir niemand in die Quere kommt, wirst schon sehen, dann gibt’s auch keine verletzten Unschuldigen.«
»Ich werde dich aufhalten«, drohte Avoran.
»Aber selbstverständlich musst du das! Sonst würde das hier ja auch keinen richtigen Spaß machen!«
Er schwieg auf ihre Worte. Ava sprang vom Dach. Sie war verschwunden.
Kurz darauf tauchte der Polizist mit der Spezialeinheit auf. Zu spät.
Er sah nur noch Avoran auf dem Dach stehen und fragte sofort nach: »Wo ist er hin?«
»Weg. Aber wir werden schon bald wieder etwas von ihm hören. Da können Sie sich sicher sein«, antwortete der Stadtbesitzer.
Am nächsten Morgen half ich ihr wieder beim täglichen Gang durch das Zerlegungswerk. Ich brachte sie dann abends wieder ins Bett und ließ sie alleine zurück.
Es war immer noch Trauerzeit, ein Tag nach Shariels Tod. Niemand wusste, wie lange es noch andauern sollte.
In später Nacht durchstreifte Avoran das Industriegebiet. Er vernahm laute Schreie aus dem oberen Teil des Zerlegungswerks.
Avas nächstes Ziel: Oswaldo Informationen entreißen.
Doch leider wusste auch Oswaldo nichts über den Schemen. Was für ein Desaster!
Der nächste Tag war angebrochen und Ava raubte eine Bank aus. Das war ganz einfach für sie: Sie begab sich freundlich summend zum Schalter, ließ etwas Betäubungsgas aus einer Flasche frei, was die Wachen außer Gefecht setzte. Durch Avas einzigartige Physiologie ist sie immun gegen das Gas. So spazierte sie locker und lässig durch das Gas bis zum Tresor. Mit einem Schweißgerät brach sie die Tür auf und stahl über 1.000.000 Dollar. Mit den Taschen randvoll verließ sie die Bank und rannte lachend in eine Seitengasse, in der die Polizei ihre Spur verlor.
Durch dieses neu erbeutete Geld wollte sie ihre Rache am Schatten verwirklichen, was aber noch ein langer Weg sein sollte. Wo war der Schatten eigentlich? Niemand in ganz New New York City sah ihn in den letzten Wochen. Das sollte zu einem Problem werden.
Ava hoffte, dass er nicht aus der Stadt geflohen war, und prügelte sich durch einige Straßen-Jungs, um an bisher keine nützlichen Informationen zu kommen.
Im Zerlegungswerk, zu Hause angekommen, sprach Ava zu sich selbst: »Jetzt habe ich alles, was ich brauche, um ihn zu demütigen, und nun weiß niemand, wo er steckt. Das ist eine Beleidigung! Er versaut noch alles! Dieser blöde Schatten!«
Ich stand neben ihr und fragte: »Soll ich ihn suchen, Boss?«
»Nein, nein, Großer. Du bewachst immer schön das Werk, falls Avoran auftauchen sollte. Ich darf jetzt kein Risiko eingehen. Er weiß viel zu viel über mich und ich weiß viel zu viel über ihn.«
Ich schien nicht viel davon verstanden zu haben und erwiderte: »Ist gut, Boss.«
»Nun ja, solange er verschollen bleibt, drehe ich noch ein paar krumme Dinger. Ich muss noch sehr viel lernen.«
Aber für diesen Tag reichte es ihr. Abends ging es wieder sehr früh ins Bett.
Ava beschloss, am nächsten Tag zum For in New New York City zu gehen. Vor dem Gebäude hielten sie zwei große Türsteher auf.
Einer der Türsteher sagte zu ihr: »Nein, nein. Dionysianer dürfen hier nicht rein.«
»Hat Ozzi immer noch die keine Dio-Regel an seinem Armaturenbrett?«, fragte Ava nachtragend.
Der andere Türsteher konnte dies bestätigen: »So sieht´s aus und jetzt zisch ab.«
Die zwei Raufbolde an der Tür stießen sie zur Seite, damit die anderen Gäste hinter ihr durchkonnten.
»Was für eine Frechheit!«, brummte Ava.
So musste Ava also vorerst gehen. Doch diese Unverschämtheit ließ sie sich nicht lange gefallen. Sie dachte sich, während sie durch eine dunkle Gasse schlenderte, einen Plan aus, wie sie doch noch in das For hineinkommen konnte.
Einige Stunden später unterhielt sich Mr. Chester mit ein paar Gästen im For, als das Glasdach über ihm zerbrach. Ava seilte sich an einer Eisenkette ab und lächelte in die Runde.
Oswaldo forderte seine Wachen an: »Schafft mir diesen Dio sofort hier raus!«
Ava winkte Oswaldo fröhlich zu: »Juhuuu, Ozzi!«
Sie sprang die restlichen paar Meter von der Kette herab und landete genau vor Oswaldo.
»Deine Türsteher wollten mich nicht reinlassen, also hab´ ich mich selbst eingeladen.«
»Was willst du hier, Shariel? Angeblich sollst du tot sein. Tot wie eine Ratte.«
»Das war nur ein Irrtum«, versicherte Ava dem Betreiber des Fors.
Oswaldo fragte vorsichtig: »Was willst du? Es muss wichtig sein, wenn du dir den Aufwand machst, persönlich hier zu erscheinen.«
»Du erinnerst dich doch noch an unser letztes Gespräch.«
»Ich weiß nichts über den Schatten. Wieso kommst du nochmal her?«
»Na, weil ich hier was trinken will. Warum denn sonst?«, erklärte sie.
Ava setzte sich an einen Tisch und rief eine junge Kellnerin zu sich.
»Sie. Bringen Sie mir was Feines zu trinken«, forderte sie die Kellnerin auf.
Nach einiger Zeit kam die Kellnerin wieder. Sie brachte Avas Getränk auf einem Tablett und war auf dem Weg zu ihr.
Die Wächterin schlug mit der Handfläche auf den Tisch: »Hör zu, ich brauche diesen kleinen Idioten.«
»Selbst wenn ich wüsste, wo er ist, wieso sollte ich dir irgendwelche Informationen über ihn geben?«
»Weil er versucht hat, mich zu töten. Er ist bestimmt immer noch hinter mir her.«
Oswaldo spottete: »Ich helfe dir nicht.«
»Das ist schade.«
Die Kellnerin kam nun an dem Tisch vorbei.
»Sehr schade.«, fuhr Ava fort.
Ava streckte ihr linkes Bein aus und die Kellnerin stolperte über dieses. Dabei verlor sie das Gleichgewicht und schüttete das Getränk auf dem Tablett über Avas Gesicht.
»Oh, verzeihen Sie mir, Sir. Ich werde das sofort korrigieren«, stotterte die junge Kellnerin die verkleidete Ava an.
Ava entgegnete ihr: »Sicher werden Sie das. Lassen Sie mich dabei helfen, ja?«
Ava berührte eine Druckplatte auf ihrem Arm. Kurz darauf zerschoss ein Strahl aus ihrem Arm das Gesicht der Kellnerin.
Die Gäste schrien, rannten Richtung Ausgang und Oswaldo war außer sich vor Wut.
Ava grinste Oswaldo an: »Na so was, Oswaldo, das nenne ich ja mal ein Déjà-vu.«
Oswaldo schrie sich die Seele aus dem Hals: »Raus hier! Sofort!«
»Mit dem größten Vergnügen.«
Ava grinste die entstellte Kellnerin bösartig an, bevor sie langsam das For verließ.
Einen Tag später wurde Ava von den Cops verhaftet und in das Stadtgefängnis eingebuchtet.
»Ja, ich weiß. Ich bin hier in einem Gefängnis. Das ist mein aller-erstes Mal.« Sie schrubbte sich gerade ihre Zähne.
»Aber was kann ich dafür? Ich kann doch nicht einfach über eine rote Ampel fahren. Oder vielleicht doch? Mann, das ist alles schwieriger, als ich anfangs dachte. Da hätte Shariel noch eine Rubrik mehr in sein Buch hauen sollen: Was tun bei einer roten Ampel«, murmelte sie in einem Selbstgespräch.
Von oben stampfte jemand und rief: »Ruhe da unten! Wir wollen schlafen!«
Ava schrie zurück: »Ja, ja. Ist ja gut!«
Sie schrubbte noch ihre Zähne blitzblank, bevor sie ins Bett ging.
Am nächsten Morgen holten die Wachen die Insassen sehr früh aus den Betten. Nach dem Aufwecken ging es zum Frühstücken in die große Kantine.
Da beschwerte sie sich gleich als Erste über das schlechte Essen, das es dort gab, und holte vor Wut jemandes Auge aus der Augenhöhle.
Danach ging es für die meisten Insassen zum Duschen. Da bekam sie es mit dem Seife aufheben-Scherz zu tun. Natürlich hob sie sie nicht auf. Aber der Typ, der sie fallen ließ, sollte nie wieder etwas aufheben können.
Was sich schon alle im Gefängnis fragten, war, wie Shariel es diesmal wieder schaffen würde, auszubrechen.
Abends erzählte Ava im Pausenhof Geschichten über Shariels Taten. Diese waren sehr beliebt bei den Häftlingen. Ein Glück, dass der echte Shariel Ava noch einige Musikstunden gegeben hatte, sonst wäre es weniger überzeugend herübergekommen.
Sie spielte ihnen immer die instrumentale Version von Peter Fox’ »Alles neu« vor. Sie applaudierten am Ende und verlangten jedes Mal noch eine Zugabe, die ihnen leider verwehrt blieb, da Ava einen Wachmann mit ihren Zähnen tötete. Das brachte ihr eine Nacht in Einzelhaft ein (eine sehr geringe Strafe, meines Erachtens).
Das nächste Problem bahnte sich an. Sie brauchte ihre nächtlichen Injektionen, um verwandelt zu bleiben. Sie musste also, so schnell es nur irgendwie ging, ins Zerlegungswerk zurückkehren. Nur wie?
Sie zeichnete einen Fluchtplan auf die Zellenwände. Der Plan war idiotensicher.
Sie hatte fast schon vergessen, dass sie das Feuer beherrschen kann.
Außerdem ließ sie mir eine Nachricht zukommen, dass ich ihren Werkzeuggürtel vor dem Gefängnis verstecken soll.
Beim morgendlichen Frühstück sollte dann die Befreiungsaktion starten.
Mithilfe eines Feuerballs aktivierte Ava in der Kantine die Sprinkleranlage. Panik brach aus, alle Insassen griffen die Wachen an und holten die noch Eingesperrten aus ihren Zellen. Ava stahl sich in dem großen Tumult davon.
Die meisten Gefangenen konnten kurz darauf wieder vom Personal eingefangen werden.
Draußen nahm sie ihr Hab und Gut an sich und ging durch das nächste Portal in Richtung Zerlegungswerk nach Hause.
Natürlich folgten ihr einige Wachen. Diese ließ sie ganz schön alt aussehen, als sie damit begann, einen großen Feuerring zu erschaffen.
Durch reinen Zufall wurde keine einzige Wache bei der Aktion getötet.
Sie verbrannte einige Polizeiautos, um den Wachen den Weg zu versperren, und verschwand in einer dunklen Seitengasse.
Der Commissioner war außer sich, als er das hörte und benachrichtigte sofort den Stadtbesitzer.
Ava kehrte im noch verwandelten Zustand ins Werk zurück.
Sie ließ alle Lichter im Industriegebiet ausschalten als Zeichen dafür, dass der große Shariel tot ist. Die Wachen trauerten und schwiegen. Es war noch nie so still im Industriegebiet gewesen.
Ava bekam in der Nacht eine Vision von ihrem Engel:
Er sprach zu ihr: »Hallo. Du hast es dir ja ganz schön gemütlich gemacht. Wieso gehst du diesen Weg?«
Ava flüsterte zurück: »Weil ich will, dass du immer bei mir bleibst.«
»Na, das hast du aber sehr ernst und genau genommen. Und was hast du jetzt vor?«
»Ich werde den Schatten töten«, flüsterte sie erneut zurück.
»Es wird bald alles vorbei sein.«
»Bitte verlass mich nicht.«
»Aber ich bin doch gar nicht wirklich hier«, erklärte Shariel.
»Werde ich dich je wiedersehen?«
»Aber natürlich! Du hast es bald geschafft. Aber versprich mir, dass ich dich nicht gleich in den nächsten Minuten wiedersehe.«
»Ich werde dich solange am Leben halten, wie ich kann.«
»Das höre ich gern«, sprach der Engel stolz zu ihr.
Die Vision endete und Ava schlief ein.
Avoran beobachtete das Zerlegungswerk von außen. Er war sich sicher, dass Shariel erneut etwas planen würde.
Ava wachte dann plötzlich wegen eines leisen Geräusches auf. Avoran stand vor ihr. Sie fing an, ängstlich zu schreien. Das hatte ihr jetzt gerade noch gefehlt.
Avoran erkannte sie im Dunkeln nicht und erkannte sie als Shariel. Also riss er sie aus ihrem Bett und warf sie an die Seite zur Wand. Dabei riss ihre Kanüle aus dem Arm.
Avoran schrie sie wütend an: »Was hast du jetzt wieder vor?! Spuck‘s aus!«
Die hilflose Ava versuchte, es zu erklären: »A… Avoran.«
Sie zeigte auf den Tropf, der am Bett stand.
Er stutzte: »Was? Wie ist das möglich?«
Er verstand noch nicht ganz, was hier vorging, aber dennoch legte er sie wieder aufs Bett und steckte sie wieder an den Tropf an.
Avoran erwartete Antworten: »Was hat das alles zu bedeuten?«
»A… Avoran. S… Shariel ist tot…«, sprach Ava mit entkräfteter Stimme.
»Was ist passiert?«
»Da ist jemand Neues in der Stadt. Er nennt sich … der Schatten.«
»Der Schatten?«, fragte er nachdenklich.
»Er hat uns beide an eine der Brücken in deiner Stadt gefesselt und dann hat er ihn vor meinen Augen getötet. Ich konnte gerade noch so fliehen, sonst hätte er mich auch erwischt.«
»Was soll dieser Aufzug? Wieso siehst du so aus wie er?«
»Verhörst du mich jetzt?«, fragte Ava genervt.
»Falls du Rache nehmen willst … es wird dir keinen Frieden bringen.«
»Das ist meine Sache.«
Avoran gefiel ihr Tonfall nicht und hob sie nach oben. Er war kurz davor, sie zu schlagen.
Avoran erklärte ihr in klaren Worten: »Ich werde dich heute Nacht nicht in die Stadt bringen. Du wirst dich ganz alleine für seine Taten verantworten müssen. Ich werde dich finden, wenn du was Dummes anstellst.«
»Du verrätst mich nicht?«
»Wenn ich von dir nur einen schiefen Ton höre, egal was du früher einmal warst, werde ich dich finden und dich ins Gefängnis schicken.«
Er ließ sie ins Bett fallen und verschwand im Schatten.
Was für eine Nacht das auch immer war, sie war vorbei.
Im nächsten Kapitel von Shariels großem Buch der Dios ging es um die Rubrik der Fortgeschrittenen. Dazu gehörte größtenteils die Anleitung für den Bau eigener Waffen dazu. In seinem Buch hatte er seine eigenen Bauanleitungen verewigt, damit sein Nachfolger sie nachbauen konnte. Von Bomben bis hin zu giftigen Granaten, alle Arten von tödlicher Munition und Sprengstoffen waren hier vertreten.
Ava liebte seine Anleitung zu der großen F8 Smart Gun ganz besonders.
Das war Shariels erste neue Waffe, die er baute. Sie lässt sich mit beiden Händen halten und feuert wie ein Maschinengewehr.
Man nimmt an, dass er dieses Waffendesign gestohlen hatte.
Dazu kam noch zum Handgepäck eine Glock 17 (umgerüstet auf Voll-Automatik) dazu.
Für Fernkämpfe baute er sich eine Art von Panzerfaust.
Und natürlich durften Handgranaten nicht fehlen. Als eine weitere Waffe zählte sich auch die Heckler & Koch USP dazu, Shariels Exekutionswaffe, dazu.
All diese Waffen befanden sich sicher gelagert im Zerlegungswerk unter der Obhut der allerbesten und treuesten Wachen. Ava eignete sich einen Teil seiner Waffen an.
Ava inspizierte im Schlafzimmer eine seiner neuen Waffen und sprach zu mir: »Damit könnte man ein hübsches Feuerwerk anrichten.«
»Feuerwerk, Boss?«, fragte ich nach.
»Ja! Ist sie nicht wunderschön? Diese Waffe? Erkennst du diese wundervolle Struktur nicht? Dieses perfekte Ausmaß an Zerstörungskraft?«
»Nein, Boss«, musste ich zugeben.
»Aber natürlich verstehst du das nicht. Du bist ja auch strohdumm. Aber genau darum bist du bei mir angestellt.«
Ich war nicht verletzt von seinen Worten, denn ich hatte nichts anderes von ihm erwartet. Das war einfach seine Art.
»Das ist toll, Boss«, freute ich mich.
Ava fuhr fort: »Mit diesem Baby werde ich dem Schemen das Gesicht zerschießen. Ich akzeptiere nichts unter einer Gleichberechtigung.«
Die Suche nach dem Erzfeind ging weiter. Noch keiner in ganz New New York City schien von ihm gehört zu haben, abgesehen von Ava, die ihn nie wieder vergessen konnte.
Es war für sie ein Desaster, dass sie seine Rache nicht vollenden konnte. Jeden Tag aufs Neue suchte sie nach ihm, drehte jeden Strohhalm um.
Avoran beobachtete Avas Schritte tagtäglich. Er musste sie aufhalten, wenn sie zu weit gehen würde. Im Werk wurde immer noch Shariels Tod betrauert. Alle Lichter waren erloschen und es war genauso ruhig wie gruselig draußen auf den Fertigungsstraßen.
Eines Abends brachen einige Banditen ins Zerlegungswerk ein. Sie hatten den Auftrag, Ava zu entführen. Sie schossen die Wachen nieder und drangen immer weiter ins Werk ein. Ava hörte die Schießereien unter ihr und machte sich kampfbereit. Sie griff zu ihrem Werkzeuggürtel und befestigte ihn an ihrer Taille. Dazu nahm sie die Smart Gun an sich und ging auf die Jagd nach den Eindringlingen.
Noch bevor sie aus dem Büro hinausgehen konnte, sprang ihr einer der Typen entgegen und griff sie mit einem Messer an.
Ava wich nach hinten aus und schoss ihn nieder: »Netter Versuch«, prahlte sie.
Die anderen Burschen versuchten, ihren Kumpel zu rächen, aber Ava schoss sie allesamt nieder. Sie konnte nicht mehr aufhören, den Abzugsknopf an ihrer Waffe zu betätigen. Als befände sie sich in einem Rausch.
Avoran war, wie zu vermuten, ganz in der Nähe draußen auf einem der Dächer. Er sprang durch das Dachfenster im Schlafzimmer und schlug sie nieder: »Halte ein, Ava! Halte ein!«
»Ich mach euch alle fertig!«, erwiderte sie.
Avoran schlug ihr die Waffe aus der Hand und warf sie zu Boden. Danach riss er Ava nach oben und schlug ihr ins Gesicht, einige Male.
Sie wurde von ihm fallen gelassen und landete auf dem Boden. Ihr schmerzte das Gesicht.
Ava wollte zu der Kettensäge auf dem Boden greifen, als Avoran sie ohnmächtig schlug.
Als sie wieder zu Bewusstsein kam, war der Stadtbesitzer verschwunden. Die Wachen warfen die Leichen der Attentäter ins Meer.
Sie nahm an, dass es Jungs vom Schemen waren.
Avas Schmerzen im Gesicht wurden immer unerträglicher. Sie dachte, es würde kürzer dauern, den Schatten zu fassen. Aber so, wie es aussah, würde es dazu so bald nicht kommen.
Sie brauchte noch mehr Schmerzmittel und was noch viel wichtiger war, noch stärkere Schmerzmittel. Mit ihrem Gleiter begab sie sich, mit zittrigen Händen am Steuer, in die Hauptstadt.
Ein Arzt in Krakuna gab ihr alles, was sie brauchte. Nur eines seiner Mittel beeindruckte Ava so sehr, dass sie den Arzt dafür reich belohnte. Im Gegenzug belieferte er sie jede Woche mit der benötigten Menge, um das Mittel herstellen zu können.
Schon sehr bald darauf war Ava süchtig nach Schmerzmitteln. Ohne diese konnte sie gar nicht mehr leben. Und sie verlor dadurch den Schemen aus den Augen.
Dafür gab ihr die Droge etwas anderes zurück: ihre Fröhlichkeit. Das war es ihr Wert. Da ihr aber auch ihr Körper sehr am Herzen lag, versuchte sie, die Dosis so einzuteilen, dass es keine Folgeschäden geben konnte. Das ergab in ihrem Leben eine ganz neue Herausforderung.
Sie befestigte eine weitere Tasche an ihrem Gürtel und legte einige Spritzen mit der Droge dort hinein.
Nun wurde es wieder Zeit, an die Arbeit zurückzukehren. Es würde viele Tote geben.
Es gibt bei uns keine Regeln auf der Suche nach Gerechtigkeit und dem Wunsch nach Rache.
Allmählich bekam auch der Stadtbesitzer die ersten Anzeichen dafür, dass der Schatten wirklich existierte. Es wurden immer mehr Leichen in dunklen Gassen gefunden, bei denen die Gesichter entfernt worden waren.
»Jetzt schlägt er zu«, dachte sich Avoran.
Er versuchte, ihn zu jagen, doch er war äußerst geschickt darin, seine Spuren zu verwischen.
Avoran saß vor seinem Hightech Computer und murmelte: »Ich werde Hilfe brauchen.«
Also ging er nun zu jemandem, der es schon mal mit diesem Feind zu tun hatte. Ava war die Einzige, die eine Begegnung mit ihm überlebt hatte.
Er brach zum Industriegebiet auf und drang ins Zerlegungswerk ein. Ava war auf sein Kommen nicht vorbereitet. Zur Vorsicht hatte sie aber Tonis Hammer neben dem Bett stehen lassen. Avoran tauchte wie so oft aus den Schatten heraus auf und überraschte sie.
Er sprach in einem ruhigen Ton zu ihr: »Ava.«
Schnell griff sie panisch zum Hammer. Die letzte Begegnung mit ihm tat ihr nicht sehr gut.
Ava schrie ihn an: »Verschwinde, Stadtjunge!«, und drohte ihm mit Tonis Hammer.
Sie griff Avoran an und warf ihn hinunter ins Erdgeschoss.
Sie sprang ihm hinterher und sagte: »Hast du endlich genug?«
Er wiederum versuchte, sich mit ihr zu versöhnen: »Ich bin nicht hier, um zu kämpfen.«
Er konterte Avas Angriff und riss ihr den Hammer aus der Hand.
»Was? Nicht mal ein Kuss? Keine Umarmung? Keine Faust in mein Gesicht?«, fragte sie ängstlich verwirrt.
»Nein, du Irre. Jetzt hör mir zu. Es gibt Neuigkeiten vom Schatten.«
Ava senkte ihre Fäuste und erwiderte erschöpft: »Lass uns reden.«
Sie war neugierig und schloss einen Waffenstillstand mit dem Eindringling.
Die zwei diskutieren viele Stunden in Shariels altem Büro. Sie waren sich einig geworden und beschlossen, gemeinsam den Schatten zu jagen.
Ob das gut gehen würde?
Es begann ein großer Regenschauer in New New York City. Das erschwerte die Suche.
Auf einer der Brücken in der Stadt:
Sie suchten nach Hinweisen.
Ava brachte Avoran zum Stehen: »Warte mal, Stadtjunge.«
»Was ist? Wir haben keine Zeit.«
»Weißt du, ich hab‘s mir anders überlegt.«
Eine Falle schnappte unter Avoran zu und Ava schien ihn endlich in ihren Fängen zu haben.
Sie grinste ihn an: »Du kennst mich doch nicht so gut, was?«
Avoran war in einer Art Bärenfalle gefangen. Er kam mit seinem Fuß dort nicht mehr heraus: »Wo ist dein rationales Denken?«
Ava formte mit ihren Fingern eine Pistole und hielt diese an ihren Kopf.
»Du bist krank.«
»Ich weiß.« Sie richtete eine richtige Pistole auf ihn und blickte ihn finster an.
Während Ava ihren Triumph feierte, aktivierte ihr Gegner eine Sprengladung in der Nähe.
Er machte ihr klar: »Ich kenne dich besser, als du denkst.«
»Nein!«, schrie Ava.
Avoran befreite sich aus der Falle, während Ava von der Explosion hinter ihm abgelenkt war und griff sie frontal an. Er schlug sie zu Boden.
Einmal mehr war er ihr einen Schritt voraus gewesen.
Er riss sie mit seinen Händen am Kragen nach oben und gab ihr noch eine letzte Chance: »Sei nicht dumm. Du hast alleine keine Chance gegen den Schatten. Was ist los mit dir? Du brauchst mich, um ihn zu besiegen!«
Ava schwieg.
»Sprich! Deine letzte Möglichkeit!«
Sie erwiderte dann: »Ich werde ihn töten, wenn ich ihn finde.«
»Das wird sich zeigen.«
Avoran ließ sie los und versuchte ihr nicht mehr den Rücken zuzukehren.
»Du wirst mich nicht davon abhalten können.«
Er machte ihr daraufhin klar: »Er wird ins Sanatorium geschickt werden.«