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Exklusiv im Bundle: Die Liebesromane "Das Glück im Augenwinkel" und "Das Glück in deinen Spuren". Eine Hommage an das Glück und den Glauben an die Liebe ... Können zwei unglückliche Seelen das wahre Glück der Liebe finden? Kann eine zerbrochene Familie wieder eins werden? Finde es heraus in diesen zwei emotionalen und spannenden Liebesromanen mit Happy-End-Garantie
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Veröffentlichungsjahr: 2025
Inhaltsverzeichnis
Buch 1: Das Glück im Augenwinkel
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Buch 2: Das Glück in deinen Spuren
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Impressum
Nancy Salchow
Der Sieg des Glücks
Sammelband
mit zwei Liebesromanen
Fast ein Jahr nach dem Tod seiner Frau Emma kehrt Simon in das gemeinsame Haus zurück, um sich endlich wieder dem Leben zu stellen. Nachdem er bei seiner Schwester und deren Familie neue Kraft gesammelt hat, macht ihm die Konfrontation mit einem Haus voller Erinnerungen nur allzu schmerzhaft seinen Verlust bewusst. Als ihm zufällig das letzte Buch, das Emma vor ihrem Tod gelesen hat, in die Hände fällt, macht er eine seltsame Entdeckung. Eine fremde Frau scheint über eine ganz bestimmte Seite des Buchs mit ihm verbunden zu sein. Ihre Botschaften zeugen von einem ebenso schweren Schicksal wie seinem. Doch was hat die Seite 139, die letzte Seite, die seine Frau gelesen hat, mit der ominösen Fremden zu tun? Und wie schafft er es, ihr zu antworten? Zum ersten Mal seit langem schöpft er neue Hoffnung. Durch eine Frau, die er nicht kennt und die zu finden unmöglich scheint ...
Manchmal, wenn ich nachts nicht schlafen kann, lasse ich meine Gedanken zu einer ArtVorstufe des Träumens verschwimmen. Dann bist du da, als wäre nichts geschehen. Ichwundere mich nicht einmal, dass du da bist. Deine Anwesenheit ist so selbstverständlich, dassich nicht darüber nachdenken muss. Du stehst in der Küche, während ich im Arbeitszimmeram Laptop sitze. Durch die offene Tür sehe ich, wie du Tomaten schneidest. Irgendwo inmeinem Augenwinkel. Eigentlich sehe ich dich gar nicht. Es ist einfach nur das Wissen, dassalles normal ist. So normal, wie die Welt nur sein kann. Weil du da bist. Einfach da.
Es war Herbst geworden, bevor er sich an den Sommer gewöhnen konnte. Die vergangenen zwölf Monate waren wie eine einzige nahtlose Jahreszeit an ihm vorübergezogen und hatten jedes Zeitgefühl verschwinden lassen. Lediglich die glänzenden Kastanien und rostbraunen Blätter auf dem Garagendach, das direkt unter seinem Fenster lag, deuteten den Beginn eines neuen Abschnitts an. Eines Abschnitts, dem er weder mit Furcht noch mit Freude entgegensah. Beinahe kam es ihm vor, als hätte er sich im Laufe des Jahres all seiner Emotionen entledigt. Wie der Baum all seiner Blätter.
„Bist du dir sicher, dass ich dich nicht zum Bahnhof bringen soll?“ Sie stand mit einem Geschirrtuch über dem Arm in der Tür.
„Ich nehme ein Taxi“, antwortete er, ohne sich vom Fenster abzuwenden.
„Abschiedsszenarien am Bahngleis liegen mir nicht.“
„Die Kinder fragen, ob du mit ihnen vorher noch eine Runde Basketball spielst.“
„Mein Rücken bringt mich um, Marie. Außerdem habe ich das Taxi bereits bestellt. Es müsste jeden Moment da sein.“
„Jetzt schon? Aber ich dachte, wir würden noch zusammen essen.“ Ihre Stimme erhob sich, um sich im selben Moment wieder zu senken. Sie wusste, dass sie keine Chance hatte, ihren Bruder umzustimmen, wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hatte. Zumindest nicht den Bruder, der zwölf Monate lang ihr Gästezimmer bewohnt hatte. Früher vielleicht, ja. Früher wäre er zum Essen geblieben. Sie wären zum Essen geblieben.
Er drehte sich um und lächelte das einzige Lächeln, das sie innerhalb des letzten Jahres zu sehen bekommen hatte. Ein bemühtes, mechanisches Lächeln. Dennoch hatte sie gelernt, es zu schätzen. Ein mechanisches Lächeln war besser als gar keines.
„Ich bin dir sehr dankbar“, sagte er. „Für alles, was du für mich getan hast. Ohne dich hätte ich das letzte Jahr nicht überstanden.“
„Das war selbstverständlich, Simon“, antwortete sie leise.
„War es nicht.“ Er ging einen Schritt auf sie zu. „Ich war ein Teil deiner eigenen kleinen Familie. Und sicher nicht immer ein angenehmer.“
Ihr Blick fiel auf den Koffer neben dem Bett.
„Du hast schon gepackt?“
„Wie gesagt, das Taxi.“
Sie nickte.
„Hör mal, Marie. Du darfst dir nicht so viele Sorgen machen. Es geht mir gut. Wirklich.“
Nun war sie es, die sich um ein Lächeln bemühte. „Ich weiß. Trotzdem. Du wirst uns fehlen.“
Sie berührte seinen Arm. „Aber an Weihnachten, an Weihnachten kommst du doch, oder?“
„Natürlich. Die Wunschzettel der Kinder liegen schon im Koffer.“
Sie suchte seinen Blick. Dieselben dunklen Augen, die ihn schon in Kindertagen fixiert hatten, wann immer sie sich Sorgen um ihn machte. Wie damals fiel ihr das schwarze Haar in widerspenstigen Locken auf die schmalen Schultern und erinnerte ihn für einen Moment an vergangene, an unbeschwerte Tage. Wortlos schauten sie sich an. Vielmehr war sie es, die ihn anschaute. Er hatte sich das wirkliche Sehen im Laufe der letzten Monate abgewöhnt. Er nahm zur Kenntnis, aber er hatte aufgehört, wirklich wahrzunehmen. Mit einer ungeschickten Umarmung kam er dem Wort zuvor, das sie erneut an ihn richten wollte. Er wollte nicht mehr reden. Nicht jetzt. Es war an der Zeit, den Schritt in ein neues Leben zu wagen. Ein Leben, das eigentlich kein neues, sondern die Imitation eines alten Lebens war. Eine Imitation seines Lebens.
Von der Auffahrt her ertönte ein Hupen. Eine Schar von Vögeln brach aufgescheucht aus dem Baum hervor.
Es wurde Zeit.
Es war das erste Mal seit seinem Umzug zu Marie, dass er den Schlüssel zu seinem eigenen Haus in den Händen hielt. Seine Nachbarin Frau Jäger hatte sich in der Zwischenzeit um seinen Garten gekümmert, zumindest um das, was davon übrig geblieben war. Auch die Fenster machten den Eindruck, erst vor kurzem geputzt worden zu sein. Er selbst jedoch hatte seit einem Jahr keinen Fuß mehr über die Türschwelle gesetzt.
Auf der letzten Stufe zögerte er für einen Moment. Der Schlüsselanhänger, ein alberner Stoffbär mit Zylinder, hing seltsam vertraut zwischen seinen Fingern herab, als hätte er ihn nie zur Seite gelegt. Mit einem tiefen Atemzug steckte Simon schließlich den Schlüssel ins Schloss und öffnete die Tür.
Er erinnerte sich daran, das Haus damals überstürzt und in unverändertem Zustand verlassen zu haben; trotzdem traf ihn der vertraute Anblick heftiger als erwartet. Emmas Pantoffeln neben der Küchentür. Ihre Wildlederstiefel vor der Heizung. Die dunkelblaue Strickjacke an der Garderobe. Ein leichter Windzug verstummte, als er die Tür hinter sich schloss. Mit vorsichtigen Schritten durchquerte er den Flur, bis er die Küche erreichte. Auf dem Tisch stand ein frischer Strauß Chrysanthemen. Frau Jäger. Sicher hatte sie die Blumen erst am Morgen in die Vase gestellt.
Doch der Gedanke an die Fürsorglichkeit seiner Nachbarin verblasste schnell unter den erdrückenden Bildern, die das Haus ihm bot. Das hellblaue Wachstuch auf dem Tisch. Die grüne Salatschüssel auf dem Kühlschrank, die Emma erst letzten Sommer dort abgestellt hatte. Zu wenig Platz in der Schublade, hatte sie geschimpft.
Er unterdrückte das Bedürfnis, sich auf einen der Stühle fallen zu lassen. Sich fallen zu lassen käme dem Versinken in Selbstmitleid gleich. Und er wollte nicht versinken, weder in Selbstmitleid noch in quälenden Erinnerungen! Sie ist fort. Und kein selbstzerstörerischerGedanke wird sie dir zurückbringen.
Er verließ die Küche, um sich ins obere Stockwerk zu begeben, beherrscht von dem Drang, das Haus möglichst zügig zu mustern und jede Konfrontation schnell hinter sich zu bringen.
Direkt neben der Treppe fiel sein Blick auf den Wandspiegel. Abrupt blieb er stehen. Für den Bruchteil einer Sekunde schien ihm das Bild des Mannes im Spiegel vertraut. Wie eine blasse Erinnerung an vergangene Tage drängte es sich in sein Bewusstsein, scheiterte aber im selben Augenblick an der mühsam erlernten Kunst des Verdrängens. Schnell wurde aus der Erinnerung an einen alten Bekannten wieder dasselbe konturlose Gesicht, das ihn seit Monaten bei den seltenen Blicken in den Spiegel ansah. Keine Mimik. Nicht mal der Ansatz einer Emotion.
Die zwei kleinen Falten zwischen den Augenbrauen, ein Resultat jahrelanger konzentrierter Arbeit am Bildschirm. Die tiefen Schatten unter den Augen, die sich von gelegentlicher Anwesenheit am Morgen zu einer dauerhaften Erscheinung entwickelt hatten. Das dunkle, leicht zerzauste Haar, das nach Meinung seiner Schwester in etwas zu lang geratene Koteletten überging. Insgesamt ein wenig eindrucksvoller Anblick. Aber wie viel ist ein Eindruck wert, wenn es niemanden mehr gibt, den es zu beeindrucken gilt?
Er strich sich mit den Fingern über die Wangen, wie er es manchmal tat, wenn er müde wurde, und wandte sich vom Spiegel ab. Selbst der Anblick seines eigenen Gesichts weckte Erinnerungen in ihm. Erinnerungen, die er sorgsam zu vermeiden suchte.
Während er die Treppe hinaufging, überkam ihn ein Anflug von Angst. Wie sollte er es fertigbringen, das Schlafzimmer zu betreten, geschweige denn darin zu übernachten?
Dasselbe Zimmer, das er sechs Jahre lang mit Emma geteilt hatte? Das Zimmer, in dem sie sich noch am Morgen ihres Todes geliebt hatten?
Die Tür war angewinkelt, als er die obere Etage erreichte. Bereits beim ersten Blick durch den Spalt gewann der Raum an Macht. Es schien ihm beinahe unmöglich, sie zu ertragen. Bleibstark! Du kannst dich nicht für immer verstecken. Du musst dich den Dingen stellen.
Mit schwachen Händen schob er die Tür auf. Das vertraute Bild von ockerfarbenen Vorhängen, die das breite Fenster umhüllten. Die kleine Stehlampe in der hinteren Ecke des Raumes, die Emma im ersten Jahr ihrer Ehe vom Flohmarkt mitgebracht hatte. Die Fotos auf der Kommode neben dem Kleiderschrank. Ihr Morgenmantel an einem Haken neben der Tür.
Unfähig, sich weiteren Eindrücken auszusetzen, ließ er sich auf das Bett fallen. Woher sollte er die Kraft nehmen, hierzubleiben? Auch nur eine einzige Sekunde ohne sie?
Mühsam versuchte er, sich an die Zeit vor Emma zu erinnern. Sein Junggesellenleben und die Nächte, die er mit seinen Kumpels bis zum Morgengrauen am Billardtisch verbracht hatte. Ein Rauhbein hatte Marie ihn damals immer genannt. Einen unbelehrbaren Einzelgänger, dazu verdammt, eines Tages einsam zu sterben, wenn er nicht endlich lernen würde, sich auf andere Menschen einzulassen. „Irgendwo da draußen wartet sie auf dich, Simon“, hatte sie gesagt. „Die Eine, die sich der Mission stellen möchte, aus einem mürrischen Egoisten einen liebenswerten Kerl zu machen. Nur zwischen Rauchschwaden und betrunkenen Dummköpfen wirst du sie nicht finden.“ Erst nachdem er Emma kennengelernt hatte, verstand er, was Marie gemeint hatte.
Was war übrig geblieben von den Dingen, die ihn damals am Alleinsein gereizt hatten? Die Abende mit Freunden oder die Begeisterung für seine Arbeit, über der er manchmal stundenlang das Essen vergaß. Wo war er hin, der Reiz des Lebens, das er vor Emma geführt hatte?
Er spielte mit dem Gedanken, das Haus wieder zu verlassen. Besser heute als morgen.
Diesmal für immer. Marie würde ihm sicher dabei helfen, es zu verkaufen. Er könnte zu ihr ziehen. Warum nicht? Sie selbst hatte gesagt, wie sehr er ihnen fehlen würde, besonders den Kindern. Timmy und Rhea wären selig, wenn er zurückkäme. Und die Arbeit als Übersetzer könnte er von überall aus erledigen. Ein Vorzug seines Berufes, der ihm nun endlich einmal zugutekäme.
Doch im selben Augenblick verwarf er die Idee wieder. So sehr ihn die Kinder auch ins Herz geschlossen hatten: Marie und Jan hatten ein eigenes Leben, eine eigene Familie. Sein Aufenthalt hatte sich ohnehin schon in unverzeihliche Länge gezogen. Wie konnte er erwarten, dass sie ihren Alltag, ihr Familienleben für ihn dauerhaft aus den gewohnten Bahnen reißen würden?
Er ließ den Kopf auf die Hände sinken und starrte durch die offene Tür auf den Dielenboden.
Ein paar Staubflocken schienen im Licht, das durch die Jalousien des Dachfensters auf den Boden fiel, zu tanzen. In einem Haus, das nicht vertrauter und doch auch kaum befremdlicher sein könnte. Ein Haus, um das er sich nun allein kümmern musste.
Sein Blick wanderte auf den Nachtschrank neben dem Bett. Erst jetzt wurde ihm bewusst, dass er auf Emmas Seite des Bettes saß. Ihr Nachtschrank. Der kleine Funkwecker, den in Ermangelung einer funktionierenden Batterie nur noch ein blankes Display schmückte. Das rote Lederetui für ihre Lesebrille. Daneben ein Buch mit leicht ausgefransten Ecken. Er erinnerte sich, dass sie am letzten Abend darin gelesen hatte. Das leichte Lächeln auf ihren Lippen, wenn sie mit dem Blick auf einer Seite verharrte und dieselben Zeilen immer und immer wieder las.
Intuitiv griff er danach. Das Glück im Augenwinkel. Er strich mit den Fingern über den Titel und öffnete das Buch auf der mit einem schmalen Lesezeichen versehenen Seite. Ein Schauer überkam ihn bei der Vorstellung, dieselben Worte zu lesen, die sie vor ihrem Tod gelesen hatte. Er versuchte sich vorzustellen, welche Emotionen sie bei ihr ausgelöst hatten, welche Gedanken ihr dabei durch den Kopf gegangen waren. Die Worte eines Buchs, das er nun selbst in den Händen hielt.
Der altvertraute Druck legte sich auf seine Brust. Sein Atem wurde schwer. Gleichzeitig fühlte er sich ihr allein durch die Berührung der Seite näher. Eine Nähe, die er aufgrund ihrer Unerträglichkeit immer wieder mied und der er doch in diesem Moment, diesem einen Moment der Rückkehr, nicht aus dem Weg gehen konnte.
Er nahm das Lesezeichen heraus. Seite 139. Unvermittelt begann er zu lesen: Keine Stunde vergeht, im Grunde nicht mal eine Minute, in der ich nicht an dich denke. Mansagt, Gedanken an die Vergangenheit seien selbstzerstörerisch, vor allem dann, wenn manbestimmte Dinge nicht mehr ändern kann. Dennoch habe ich bis heute nicht gelernt, Abstandzu gewinnen. Wie kann ich von etwas Abstand gewinnen, das so tief in mir verankert ist? Wiekönnte ich jemals Abstand von DIR gewinnen? Ich vermisse dich. Ich vermisse dich so sehr,dass ich manchmal das Gefühl habe, dass mir die Luft wegbleibt. Einfach so. Vielleicht wäreich dann wieder bei dir, wenn ich einfach die Luft anhalte?
Er schlug das Buch zu, bevor er das Ende der Seite erreicht hatte. Wie konnte ein Text wie dieser Emma ein Lächeln abverlangt haben? Ein Text, dessen Bedeutung damals noch in so weiter Ferne lag? Worte, die seinen Gedanken heute so erschreckend ähnlich waren? Und was für eine Art von Roman trug Worte wie diese in sich?
Er presste das Buch gegen seine Brust und ließ sich rücklings auf das Bett fallen. Sein Blick fixierte die Decke, ohne sie wirklich wahrzunehmen. Warum Emma? Warum ausgerechnet Emma? Immer wieder schlichen sich die Gedanken an diesen einen Tag in sein Unterbewusstsein, den Tag, der sein ganzes Leben für immer verändern sollte. Nicht nur das Schicksal von Emma und somit auch seines, sondern das Schicksal von zwölf Menschen nahm an diesem bestimmten Datum eine grausame Wendung.
Es war der 13. September 2010.
*
„Ich habe mir Sorgen um Sie gemacht, mein Junge.“
Es gehörte zu ihrem ganz eigenen Charme, ihn zu siezen und im selben Atemzug ein „Mein Junge“ hinterherzuschieben. Eine Eigenart, die er während seiner Abwesenheit beinahe vergessen hatte und die ihn nun an das wenig verbliebene Schöne seiner alten Heimat erinnerte. Frau Jäger. Die gute Seele der Nachbarschaft.
Er schob eine Tasse zu ihr hinüber und setzte sich an den Küchentisch.
„Das hätte ich doch auch machen können.“
„Es ist nur eine Tasse Tee, Frau Jäger. Den bekomme ich schon noch alleine hin“, antwortete er. „Und überhaupt haben Sie schon mehr als genug getan.“
Sie musterte ihn mütterlich. „Nicht genug, mein Junge. Nicht genug.“
Ihr mitfühlender Blick ähnelte dem seiner Schwester. In ihren hellgrauen Augen erkannte er noch immer dieselbe Sorge, dasselbe wortlose Mitleiden, das sich ihm bei der ersten Begegnung nach dem tragischen Ereignis dargeboten hatte. Sie redete viel, ohne gewisse Dinge auszusprechen – ein Taktgefühl, das er bei vielen seiner Nachbarn in den schlimmen ersten Tagen vermisst hatte. Und einer der Gründe, warum er jede Hilfe von Frau Jäger ohne Zögern angenommen hatte.
„Ich komme zurecht, Frau Jäger. Wirklich. Außerdem wird es Zeit, dass ich mich wieder dem Alltag stelle. Und dazu gehört unter Umständen eben auch, eine Tasse Tee zu kochen.“
Er lächelte. Ein Lächeln, das sie nur zaghaft erwiderte, während sie ihre faltige Hand auf seine legte.
Er fragte sich, wie alt sie wohl war. Eine Frage, die er sich oft gestellt, aber anstandshalber nie ausgesprochen hatte. Mitte Sechzig? Bereits über Siebzig? Ihr Haar, im selben Grau wie ihre Augen, hatte sie zu einem engen Dutt gebunden. Über dem hellblauen knielangen Kleid, das ihre breiten Hüften umschloss, trug sie eine Strickjacke in undefinierbarer Farbe. Simon wusste, dass sie alleine lebte, aber zum ersten Mal seit seinem Einzug in die Kastanienallee und ihrer ersten Begegnung vor sechs Jahren fragte er sich, ob auch sie möglicherweise einen Verlust zu verschmerzen hatte. Vor Jahren vielleicht.
„Ich habe Lammbraten gemacht“, sagte sie. „Wenn Sie möchten, kann ich Ihnen zum Abendessen ein bisschen vorbeibringen.“
„Das ist wirklich sehr nett, aber …“
„Das Aber können Sie gleich wieder aus Ihrem Wortschatz streichen, mein Junge. Wenigstens essen müssen Sie richtig, wenn Sie schon nicht arbeiten.“
„Oh, ich arbeite“, widersprach er. „Auch schon in den letzten Monaten, als ich noch bei meiner Schwester gewohnt habe. Wozu gibt es das Internet, Telefon und die Post?“
„Das freut mich.“ Die Sorge in ihrem Blick wich Erleichterung. „Und wer gut arbeitet, muss auch gut essen.“
„Das ist aber wirklich nicht nötig.“
„Und ob es das ist“, antwortete sie, und ihr Tonfall machte unmissverständlich klar, dass sie keinen weiteren Widerspruch duldete.
Simon lehnte sich zurück und umschloss seine Tasse mit beiden Händen. Vielleicht war es doch keine schlechte Idee, sich ihrer charmanten Diktatur zu unterwerfen. Lammbraten zum Abendessen, die Übersetzung des neunten Kapitels von Clara Haiges und vielleicht ein Glas Whiskey vor dem Schlafengehen. Irgendwie würde ihm das mit der Ablenkung schon gelingen.
Zumindest für heute.
*
Er fragte sich, ob die mangelnde Begeisterungsfähigkeit für das Manuskript vor ihm tatsächlich den Leistungen der Autorin oder seiner eigenen emotionslosen Verfassung zuzuschreiben war. Er erinnerte sich an die Übersetzung ihres letzten Werkes und den Tatendrang, mit dem er damals an die Arbeit gegangen war. Eine Euphorie, die ihm jetzt nur noch wie eine blasse Kopie seiner eigenen Persönlichkeit erschien.
Ohne Zweifel, es musste an ihm liegen. Clara Haiges war eine Könnerin. Eine Schande, dies auch nur in Frage zu stellen.
Die Buchstaben auf dem Bildschirm vor ihm verloren an Kontur, bevor er sich erneut disziplinieren konnte. Er schaute auf die Uhr. Kurz nach Mitternacht. Vielleicht war es an der Zeit, sich schlafen zu legen. Die zweite Nacht in seinem Bett. Und vielleicht die erste, in der er es wenigstens zu ein paar Stunden Schlaf bringen würde.
Rechts neben der Tastatur entdeckte er das Buch. Welch seltsame Idee, es mit ins Arbeitszimmer zu nehmen. Und doch ließ ihn der Drang nicht los, es bei sich zu tragen. Ihr Buch. Die letzten Worte, die sie gelesen hatte. Eine merkwürdige Nähe, erzeugt durch ein simples Buch von ihrem Nachtschrank. Eine Nähe, die schmerzte und doch an Bedeutung zu wachsen schien.
Er legte die Hand auf den Buchdeckel. Das Glück im Augenwinkel. Erneut fiel ihm der Buchtitel auf, der nicht so recht zu den verzweifelten Worten passen wollte, die er am Tag zuvor gelesen hatte.
Er schob die Hand zwischen die Seiten und schlug das Buch auf.
Ich bin gestern zum ersten Mal allein in den Park gegangen. Habe mich zum ersten Mal aufunsere Bank gesetzt. Es hat geregnet. Aber ich war dankbar für den Regen, denn außer mirwar niemand dort. Nur ein flüchtig vorbeihetzender Mann im dunklen Mantel, der sich seineAktentasche über den Kopf hielt. Ein ganz klein wenig hat er mich an dich erinnert und andeine ersten Jahre im Architekturbüro. Wie ehrgeizig du damals warst. So voller Energie. Undich musste daran denken, wie wenig von dieser Energie am Schluss übrig geblieben war. Derständige Stress und der Zeitdruck haben dich zermürbt und all deiner Illusionen beraubt. Heutefrage ich mich, ob ich es hätte ändern können. Ob ich es hätte ändern müssen. Ich bin mirsogar sicher, dass es meine Pflicht gewesen wäre. Vielleicht wäre dann vieles andersgelaufen. Vielleicht wären die Wege andere gewesen. Aber letztendlich wären wir siegemeinsam gegangen. Und vermutlich würden wir sie noch immer gemeinsam gehen.
Ich glaube, dass ich mir eine Erkältung im Regen geholt habe, aber es macht nichts. ImBuchladen interessiert es niemanden, ob ich heiser bin. Die meisten Leute reden eh mit HerrnVolkmann, während ich mich im hinteren Bereich dem Sortieren der Regale widme. Doch inWahrheit ist jede Tätigkeit nur farblose Kulisse für meine Gedanken. Gedanken, die nochimmer, nach all der Zeit, nur um dich kreisen.
Er schaute auf die Seitenzahl. 139. Waren die Worte gestern nicht noch ganz andere gewesen? Ähnlich in ihrer Tiefe. Ähnlich in ihrem Schmerz. Aber dennoch andere Worte?
Farblose Kulisse für meine Gedanken. War nicht jede Tätigkeit in seinem neuen Leben ebenfalls Kulisse? Farblose Kulisse für immer wiederkehrende Gedanken?
Er schlug das Buch zu und drehte die Flasche neben sich auf. Ein kleines Glas Whiskey vor dem Schlafengehen, das vermutlich eine beruhigendere Wirkung haben würde als aufwühlende Lektüre dieser Art.
Und überhaupt, er sollte aufhören zu lesen.
*
Sie schob den Bleistift in den Anspitzer, drehte ihn einige Male und betrachtete die hölzernen Kringel, die in den Papierkorb neben ihrem Schreibtisch fielen. Nach all den Jahren hatte sie ihre Abneigung gegen Kugelschreiber noch immer nicht abgelegt. Sie mochte den weichen Druck des Bleistifts auf rauhem Papier, liebte es, wie die Worte aus silbergrauen Buchstaben die Seiten füllten.
Seit Patricks Tod hatte das Schreiben jedoch eine ganz andere Bedeutung angenommen. Kein harmloser Zeitvertreib, keine unschuldigen Kritzeleien. Vielmehr war es zu einer ganz eigenen Form der Trauer geworden. Ein verzweifelter Weg, das letzte bisschen Illusion seiner Anwesenheit am Leben zu erhalten. So absurd es auch war – und so bewusst sie sich diese Tatsache auch immer wieder machte –, für die wenigen Minuten, in denen sie die Briefe an ihn in das Tagebuch schrieb, hatte sie das Gefühl, dass er da war. Dass sie mit ihm sprach und er ihr zuhörte. So wie früher.
Sie strich mit den Fingern über die letzten Zeilen. Aber in Wahrheit ist jede Tätigkeit nurfarblose Kulisse für meine Gedanken. Gedanken, die noch immer, nach all der Zeit, nur umdich kreisen.
Langsam schloss sie die Augen. Sie hatte im Laufe der letzten Monate das Weinen nahezu gänzlich verlernt. Ein Umstand, für den sie dankbar war. Tränen raubten ihr Kraft. Kraft, die sie brauchte, um der Welt oder zumindest dem, was für sie davon übrig geblieben war, die Stirn zu bieten.
*
Ihr Lächeln strahlt wie die Sonne, die sich ihren Weg durch die Äste des Kirschbaumes sucht.
Ein paar goldglänzende Strähnen haben sich aus ihrem Zopf gelöst und umspielen ihre geröteten Wangen, während sie sich lächelnd auf die Decke fallen lässt. Grashalme, die an nackten Füßen kitzeln. Ein geöffneter Picknickkorb. Rotwein aus Plastikbechern. Er legt sich neben sie und streicht ihr eine Strähne aus dem Gesicht. Ein Kuss auf den Hals, der ohne Berührung stattzufinden scheint. Und immer wieder dasselbe Lächeln.
Plötzlich schieben sich Wolken vor die Sonne. Der Baum wirft einen scheinbar endlosen Schatten über die Decke. Ein kurzer Blick in den Himmel. Als er wieder zu ihr herabschauen, ihren Blick suchen will, ist sie verschwunden. Die Flasche Rotwein liegt ausgelaufen neben der Decke im Schlamm. Beißende Kälte. Und ein Sturm, der die Plastikbecher über den durchnässten Rasen wirft.
Er setzt sich aufrecht, als ein kleines Blatt Papier, durch den Wind getragen, an seinem Arm hängen bleibt. Mit zitternden Händen streicht er es glatt, um gleich darauf zu erkennen, dass es ein Kalenderblatt ist.
Der 13. September 2010.
Wie von einer Ohrfeige wachgerüttelt, riss er sich selbst aus dem Schlaf. Die Bettdecke lag neben ihm, das Laken zerwühlt zu seinen Füßen. Es war nicht das erste Mal, dass der Traum ihn heimsuchte, und dennoch schien er ihm intensiver, realistischer als all die Male zuvor. Ob es am Haus lag? Daran, dass er ihre Anwesenheit hier so viel deutlicher spürte?
Instinktiv griff er nach dem Handy auf dem Nachtschrank, um Marie anzurufen, und legte es im nächsten Moment wieder zur Seite. Fünf Uhr morgens. Ganz sicher schlief sie noch. Und wie konnte er von ihr erwarten, sich keine Sorgen um ihn zu machen, wenn er ihr immer wieder neuen Anlass dazu gab? Solange er denken konnte, war er stets der Unstrukturierte, der Konfuse von beiden gewesen, der egozentrische Einzelkämpfer, während Marie stets die Position der umsorgenden, vernünftigen und bodenständigen Schwester eingenommen hatte.
Wie oft hatte sie in ihrer Jugend die Spuren seiner durchzechten Nächte verwischt, um ihm Ärger mit den Eltern zu ersparen. Wie viele Male hatte sie ihm die Leviten gelesen, wenn er sich wieder mal dagegen sträubte, dem Familienalltag beizuwohnen anstatt sich stundenlang im Zeichnen von Comics oder Schreiben von Kurzgeschichten zu verlieren. Seine Bekanntschaft mit Emma hatte seine Weltanschauung um 180 Grad gedreht, ihm die Augen für den Rest der Welt geöffnet, nur um dieselbe Welt mit ihrem Tod völlig aus den Fugen zu reißen. Ein Ereignis, das Marie über Nacht in die alte Position der überfürsorglichen Schwester zurückgeworfen hatte. Ein Umstand, den er, nach allem, was sie in den letzten Monaten für ihn getan hatte, nicht mehr ausnutzen wollte. Zumindest nicht um fünf Uhr morgens.
Er schob sich an der Bettlehne hoch und blieb für einen Moment regungslos sitzen. Er würde sich Tabletten besorgen. Gleich heute. In den ersten Wochen nach Emmas Tod hatte er Beruhigungsmittel verschrieben bekommen, die ihm lange Zeit treue Dienste erwiesen. Warum sollte er nicht erneut auf ihre Wirkung bauen?
Mit angewinkelten Knien verharrte er eine Weile in der Position, bis ihm das Buch auf dem Nachtschrank auffiel. Von einem unerklärlichen Drang getrieben, der Suche nach irgendeiner auch noch so befremdlichen Form von Nähe, griff er danach.
Die Tage werden kürzer, sagt man. Aber ich finde, dass sie, je weiter das Jahr voranschreitet,immer länger werden. Die Dunkelheit zieht sich in endloser Schleife dahin und ergreift immermehr Besitz von mir. Manchmal habe ich das Gefühl, gar nicht mehr zu atmen. Dann kneife ichmir selbst in den Arm, um zu prüfen, ob ich noch einen Schmerz spüre. Anderen Schmerz.
Schmerz, den man früher einmal als Schmerz definierte. Damals, als man noch nicht wusste,was wirklicher Schmerz eigentlich ist.
Ich habe unsere Bilder von den Wänden und Regalen genommen und sie in einer Kiste aufdem Dachboden verstaut, um sie gleich am nächsten Tag wieder herauszuholen. Wie konnteich nur glauben, es mir damit leichter zu machen?
Zumindest die Arbeit im Buchladen lenkt mich ein wenig ab. Und ich bin dankbar dafür. All dieBücher, die Geschichten aus einer Welt, in der vieles noch so gut, so vollkommen, sounschuldig ist. Ich spiele sogar mit dem Gedanken, Herrn Volkmann anzubieten, täglich eineStunde länger zu arbeiten. Für denselben Lohn. Zweifellos wird er mich für verrückt halten.
Aber was kann mich das stören?
Er war sich sicher, dass es dieselbe Seite wie am Abend zuvor war. Und wieder schien der Inhalt ein vollkommen anderer zu sein. Er schaute auf die Seitenzahl. 139. Unvermittelt drängten sich ihm die Bilder des Traumes auf. Das Kalenderblatt, das der Wind zu ihm getrieben hatte. Der 13. September. Seite 139. Konnte das tatsächlich ein Zufall sein? Und was hatte es mit dem seltsamen Inhalt auf sich? Die Worte einer Frau, die ihm so vertraut erschienen und doch vollkommen fremd waren?
Er blätterte eine Seite zurück.
Rose schlug die Wagentür hinter sich zu und folgte ihm in schnellen Schritten zur Haustür.
„Bist du dir sicher, dass wir hier richtig sind?“
„Ganz sicher“, antwortete Adam. „Er hat die Adresse am Telefon zweimal wiederholt.
Außerdem gehört ihm der Wagen, der in der Auffahrt steht.“
Sie drehte sich um und musterte das rote Cabriolet. Wie konnte sich ein mittelloser Künstlersolch ein Auto leisten? Hatte Adam womöglich doch recht und sie waren auf einenskrupellosen Schwindler hereingefallen?
Als Simon das Ende der Seite erreichte und seinen Blick auf die nächste Seite wandern ließ, fiel ihm das abrupte Abbrechen der Geschichte auf. Wieder die verzweifelten Worte der Trauer. Die Frau aus dem Buchladen. Die Fremde, die scheinbar einen ebenso großen Verlust zu verzeichnen hatte wie er.
Hastig blätterte er weiter.
„Ein rotes Cabriolet?“, fragte sie ungläubig. „Woher hat er das Geld für so einen Wagen?“
„Das habe ich mich auch schon gefragt.“ Adam presste seinen Daumen gegen denKlingelknopf. „Und heute werden wir ihn endlich zur Rede stellen.“
Wieder die Geschichte vom zwielichtigen Künstler. Das rote Cabriolet. Und dieselben schmerzvollen Worte, als er zur Seite 139 zurückblätterte. Wie war das möglich? War er dabei, den Verstand zu verlieren? Es hatte lediglich zwei Gläser Whiskey getrunken. Und noch nicht einmal auf leeren Magen. Der Lammbraten hatte ihm sogar so gut geschmeckt, dass er sich einen Nachschlag gegönnt hatte.
*
„Ich verstehe nicht, was du mir damit sagen willst, Simon.“ Marie hängte ihren Mantel in einer Selbstverständlichkeit an die Garderobe, als hätte sie ihn erst vor wenigen Tagen in diesem Haus besucht.
„Was ich dir damit sagen will?“ Er schlug das Buch erneut auf. „Ich will dir sagen, dass das Buch, das Emma vor ihrem Tod gelesen hat, kein gewöhnliches Buch ist. Dass es seinen Inhalt ändert. Und zwar täglich.“
Sie nahm es aus seiner Hand, um es an der markierten Seite zu öffnen. Für einen kurzen Moment las sie.
„Traurig“, sagte sie schließlich und schlug es wieder zu. „ Zu traurig, wenn du mich fragst. Und nicht unbedingt die geeignete Lektüre, um sich abzulenken. Du solltest lieber einen Krimi lesen. Oder mal wieder ins Kino gehen.“
Sie legte das Buch auf die Kommode und griff nach dem Korb zu ihren Füßen. „Außerdem bin ich nicht hier, um mich mit dir über Bücher zu unterhalten, sondern um zu schauen, was mein kleiner Bruder so treibt.“
„Ich arbeite, Marie. Und ich esse. Manchmal schlafe ich sogar.“ Er folgte ihr in die Küche.
„Wie kommst du mit deinem aktuellen Projekt voran? Ist es immer noch so langweilig?“ Nach und nach packte sie Konservendosen aus dem Korb, eine Flasche Sirup, ein paar Äpfel.
„Du musst mich nicht mit Lebensmitteln versorgen. Der Supermarkt ist gleich um die Ecke.
Bist du etwa deshalb zwei Stunden hergefahren?“
„Ich wollte dich sehen, Simon.“ Sie ließ sich auf einen der Stühle fallen. „Die Lebensmittel sind lediglich ein Mitbringsel für den Fall, dass du noch nicht zum Einkaufen gekommen bist.“
Er nahm einen der Äpfel und lehnte sich an den Kühlschrank. „Ich meine es ernst, Marie. Mit diesem Buch stimmt etwas nicht. Diese Frau –,“ er suchte nach Worten, „diese Frau scheint meinen Schmerz zu kennen, dasselbe durchzumachen wie ich. Wer auch immer sie ist.“
Ihr Blick verlor nicht an Skepsis, dennoch schien sie bemüht, seine Eindrücke nicht sofort vom Tisch zu wischen. „Vielleicht schildert die Autorin einfach nur persönliche Erlebnisse. Oder die Geschichte handelt ganz einfach davon. Solche Bücher gibt es nun mal. Und manchen Menschen helfen sie ja vielleicht auch.“
„Das ist es ja gerade. Die Geschichte handelt von etwas völlig anderem. Es geht um einen Mann und eine Frau, die auf der Suche nach einem skrupellosen Betrüger sind, um ihrer eigenen Vergangenheit auf die Schliche zu kommen. Ich habe im Klappentext nachgelesen, und auch die restlichen Seiten deuten darauf hin.“
„Die restlichen Seiten?“
„Alle Seiten außer der Seite 139.“
Er warf ihr einen eindringlichen Blick zu, den sie fragend erwiderte.
„Verstehst du nicht, Marie? Seite 139. Der 13.9. Der Tag, an dem ...“
„Findest du nicht, dass du da etwas zu viel hineininterpretierst?“ Sie schob den Korb zur Seite.
„Hineininterpretierst? Marie, ich bin doch nicht verrückt. Ich weiß, was ich gesehen habe. Es ist der dritte Tag und der dritte Eintrag. Jedes Mal ein anderer. Und ich bin mir sicher, wenn ich morgen hineinschaue ...“
„Morgen wirst du aber nicht wieder hineinschauen“, fiel sie ihm ins Wort. „Morgen wirst du dich wieder voll und ganz auf deine Arbeit konzentrieren. Vielleicht ein Spaziergang im Park.
Oder du nimmst eine der netten Einladungen von Frau Jäger zum Kaffee an.“
„Der Park. Genau darüber hat sie auch geschrieben. Von einem Park, in dem sie früher mit ihm gemeinsam war und den sie jetzt nur noch allein besuchen kann. Als ich heute früh nachlesen wollte, konnte ich aber nichts mehr darüber finden. Die Worte waren wie ausgelöscht – und durch neue ersetzt worden.“
„Das ist doch albern.“
Er legte den Apfel zurück auf den Tisch und nahm auf dem Stuhl neben ihr Platz.
„Ich weiß doch selbst, dass es albern ist. Und wenn es irgendein Buch wäre, könnte ich es vielleicht ignorieren.“ Zögernd griff er nach ihrer Hand. „Aber es ist ihr Buch, Marie. Das letzte Buch, das sie vor ihrem Tod gelesen hat.“
Noch während er auf eine Antwort von ihr wartete, wurde ihm die eigene Beharrlichkeit bewusst, mit der er sie zu überzeugen versuchte. Das Fehlen jeder für ihn sonst so typischen Skepsis. Die Priorität, die die Aufgabe innerhalb weniger Stunden eingenommen hatte, einem noch unbekannten Ziel zu folgen. Ein Ziel, das er noch nicht einordnen konnte und das ihn doch auf eine merkwürdige Art fesselte.
„Seite 139, sagst du?“
„Ja.“ Er umfasste ihre Hand ein wenig fester. „Seite 139.“
„Das Glück im Augenwinkel, sagten Sie?“ Der Mann mit dem strengen Blick und dem ebenfalls ein gewisses Maß an Strenge ausstrahlenden Namensschild L. Reichardt tippte den Titel in die Tastatur, als täte er den lieben langen Tag nichts anderes. „Ah, da haben wir es ja.
Das Glück im Augenwinkel von Nancy Salchow.“
„Nancy Salchow. Ja richtig.“
Noch bevor Simon über seine Schulter hinweg einen Blick auf den Bildschirm werfen konnte, begab sich der Mann zu einem der Regale, fuhr mit dem Finger über die Buchrücken, um schließlich ein Exemplar herauszuziehen.
„Da ist es ja schon“, sagte er und reichte es Simon, um sich kurz darauf dem nächsten Kunden zuzuwenden, der mit einem Lexikon in der Hand um Auskunft bat.
Simon setzte sich auf einen der Lesesessel zwischen den Regalen und begann, in dem Buch zu blättern. Wie von selbst suchten seine Finger die Seite 139. Und tatsächlich. So wie er vermutet hatte. Rose. Adam. Das Cabriolet. Die Geschichte über den skrupellosen Schwindler.
Er legte das Buch auf den kleinen Tisch der Leseecke und verließ die Bibliothek, ohne sich noch einmal umzudrehen. Vor dem Gebäude stürmte er hastig in seinen parkenden Wagen und griff nach dem Buch auf dem Beifahrersitz, noch bevor er den Schlüssel in das Zündschloss stecken konnte.
Claudia fragt mich ständig, wann ich endlich ihren Cousin treffen will. Detlef heißt er. Kannstdu dir das vorstellen? Sie will mich ernsthaft verkuppeln. Aber sie versteht nicht, wie lächerlichder Gedanke ist, dich durch einen Anderen zu ersetzen. Und ich will ihr nicht wehtun, indemich es ihr so direkt sage. Immerhin ist sie die einzige Freundin, die mir geblieben ist. Alleanderen haben sich abgewandt, nachdem ich monatelang jeden Annäherungsversuchabgeblockt habe. Nur sie hat sich nicht abschrecken lassen, hat mich immer wieder inirgendein Bistro geschleppt, und sei es nur für einen lauwarmen Kaffee. Einmal hat sie michsogar dazu gebracht, mit ihr ins Kino zu gehen. Worum es in dem Film ging, habe ich bereitsvergessen. Nett fand ich es trotzdem. Sie bemüht sich. Sie bemüht sich wirklich.
„Nita“, sagt sie immer. „Nita, das Leben kann scheiße sein. Aber es ist noch nicht vorbei. Dubist jung und du bist schön. Und es wird Zeit, dass wir das der Welt da draußen zeigen.“ Undirgendwie muss ich lachen, wenn sie das sagt. Auch wenn ich natürlich noch lange nicht bereitbin, „mich der Welt zu zeigen“. Meine Welt bist du, Patrick. Und das wird sich auch nichtändern.
Und wenn er doch verrückt wurde? Wenn ihm die Trauer um Emma den Verstand vernebelte und jeglichen Bezug zur Realität verlieren ließ?
Er schlug das Buch zu, warf es ins Handschuhfach und presste seine Hand ruckartig dagegen.
Warum tat er sich das an? Warum interessierte es ihn überhaupt, was es mit diesem Buch auf sich hatte? Es konnte ihm doch egal sein. Vollkommen egal. Wer auch immer diese Frau war, was auch immer sie durchmachte: Sie erinnerte ihn nur umso schmerzhafter an seinen eigenen Verlust, an all die schönen Momente, die von Tag zu Tag immer mehr verblassten.
Was war es, das ihn diesen Schmerz dennoch immer wieder suchen ließ? Und warum gelang es ihm so schlecht, sich der Bindung, die zwischen ihm und der Frau zu bestehen schien, zu entziehen?
Wütend kurbelte er das Fenster seines alten Vans herunter, startete den Motor und verließ den Parkplatz. Es war an der Zeit, dass er einen klaren Kopf bekam, sich in die Arbeit stürzte und all die Dinge tat, die ihm in den vergangenen Monaten während seines Aufenthaltes bei Marie geholfen hatten, nicht verrückt zu werden.
Doch schon auf den ersten Kilometern seiner Rückfahrt dachte er wieder an das eigenartige Buch, als er einen Buchladen am Rande der Straße passierte. Ein Geschäft, dem er nie zuvor sonderlich Beachtung geschenkt hatte. Unweigerlich drängten sich ihm unzusammenhängende Sätze der fremden Frau ins Bewusstsein. Im Buchladen interessiert esniemanden, ob ich heiser bin. Ich spiele mit dem Gedanken, Herrn Volkmann anzubieten,täglich eine Stunde länger zu arbeiten.
Er trat auf die Bremse und parkte den Wagen neben dem Bürgersteig. Ehe er sich der Absurdität seiner Idee, oder vielmehr: seines Drangs, bewusst werden konnte, schlug er die Wagentür zu und betrat den kleinen Laden.
Hinter dem Tresen bemerkte er eine unscheinbare Frau, leicht untersetzt, vielleicht in den Fünfzigern. Ein junges Pärchen stand kichernd neben einem der Regale, in ihren Händen ein Buch, das scheinbar für große Erheiterung sorgte. Ansonsten war der Laden leer.
„Kann ich Ihnen vielleicht helfen?“ Die Angestellte schien seine Verunsicherung bemerkt zu haben.
„Ich –“ Er trat einen Schritt näher, während er ihr Namensschild musterte. Tessa Unger.
„Ja?“ Ihr Lächeln war freundlich. Erwartend, aber unaufdringlich.
„Ich –“, begann er erneut. „Ich suche jemanden.“
„Von wem ist denn das Buch?“
„Oh, kein Buch“, verbesserte er. „Eine Angestellte. Nita ist ihr Name.“
Im selben Augenblick bereute er seine Frage. Unabhängig von der Wahrscheinlichkeit, Nita irgendwo, geschweige denn hier anzutreffen: Wie sollte er die Suche nach ihr begründen?
„Tut mir leid. Eine Nita arbeitet nicht bei uns.“
„Und ein Herr Volkmann vielleicht?“
„Auch kein Herr Volkmann.“
Sie fügte keine weitere Antwort hinzu, und auch sonst blieb ihr Lächeln unverändert. Beinahe nichts sagend.
„Es tut mir leid, Sie gestört zu haben“, antwortete er schließlich, sich seines Übermutes bewusst werdend, während er sich der Tür zuwandte und den Laden so schnell verließ, wie er ihn betreten hatte.
„Vielleicht finden Sie in einem anderen Geschäft, was Sie suchen“, hörte er sie hinter sich sagen, bevor die Tür ins Schloss fiel.
*
„Du siehst gut aus, Alter.“
Rico begrüßte ihn mit einem kräftigen Schlag auf die Schulter, der Simon für einen Moment aus der Lethargie riss. Wie lange hatte er ihn nicht gesehen? Dreizehn Monate? Vierzehn?
Das letzte gemeinsame Abendessen hatte am vierten Hochzeitstag von Rico und Laura stattgefunden. Simon erinnerte sich so genau daran, weil er am Tag zuvor eine heftige Diskussion mit Emma darüber geführt hatte, ob ein Geschenk zusätzlich zu den Blumen übertrieben war. Er fand es übertrieben. Sie fand es unerhört, dass er es übertrieben fand.
„Danke, du hast dich auch gut gehalten“, antwortete er, während er das Haus betrat. Rico.
Sein ehemals bester Freund. Und eigentlich auch heute noch, wenn eine Freundschaft selbst nach einem Jahr Abstinenz noch als solche gezählt werden durfte.
„Es gibt einen Hühnchenauflauf. Oder so was Ähnliches. Laura wird es sicher besser erklären können als ich.“ Er legte die Hände von hinten auf seine Schultern und schob ihn mit freundschaftlicher Bestimmtheit ins Esszimmer.
Simon musterte den rustikalen Tisch, das akkurat plazierte Geschirr, die Kristallgläser und die bordeauxroten Stoffservietten zwischen dem blitzenden Besteck.
„Hier scheint sich nicht viel verändert zu haben“, sagte er. „Dasselbe geschickte Händchen beim Dekorieren.“
„Du kennst Laura“, antwortete Rico und zog einen der Stühle zurück. „Bei ihr muss immer alles perfekt sein.“
Simon setzte sich auf einen der Plätze an der gegenüberliegenden Seite. Für einen kurzen Moment wurde er sich der neuen Situation bewusst, des leeren Platzes neben sich und der ungleichmäßigen Verteilung der Personen am Tisch, die mit Lauras Betreten des Esszimmers entstehen würde. Bilder von fröhlichen Abenden zu viert, lange Gespräche, die sich nicht selten bis in die Nacht hingezogen hatten, wurden in ihm wach. Doch im selben Augenblick verdrängte er die aufkeimende Erinnerung wieder. Eine Taktik, die er mittlerweile wie das An-und Ausknipsen von zu grellem Licht beherrschte.
„Erzähl schon, wie geht’s dir?“ Rico warf ihm einen neugierigen Blick zu. Eine Neugier, die Simon unangenehm war und die die Taktik des An- und Ausknipsens erschwerte.
„Ich schlage mich durch“, antwortete Simon.
„Es wurde ja auch Zeit, dass du wieder nach Hause kommst. Wir haben dich vermisst.“
Simon wollte antworten, doch keine Antwort schien ihm angebracht. Sollte er sagen, dass er ihn und Laura auch vermisst hatte? Dass er ebenfalls froh war, wieder hier zu sein? Die Wahrheit war, dass er nicht einen Moment an die beiden gedacht hatte, sich noch dazu alles andere als wohl in seiner alten Heimat fühlte.
„Stimmt. Es wurde Zeit, dass ich zurückkomme“, antwortete er diplomatisch und griff nach dem Wasserglas neben seinem Teller.
„Heeey!“ Laura betrat mit einer übergroßen Auflaufform in den Händen den Raum. „Da ist ja unser Ehrengast.“ Ihr Lächeln war aufrichtig, und Simon bemerkte seine ebenfalls aufrichtige Freude, sie zu sehen. So sehr er sich hin und wieder an Ricos schroffer Art störte, so sehr wusste er die ehrliche Herzlichkeit seiner Frau zu schätzen.
Sie stellte die Form auf einer Wärmplatte ab und fiel ihm um den Hals. Ein flüchtiger Kuss auf die Wange, eine etwas zu lange Umarmung. Fast hatte er den Eindruck, ein Schluchzen wahrzunehmen. Doch als sie sich wieder von ihm löste und einen Schritt zurücktrat, lächelte sie ihn mit dem aufbauenden Blick an, den er erwartet hatte.
„Es ist so schön, dass du da bist“, sagte sie leise, und er spürte, dass sie es meinte.
Sie setzte sich, entgegen Simons Vermutung, nicht neben Rico, sondern an die Kopfseite des Tisches und hob die übliche Sitzordnung auf. Eine Geste, von der sich Simon sicher war, dass sie ihr bewusst war. Und er war dankbar für ihr Feingefühl, die Parallelen zur Vergangenheit zumindest für den Moment auszublenden.
„Und sonst so? Was macht das Berufsleben? Alles im Griff, Kumpel?“, fragte Rico, während er sich etwas vom Tomatensalat nahm.
„Man tut, was man kann. Im Moment arbeite ich an der Übersetzung des neuen Romans von Clara Haiges.“
Laura griff nach Simons Teller, um ihn zu befüllen.
„Das klingt doch prima“, sagte sie. „Ich bin mir sicher, dass dir die Arbeit guttut.“
Simon nickte.
„Und wie sieht’s sonst so aus? Irgendwelche Neuigkeiten?“, fragte Rico.
Simon überlegte, welche Art von Neuigkeiten er meinen könnte. Die einsetzende Stille begann, peinlich zu werden.
„Na ja“, fuhr Rico fort, als eine Antwort ausblieb. „Gehst du unter Leute? Hast du irgendwen kennengelernt? Triffst du dich mit jemandem?“
Laura warf ihrem Mann einen entsetzten Blick zu.
„Ob ich mich mit jemandem treffe?“, wiederholte Simon ungläubig.
„Na ja. Frauen vorzugsweise.“ Rico grinste, scheinbar immun gegen Lauras warnende Blicke, und streckte den Arm nach einer der Bierflaschen auf der Mitte des Tisches aus.
Simon legte die Serviette neben seinen Teller und schob den Stuhl ein kleines Stück zurück, als müsste er sich für die richtige Antwort ausreichend Platz verschaffen.
„Es ist gerade mal ein Jahr her, Rico. Ich weiß nicht, wie deine Vorstellungen von angemessener Verarbeitungsphase aussehen, aber ich kann nicht einfach so vom Witwer- in den Junggesellenstatus übergehen.“
„Das war es auch sicher nicht, was Rico gemeint hat“, sagte Laura, und Simon war sich sicher, das Geräusch eines Fußtrittes gegen ein Schienbein wahrzunehmen.
„Er wollte einfach nur wissen, ob du es irgendwie schaffst, dich abzulenken“, fuhr sie fort.
„Vielleicht durch den Kontakt zu Kollegen, Meetings oder Dinge dieser Art.“
„Ich lese“, antwortete Simon.
„Du liest?“ Ihr Blick war fragend und verständnisvoll zugleich.
„Ja. Ich lese.“
Der weiche Stoff umschloss ihren Körper wie eine zweite Haut. Fast kam es ihr so vor, als würde das Lavendelblau des Kleides schimmern, geradezu strahlen.
„Also, ich weiß nicht“, brummte sie skeptisch. „Ist das nicht etwas übertrieben? Wir gehen schließlich nur essen und nicht in die Oper.“
„Es ist genau richtig.“ Claudia zupfte eine imaginäre Fussel vom Kleid, während sich Nita missmutig im Spiegel betrachtete. „Immerhin ist es deine erste Verabredung seit langem. Da solltest du dich wie eine Königin fühlen.“
„Wie eine Presswurst trifft es wohl eher.“
„Sei nicht albern, Nita. Du siehst wunderschön aus. Und Detlef sieht das ganz sicher genauso.“
Sie musterte ihr Spiegelbild mit hochgezogenen Augenbrauen. Das dunkle Haar fiel fließend, beinahe wie der Stoff ihres Kleides, auf ihre Schultern herab. Trotz Claudias ständiger Beteuerungen, ihren blonden Kurzhaarschopf ohne Zögern sofort gegen ihr langes Haar eintauschen zu wollen, hatte sich Nita, solange sie denken konnte, stets Locken gewünscht.
Oder zumindest schwungvolle Lippen. Irgendetwas Spektakuläres. Das grünliche Blau ihrer Augen war das Einzige, das sie selbst als Attraktion ihres eigenen Äußeren durchgehen lassen würde.
„Du siehst gut aus“, wiederholte Claudia, als hätte sie ihre Gedanken gelesen.
„Warum muss er auch Detlef heißen?“
„Du willst mir nicht ernsthaft einreden, dass du dich aufgrund seines Namens nicht mit ihm treffen willst.“
„Die ganze Verabredung ist eine blöde Idee.“ Nita ließ sich auf das Bett fallen. „Egal, wie er heißt.“
Claudia setzte sich neben sie. „Du kannst dich aber nicht länger vor der Welt verstecken, Engelchen.“
„Und wenn es genau das ist, was ich möchte? Wenn ich mich verstecken will?“
„Willst du nicht. Abgesehen davon solltest du die Sache mit Detlef nicht allzu ernst nehmen.
Was ist schon dabei? Ihr geht essen, habt ?nen netten Abend und hinterher ...“
Nita puffte ihr entsetzt in die Hüfte. „ Hinterher? Sag mal, was denkst du von mir? Dass ich mir nichts dir nichts mit ihm in die Kiste springe?“
„Warum nicht? Es würde dich zumindest auf andere Gedanken bringen.“
„Also, wenn das deine Pläne für meinen Abend mit deinem Cousin sind, lassen wir es lieber gleich bleiben.“
Claudia lachte. „Ach, Nita. Du siehst das viel zu verbissen. Es geht lediglich um das Testen deines Marktwertes, sich wieder begehrenswert zu fühlen, von Detlef und sicher auch vielen anderen Männern, die im Restaurant anwesend sind, bewundert zu werden.“ Sie streichelte ihr schwesterlich über die Wange. „Du wirst sehen, das wird dir guttun und dich endlich aus deinem grauen Alltag herausholen.“
„Mein Alltag ist nicht grau.“
Claudia rückte ein Stückchen näher und legt den Arm um sie. „Es ist ja nicht so, dass ich dich nicht verstehe. Du hast ein paar schlimme Monate hinter dir, und es wird auch sicher noch eine Weile dauern, bis ...“
„Falls du darauf hinaus willst, dass ich Patrick mit der Zeit schon vergessen werde, muss ich dich leider enttäuschen“, fiel Nita ihr ins Wort.
„Natürlich wirst du ihn nicht vergessen“, sagte sie. „Und das sollst du ja auch gar nicht. Aber du darfst auch dein eigenes Leben nicht vergessen, Nita. Ich meine, willst du wirklich den Rest deiner Tage zwischen eingestaubten Bücherregalen verbringen und abends dann über deinem Tagebuch sitzen, bis du wieder mal mit dem Kopf auf dem Schreibtisch eingeschlafen bist?“
Nita senkte den Blick. „Es ist kein gewöhnliches Tagebuch. Ich schreibe ihm. Und ich brauche das. Egal, was du davon hältst.“
„Das ist ja auch in Ordnung, Süße. Ich wäre die Letzte, die das verurteilen würde. Du darfst nur bei all den Gedanken an ihn nicht den Blick auf die Außenwelt verlieren. Er kommt nicht zurück. So schmerzhaft das auch ist. Und du wirst lernen müssen, das endlich zu verinnerlichen.“
Sie war Claudias direkte Art gewohnt. Und sie wusste, dass sie es gut meinte. Dennoch fühlte sie sich in Momenten wie diesen missverstanden. Wie konnte irgendjemand erwarten, dass sie ihr Leben mit Patrick einfach hinter sich lassen, einfach nach vorne schauen würde? Es war zwölf Monate her. Nur ein Wimpernschlag in der Zeit.
„Er ist nicht fort“, antwortete Nita leise. „Nicht wirklich.“
*
„Du siehst wirklich reizend aus.“
Er prostete ihr mit aufforderndem Lächeln zu. Das Wasserglas neben ihrem Teller wollte nicht so recht zu der Extravaganz seines teuren Rotweins passen. Und auch sonst schienen ihre Prioritäten wenig vereinbar mit seinen Vorlieben.
„Danke“, antwortete sie knapp und stocherte in ihrem Salat, ohne seinen Blick zu erwidern.
Sie war sich der Unhöflichkeit ihres Verhaltens bewusst, dennoch schaffte sie es nicht, ihr Desinteresse zu verbergen.
„Claudia sagt, du arbeitest in einem Bücherladen. In welchem denn, wenn ich fragen darf?“
„Drüben am Dierkower Damm“, antwortete sie. „Wir arbeiten zu dritt in dem Laden.“
„Das klingt toll. Und er gefällt dir, dein Job?“
„Sicher. Sonst würde ich ihn nicht schon neun Jahre lang machen, oder?“
Sie erschrak über ihre eigene Kaltschnäuzigkeit. Wenigstens für zwei Stunden könnte sie sich doch zusammenreißen! Selbst wenn sie ihn danach weder anrufen noch wieder treffen würde.
„Ich mag Bücher halt sehr gerne“, fuhr sie fort und warf ein dezentes Lächeln hinterher.
„Schön zu hören, dass es noch Menschen gibt, die ihren Job wirklich lieben.“
„Und du?“, fragte sie. „Ich habe gehört, du machst irgendwas mit Steuern?“
Er lachte. „Irgendwas mit Steuern. Das klingt aber sehr – pauschal.“
„Dann habe ich vermutlich etwas falsch verstanden.“
„Ich arbeite als Angebots- und Präsentationsdesigner in einer Gesellschaft für Unternehmens-und Managementberatung“, stellte er richtig.
„Verstehe“, log sie und merkte, dass es sie ebenso wenig interessierte wie der Jahrgang seines Weins. Worauf hatte sie sich nur eingelassen? Sie war nicht mal in der Lage, sein Aussehen wahrzunehmen, geschweige denn, ihn als gut oder nicht gut aussehend zu benennen. Er saß einfach da. In einem hellgrünen Hemd, unter dem sich die Abdrücke seines Unterhemdes abzeichneten. Das Einzige, das sie wahrnahm. Und das Einzige, das sie Claudia nach diesem Abend erzählen können würde. Ich habe die Abdrücke seines Unterhemdesgesehen.
„Na ja, man schlägt sich so durch“, antwortete er. „Jeder hat halt so sein Steckenpferd, nicht wahr?“
Sie nickte. Steckenpferd. Unterhemd.
„Außerdem lerne ich auf diesem Wege sehr viele neue Menschen kennen“, fuhr er fort. „Du kannst dir nicht vorstellen, wie unterschiedlich die Anforderungen der einzelnen Kunden sind und wie vielschichtig die Kriterien, die auf die verschiedenen Arbeitsabläufe einwirken.“
Steckenpferd. Unterhemd. Arbeitsabläufe.
Sie wurde müde.
„Würdest du mich für einen Augenblick entschuldigen?“
„Aber natürlich. Lass dir Zeit.“
Sie verließ den Tisch und durchquerte den Raum in Richtung Damentoilette. Für ein paar Sekunden ließ sie ihren Blick durch das Restaurant schweifen, auf der Suche nach den von Claudia prophezeiten bewundernden Blicken der anwesenden Männer. Doch im selben Augenblick musste sie erkennen, dass sie gar nicht in der Lage wäre, Bewunderung von Wahrnehmung zu unterscheiden. Genauso wenig wie sie in der Lage war, Claudias Cousin als langweilig, selbstverliebt oder sehr aufmerksam einzuordnen. Er war ihr egal. Schlichtweg egal.
Vielleicht würde ihr auf der Toilette eine geeignete Ausrede einfallen, den Abend vorzeitig abzubrechen.
Ich habe von dir geträumt. Wie so oft. Und doch war es diesmal so viel intensiver als die Malezuvor. Als läge zwischen unserem letzten Gespräch und heute nur ein einziger Tag. Ich habeschon lange aufgehört, Claudia von meinen Träumen zu erzählen. Sie würde doch nur wiedersagen, dass ich mich ablenken soll, dass ich dich loslassen soll. Warum nur habe ich dasGefühl, mich ständig dafür rechtfertigen zu müssen – und am allermeisten vor mir selbst –,dass ich dich nicht loslassen kann? Tatsächlich ertappe ich mich immer wieder bei demGedanken, dass ich darauf warte, dass du zurückkommst. Dass ich nur eine gewisse Zeit zuüberstehen habe. Ich weiß, dass das unmöglich ist, aber trotzdem erwische ich mich immerwieder bei der Vorstellung eines gemeinsamen Lebens. Du und ich. So wie es vorherbestimmtwar. Es ist vielmehr ein Gefühl als ein Wissen. Ein Gefühl, dass mich von einem Moment aufden anderen plötzlich vollkommen ruhig werden lässt. Als wäre alles in Ordnung. Als kämealles ins Reine, ohne dass ich eine Ahnung habe, WIE es jemals ins Reine kommen kann.
Denn trotz allem weiß ich, dass es unmöglich ist. Dass das Leben, wie ich es mit dir geführthabe, niemals wiederkehren wird.
Dennoch bleibt das Gefühl. Das Gefühl, dass alles einen Sinn hat. All der Schmerz. All dieSehnsucht. Auch wenn ich diesen Sinn bis heute nicht verstehen kann.
Er schlug das Buch zu und schob es in die Innentasche seines Mantels. Das Hupen eines Busses riss ihn aus seinen Gedanken. War er gemeint? Nein. Nur ein Radfahrer, der die Busspur anstelle des Fahrradweges benutzte.
Er senkte den Blick erneut auf den rissigen Asphalt unter seinen Füßen, während er Schritt für Schritt die Innenstadt hinter sich ließ. Wie kam er überhaupt auf den Gedanken, dass zwischen dem Buch und ihm, und somit zwischen Nita und ihm, eine Verbindung bestand?
Stürzte er sich fernab jeder Logik in eine aussichtslose Suche, nur um sich von den eigenen Erinnerungen abzulenken? Oder war es vielmehr das Streben nach allem, das möglichst weit von seinen alten Prinzipien entfernt war? Den Prinzipien eines Lebens, von dem er wusste, dass es für immer vorbei war.
Denn trotz allem weiß ich, dass es unmöglich ist. Dass das Leben, wie ich es mit dir geführthabe, niemals wiederkehren wird. Und erneut fand er seine eigenen Empfindungen in Nitas Worten wieder.
Wieder ein Hupen. Diesmal konnte er den Ursprung nicht deuten, erkannte allerdings im selben Augenblick, dass er sein Ziel erreicht hatte. Für einen Moment blieb er stehen, als müsste er sich die Absurdität seiner eigenen Idee ausreden.
Er musterte das rostige Schild über der Eingangstür. Volkmanns Kfz-Meisterwerkstatt. Mit einem kräftigen Kopfschütteln vertrieb er die letzten Zweifel und öffnete die schwere Tür.
Sein erster Blick fiel auf einen unscheinbaren Tresen neben einer offenen Durchgangstür mit der Aufschrift Werkstatt. Dahinter ein Drehstuhl mit einem Überzug aus Lederimitat und ein kahlköpfiger Mann um die Fünfzig, der seinen Blick nur zögernd von seinem Notizbuch löste.
„Tach“, begrüßte er ihn brummig.
„Guten Tag“, antwortete Simon.
„Reifenwechsel im Moment nur mit Termin“, stellte er klar, noch bevor Simon sein Anliegen schildern konnte.
„Ich habe bereits Winterreifen“, antwortete er. „Deswegen bin ich auch nicht hier.“
„Das müssen Sie entschuldigen. Im Moment gibt’s hier kein anderes Thema.“
„Schon gut. Das Thema, das mich herführt, ist vielleicht eher ungewöhnlicher Natur, aber ich hätte Sie gerne etwas gefragt.“
„Na, dann fragen Sie“, antwortete er und klappte das Buch vor sich zu. „Gibt keine dummen Fragen, nur dumme Antworten. Sie wissen schon.“
Simon nickte.
„Also?“
„Es geht um Ihren Namen“, entfuhr es ihm schließlich.
„Meinen Namen? Wieso? Was ist damit?“
„Sie heißen Volkmann, nicht wahr?“ Er deutete auf das eingenähte Namensschild auf seinem Blaumann.
„Ja, irgendwas nicht in Ordnung damit?“, fragte er mit hochgezogener Augenbraue.
„Nein, nein. Alles bestens. Ich wollte nur –“ Er überlegte kurz. „Ich wollte Sie nur fragen, ob es in Ihrer Familie oder unter Ihren weitläufigen Verwandten vielleicht einen Herrn Volkmann gibt, der in einem Buchladen arbeitet?“
Die Mine des Mannes blieb unverändert, beinahe beängstigend starr. „Wer will das wissen?“
„Ich.“
„Und warum?“ Er verließ den Tresen und begann, in einem Pappkarton im Wandregal zu wühlen, holte Schrauben heraus, um sie gleich danach wieder hineinzuwerfen und nach der nächsten zu tasten. Ein Ablenkungsmanöver, dessen war sich Simon sicher.
„Ich suche vielmehr den Laden, in dem er arbeitet. Weil dort wiederum eine Frau arbeitet, die ich zu finden hoffe.“
Der Mann schob den Karton zurück ins Regal. „Und Sie meinen, ich helfe Ihnen dabei, einen Kerl zu finden, bei dem eine Frau arbeitet, die Sie so wenig kennen, dass Sie bei mir auftauchen müssen, um sie zu finden?“
Die starren Gesichtszüge wichen einem zynischen Lachen. „Eine sehr seltsame Geschichte.
So was hab ich ja noch nie gehört.“
„Ich weiß. Aber es ist wirklich wichtig, dass ich sie finde. Also, gibt es jemanden in Ihrer Familie, der …“
„Gibt es nicht“, fiel er ihm ins Wort und setzte sich zurück an den Tresen. „Tut mir leid. Ich habe nur einen Bruder, und der lebt in Amerika; ansonsten gibt es keinen männlichen Volkmann mehr in meiner Familie.“
„Und wenn Sie noch mal ganz genau nachdenken?“
„Hören Sie!“ Der Tonfall des Mannes wurde eindringlicher. „Meinen Sie, ich habe vergessen, wie viele Brüder ich habe?“
„Nein. Natürlich nicht, aber …“ Simon geriet ins Stocken. Vielleicht hatte er sich das seltsame Verhalten des Mannes auch nur eingebildet. Womöglich fing sein übersensibles Gespür langsam an, in Paranoia überzugehen.
„Moment mal.“ Der Mann lehnte sich in seinen Stuhl zurück, während er Simon scheinbar zum ersten Mal seit dem Betreten der Werkstatt intensiv musterte. „Ich kenne Sie doch.“
Nun war es Simon, dem die Aufmerksamkeit unangenehm wurde.
„Das glaube ich nicht.“ Und tatsächlich fiel ihm im ersten Moment nicht ein, was er meinen könnte.
„Sie waren doch damals in der Zeitung, sogar im Fernsehen haben sie was darüber gebracht.
Wann war das noch? Vor einem Jahr, oder waren es zwei?“ Er kratzte sich am Kopf. „Das war doch diese schlimme Sache am …“
„Deswegen bin ich aber nicht hier“, unterbrach Simon seine Gedanken, und er spürte sein Herz bis zum Hals schlagen.
„Kann ja sein, aber ich wundere mich nur gerade, dass Sie ausgerechnet in meinem Laden …“
„Offensichtlich können Sie mir wirklich nicht helfen“, brach Simon erneut den Satz des Mannes ab. Auch wenn er nicht wirklich zu hoffen gewagt hatte, in dieser Werkstatt etwas Neues zu erfahren, warf ihn die Vorstellung, dass man sich selbst ein Jahr nach der Tragödie noch an die Berichterstattung erinnern konnte, für einen Moment aus der Bahn.
Welch lächerliche Idee, herzukommen. Und welch absurder Gedanke, dieser Mann könnte ihm tatsächlich weiterhelfen.
Simon drehte sich um, ohne eine Antwort abzuwarten, lehnte sich gegen die schwere Tür, die ihm nun noch schwerer als beim Eintreten erschien, und eilte in großen Schritten in die Herbstkälte hinaus.
*
„Natürlich freue ich mich, dich zu sehen. Aber ich kann einfach nicht verstehen, warum du dir so etwas antust.“ Marie lehnte sich, wie Simon, an das Fensterbrett neben dem Kühlschrank.
„Was hast du dir nur davon versprochen, einen Fremden aufzusuchen, nur weil er denselben Nachnamen hat wie der Typ aus deinem Buch?“
„Es ist nicht der Typ aus meinem Buch. Es ist der Mann, bei dem Nita arbeitet. Und andere Anhaltspunkte habe ich nun mal nicht.“
„Warum wühlst du nur immer wieder darin herum? Du siehst doch, was dabei herauskommt.
Am Ende erinnert dich sogar so ein kahlköpfiger Typ im Blaumann an deine Vergangenheit.
Wenn ich es nicht besser wüsste –,“ sie legte die Hand auf seine Schulter, „würde ich glatt annehmen, dass du den Schmerz suchst.“
„Alles, was ich suche, ist Nita“, antwortete er. „Weil ich spüre, dass sie die Einzige ist, die mich verstehen und mir helfen kann.“
„Aber ich verstehe dich doch, Simon. Auch ich vermisse Emma. Auch ich leide mit dir.“
„Ich weiß, dass du mit mir fühlst, Marie. Aber darum geht es nicht. Diese Frau macht dasselbe durch wie ich. Sie muss sich mit denselben Problemen herumschlagen. Sie spürt denselben Schmerz.“ Er senkte den Blick. „Und es muss doch einen Grund dafür geben, dass ihre Worte ausgerechnet in meinem Buch stehen. In Emmas Buch.“
Sie griff nach seinen Händen. „Was auch immer der Grund dafür ist, es kann einfach nicht Sinn der Sache sein, dass dieses Buch deinen Schmerz verschlimmert, Simon.“
„Es verschlimmert ihn nicht“, antwortete er leise. „Es gibt mir neuen Sinn.“
„Aber was für ein Sinn soll das sein, wenn du dich immer und immer wieder mit dem Thema Verlust und Trauer beschäftigst?“
„Ich weiß es doch auch nicht. Vielleicht hilft es mir einfach zu wissen, dass ich nicht allein damit bin.“
„Du bist ja auch nicht allein. Du hast mich, Jan, die Kinder. Deine Freunde. Frau Jäger.“
„Aber niemand von euch hat erlebt, was ich erlebt habe, Marie. Niemand von euch kann wirklich verstehen, was in mir vor geht. Und das meine ich nicht als Vorwurf, es ist nun mal einfach Tatsache.“
„Du weißt doch gar nichts über diese Frau. Vielleicht lebt sie am anderen Ende des Landes,
vielleicht ist sie doppelt so alt wie du.“
„Die Umstände sind mir egal. Es geht lediglich um das Gefühl. Und das kann mich einfach nicht täuschen. Es gibt eine Bindung zwischen uns, Marie. Eine ganz besondere Bindung. Das spüre ich. Und ich kann das nicht einfach so hinnehmen, ohne nach ihr zu suchen.“
„Onkel Siiiiimon!“ Eine aufgewühlte Mädchenstimme unterbrach die Anspannung des Gesprächs.
„Na, wenn das nicht meine allerliebste Rhea ist.“ Sie schlang euphorisch ihre dünnen Arme um seine Hüfte, während er ihr über das Haar strich. „Wo hast du denn deinen Bruder gelassen?“