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Man sagt, Frauen wollen einen Mann erst dann, wenn er reich ist. Bei Chloe ist es genau umgekehrt: In ihrer Jugend war sie unsterblich in Justin verliebt, der damals noch ihr mittelloser Nachbar war. Bis zu dem Tag, als er sie eiskalt abblitzen ließ und ihr auf besonders demütigende Art das Herz brach. Jahre später, als sie ihn endlich vergessen hat, taucht er plötzlich wieder in ihrer Nachbarschaft auf. Inzwischen ist er extrem erfolgreich, vermögend – und hat nach all den Jahren auf einmal echtes Interesse an ihr. Aber so sehr sich Justin auch bemüht, seine Fehler von damals wiedergutzumachen, Chloe will es auf keinen Fall riskieren, ihr Herz noch einmal an ihn zu verlieren. Ganz egal, wie charmant, reich und gutaussehend er auch sein mag. Aber da ahnt sie noch nichts von Justins dunklem Geheimnis und dass die Schatten, die ihm folgen, auch sie selbst betreffen. Kann sie es riskieren, ihrem Herzen zu trauen? Dieser Roman ist in sich abgeschlossen, enthält heiße Szenen und lässt dich hoffentlich mit einem Lächeln zurück.
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Veröffentlichungsjahr: 2022
Inhaltsverzeichnis
Über das Buch
Prolog
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Kapitel 37
Kapitel 38
Kapitel 39
Kapitel 40
Kapitel 41
Kapitel 42
Kapitel 43
Kapitel 44
Kapitel 45
Kapitel 46
Epilog
Impressum
Nancy Salchow
Nicht mal für eine Million
________________
Roman
Er hat Geld, sehr viel Geld – doch ihre Liebe kann er nicht kaufen.
Man sagt, Frauen wollen einen Mann erst dann, wenn er reich ist. Bei Chloe ist es genau umgekehrt: In ihrer Jugend war sie unsterblich in Justin verliebt, der damals noch ihr mittelloser Nachbar war. Bis zu dem Tag, als er sie eiskalt abblitzen ließ und ihr auf besonders demütigende Art das Herz brach.
Jahre später, als sie ihn endlich vergessen hat, taucht er plötzlich wieder in ihrer Nachbarschaft auf. Inzwischen ist er extrem erfolgreich, vermögend – und hat nach all den Jahren auf einmal echtes Interesse an ihr.
Aber so sehr sich Justin auch bemüht, seine Fehler von damals wiedergutzumachen, Chloe will es auf keinen Fall riskieren, ihr Herz noch einmal an ihn zu verlieren. Ganz egal, wie charmant, reich und gutaussehend er auch sein mag.
Aber da ahnt sie noch nichts von Justins dunklem Geheimnis und dass die Schatten, die ihm folgen, auch sie selbst betreffen.
Kann sie es riskieren, ihrem Herzen zu trauen?
Dieser Roman ist in sich abgeschlossen, enthält heiße Szenen und lässt dich hoffentlich mit einem Lächeln zurück.
Anmerkung:Fleesenow ist eine von der Autorin erfundene Kleinstadt an der Ostsee, die immer mal wieder in ihren Büchern vorkommt. Angesiedelt wäre Fleesenow, gäbe es den Ort wirklich, vermutlich irgendwo in der Nähe der Insel Poel oder Wismar, der Heimat der Autorin.
Justin
Regungslos steht sie da und erwidert meinen Blick starr und emotionslos.
Bis sie plötzlich aus einem unvorhergesehenen Reflex heraus mein Gesicht in beide Hände nimmt und mich so eindringlich küsst, dass mir schwindelig wird.
Verwirrt und doch fest entschlossen ziehe ich sie fest an mich und erwidere ihren Kuss voller Leidenschaft, auch wenn ich nicht eine Sekunde damit gerechnet habe.
Ich spüre ihren zarten Körper in meinen Armen, ihren sanften Atem an meinen Wangen und habe das Gefühl, jeden Moment zu zerspringen.
Meine Gefühle verschwimmen.
Ist das hier Einbildung oder real?
Werde ich jeden Augenblick aufwachen und erkennen, dass ich völlig allein im Bett eines lieblos eingerichteten Hotelzimmers liege und an die Decke starre?
Chloe
Ich weiß, dass es albern ist, aber wann immer ich die Einkaufspassage von Fleesenow durchquere, bleibe ich vor dem kleinen Buchladen stehen und schaue mir die linke Hälfte des Schaufensters an, in der die Kinderbücher platziert sind. Ich weiß nicht, warum, aber eine lachende Sonne oder ein tanzender Elefant erhellen jedes Mal aufs Neue mein Gemüt und sorgen für gute Laune an jedem Morgen.
Von meiner Wohnung aus – genauer gesagt der Dachgeschosswohnung eines reetgedeckten Häuschens in der Nähe der Strandpromenade – sind es zu Fuß ungefähr zehn Minuten bis zum Souvenirshop. Und wie jeden Morgen genieße ich jede Minute auf dem Weg dorthin, während ich mir aus meinem großen Thermo-Becher, den ich mir auch heute früh von zu Hause mitgenommen habe, alle paar Meter einen großen Schluck Kaffee gönne und dabei eines der Schaufenster bewundere oder eine Möwe beim Stibitzen von Eiswaffel-Resten beobachte.
Es ist Mitte Juli und Hochsaison in der kleinen Küstenstadt Fleesenow. Um diese Uhrzeit – es ist kurz vor neun – tauchen langsam immer mehr Touristen aus ihren umliegenden Ferienwohnungen und Hotels auf, um einen Spaziergang auf der Promenade zu machen oder in aller Frühe ein paar Bahnen in der Ostsee zu ziehen.
Viele der Einheimischen sind von den Touristen genervt, ich jedoch finde es immer wieder aufregend, wenn Menschen herkommen, um meine Heimat zu bewundern und in all ihrer Schönheit zu genießen. Diese Tatsache erfüllt mich irgendwie jedes Mal aufs Neue mit Stolz. Denn auch wenn ich schon mein Leben lang hier wohne, habe ich mich nie an dieser schönen Gegend sattgesehen. Bis heute nicht.
Die Ladentür steht bereits einen Spalt offen, als ich den Souvenirshop erreiche. Wie so oft ist Mia als absolute Frühaufsteherin schon vor mir da und schiebt bereits die Rollständer mit den Postkarten und Souvenirs nach draußen auf die Laden-Terrasse.
„Morgen Mia!“, rufe ich ihr schon von weitem zu.
„Huhuuuu Chloe!“, jubelt sie zurück.
Während sie mir zuwinkt, wippt ihr kupferroter Pferdeschwanz hin und her. Wie immer hat sie sich besonders viel Mühe mit ihrem Outfit gegeben. Ein rot-weiß gepunktetes Sommerkleid, das knapp unter ihren Knien endet. Korallenrote Sandalen und leuchtender Lippenstift in derselben Farbe. Mit ihren 35 Jahren ist sie genau zehn Jahre älter als ich, sieht aber noch so frisch und jugendlich aus, als wäre sie gerade erst mit der Ausbildung fertig.
„Meine Güte, Mia“, ich reiche ihr die Hand, „du siehst ja wieder mal aus, als würde hier heute ein Fotoshooting stattfinden.“
„Man weiß eben nie, wer so im Laden auftaucht.“ Sie zwinkert mir geheimnisvoll zu.
Eine typische Äußerung für Mia. Ständig ist sie neu verliebt oder mit einem Mann verabredet, der sich dann doch wieder nicht als Mr. Right herausstellt. Und trotzdem glaubt sie nach wie vor felsenfest an die große Liebe und daran, dass auch für sie der Richtige irgendwo wartet.
„Ich geh mal rein.“ Ich werfe ihr ein fröhliches Lächeln zu, während ich an ihr vorbei in den Laden schlendere.
In der offenen Glastür nehme ich mein eigenes Spiegelbild wahr und frage mich, ob ich nicht vielleicht doch mal eine andere Frisur wagen sollte. Schon seit Jahren trage ich mein langes glattes Haar meist offen. Während es im Herbst eher die Farbe von Weizen hat, wird es in den Sommermonaten heller und sieht im grellen Leicht beinahe weißblond aus. Eine optische Veränderung, die mir eigentlich gefällt. Trotzdem stelle ich wieder einmal fest, dass ich viel mutiger werden sollte, zumindest, was mein Aussehen betrifft.
Auch mein Outfit – Jeans und ein weißes Top – ist doch irgendwie langweilig, oder? Zwar finde ich morgens vorm Schlafzimmerspiegel meistens, dass es meiner schlanken Taille und den langen Beinen schmeichelt. Aber ist es nicht auch ein wenig einfallslos?
Andererseits fühle ich mich in bequemen Klamotten einfach am wohlsten. Und nur weil sich Mia jeden Tag neu erfindet, muss das doch nicht auch für mich gelten, oder?
Ich gehe durch den Laden, vorbei an den Regalen mit Deko-Muscheln, maritim bemaltem Porzellangeschirr und Holz-Anhängern, bis ich neben der Kasse durch die schmale Tür in den Aufenthaltsraum gehe, um meinen Kaffeebecher abzustellen und vor Arbeitsbeginn noch einmal tief durchzuatmen.
Kurz schließe ich die Augen und atme langsam ein und wieder aus. Als ich sie wenig später wieder öffne, nehme ich plötzlich ein paar Stimmen im Laden wahr.
Zwei ältere Damen, offensichtlich Liana und Alma, die beiden größten Tratschtanten der Stadt, ziehen ihre morgendliche Runde durch nahezu jedes Geschäft der Promenade. Der Souvenirshop ist dabei eine ihrer wichtigsten Stationen. Schließlich könnte man irgendwo ja etwas Wichtiges verpassen. Und das muss man ihnen lassen: Es gibt kaum eine Neuigkeit, die an ihnen vorbeizieht.
Während ich den letzten Schluck aus meinem Kaffeebecher nehme, höre ich ihrem Gespräch nur mit halbem Ohr zu. Immer wieder kommt der ein oder andere Satzfetzen bei mir an.
Sie ist Gott sei Dank schon wieder aus dem Krankenhaus raus ...
Trotzdem ein ziemlicher Schock für die Familie ...
Auf dem Wege der Besserung ...
Ja, und Justin ist auch schon da ...
Moment mal, was war das gerade?
Ich schlucke schwer.
Sagte sie Justin?
Von einer Sekunde auf die andere werde ich hellhörig und trete vorsichtig an den Türrahmen heran, um ihnen besser lauschen zu können.
„Und was war es nun? Ein Schlaganfall?“
„Ich weiß es nicht genau, aber ich hörte was von einem Kreislaufzusammenbruch. Aber mal ehrlich, wäre dann extra ihr Sohn hergekommen, wenn es nur ein Kreislaufzusammenbruch wäre?“
„Na ja, vielleicht wollte er eh mal wieder vorbeischauen.“
„Wenn du mich fragst, liegt es nur an dem Gesundheitszustand seiner Mutter. Ich habe ihn vorher nämlich seit Ewigkeiten nicht mehr hier gesehen.“
„Vielleicht hat ihm sein Vater auch die Leviten gelesen, dass er wieder öfter vorbeischauen soll. Arbeitet ja nur noch, der Junge.“
„Junge? Er ist schon 26. Aber schon jetzt ein ... wie sagt man heutzutage? Ein Selbstmade-Millionär.“
„SELFMADE-Millionär heißt das.“
„Wie auch immer, jedenfalls hat er einen ganzen Batzen Kohle, wie ich gehört habe.“
„Aber alles Geld der Welt kann einem nicht die Gesundheit ersetzen.“
„Das ist wohl wahr. Jedenfalls habe ich ihn gestern selbst gesehen. Er ist also definitiv in der Stadt. Groß ist er geworden, der liebe Justin. Und richtig schick mit Hemd und so. Die Frauen laufen ihm sicher scharenweise nach.“
Ich spüre, wie meine Hände feucht werden und mein Puls zu rasen beginnt.
Justin!
Er ist wirklich wieder hier.
Aber warum, zum Teufel, werde ich deswegen nervös? Es ist sieben Jahre her, dass er abgehauen ist. Sieben Jahre, in denen ich nur mühsam gelernt habe, über ihn hinwegzukommen. Und jetzt, wo ich meine Gefühle für ihn endlich hinter mir gelassen und im Laufe der letzten Jahre sogar begonnen habe, mich für andere Männer zu interessieren, taucht er plötzlich wieder auf?
Das kann einfach nicht sein. Nein, das DARF nicht sein!
Während sich die Gedanken in meinem Kopf und die Gefühle in meinem Bauch geradezu überschlagen, höre ich den beiden weiter zu.
„Und womit ist er nochmal so reich geworden? Ich meine, der Junge hat eben noch in der Sandkiste gespielt und jetzt ist er plötzlich Millionär?“
„Ich glaube, das hat was mit Apps zu tun.“
„Womit?“
„Mit Äpps! Englisch ausgesprochen. Das sind so Programme auf dem Handy. Das hat mir jedenfalls seine Mutter erzählt, als ich sie mal auf dem Wochenmarkt getroffen habe.“
„Vor dem Schlaganfall ...“
„Es war kein Schlaganfall, glaub mir. Und dass ich sie getroffen habe, ist ewig her. Bestimmt schon ein halbes Jahr.“
Reflexartig lehne ich mich gegen die Wand und atme intensiv ein.
Reiß dich zusammen, Chloe! Du benimmst dich wie ein albernes Kleinkind! Geh jetzt da raus wie jeden Morgen und erledige deinen Job. Wen interessiert es schon, ob Justin wieder da ist? Er ist kein Teil meines Lebens mehr und wird es auch nie wieder sein!
Doch da höre ich auch schon Mia mit den beiden reden.
„Guten Morgen, die Damen, kann ich Ihnen helfen?“
„Danke, Liebes, wir schauen uns nur um.“
Genau wie Mia ist mir natürlich klar, dass sie sich nie einfach nur umschauen, sondern dass jeder ihrer Besuche lediglich dem Stillen ihrer Neugier dient. Umso enttäuschter werden sie sein, hier niemand anderen als uns beide angetroffen zu haben.
Ich atme ein letztes Mal tief durch, dann streife ich den Stoff meines Tops glatt, straffe die Schultern und gehe erhobenen Hauptes in den Laden zurück.
Doch trotz des breiten Lächelns, mit dem ich ihnen gegenübertrete, habe ich das Gefühl, meine Gedanken würden deutlich lesbar auf meiner Stirn stehen.
Justin ist wieder da! Justin! Justin! Justin!
„Guten Morgen“, begrüße ich die beiden so unbeschwert wie möglich. „Wie geht es Ihnen heute früh?“
Doch so unbefangen ich mich auch gebe, an der Art, wie sie mich betrachten, glaube ich, ihre wahren Gedanken zu erkennen. So, als würden sie ganz genau wissen, was mich mit Justin verbindet und nun durch einen tiefen Blick in meine Augen nach meinen Empfindungen forschen.
Blödsinn! Woher sollen sie wissen, was in mir vorgeht? Justin und ich waren schließlich niemals ein Paar. Da gibt es nichts, das sie über uns beide wissen könnten. Damals nicht, und heute noch viel weniger.
„Danke, uns geht es prima“, antwortet Alma schließlich und greift nach einem Holz-Schiffchen, als würde sie sich ernsthaft dafür interessieren. „Wirklich hübsch, diese Teile. Ich überlege, mir eines für die Küche zu kaufen. Im Wandregal neben der Zuckerdose würde es sich besonders gut machen.“
Mia und ich nicken uns vielsagend zu, wissen wir doch beide nur zu gut, dass sie dieses Schiffchen gleich wieder in das Regal stellen und wie an jedem anderen Morgen den Laden verlassen wird, ohne auch nur einen Cent ausgegeben zu haben.
„Aber jetzt müssen wir erst mal weiter.“ Und schwupps, landet das Schiff wieder an seinem Platz. „Wir sehen uns später.“
Ein letztes Mal werfen sie beide fast synchron einen prüfenden Blick in meine Richtung. Oder bilde ich mir das nur ein? Woher sollen sie wissen, was Justins Rückkehr in mir auslöst?
„Na dann“, nickt ihnen Mia freundlich zu, die mittlerweile neben mir hinter dem Kassentresen steht. „Beehren Sie uns bald wieder.“
„Aber natürlich, meine Liebe.“
Und dann verlassen sie, leise miteinander murmelnd, den Laden wieder.
Als sie außer Sichtweite sind, wendet sich Mia sofort zu mir.
„Sag mal, hast du das gehört?“ Sie schaut mich mit großen Augen an. „Sie haben eben gesagt, dass Justin wieder in der Stadt ist.“
„Ja, kann sein.“ Ich zucke so gleichgültig wie möglich mit den Schultern.
„Kann sein?“ Mia kommt näher und beugt sich vor, als würden wir über das größte Geheimnis des Universums sprechen. „Hast du etwa vergessen, was du mir schon ungefähr zwanzig Mal bei so gut wie jedem Mädelsabend unter Alkoholeinfluss erzählt hast?“
„Natürlich habe ich das nicht vergessen“, maule ich genervt zurück. „Aber das war damals, und jetzt ist jetzt.“
„Dann willst du mir etwa erzählen, dass es dir nichts ausmacht, dass er wieder da ist?“
Ohne auf ihren Kommentar zu reagieren, gehe ich nach draußen zum Postkartenständer, um die Karten zu sortieren, auch wenn heute früh eigentlich noch niemand da war, um sie durcheinanderzubringen.
„Komm schon, Chloe“, Mia folgt mir nach draußen, „warum tust du so, als würde es dir nichts ausmachen? Glaubst du, ich renne zu Justin und erzähle ihm davon? Schon vergessen, dass ich im Gegensatz zu dir nicht hier aufgewachsen bin? Ich kenne ihn ja nicht einmal.“
Mit jedem ihrer Worte bröckelt meine Fassade langsam. Seufzend schaue ich schließlich auf.
„Verstehst du denn nicht, dass ich nicht über ihn reden möchte?“, platzt es aus mir heraus. „Ich, ich kann nicht über ihn reden. Ich habe so lange gebraucht, um irgendwie klarzukommen und nicht mehr an ihn zu denken. Und das Letzte, was ich jetzt will, ist, mich wieder in diese unerfüllte Liebe hineinzusteigern, die mich so viele Jahre lang gequält hat.“
Augenblicklich breitet sich tiefe Reue in Mias Gesichtszügen aus.
„Tut mir leid.“ Sie reibt mit der Hand an meinem Oberarm. „Ich wollte nicht so nachstochern. Wirklich dumm von mir. Bitte verzeih mir.“
Ich senke den Blick auf die Postkarten in meinen Händen. „Schon okay.“
Doch während ich die Karten wieder einsortiere, wird mir klar, dass nichts okay ist. Denn dieser Kerl ist wieder da. Hier in meiner Heimat. Hier, wo ich endlich angefangen habe, das Leben zu genießen, Männer zu treffen und mich nicht ständig zu fragen, warum ich nicht liebenswert bin.
Und jetzt? Soll ich das alles wieder riskieren, weil ich ihn hinter jeder Straßenecke vermute?
„Scheiß drauf!“, sage ich zu Mia, aber ein bisschen auch zu mir selbst. „Dann ist er eben wieder hier. Na und? Ich bin heute eine selbstbewusste Frau, die weiß, was sie vom Leben erwartet. Und auf einen Typen, der nicht weiß, was er an mir hat, kann ich echt verzichten. Nie wieder will ich meine Zeit damit verschwenden, einem Kerl hinterher zu heulen, der mich nicht zu schätzen weiß.“
„Richtig so!“ Sie klopft mir ermutigend auf die Schulter. „Aber weißt du was? Ich finde, das ist ein Grund mehr, ihm selbstbewusst gegenüberzutreten.“
„Wie meinst du das?“
„Na ja, wann warst du das letzte Mal bei deinen Eltern?“
Ich lege den Kopf schräg. „Schon eine ganze Woche nicht mehr. Du weißt ja, die Arbeit und so. Man hat halt immer zu tun.“
„Trotzdem.“ Mia lächelt. „Sie wohnen im selben Ort – uuuuund sind doch zufällig die Nachbarn von Justins Eltern, oder? Jedenfalls hast du mir schon ungefähr hundertmal erzählt, dass er nebenan wohnte und du dich sozusagen Hals über Kopf in den Nachbarsjungen verliebt hast.“
„Worauf willst du hinaus?“ Ich kneife die Augen misstrauisch zusammen.
„Komm schon, Chloe, das weißt du genau.“ Sie nickt mir zuversichtlich zu. „Sicher würdest du Justin früher oder später über den Weg laufen, wenn du dich in nächster Zeit öfter bei deinen Eltern herumtreibst. Und sicher wissen sie auch mehr über seinen Aufenthalt dort, oder?“
„Kann schon sein, dass sie etwas wissen. Wir haben nicht darüber gesprochen.“
„Sie haben kein Wort über ihn verloren?“
„Warum sollten sie? Erstens weiß ich ja gar nicht, wie lange er schon wieder hier ist und zweitens haben meine Eltern keinen Plan davon, wie viel er mir damals bedeutet hat. Für sie waren wir einfach nur Nachbarn. Und davon abgesehen telefonieren wir ja auch nicht ständig miteinander.“ Ich seufze. „Wenn es nach meiner Mutter ginge, schon. Aber inzwischen hat sie begriffen, dass ich abends auch mal ganz gern meine Ruhe habe und nicht telefonieren will.“
„Verstehe.“ Mia denkt nach. „Aber darum geht es mir auch gar nicht. Sondern darum, dass es doch toll wäre, wenn er sehen könnte, was für eine Powerfrau aus dir geworden ist.“
„Powerfrau“, wiederhole ich mit bitterem Lächeln. „Na ja, als Powerfrau würde ich mich nun nicht bezeichnen.“
„Aber unbedingt.“ Mia hebt das Kinn. „Und eine wunderschöne noch dazu. Wäre es nicht großartig, wenn er dich wiedersehen und sich insgeheim total ärgern würde, weil er deine Gefühle damals nicht erwidert hat? Das wäre doch für dich wie ein innerer Vorbeimarsch.“
„Ich weiß nicht“, murmele ich gedankenverloren.
Ich gehe zurück in den Laden, während mir ihre Worte wie ein Echo folgen.
Wäre es nicht großartig, wenn er dich wiedersehen und sich insgeheim total ärgern würde, weil er deine Gefühle damals nicht erwidert hat?
Wieder am Tresen angekommen setze ich mich auf einen der Klappstühle, auf denen wir in kundenarmen Stunden schon oft tiefgründige Gespräche oder amüsante Anekdoten ausgetauscht haben.
Heute jedoch ist mir nach nichts davon zumute.
„Aber wenn ich doch über ihn hinweg bin und endlich auf eigenen Beinen stehe“, sage ich nach einer Weile, „warum sollte es mir da wichtig sein, was er über mich denkt oder ob er irgendetwas bereut?“
Mia zögert einen Moment, offenbar über meine Worte nachdenkend, dann setzt sie sich neben mich.
„Du hast wohl recht“, seufzt sie. „Wenn man es so betrachtet ...“
„Es ist die einzige Weise, auf die man es betrachten sollte“, antworte ich selbstbewusst, auch wenn es in meinem Inneren ganz anders aussieht.
„Tut mir leid.“ Sie legt die Hand auf mein Knie. „Ich dachte nur, dass es dir gut täte, ihm heute gegenüberzutreten. Selbstbewusst, gutaussehend. Powerfrau eben. Einfach als eine Art Abschluss für die Vergangenheit, verstehst du?“ Sie lächelt vorsichtig. „Aber du hast völlig recht: Es sollte dich überhaupt nicht mehr interessieren, was er über dich denkt. Das ist die richtige Einstellung.“
„Finde ich auch“, antworte ich mit ungerührtem Blick.
Doch im Grunde fühle ich mich schon seit der Minute, in der die beiden Damen Justins Namen erwähnt haben, wieder wie fünfzehn. Als wäre seit damals kein einziger Tag vergangen.
Drei Jahre lang habe ich ihn angehimmelt, bis er zum Studieren nach Hamburg ging. Drei Jahre, in denen es nichts gab, das mich mehr interessierte als er.
Und als er dann fort war, hat es noch einmal eine gefühlte Ewigkeit gedauert, bis ich über ihn hinweg war. Soll das alles etwa noch mal von vorn losgehen?
Beruhig dich, Chloe. Er wird nur kurz bei seinen Eltern sein und dann wieder verschwinden. Vielleicht ist er ja morgen schon wieder weg.
Doch so sehr ich es auch versuche, ich kann mich einfach nicht runterfahren.
Warum habe ich ihn seit damals eigentlich nie wieder gesehen? Er muss doch mal seine Eltern besucht haben, oder? Oder ist er mit ihnen verstritten und deshalb nie wieder in Fleesenow aufgetaucht? Oder war er schon öfter hier und ich habe es nur nicht mitbekommen?
Da fällt mir ein, dass Mama hin und wieder von Gesprächen mit ihrer Nachbarin Laura erzählt hat. Laura ist Justins Mutter und gibt gern mit dem Erfolg ihres Sohnes an, wenn auch auf liebevolle und nicht aufdringliche Weise, so wie eine Mutter halt stolz ist, wenn das eigene Kind mit beiden Beinen im Leben steht. Aber ich kann mich nicht erinnern, dass Mama jemals erzählt hat, Justin seit seinem Umzug bei seinen Eltern gesehen zu haben.
„Er arbeitet einfach wahnsinnig viel“, waren Lauras Worte, die Mama dann später Papa und mir weitererzählt hat. Und ja, vielleicht war er wirklich schon ewig nicht mehr in Fleesenow. Millionär wird man ja nicht einfach so. Sicher hat er einfach eine Menge zu tun.
„Chloe?“
Mias Stimme weckt mich aus meinem Tagtraum. Erst jetzt wird mir bewusst, wie lange ich meinen eigenen Gedanken nachgehangen habe.
„Ist alles okay?“, fragt sie mit einem leicht besorgten Blick.
„Ja.“ Ich setze ein Lächeln auf. „Ja, natürlich.“
Doch vor meinem inneren Auge taucht immer wieder das Bild des fünfzehnjährigen Mädchens mit den schlaksigen Beinen und dem fehlenden Busen auf, das sich ausgerechnet in ihren Nachbarn unsterblich verlieben musste. In den schon damals unglaublich süßen und irgendwie immer coolen Justin mit den Wahnsinns-Augen und dem wuscheligen Haar.
Da ist es wieder, das Bauchkribbeln von damals, das ich fast schon vergessen hatte.
In diesem Moment könnte ich nicht weiter entfernt von der selbstbewussten Frau sein, die ich Mia vorspiele. Aber vermutlich kauft sie mir diese Rolle sowieso nicht ab. Und ich würde es verstehen.
Rückblende
Zehn Jahre zuvor
Chloe
Es ist alles so verrückt irgendwie. Schon seit Ewigkeiten wohnen wir neben Laura, Daniel und ihrem Sohn Justin. Und immer war alles ganz normal.
Daniel ist ein Jahr älter als ich. Ich fand ihn immer irgendwie witzig. Ich mochte ihn halt. Aber mehr war da nicht. Echt nicht.
Na ja, bis gestern. Wir hatten ein heftiges Sommergewitter inklusive Sturm und allem, und am nächsten Tag ging dann irgendwie unser Fernseher nicht mehr.
Mama hatte das unserer Nachbarin Laura erzählt und die meinte dann gleich, dass sich Justin bei so was total gut auskennen und uns sicher gern helfen würde. Irgendwie war es dann gleich abgemacht, dass er vorbeischaut.
Und als mir Mama so ganz nebenbei erzählte, dass er nach der Schule vorbeischauen will, dachte ich mir auch überhaupt nichts dabei.
Na ja, aber dann war es gestern also so weit. Mama und Papa waren auf Arbeit, deshalb war ich allein zu Haus, als er kam.
Er klingelte und ich machte ihm auf. Und als er dann plötzlich vor mir stand ... ich weiß auch nicht, aber er sah irgendwie so anders aus. So erwachsen, so lässig, so cool. Ich hatte ihn lange Zeit gar nicht wirklich angeschaut, deshalb weiß ich nicht, wie lange er schon so aussieht. Oder war es schon immer so und ich habe es erst jetzt bemerkt?
Er trägt die Haare jetzt irgendwie anders. So ein bisschen mit Gel verwuschelt. Bei jedem anderen fände ich das dämlich, aber bei ihm sieht es total süß aus.
Oh Gott, habe ich gerade „süß“ geschrieben?
Ich kann noch immer nicht glauben, dass es Justin ist, über den ich hier schreibe. Justin, mein Nachbar.
Hilfe!
Na ja, aber ich komme vom Thema ab.
Also, es war dann so, dass ich ihn reingelassen habe. Er hat drinnen am Receiver rumgedrückt und irgendwas mit der Fernbedienung gemacht. Aber zwischendurch ist er auch immer an die Kabel der Sat-Schüssel gegangen und auch nach draußen zur Schüssel selbst, um da ... na ja, keine Ahnung, er hat da halt rumgedreht. Was weiß ich.
Aber irgendwie bin ich jedes Mal mitgekommen, wenn er raus oder wieder rein ging. Weil ich halt dachte, ich muss ein bisschen Interesse zeigen, wenn er uns schon hilft. Aber die Wahrheit ist, dass ich kein Interesse an dem hatte, was er da tut, sondern irgendwie an ... na ja ... an IHM.
Ist das verrückt?
Ja, das ist es!
Aber die letzten Monate habe ich ihn gar nicht mehr wirklich wahrgenommen. Wenn er nebenan auf dem Hof war oder mit dem Fahrrad durch die Straßen fuhr, habe ich ihn immer nur im Augenwinkel gesehen. War halt nichts Besonderes, dass er da ist. Denn er war ja immer da. Justin eben.
Bisher war er halt immer nur irgendein Junge. Wie alle anderen auch. Aber als er dann gestern vor mir stand und mich angelächelt hat, war er das plötzlich nicht mehr.
Inzwischen frage ich mich, ob ich ihn angestarrt habe, als er da so vor mir stand?
Keine Ahnung, ich hoffe mal nicht. Ich weiß nur, dass ich seit gestern immerzu an ihn denken muss.
Als er an unserem Receiver und der Schüssel herumgewerkelt hat, haben wir immer mal das ein oder andere Wort gewechselt. Ich musste zum Beispiel auch was mit irgendeiner Signalstärke zu ihm raus rufen, wenn er an der Schüssel am Fenster stand. Und allein diese Unterhaltungen sorgten dafür, dass ich noch nervöser wurde.
Vielleicht liegt es auch daran, dass seine Stimme inzwischen viel tiefer als früher ist. So männlich. Und er hat sogar schon ein paar Bartstoppeln.
Ich weiß auch nicht, was plötzlich mit mir los ist. Vielleicht habe ich ihn gestern zum ersten Mal überhaupt bewusst angeschaut.
Das Doofe ist nur, dass ich mich seitdem ständig frage, was er wohl über mich denkt. Irgendwie ist er so cool und lässig, dass man ihm überhaupt nicht anmerkt, was er gerade denkt.
Nimmt er mich denn wahr? Als Mädchen, meine ich?
Er ist sechzehn, ich bin fünfzehn. Zu jung wird er mich da doch nicht finden, oder?
Ach, was ich mir nur für bescheuerte Gedanken mache. Er und ich, das ist sowieso einfach lächerlich. Ehrlich gesagt habe ich an so was auch gar nicht gedacht. Alles, was ich weiß, ist, dass er mich neuerdings nervös macht. Und zwar so sehr, dass ich mein altes Tagebuch herausgekramt habe, um über ihn zu schreiben.
Es ist alles so verwirrend und ich versuche, das Chaos in meinem Kopf auf die Reihe zu kriegen, wenn ich darüber schreibe. Aber irgendwie wird das Chaos dadurch NOCH größer.
Oh Mann!
Ich hoffe einfach, dass ich in ein paar Tagen nicht mehr an ihn denken muss. Im Moment ist es nämlich so, dass ich viel öfter in unserem Garten bin als sonst, weil ich hoffe, ihn über den Gartenzaun zu sehen oder ein Wort mit ihm zu wechseln. Und ich habe mich sogar dabei erwischt, dass ich oben hinter meiner Gardine stand, um rauszuschauen, wenn er mit dem Fahrrad unterwegs ist. Das ist doch total verrückt, oder?
Oh ja, das ist es. Und ich hoffe sehr, dass es nur eine blöde Phase ist. Denn das Letzte, was ich will, ist, ein Auge auf den Nachbarn zu werfen. Das wäre doch einfach nur peinlich.