Der Staubozean - Bruce Sterling - E-Book

Der Staubozean E-Book

Bruce Sterling

4,4
3,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Von Wüstenschiffen und Staubwalen

Nullaqua ist eine menschenfeindliche Welt, ein Wüstenplanet mit gigantischen Staubozeanen. Darin leben riesige, walähnliche Tiere, aus deren Kadavern man die Droge Syncophin gewinnt. Zigtausende Süchtige in der gesamten Galaxis können ohne das „Flackern“, das das Syncopin in ihrem Bewusstsein hervorruft, die Realität nicht mehr ertragen, und so jagen riesige Schiffe die Staubwale. Ihre Crews bestehen nur teilweise aus Menschen, doch die Entbehrungen und die tödliche Bedrohung durch die grausame, fremde Natur schweißt sie zu unverbrüchlichen

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 284

Bewertungen
4,4 (16 Bewertungen)
9
4
3
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



BRUCE STERLING

DER STAUBOZEAN

Roman

Das Buch

Nullaqua ist eine menschenfeindliche Welt, ein Wüstenplanet mit gigantischen Staubozeanen. Darin leben riesige, walähnliche Tiere, aus deren Kadavern man die Droge Syncophin gewinnt. Zigtausende Süchtige in der gesamten Galaxis können ohne das »Flackern«, das das Syncophin in ihrem Bewusstsein hervorruft, die Realität nicht mehr ertragen, und so jagen riesige Schiffe die Staubwale. Ihre Crews bestehen nur teilweise aus Menschen, doch die Entbehrungen und die tödliche Bedrohung durch die grausame, fremde Natur schweißt sie zu unverbrüchlichen Gemeinschaften zusammen …

Der Autor

Titel der Originalausgabe

INVOLUTION OCEAN

Aus dem Amerikanischen von Bernd Holzrichter

Überarbeitete Neuausgabe

Copyright © 1977 by Bruce Sterling

Copyright © 2015 der deutschsprachigen Ausgabe by

Wilhelm Heyne Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH

Covergestaltung: Das Illustrat

INHALT

1. Ein verhängnisvolles Ereignis und die Abhilfe

2. Wir gehen an Bord

3. Ein Gespräch mit dem Ausguckposten

4. Eine seltsame Enthüllung

5. Die Lüge

6. Der Sturm

7. Arnar

8. Die Fahrt geht weiter

9. Ein weiteres Gespräch mit dem Ausguckposten

10. Fliegende Fische

11. Die Klippen

12. Anemonen

13. Ein Gespräch mit einem jungen nullaquanischen Seemann

14. Desperandum führt ein Experiment durch

15. Der Traum

1

Ein verhängnisvolles Ereignis und die Abhilfe

Wir alle haben in unserem Leben eine Leere, eine Leere, die einige durch die Künste füllen, andere durch Gott und wieder andere durch Lernen. Ich habe diese Leere immer durch Drogen gefüllt. Und aus diesem Grund fand ich mich, den Seesack in der Hand, dazu bereit, auf dem obskuren Planeten Nullaqua auf eine Walfangfahrt zu gehen.

Der nullaquanische Staubwal ist die einzige Quelle des Rauschmittels Syncophin. Zum Zeitpunkt meiner Seereise wurde das Wissen um diese Tatsache immer weiter verbreitet. Weil ich es erfahren hatte, wohnte ich, John Newhouse, mit neun anderen in der Piety Street 488 in Hochinsel, Nullaquas größter Stadt.

Wir, die Bewohner, kannten das zweistöckige Metallgebäude nur als Das Neue Haus. Wir waren eine bunt zusammengewürfelte Gruppe; die einzigen Dinge, die wir gemeinsam hatten, waren unsere außernullaquanische Herkunft und unser kennerhaftes Vergnügen am Flackern, wie die Eingeweihten das Syncophin nannten. Wir waren samt und sonders menschliche Geschöpfe oder sehr genaue Faksimile. Der erste unter uns war der weißhaarige alte Timon Hadji-Ali. Timon hat uns sein Alter nie verraten, aber er befand sich ganz offensichtlich in der Periode, in welcher der unterbewusste Wunsch des Körpers zu sterben die Sehnsucht des Ego nach dem Leben zu überwiegen beginnt. Oft höre ich ihn von seiner Jahrhunderte zurückliegenden Freundschaft mit Ericald Svobold, dem legendären Entdecker des Syncophin, sprechen. Jetzt hatte sich allerdings Pessimismus im alten Timon breitgemacht; seit Jahren hatte er sich jeder Verfügung widersetzt. Er wollte seine alten Tage nur noch damit verbringen, sein nach und nach angehäuftes Kapital aufzuzehren und den wilden Himmelstrip des Flackerns zu genießen. In Angelegenheiten der Politik, die unsere kleine Gruppe betrafen, pflegten wir uns ihm zu unterwerfen, da er immer noch das meiste Geld hatte.

Die zweite war Agathina Brant, eine hochgewachsene muskulöse Frau, stocksteif, als hätte sie einen Besenstiel verschluckt. Offenkundig war sie ein pensionierter Offizier, und sie war ausgesprochen kurz angebunden, sogar mürrisch. Sie trug stets eine Uniform, sauber, aber alt. Man konnte wirklich nicht bestimmen, welche der zahllosen Armeen der Menschheit das Kleidungsstück zuzuordnen war. Sie hat es uns nie verraten; ich vermute, sie hat es selbst genäht. Ihre Sucht war extrem ausgeprägt.

Als dritte und vierte ein verheiratetes Paar, Mr. und Mrs. Undine. Ihr Mädchenname war Stuart, er hieß Foster. Auch sie waren ziemlich alt. Man konnte ihr Alter an ihrer unnatürlichen Anmut und den gelegentlichen archaischen Redewendungen in ihrer Sprache erkennen. Sie waren ein ansehnliches Paar, wenn man ihre tonnenförmige Brustkörbe und die reichlich geschmacklosen, in ihre Körper eingepflanzten Edelsteine außer Betracht ließ. Sie wurden niemals müde, uns zu erzählen, dass sie beide bereits mehrere Ehen hinter sich hatten und die Vorstellung des Schmerzes, der mit der Auflösung der letzten verbunden war, nicht aushalten konnten. Sie hatten sich dazu entschieden, gemeinsam Selbstmord zu begehen, am liebsten durch eine Überdosis. Ich war viele Male versucht, ihnen zu raten, ein anderes Gift als Syncophin zu benutzen, aber das, dachte ich, wäre möglicherweise ein flegelhafter Einbruch in ihre Privatsphäre gewesen.

Der fünfte in unserer Gesellschaft war ein Dichter namens Simon. Er hatte durch kosmetische Chirurgie eine Art verhärmter Ansehnlichkeit erlangt, wenn auch seine Augen von unterschiedlicher Farbe waren. Im Bemühen, »zu den Wurzeln zurückzukehren«, wie er uns sagte, hatte er ein primitives Saiteninstrument gekauft und versuchte, sich selbst beizubringen, darauf zu spielen, um sich selbst begleiten zu können, während er seine eigenen Werke sang. Wir hatten sein Zimmer im Obergeschoss schalldicht gemacht. Syncophin, sagte er, »stimuliert mein Gehirn«. Das konnte gewiss nicht geleugnet werden.

Simon wurde von einer mausgrauen Frau namens Amelia begleitet, die ihr brünettes Haar streng in der Mitte gescheitelt trug. Ihr Vater war ein Gelehrter und schickte ihr ausreichend Geld für ihren eigenen Lebensunterhalt und den ihres pseudo-musikalischen Begleiters. Sie hatte schon Monate bei uns gewohnt, bevor sie Syncophin probierte. Jetzt war sie dabei, Geschmack daran zu entwickeln.

Unsere Numero sieben war ein Geschlechtsloser, Daylight Mulligan. Es war ein charmanter Gesprächspartner, und seine Sprache offenbarte einen tiefen Wissensfundus. Es und ich hätten enge Freunde werden können, hätte es nicht diese extreme Paranoia jedem gegenüber gehabt, der Fortpflanzungsorgane besaß. Es war natürlich sehr sauber geklont worden, und sein Misstrauen war nicht ganz unbegründet, da es eine deutliche sexuelle Anziehungskraft auf Mitglieder beider Geschlechter ausübte. Es war oft melancholisch, vielleicht von Schuldbewusstsein geplagt. Der alte Timon erzählte mir einmal, dass es für den Doppelselbstmord eines Ehepaares verantwortlich war, Freunde von ihm, die beide mit ihm Ehebruch begehen – oder es zumindest versuchen – wollten. Das konnte stimmen … oder auch nicht.

Die achte von uns war eine extrem große, fast totenbleiche Frau namens Quade Altman. Auf einem Planeten mit der halben Schwerkraft von Nullaqua, und damit auch der Erde, geboren, war sie an die zwei Meter fünfzig groß. Sie war immer blass, ihre eingesunkenen Augen waren von zarten blauen und purpurnen Ringen umgeben. Häufig jammerte sie über benebelnde Reizungen. Sie verbrachte eine Menge Zeit in Rückenlage, an ihren dreidimensionalen Mosaiken arbeitend.

Die neunte und vorletzte war meine derzeitige Freundin Millicent Farquhar. Millicent war klein, stupsnasig, rothaarig und eher pummelig als schlank. Ich hatte sie vor einem Jahr auf Reverie kennengelernt, kurz bevor ich nach Nullaqua ging. Nach einer ganz besonders heißen Party fand ich mich beim Aufwachen in ihrem Bett wieder. Man hatte uns zwar einander vorgestellt, aber wir hatten den Namen des anderen vergessen. Unsere gegenseitige Wiederentdeckung verlief ausgesprochen erfreulich, und wir hatten das letzte Jahr in ziemlicher Zufriedenheit miteinander verbracht.

Zuletzt ich, John Newhouse. Es versteht sich von selbst, dass ich nicht dieselbe Person bin, die die Abenteuer erlebte, von denen zu berichten ich im Begriff bin. Die Persönlichkeit ist eine sich wandelnde, fließende Sache, und außer den jetzt allmählich trüber werdenden Erinnerungen habe ich nichts mit dem Mann gemein, der sich damals meines Namens bediente.

Aber jener John Newhouse jedenfalls war der Sohn eines Holzmagnaten auf dem Planeten Bunyan und hatte die beste Ausbildung genossen, die dieser Planet zu bieten hatte. Aus politischen Gründen – und aus Gründen der Eitelkeit – behauptete ich, auf der Erde geboren zu sein. Wie die meisten Sektiererplaneten hatte Nullaqua übertriebenen Respekt vor allen Terranischen. Die Lüge half.

Ich war einen Meter und achtzig groß und hatte sehr dunkles Haar, das am Hinterkopf ziemlich spärlich wurde, obwohl ich mich dagegen sträubte, dies zuzugeben. Ich trug es auf der linken Seite gescheitelt. Meine Augen waren ebenfalls dunkel, und das linke hatte einen kleinen gräulichen Fleck, fast wie grauer Star; an dieser Stelle hatte ich einmal, einem schlechten Ratschlag folgend, Syncophin aufgetropft. Durch die lange Zeit, die ich im Haus verbrachte, war ich blass, aber meine Haut konnte eine tiefe Bräune annehmen. Meine Nase war vielleicht ein wenig zu hakenförmig, um als hübsch bezeichnet zu werden. Ich hatte – lassen Sie es mich gestehen – etwas von einem Dandy, und ich trug gerne Ringe, gewöhnlich fünf auf einmal. Ich besaß zwei Dutzend. Ich war fünfunddreißig – verzeihen Sie, lieber Leser, aber ich habe ja geschworen, bei der Wahrheit zu bleiben –, ich war dreiundvierzig Standardjahre alt.

Den Namen meines Vaters will ich nicht preisgeben. Den Namen Newhouse nahm ich von meiner Bleibe an, wie es auf der Erde einst Brauch war. Vor meiner Walfängerfahrt verdiente ich meinen Lebensunterhalt damit, hochwertiges Syncophin an meine zahlreichen Freunde auf Reverie zu exportieren. War es auch nicht übermäßig gewinnträchtig, so war es doch ein angenehmer Zeitvertreib. Mein Hobby war, billigere und wirkungsvollere Methoden zu entwickeln, Syncophin aus Asisöl zu extrahieren.

Es war ein gemütliches, beinahe genüssliches Dasein. Dann kam das Unheil.

Die Expansion des Syncophinhandels war nicht unbemerkt geblieben. Die Bürokraten der Konföderation, jener lockeren und ständig schwächer werdenden Verbindung von Welten, erließen ein Dekret. Nullaqua hörte es und – so erstaunlich dies war – gehorchte.

Wir erfuhren die Neuigkeiten zuerst von unserem Dealer, einem Nullaquaner namens Andaru. Andaru war ein ehemaliger Walfänger und versorgte uns mit dem Stoff, den er Gedärmeöl nannte, zu einem Kurs knapp über dem Normalpreis. Sonst gab es keine Nachfrage nach dem Produkt; das Eingeweideöl konnte nicht verbrannt werden, und die Nullaquaner lehnten es als Nahrungsmittel ab, da sie es für giftig hielten. Ganz schön hirnrissig, dachten wir.

Am siebzehnten Tag des zehnten Monats im Jahr klopfte Andaru an die Tür, und ich öffnete ihm.

»Es ist Andaru«, sagte ich laut zu den anderen, die in der Küche beim Essen waren.

»Gut … Wunderbar … Phantastisch«, sagten alle neun. Ihre Zungen versagten bei der Aussicht auf eine neue Gallone nie, wenn es darum ging, sich gegenseitig zu übertreffen.

»Und er bringt jemanden mit«, fuhr ich leiser fort, als hinter dem Nullaquaner ein junger Mann mit scharfgeschnittener Nase und blondem Schopf, der wie verschlungene Nylonfäden wirkte, hereintrat und die Hand ausstreckte. Ich schüttelte sie.

»Hallo, ich heiße Dumonty Calothrick – sagen Sie einfach Monty zu mir«, verkündete er aufgeräumt. »Bin gerade auf dem Planeten eingerauscht, habe von den Aussichten hier gehört …« Dabei zwinkerte er mir unmissverständlich zu und machte mit Daumen und Zeigefinger der rechten Hand reibende Bewegungen, ohne dass Andaru es sehen konnte. »Hab' mich 'n bisschen umgehört, Ihren Freund hier kennengelernt und gedacht, ich komme am besten mal vorbei und bitte vielleicht« – ein Blick geschickter Verlegenheit – »… vielleicht um Ihren Rat?«

»Kommt bitte rein und nehmt Platz«, sagte ich. »Moment … habt ihr schon gegessen?«

»Ja«, erwiderte der Nullaquaner.

»Nein, keinen Bissen«, sagte Calothrick.

»Geradeaus durchgehen, bitte«, bat ich, »nehmen Sie sich einen Teller und machen Sie sich mit dem Rest der Wohngemeinschaft bekannt, während ich mit unserem gemeinsamen Bekannten über das Geschäftliche rede.«

»Danke, Mister … ääh …«

»Newhouse«, sagte ich und winkte ihn weiter.

»Wollen Sie nichts essen, John?«, fragte Andaru.

»Ich habe schon gegessen«, log ich. Agathina Brant war mit Kochen dran, und es schadete meiner Verdauung, Zeuge der Häresie zu werden, mit der diese Frau Nahrungsmittel behandelte. Ich habe mich stets meiner Kennerschaft in Sachen le good cuisine, wie die Terraner dies zu nennen pflegten, gerühmt.

»Wie viel haben Sie mitgebracht?«, fragte ich.

»Ungefähr 'ne Gallone, wie gewöhnlich. Fürchte, das wird die letzte sein, die Sie bekommen.«

»Nanu«, sagte ich. »Das ist ein Schock, Andaru. Steigen Sie aus dem Geschäft aus?«

»Muss ich wohl. Es ist jetzt ungesetzlich.«

Bei diesen Worten wuchs Eis in meinen Adern. »Wer sagt das?«, erkundigte ich mich.

»Die Konföderation sagt das – gestern hab ich's erfahren.«

»Ja, die Konföderation: Sie wissen doch, knausrige kleine Burschen, die zwischen den Sternen herumschwirren und den Leuten vorschreiben, wo es lang geht.«

»Aber in Fragen, die nur den Planeten betreffen, können sie doch keine Anordnungen geben.«

»Tja, sie haben an Nullaqua mehr so etwas wie eine höfliche Bitte gerichtet …«

»Und Nullaqua hat ihr entsprochen.«

»Warum nicht? Wir haben nichts zu verlieren, wenn wir nett zur Konföderation sind, nicht wahr?«

Ich sah einen schwachen Hoffnungsschimmer. »Aber Sie persönlich haben doch etwas zu verlieren.«

»Klar, das schon«, gab er zu, »aber stellen Sie sich vor, Sie gehen hin und sagen, ein paar Leute hätten das Gedärmeöl verwendet, um Drogen daraus zu machen.«

»Nein! Was Sie nicht sagen!«, sagte ich. Die Heile-Welt-Nullaquaner haben tatsächlich keine Vorstellung vom Drogenmissbrauch; sie halten sich an Tabak und billiges Bier.

»Ein wundervolles Essen«, kam plötzlich Dumonty Calothricks Stimme aus der Küche. Ich verzog das Gesicht.

»Das ist also unsere letzte Gallone.«

»Jawohl. Alle, die es verkaufen, machen den Laden dicht, soviel ich weiß.«

»Sie wollen das Gesetz nicht brechen.«

»Um keinen Preis – es wäre eine Sünde.«

Ich kam gar nicht erst auf die Idee, den alten Nullaquaner flehentlich zu bedrängen. Er hatte, nebenbei gesagt, die allen Eingeborenen eigene Abneigung gegen Wasser, und anders als er hatte ich keinen dichten, buschigen Haarwuchs in den Nasenlöchern, um Unangenehmes herauszufiltern. »Also – wie viel für die letzte Kanne?«

»Einen Monun und sechsunddreißig Pennigs.«

»Alles klar«, sagte ich und zählte das Geld auf seine schwielige Handfläche. Wir versicherten uns unserer gegenseitigen Wertschätzung. Ich öffnete ihm die Tür, und er ging.

Dann setzte ich mich langsam auf das unbequeme Walhautsofa, um alles zu durchdenken. Ich spürte plötzlich Lust auf eine schnelle Ladung Flackern, aber anders als die anderen hielt ich mein Verlangen eisern unter Kontrolle.

»Kommt herüber, wenn ihr mit dem Essen fertig seid«, rief ich. »Ich habe Neuigkeiten.«

Ich nahm die Kanne auf den Schoß und hob den Deckel. Ich schnüffelte. Hochwertiger Stoff, wie immer. Ich verschloss die Kanne wieder.

Binnen drei Minuten waren alle versammelt. »Schlechte Neuigkeiten«, sagte ich. »Die Konföderation hat das Flackern für illegal erklärt, und Nullaqua fügt sich der Entscheidung. Das hier …« – ich klopfte auf das Gefäß – »… ist unsere letzte Kanne.«

Wie auf ein Kommando hin fielen ihre Kinnladen herab. Ein irritierender Anblick. Ratsuchend wandten wir uns Timon zu.

»Ich …«, setzte ich an.

»Ach ja, ich habe ein bisschen dabei, frischen wir uns etwas auf«, unterbrach Calothrick gutgelaunt. Er holte ein Kunststoffetui aus der Brieftasche seiner karierten Hemdjacke und zog eine Pipette aus dem Gürtel. Eilig scharte die Gruppe sich zu einem Kreis auf dem Teppich zusammen, während Calothrick des Etui öffnete und eine Pipette voll von der Flüssigkeit heraussaugte.

Timon runzelte die Stirn. »Ich schlage vor, wir rationieren das, was wir noch übrig haben. Wenn die Nullaquaner sich weigern, uns zu versorgen, müssen wir einen von uns rausschicken, um es für uns zu beschaffen. Direkt von der Quelle. Von einem Wal.«

Daylight Mulligan klatschte in die Hände. »Bravo, Timon«, sagte es. Mrs. Undine reichte ihm die Pipette; es öffnete den Mund und drückte sich eine schnelle Portion auf die Zunge.

»Und wen von uns?«, fragte Quade Altman im Falsett.

»Nun, die Frauen scheiden aus«, sagte Mrs. Undine. »Ich habe gehört, die Walfänger lassen sie nicht an Bord.«

»Jemand wird aber die ganze Reise mitmachen müssen!«, sagte Simon, der Richter, dessen Gehirn jetzt richtig stimuliert war.

»O ja«, bestätigte Timon, »und da sie sechs Monate dauert, schlage ich vor, wir wählen so schnell wie möglich jemanden. Am Ende könnte es ziemlich ungemütlich werden.« Simon und Amelia sahen plötzlich sehr ängstlich drein. Mr. und Mrs. Undine hielten Händchen.

»Ich schlage John Newhouse vor«, sagte Agathina Brant plötzlich. Alle wirkten verdutzt; sie redete so selten.

»Ziehen wir Strohhalme«, sagte ich schnell.

»John, du bist die beste Wahl«, sagte Mrs. Undine deutlich erleichtert. »Du hast den Schwung der Jugend, ganz gewiss.«

Ich entgegnete: »Also, du hast die Erfahrung des Alters. Das zählt sicher mehr.«

»Aber du hast einen scharfen Verstand und weißt dir zu helfen; das kann keiner von uns ableugnen«, schürte Simon das Feuer.

»Sicher, Simon, aber bedenke doch, wie gerade die Dichtkunst von der Reise profitieren könnte«, gab ich zurück.

»Aber du hast Erfahrung und weißt, welchen Tran man braucht, und wie man ihn siedet«, sagte Daylight Mulligan. Es hatte mich erwischt. Das besiegelte mein Schicksal mehr als alles andere.

Es sah düster aus. Sicherlich wird Millicent mich verteidigen, dachte ich und blickte sie an.

»Ja, und du könntest einen Job bekommen, John«, sagte sie. »Du kannst kochen. Du bist sogar ein guter Koch. Du wirst überhaupt keine Schwierigkeiten haben.«

»Ziehen wir keine vorschnellen Schlüsse«, sagte ich. »Vielleicht sollten wir unsere Lage eine Woche lang überdenken. Es wäre doch möglich …«

Da ergriff Dumonty Calothrick das Wort. »Warum warten? Es ist großartig!«, sagte er lachend. »Kaum taucht das Problem auf, schon ist es gelöst. Mr. Newhouse, denken Sie doch an den Zauber des Abenteuers, das Prickeln eines fremden Planeten! Sechs Monate vor dem Mast! Neue Sensationen! Romantik! Flackern gallonenweise! He, will noch jemand eine schnelle Ladung?«

»Warum gehen Sie dann nicht?«, fragte ich sanft.

»O Mann, ich geh' doch, ich geh' doch. Ich gehe mit Ihnen!«

2

Wir gehen an Bord

Der gesamte bewohnbare Bereich von Nullaqua liegt auf dem Grund eines gewaltigen Kraters von siebzig Meilen Tiefe und einem Durchmesser von fast durchgehend fünfhundert Meilen. Über neunzig Prozent der Atmosphäre des Planeten befinden sich in diesem riesigen Loch; der Rest des Planeten besitzt nur eine dünne Streuschicht aus Gasen und die Ruinen zweier Vorposten der Alten Kultur. Nach der allgemein anerkannten Theorie wurde der Krater vor Milliarden von Jahren durch ein konzentriertes Bombardement von Anti-Materie-Meteoriten ausgehöhlt. Einen jüngeren Planeten hätte es auseinanderbrechen lassen, aber zu jener Zeit bestand Nullaqua fast bis zum Kern aus fester Materie. Gewaltige Gasmengen waren von dem zerschmetterten Gestein freigesetzt worden. Danach hatten sich durch die Wirkung der Sonne auf Nullaquas nahezu luftleerer Atmosphäre unzählige Tonnen feinen Staubs in den Krater ergossen oder waren hineingeweht worden. Diese allmähliche, aber nie endende Wirkung, die auch jetzt noch anhielt, hatte Nullaqua einen Ozean aus nahezu atomisiertem Staub gegeben, der unsagbar viele Meilen tief war. Nullaqua erhielt eine zweite Chance, Leben zu tragen. Diesmal hatte der Planet Erfolg.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!