Der Sündenfall - Ortrud Grön - E-Book

Der Sündenfall E-Book

Ortrud Grön

0,0

Beschreibung

Der "Baum der Erkenntnis" im Alten Testament hat mich inspiriert, mich mit den Naturgleichnissen der Bibel tiefer auseinander zu setzen. Ich habe deshalb die Vorgänge der Natur auf die seelisch-geistige Ebene im Menschen gleichnishaft übertragen.Dabei zeigen die ausgewählten Gleichnisse, dass die Natur zur Veranschaulichung seelisch-geistiger Prozesse dient. Diese metaphorische Sicht öffnet tiefe Erkenntnisse für unsere Suche nach einem befreiten und kreativen Leben. Meine 40 jährige Traumforschung gab mir die Anregung dazu.In einem Traum vernahm ich: "Die Welt ist das Bilderbuch, in dem die Menschen lesen lernen können, den Geist Gottes zu suchen." Und in einem anderen Traum: "Ich bin der Wunsch, den ich verwirkliche, Wünsche sind Leben - sie sind der Samen, ich bin der Gärtner, ich bin der Gärtnermeiner Wünsche."Ortrud Grön

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 144

Veröffentlichungsjahr: 2014

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



© Verlag KOMPLETT-MEDIA GmbH

2014, München / Grünwald

www.der-wissens-verlag.de

ISBN (ebook) 978-3-8312-5741-6

Illustrationen: Luise Kloos, Graz

Design Cover: Heike Collip, Pfronten

Satz: Pinsker Druck und Medien, Mainburg

eBook-Herstellung und Auslieferung: HEROLD Auslieferung Service GmbHwww.herold-va.de

Dieses Werk sowie alle darin enthaltenen einzelnen Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen schriftlichen Zustimmung des Verlages. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen sowie für das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung.

Quelle der biblischen Texte:

„Die Heilige Schrift des alten und neuen Bundes.“

AT: übersetzt von Paul Riessler

NT: übersetzt von Rupert Stoor

Matthias Grünewald Verlag, Mainz (6. Auflage)

Ortrud Grön

DER SÜNDENFALL

EINE ANDERE SICHTWEISE AUF NATURGLEICHNISSE DER BIBEL

ein Weg zur Selbstbefreiung

Zum Geleit

Als Ortrud Grön mich fragte, ob ich ein Geleitwort zu diesem Buch schreiben wolle, habe ich gerne zugesagt, zum einen, weil ich die Autorin kenne und schätze, zum andern, weil ich ihre Absicht begrüße, biblische Texte als Gleichnisse zu lesen. Bereits in der Gründerphase der Psychologie des Unbewussten um 1900 begann man, Bibeltexte und religiöse Praktiken tiefenpsychologisch zu deuten. Manche Anhänger Sigmund Freuds und Carl Gustav Jungs, Psychologen wie Theologen, publizierten alsbald entsprechende Versuche. Etwas später entwickelte sich innerhalb der Theologie bei einer Reihe von Autoren die Einsicht, dass Religion und Theologie grundsätzlich symbolisch und gleichnishaft zu verstehen seien.

Der bekannte lutherische Theologe Wilhelm Stählin (1883 – 1975), seinerzeit Pfarrer, Religionspsychologe, Bischof und Universitätsprofessor, sprach vom „gleichnishaften Denken“ als Voraussetzung für das angemessene Verständnis der Bibel. Und sein etwas jüngerer Kollege Helmut Thielicke (1908 – 1986) bezeichnete die biblischen Gleichnisse als „Bilderbuch Gottes“. Einer der großen Theologen des zwanzigsten Jahrhunderts, Paul Tillich (1886 – 1965), hatte immer wieder auf das Symbol als die Sprache der Religion hingewiesen. In den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts kam mit dem Aufschwung der Pastoralpsychologie in der deutschsprachigen akademischen Theologie, nicht zuletzt unter dem Einfluss von Paul Ricoeur und Alfred Lorenzer, zunehmend die Absicht auf, biblische Texte tiefenpsychologisch auszulegen, das heißt, sie vom Unbewussten her zu verstehen. Allerdings eignet sich dazu nicht jeder Bibeltext. Besonders bekannt für die (in sich unterschiedliche) Praxis tiefenpsychologischer Auslegung der Bibel wurden Autoren wie Joachim Scharfenberg, Eugen Drewermann, Hartmut Raguse und (als Herausgeber) Yorick Spiegel.

Ortrud Grön, die u. a. bei Karlfried Graf Dürckheim gelernt und sich Jahrzehnte lang mit der Interpretation von Träumen und ihrer therapeutischen Anwendung beschäftigt hat, sucht nun biblische Themen und Texte heraus, die aus ihrer Sicht wie Träume im Gleichnis zu lesen sind. Es geht ihr um Gefühle und Gedanken, die in Einklang zu bringen sind, um den Weg ins Leben und in immer mehr Lebendigkeit bewusst zu gehen. Dabei muss der Träumende lernen, zwischen lebensförderlichen und destruktiven Tendenzen zu unterscheiden. Freiheit und Kreativität seien jene Grundbedürfnisse, die sich in Träumen melden und vor allem der Entwicklung bedürfen. Dieser Weg der Selbstwerdung sei ein Weg der „Selbsterlösung“, wie die Autorin sagt, und der Aussöhnung mit dem eigenen Selbst. Es geht um wachsende Eigenverantwortung. Die Natur schildere dazu alle Vorgänge in der Seele des Menschen, betont die Autorin. Der Weg dorthin wird allerdings durch Gottes Impulse, die sich in den Träumen symbolisieren, initiiert. Träume sind „Gottes vergessene Sprache“, wie das die Jungianer John A. Sanford und Helmut Hark nannten, die sich dafür zweifellos auf biblische Belege stützen konnten. So sieht es auch Ortrud Grön.

Den Weg der Selbstfindung sieht Ortrud Grön oft in Zahlen symbolisiert, die auch in der Bibel eine große Rolle spielen. Sie hat für deren Verständnis ein umfassendes System der Zahlensymbolik ausgearbeitet, das sie von Fall zu Fall im Buch erläutert und am Ende noch einmal genauer darstellt.

Leserin und Leser haben eine anregende Lektüre vor sich, die sie nicht zuletzt dazu anleitet, in der Bibel ihre eigenen Entdeckungen zu machen und dabei kritisch und selbstkritisch immer wieder ihrer eigenen Realität zu begegnen. Dass ihnen dabei Gott entgegen kommt, ist für Ortrud Grön selbstverständlich.

Ich wünsche viel Freude an der Symbolik der Bibel und des eigenen Lebens, zu der die Autorin hinführen möchte.

Fürth, im Februar 2014

Dietrich Stollberg

Prof. Dr. Dietrich Stollberg

Vorwort

Ortrud Grön hat über viele Jahre – in Gesprächskreisen, in Klöstern, in ihrer Klinik – Gespräche mit gesunden oder mit erschöpften oder mit ernsthaft erkrankten Menschen geführt über Spiritualität, Glauben oder Glaubenwollen oder nicht mehr Glaubenkönnen. Auch praktizierende und lehrende Theologen waren darunter. Diese Gespräche berührten auch die Frage nach dem Zeitgemäßen, nach der notwendigen Menschennähe überkommener kirchlicher Deutungen zentraler biblischer Botschaften, die Hintergründe einer oft schmerzlich gefühlten spirituellen Verarmung oder Distanzierung.

In vielen Gesprächen schwang die Frage danach mit, was die „Bibel“, die 1800 bis 2800 Jahre alte Textsammlung aus dem vorderen Orient, angesiedelt in der geographischen, kulturellen und geistigen Brücke zwischen

-  der Religiosität des antiken Ägypten im Süden,

-  den religiösen und kulturellen Vorstellungen der mesopotamischen, jüdischen und phönizischen Ackerbau- und Stadtkulturen in der zentralen und östlichen Mitte und

-  dem geistigen Erbe des griechisch - römischen Hellenismus im Norden und Westen, dem heutigen Menschen im Innersten zu sagen habe. Und zwar ganz ohne den schon immer mächtigen Anspruch von Traditionen und kirchlicher Deutungshoheit.

Ortrud Grön hat, unter Heranziehung ihrer 40-jährigen Traumarbeit mit höchst unterschiedlichen Menschen und sich selbst, in diesem kleinen, aber ungemein konzentrierten spirituellen Buch die überraschend klare, zeitlos gültige Botschaft der zentralen Bibeltexte offen gelegt.

Es geht Ortrud Grön darin immer um den innersten Auftrag an uns Menschen, an uns selbst: unsere tiefsten kreativen und freiheitlichen Entwicklungswünsche, unsere Wünsche und unsere Wege nach Harmonisierung und Versöhnung mit uns selbst und unserer persönlichen Geschichte zu erkennen, die Hilfen unserer spirituellen Einbindung zu nutzen und die Verwirklichung in eigener geistiger und emotionaler Übereinstimmung wirklich zu wagen und darin nicht abzulassen.

Prof. em. Friedrich Wilhelm Schwartz, München

Inhaltsverzeichnis

Für Menschen, die nicht an Gott glauben können

Für Menschen, die dem Geist Gottes vertrauen

Interview Heide Nullmeyer mit Ortrud Grön

Schritte auf dem Weg zur Freiheit und Kreativität in Gleichnissen der Bibel

Auf dem Weg zum Baum der Erkenntnis

Zum Sämann

Zu Mann und Frau in der Schöpfungsgeschichte

Der Sündenfall

Die Taufe und der Heilige Geist

Das Lamm

Zur Zahlensymbolik 1 - 9

Zur Kreuzigung

Jona im Wal

Zur Auferstehung

Fisch und Fischer

Die drei Neunheiten als Basiszahlen für den Weg zur Freiheit und Kreativität

Zum Regenbogen

Das Gleichnis vom Weinstock und dem Weingärtner

Gleichnis vom Arbeiter im Weinberg

Zur Liebe

Gott und Mensch

Rückblick in Traumtexten zum Lebensweg des Menschen

Anhang Zahlensymbolik

Träume im Spiegel von Naturgesetzen

Für Menschen, die nicht an Gott glauben können

Sie fragen sich, wer kann eigentlich beweisen, dass es Gott gibt? In diesem Zweifel leben viele Menschen. Deshalb hier noch einige Anregungen, die vielleicht nachdenklich machen. In einem Traum hörte ich einmal den Hinweis:

Gott kann nicht nur gefühlt, sondern muss auch gedacht werden dürfen.

Für mich ist der ganze Kosmos erfüllt mit dem göttlichen Geist und ich denke, die Immanenz Gottes durchdringt die materielle Welt der Natur ebenso wie die geistige Entwicklung des Menschen. Denn wenn wir Menschen logisch denken müssen, um die biologische Ordnung der Erde zu erforschen, dann muss die Natur in ihrer Gesetzmäßigkeit zwischen Ursache und Wirkung logisch erdacht worden sein. Und das lange bevor der Mensch entstand.

Und so frage ich: Wer hat da gedacht?

Genügt es wirklich als wissenschaftliche Erklärung, wenn Darwin von „Zufall“ spricht? Als ich mich damit auseinandersetzte, woher die Träume kommen, empfing ich den folgenden Traumtext:

Es ist so, dass es keine Welt des Stofflichen gibt, die nicht ihre Entsprechung auf der spirituellen Ebene hat. Sie ist die eigentliche Ebene.

Das betonte auch der Traumtext, in dem es hieß:

Die Natur beschreibt alle Vorgänge in der Seele des Menschen – bis hin zur Bekämpfung der lebensvernichtenden Zustände.

Und so konzentrierte ich mich auf die Frage: Kann ich in Träumen wahrnehmen, dass die materielle Welt erschaffen wurde, um die immaterielle geistige Welt erkennen zu lernen?

Unter dieser Prämisse habe ich 40 Jahre lang meine eigenen Träume und die von vielen anderen Menschen erforscht. Durchgehend ergab sich, dass der Traum in einer Gleichnissprache spricht, mit dem Ziel, die gestörte Harmonie im Menschen und die Befreiungswege daraus sichtbar zu machen. Natürlich begegnete ich dabei immer wieder der Frage, woher kommen die Träume? Freud und Jung meinten, die Träume kämen aus dem Unbewussten.

Wie aber soll man sich das Unbewusste als Traumschöpfer vorstellen?

Wenn unser persönliches Unbewusste so intelligent, so wissend ist, dass es uns in einer Gleichnissprache verschlüsselt zeigt, wie wir unser Leben noch stören, dann würden wir doch ein immenses Wissen von uns selbst und vom Lebensgeist haben.

Wozu brauche ich dann das zweite lernende Ich, wenn ich doch schon alles weiß?

Wenn jeder Mensch aus der unüberschaubaren Fülle von Möglichkeiten genau die Bilder bekommt, die ihm unbewusst Gebliebenes bewusst machen wollen, dann weist indirekt Jungs Begriff des kollektiven Unbewussten doch schon auf eine spirituelle Quelle der Traumbotschaften hin, denn wer wählt die Traumbilder aus?

Der Mensch entwickelt sich aufgrund von Bedürfnissen und Wünschen, fühlend und denkend sucht er sich die Erfüllung für sein Leben. Die nachfolgenden Kapitel zeigen, wie negative Gefühle ihn darauf aufmerksam machen, dass etwas nicht stimmig ist und er seine Ansichten und Handlungen überprüfen muss. Wir schicken uns aber diese negativen Gefühle doch nicht selbst?!

Meine Frage: Wer entscheidet, dass sie uns „heimsuchen“?

In einem Traumtext hieß es dazu:

Es sind die disharmonischen Gefühle, die den Weg öffnen. Sie sind nur dazu da, den göttlichen Kern des Menschen frei zu legen.

Immer, wenn wir eine harmonische Lösung gefunden haben, erfüllen wir die Aufgabe, die uns das Leben aufgrund unseres Triebes nach Leben stellt. Er drängt uns, zufrieden oder gar glücklich werden zu wollen. Mit Hilfe unseres Lebenstriebes sind wir somit ständig unterwegs, die Wahrheit von Leben in uns zu entwickeln. Träume greifen die widersprüchlichsten Gefühle und Gedanken auf und gestalten daraus

dramatische Dichtungen zu unserer Schwierigkeit zu reifen.

Meine Frage ist darum: Wäre es nicht total unlogisch, zu denken, dass ich selbst der Dramatiker meines Nichtwissens bin und eine Folge von Handlungen inszeniere, die mich auf mein Fehlverhalten hinweisen?

Nach jahrzehntelangen Erfahrungen kann ich nur feststellen: Träume fordern uns zu einer Selbsterkenntnis auf, die wir noch nicht haben. Und Träume sind deshalb in Bildinhalten verschlüsselt, damit der Träumer im Erspüren und Erdenken dieser Bilder innig und aufrichtig mit sich selbst in Kontakt kommt. Träume sind eine Schule, in der wir lernen, die Liebe zum Schöpferischen in uns selbst zu befreien und zu gestalten. Dabei kann uns nur der schöpferische Geist des Lebens begleiten und dieser schöpferische Geist, so sagt ein Traum, lebt als ein Göttliches Du in jedem Menschen.

Zur spirituellen Bedeutung von Träumen haben sich Philosophen schon immer geäußert. Dazu ein paar Beispiele.

Der Traum ist die Pforte des Werdenden zum Seienden.

(Friedrich Hebbel)

Das Leben und die Träume sind Blätter eines und des nämlichen Buches.

Das Lesen im Zusammenhang heißt wirkliches Leben.

(Arthur Schopenhauer)

Der Traum hat nichts zu tun mit den Erfindungen der Phantasie, wie wir das im Wachen üben, sondern die Gestalten und Gegebenheiten kommen fertig auf uns zu. Das ist das völlig Rätselhafte und Unheimliche. Man muss das Wesen der Träume studieren; es steht dicht hinter ihnen und wird den Menschen eines Tages erreichbar und eine ungeheure Entdekkung über das Wesen der Schöpfung sein.

(Gustav Frenssen)

Die Zeit, die wir der Ruhe widmen, wie die Natur es vorgesehen hat, bringt uns zugleich mit dem Schlaf eine wertvollere Beigabe als den Schlaf selbst. Diese Naturgegebenheit wird eine Quelle des Vergnügens und wir schlafen nicht nur, um am Leben zu bleiben, sondern damit wir lernen, richtig zu leben. ….Der Schlaf bietet sich allen an, er ist ein Orakel, das immer bereit ist, unser unfehlbarer und stiller Berater zu sein. Bei diesen Mysterien von neuer Art ist jeder zugleich Priester und Initiant. (Synesios von Kyrene)

Warum haben nur so viele Menschen eine Scheu, in der Schöpfung der Natur – in ihrer wunderbaren Vielfalt und Gesetzmäßigkeit -, auch den Schöpfer zu suchen? Wenn sich die Natur aus sich selbst heraus entwickelt hätte, wäre die Natur nicht der materielle Ausdruck des göttlichen Geistes, sondern die Natur müsste der schöpferische Geist ihrer selbst sein. Die Konsequenz daraus wäre, dass die Natur sich den Menschen ausgedacht hätte – wozu aber? Sie ist sich selbst genug.

Ist nicht der Mensch vielmehr der Schüler der Natur, der ständig dazu lernen muss, wenn er sie nutzen und nicht zerstören will? Wozu also sollte die Natur den Menschen erschaffen haben? In der Evolution bleibt der Sprung zum Menschen, der sich seine Natur bewusst machen muss, anstatt instinktiv wie die Natur zu leben, biologisch ein Rätsel. Deshalb muss eine höhere geistige Kraft wirksam sein, die unsere Bewusstheit für das Bewusstwerden von Leben herausfordert. Der Sprung in der Evolution der Natur zum Bewusstsein und zur Sprachfähigkeit des Menschen bleibt somit ein Geheimnis.

Könnte nicht die Natur vielmehr der materielle Ausdruck eines Weltgeistes sein, der die schöpferische Idee verfolgt, sich Wesen zu erschaffen, die das von ihm erschaffene Leben lieben und mitgestalten? Denn die Liebe zum Leben, frei und schöpferisch zu werden, ist doch der Geist, der durch die Träume weht.

Als ich anfing, mein erstes Buch zu schreiben, träumte ich:

Ich bin in einem Raum und sehe dort plötzlich eine Schar Mücken aufsteigen. Dann nehme ich einen Strauß weißer Pfingstrosen wahr, die etwas rötlich gefärbt sind und dazu höre ich den Satz: Zwei Zeitgeister stoßen aufeinander.

Der Traum konfrontierte mich damit, zu blutleer zu schreiben. Dafür steht der Mückenschwarm. Mücken saugen bekanntlich Blut aus uns Menschen. Ich hatte damals Angst, dem in rein materiellem Denken verhafteten Zeitgeist vielleicht nicht zu genügen und schrieb um der Sachlichkeit willen zu blutleer. Die weißen Pfingstrosen mit der leicht rötlichen Färbung aber sagten mir: Pfingsten ist ein hochspirituelles Fest und du weißt, was Spiritualität ist. Verleugne deine Liebe dazu nicht und schreibe so, wie dir ums Herz ist. Die leicht rötliche Färbung beschreibt meinen noch zögerlichen Aufbruch dahin. Die zwei Zeitgeister, der rein materielle und der spirituelle Denkansatz zum Leben, müssen aufeinander stoßen, damit ein Austausch stattfindet. Nur so können beide zu einer einzigen Wahrheit verschmelzen.

Ich möchte auch noch Gedanken von Hans Küng aus seinem Buch „Der Anfang aller Dinge“ einbeziehen, die er sich über das Gleichnis zwischen dem Sonnenlicht und dem Geheimnis Gottes macht. Er berichtet darin, dass der Atomphysiker Niels Bohr für das Licht, das widersprüchliche Eigenschaften zu haben scheint, weil es sich manchmal als Welle und manchmal als Quantenteilchen zeigt, den Begriff „Komplementarität“ eingeführt hat. Er sagt: „Beide gegensätzlichen Bilder braucht es, um das Geheimnis des Lichts zu beschreiben.“ Und ich denke, solche Komplementarität gegensätzlicher Begriffe braucht es auch, um das Geheimnis Gottes zu umschreiben.

Und so frage ich: könnten nicht Geist und Materie ein sich gegenseitig bedingendes komplementäres Paar sein? Das heißt, könnte die Materie nicht einen schöpferischen Geist offenbaren, einen Geist, der das ganze Weltall bewegt und uns im Rahmen unserer Erde die Aufgabe stellt, selbst schöpferisch zu werden?

Der Naturwissenschaftler und Jesuitenpater Teilhard de Chardin versuchte schon in der Mitte des vorigen Jahrhunderts, Naturwissenschaft und Religion in Übereinstimmung zu bringen, indem er sagte: „Es gibt in der Welt weder Geist noch Materie, der Stoff des Universums ist Geist-Materie.“ Und er fragte sich: „Steckt hinter der Evolution des Menschen ein geistiges Programm, ein Ziel? Erweitert sich das menschliche Bewusstsein zu höherer Intelligenz und Spiritualität?“ Und kam zu dem Schluss, „die Menschheit ist auf etwas ausgerichtet, das größer ist als sie selbst.“

In diese Debatte brachte sich schon 1814 Gotthilf Heinrich von Schubert ein: in seiner Schrift „Symbolik des Traumes“ bezeichnet er den Traum als Wegweiser zur verlorenen Sprache der Natur. Er sah die Traumbilder als Bilder einer göttlichen Offenbarung, die eine verborgene Logik des Unbewussten ausdrücken.

Und Albert Einstein zeigte den Weg, auf dem wir uns Schritt für Schritt der Beziehung zwischen Geist und Materie nähern können, als er sagte: „Alles was wirklich zählt, ist Intuition. Der intuitive Geist ist ein heiliges Geschenk und der rationale Geist sein treuer Diener. Wir haben eine Gesellschaft erschaffen, die den Diener ehrt und das Geschenk vergessen hat.“

Der Querdenker John Carew Eccles (1903-1997), der für seine neurologische Forschung 1963 den Nobel-Preis erhielt, wurde noch deutlicher: „Da unsere erlebte Einmaligkeit mit materialistischen Lösungsvorschlägen nicht zu erklären ist, bin ich gezwungen, die Einzigartigkeit des Selbst oder der Seele auf eine übernatürliche spirituelle Schöpfung zurück zu führen….“ Und weiter stellte er fest, dass die biologische Evolution sich selbst transzendiert, indem sie mit dem menschlichen Gehirn die materielle Basis für selbstbewusste Wesen schafft, deren Natur es ist, nach Hoffnung zu streben und nach Sinn zu forschen auf der Suche nach Liebe, Wahrheit und Schönheit. Diese Gedanken hat John C. Eccles noch weiter entwickelt, als er sich zu der Vorstellung bekannte, dass wir einem immanenten Gott unser Dasein verdanken, einem Gott, der uns innewohnt.

In einer Nacht hörte ich diese Worte:

Es hat sich nicht geändert der Mensch seit er auf der Welt ist, so sagen es die Menschen selbst.

Doch es stimmt nicht.

Er ist ja mehr als sein Erscheinungsbild.

Er ist vielgestaltiger.

Er ist nicht Gott, aber er empfängt Gottes Dasein in sich selbst.

Der Weg dahin ist weit. Braucht er mehrere Leben? In einem Traum hieß es zu dem schwierigen Erkenntnisweg von Leben:

Alle Grausamkeit auf der Welt ist ein Nichtwissen. Der Mensch übersteigt die Natur durch Liebe.