Der Traum vom eigenen Hotel - Ute Rieger - E-Book

Der Traum vom eigenen Hotel E-Book

Ute Rieger

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Beschreibung

Der Traum vom eigenen Hotel Eine Gebrauchsanweisung

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Seitenzahl: 220

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Inhalt

Prolog

10 gute Gründe, ein Hotel zu eröffnen

Erstens: Der Eintritt ist frei!

Zweitens: Eine eigene Welt!

Drittens: Weil man in bester Gesellschaft ist

Viertens: Leben, wo andere Urlaub machen

Fünftens: Das Gästebuch und andere Medien

Sechstens: Ich bau mir ein Schloss!

Siebtens: Hotels sind sexy

Achtens: Weil man die Nase vorn haben darf

Neuntens: Verwöhnen macht Spaß

Zehntens: All das Glück!

Vom Traum zur Realität

Es wird! Die Idee nimmt Gestalt an

Lage! Lage! Lage!

Exkurs: Einfach machen! Das Kubatzki

Kaufen oder pachten?

Das Konzept

Exkurs: Einfach machen! Der Pharisäerhof

Der Name

Pläne machen

Der Finanzplan

Der Marketing- und Vertriebsplan

Exkurs: Einfach machen! Seemannsbraut

Die Finanzierung

Bauen, Umbauen, Einrichten

Exkurs: Einfach machen! Villa WellenRausch

Mitarbeiter

Die Eröffnung

Sich verankern

Exkurs: Einfach machen! Haus am Landsende

Wenn Träume groß werden

Kleiner Krisenhelfer

Die Autoren

Prolog: Der Traum

Es ist der zweite oder dritte Urlaubstag. Du bist ausgeschlafen und genießt dein Frühstück auf der Hotelterrasse. Leise Loungerhythmen legen sich über die Szenerie, und in deinem Kopf macht sich diese herrliche Leere breit, die sich das nur im Urlaub traut. Die Sonne scheint dir ins Gesicht, du musst blinzeln. Deine Sonnenbrille liegt noch auf dem Zimmer, aber das macht nichts. Du schließt die Augen und hältst dein Gesicht in die Sonne. Das Licht dringt dir durch die Lider und taucht dein Leben in Gold.

Eine Weile sitzt du nur da und genießt den Moment. Als du die Augen wieder öffnest, brauchen sie eine Weile, um sich zurechtzufinden. Die Gestalt auf der anderen Seite des Tisches wird wohl eine optische Täuschung sein. Du reibst dir die Augen, doch sie ist immer noch da. Sehr klein zwar, aber unübersehbar sitzt sie auf dem Stuhl dir gegenüber, die Nase erreicht gerade mal die Tischkante. „Darf ich?“, fragt die winzige Gestalt höflich und zeigt auf das Champagnerglas vor dir.

Sprachlos schiebst du es über den Tisch. Dabei fällt dir auf, wie hübsch dein ungebetener Gast doch ist. Die Sonne im Rücken lässt ihn noch mehr strahlen als es seine Schönheit schon tut. Die kleinen Finger greifen das Glas und führen es an die zarten Lippen.

„Schön hier, nicht wahr?“

Du nickst, deinen Mund bekommst du immer noch nicht auf. So verblüfft bist du von dem Auftritt des kleinen Wesens. Immerhin gelingt es dir, den Blick von ihm loszureißen. Du lässt ihn kurz schweifen und atmest tief durch.

„Das könntest du immer haben“, sagt dein Gegenüber.

Langsam dämmert dir, wer da vor dir sitzt. Es ist einer dieser Typen, die ihr halbes Leben im Hotel verbringen und jeden anquatschen, der aussieht, als würde er seine Gesellschaft suchen. Es ist: der Traum vom eigenen Hotel. Du musst schmunzeln, nimmst das Glas wieder an dich und lehnst dich entspannt zurück. „Na, dann lass mal hören!“

Der kleine Traum lässt sich nicht zweimal bitten. Er nimmt Haltung an, legt die Hände flach auf den Tisch und schaut dir fest ins Gesicht.

„Wo wollen wir anfangen?“, fragt er und wartet die Antwort gar nicht erst ab, „natürlich, die Lage! Meer oder Berge? Stadt oder Einsamkeit? Und wie groß? Mit Pool oder ohne?“

Wie die Perlen im Glas an die Oberfläche sprudeln die Fragen aus der kleinen Gestalt heraus. Die Antworten sind erstaunlicherweise genauso schnell gefunden. „Meer natürlich!“, „Nicht so groß!“, „Kein Pool, dafür eigener Strand!“

Das eigene Hotel nimmt schneller Formen an, als sich die Champagnerflasche leeren kann. Schon siehst du es vor dir – und dich selbst als Hotelier mitten drin. „Also deinen Job kannst du gleich mal kündigen!“, hörst du den Traum flöten, „vergiss die launische Kollegin, den ständigen Termindruck, die E-Mails vom Chef nach Feierabend, den Stau nach der Arbeit. Das bist du alles los!“ Mit feierlicher Geste streckt die Gestalt die Arme in die Luft als gäbe es ein Tor zu bejubeln.

Es ist erstaunlich: Je mehr der kleine Traum redet, desto größer wird er. Mit jeder neuen Idee scheint er zu wachsen. Schon hat sein Kopf das Ende der Stuhllehne erreicht, klopft seine Hand lässig auf den Tisch. Auch seine Hautfarbe hat sich verändert. Die vornehme Blässe um die Nase ist weg, rot strahlen die Bäckchen.

Du hast dich lange nicht mehr so gut unterhalten. Die Stunden verfliegen, der Service räumt das Büfett ab und du schaust erschrocken auf die Uhr. Du wolltest doch an den Strand. Schnell machst du dich auf. Der Traum bleibt am Tisch sitzen und winkt. „Bis Morgen!“, ruft er fröhlich.

Von nun an sitzt der Traum immer mit am Tisch. Manchmal kommt er sogar mit auf deine Ausflüge oder abends an die Bar. Du hast ihn gern dabei. Es lässt sich wunderbar mit ihm abhängen und ja, träumen. Manchmal sitzt du einfach nur da und schaust in sein schönes Gesicht, während er lustig weiter plaudert.

Doch irgendwann fährst du heim und der Traum bleibt da. Es ist ein Abschied wie von einer schönen Urlaubsromanze, die im Alltag nicht bestehen wird. Sieht man sich wieder? Ja, nein, vielleicht.

Zurück in deinem alten Leben musst du noch oft an den Traum denken. Wenn du zur Arbeit hastest, zum Beispiel; wenn sich die vielen Stunden im Büro wie Berge vor dir auftürmen und du weißt, dass du die Sonne wieder mal nicht sehen wirst. Dann sitzt der kleine Traum plötzlich neben dir im Bus und raunt dir zu: „Du musst das nicht tun! Du weißt doch …“. Freundlich tätschelst du ihn und sagst: „Danke, dass du mich daran erinnerst.“ Du steigst aus, der Traum fährt weiter. Lachend winkst du ihm nach.

Manchmal kommt der Traum zum Fernsehgucken vorbei. Er liebt Filme, die in Grand Hotels spielen oder in verträumten Pensionen. Wenn dort Hoteliers unter Palmen wandeln und offenbar nichts Besseres zu tun haben, als sich in das Liebesleben ihrer Gäste einzumischen, kichert er leise. Manchmal schlüpft er mit ins Bett und hält dich noch eine Weile wach, bis du in seinen Armen selig einschlummerst.

Inzwischen pflegt ihr eine dieser modernen Beziehungen, die man „on-off“ nennt, oder „stand-by“. Wenn man den anderen braucht, weil man etwas Spaß haben will oder Trost möchte, ist er da. Für den Traum ist das ok, er macht das mit. Schließlich pflegt er noch andere Beziehungen, das macht es ihm leicht.

Doch wie das so ist mit offenen Beziehungen: Eines Tages kommt der Punkt, wo man erkennt, dass es Liebe ist – oder zu banal, um sich weiter zu treffen. Und dann willst du plötzlich mehr. Möchtest was Festes, Ernstes. Aus dem Traum soll Realität werden! Da guckt der Traum etwas erschrocken aus der Wäsche, so wie der Frosch, den die Prinzessin plötzlich doch küssen will, nachdem sie sich so lange zierte. „Ok“, sagt er dann entschlossen, kneift die Augen zusammen und spitzt den Mund: „Küss mich!“

Und hier beginnt die Geschichte.

10 gute Gründe, ein Hotel zu eröffnen

Erstens: Der Eintritt ist frei!

Das Schöne am Traum vom eigenen Hotel: Jeder darf ihn träumen, ohne Spott zu ernten! Hotelier wird man nämlich sehr viel einfacher als, sagen wir, Profifußballer, Prinzessin oder Bestseller-Autor. Man braucht weder ein besonderes Talent, noch jahrelanges Training oder ein paar Millionen auf dem Konto. Das Hotelbusiness ist ideal für Quereinsteiger und Menschen mit unruhigen Lebensläufen.

Und wer hat nicht schon alles ein Hotel eröffnet! Abba-Sänger Benny Andersson betreibt das „Hotel Rival“ in Stockholm, Fußball-Gott Cristiano Ronaldo das „CR7“ auf Madeira. Auch die früheren Berufe legendärer Hoteliers sind bemerkenswert: Tischler hat Lorenz Adlon einst gelernt, Eduard Sacher war Konditor. In diesem Buch wird ein Binnenschiffer aus Hamburg erzählen, wie er seinen Beruf an den Nagel hängte, um ein Hotel für Hunde und seine Halter zu eröffnen und eine Bankerin aus Frankfurt, wie sie ein Yoga-Hotel gründete. „Jeder Mensch ist ein Hotelier“, möchte man in Abwandlung von Joseph Beuys da sagen. Und es stimmt: Kaum ein Beruf ist so leicht zu ergreifen wie der des Hoteliers. Man muss eigentlich nur die Ärmel hochkrempeln.

Allerdings: Ein bisschen sollte man schon mitbringen. „Eine gewisse Begabung und ein besonderes Flair“ brauche man, erklärte sein Patron dem jungen César Ritz (1850-1918) nach dessen erstem Lehrjahr im „Hotel Couronne et Poste“ in Brig, um ihm im selben Atemzug zu bescheinigen: „Die gehen dir vollkommen ab! Aus dir wird nie etwas in der Hotellerie!“ Die Geschichte sollte den Patron eines Besseren belehren. Nach seinem Rausschmiss ging der Bauernsohn aus dem Wallis nach Paris, wo er sich innerhalb kürzester Zeit vom Schuhputzer zum gefragtesten Kellner der Stadt hochschuftete. Sein Geheimnis war nicht allein seine Schnelligkeit: Er beobachtete seine Gäste genau und merkte sich deren Vorlieben, um sie später ungefragt damit zu überraschen – etwa dass Edward, Prince of Wales, sein Steak gut durchgebraten mochte, nach dem Essen eine leichte Havanna wünschte und den Wiener Walzer liebte. Mit seiner Aufmerksamkeit begeisterte er nicht nur den späteren britischen König (der ihn irgendwann nur noch zugeraunt haben soll: „Mein lieber César, Sie wissen besser, was mir schmeckt, als ich selbst. Stellen Sie mir ein Menü zusammen, das mir Freude macht.“), sondern zum Beispiel auch den alten Oberst Alphons Pfyffer. Dieser engagierte Ritz als Hoteldirektor seines Hotels „National“ in Luzern und ließ ihn mit seinem Vermögen anstellen, was der für richtig hielt. Ritz, der inzwischen nur zu gut wusste, was die reichen Leute liebten, machte das Hotel zu einem der besten in Europa und übernahm daraufhin weitere Direktorenposten in London, Aix-les-Bains, Rom, Frankfurt, Wiesbaden, Biarritz und Paris. Zuweilen managte er mehr als zehn Häuser gleichzeitig – darunter die besten Adressen Europas. 1897 schuf er mit dem ersten Hotel, das seinen Namen trug, dem „Ritz“ in Paris am Place Vendôme, sein Meisterwerk – und erfand damit mal eben die moderne Hotellerie. „Hotelier der Könige und König der Hoteliers“, nannte ihn der damalige Prince of Wales. Und wie einen König behandelte Ritz jeden seiner Gäste. Das war seine Philosophie.

Keine Frage: Ritz hatte drauf, was wir die 4 M’s nennen: „Man muss Menschen mögen!“ Diese Eigenschaft sollte wirklich jeder mitbringen, der in der Hotellerie glücklich und erfolgreich werden will. Klingt einfach, sagen Sie? Tut das nicht jeder? Nun, es sagen auch viele, sie seien tierlieb – bis die dicke Spinne auf die Picknickdecke krabbelt. Auch die Menschenliebe kommt schnell an ihre Grenzen: etwa wenn der Hotelgast nach einer kräftezehrenden Anreise glaubt, er müsste seinen Frust am Rezeptionisten auslassen. Dabei steht der selbst schon 12 Stunden auf den Beinen und sein Nervenkostüm ist so dünn wie ein Negligé von Victoria Secret. Dann heißt es: Verständnis haben für den Gast, sich in ihn einfühlen. Oder einmal tief durchatmen und an Ritz denken, der stets zu sagen pflegte: „Der Gast hat immer recht.“ Dann erübrigt sich jede Diskussion. Die vier M’s gelten übrigens nicht nur für die Gäste, sondern auch den Mitarbeitern gegenüber. Im laufenden Hotelbetrieb geht es schon mal sehr stressig zu, schnell passieren Fehler. Wer dann Verständnis zeigt, statt aus der Haut zu fahren, hat die Situation im Griff.

Zu den vier M‘s gesellt sich noch ein fünftes: Mut braucht man! Natürlich. Ohne Mut geht keine Existenzgründung! Was sonst noch von Vorteil ist, fasst folgende Checkliste zusammen. Also: Hand aufs Herz und tief in sich hineingehorcht: Tauge ich zum Hotelier?

Checkpoint

Bin ich fit genug für das Hotelgeschäft: Bin ich gesund und belastbar?

Ja ☐ Nein ☐

Treffe ich gern Entscheidungen und stehe dazu, auch wenn die Umsetzung schwierig wird?

Ja ☐ Nein ☐

Verfüge ich über ausreichend Empathie, um auch mit den schwierigsten Hotelgästen klarzukommen?

Ja ☐ Nein ☐

Kann ich mit der finanziellen Last leben und ein paar schlaflose Nächte locker wegstecken?

Ja ☐ Nein ☐

Bin ich offen für den Rat von Experten, lasse mich aber nicht so schnell aus dem Konzept bringen?

Ja ☐ Nein ☐

Bin ich tolerant?

Ja ☐ Nein ☐

Liebe ich das Risiko?

Ja ☐ Nein ☐

Schaffe ich es, mich durchzusetzen, auch gegen heftige Widerstände?

Ja ☐ Nein ☐

Steht meine Familie hinter mir und unterstützt mich, so gut es geht?

Ja ☐ Nein ☐

Komme ich bei anderen gut an, wirke ich positiv und offen?

Ja ☐ Nein ☐

Fällt es mir leicht, mit anderen in Kontakt zu kommen?

Ja ☐ Nein ☐

Fast überall mit „Ja“ geantwortet? Glückwunsch, weiter geht’s! Es sind noch einige „nein“ dabei? Nun, was nicht ist, kann ja noch werden. Siehe Ritz.

Zweitens: Eine eigene Welt!

Wann hat man schon mal die Chance, seine eigene Welt zu erschaffen? Wenn man nicht zufällig Filmregisseur, Romanautor oder der Diktator eines abgeschotteten Landes ist, sieht es in der Regel schlecht damit aus. Es sei denn, man wird Hotelier: Denn dann gestaltet man sie nämlich tatsächlich – seine eigene kleine Welt. Und setzt sich selbst an deren Spitze.

Wer nun ruft, das sei vermessen und ein Hotel nichts weiter als ein Haus mit Zimmern und einer Lobby, sollte mal kurz ins Bücherregal schauen. Vielleicht steht dort „Menschen im Hotel“ von Vicky Baum aus dem Jahr 1929 oder „Hotel Savoy“ von Joseph Roth aus dem Jahr 1924. Hier bildet jeweils ein Hotel den Rahmen für Dramen, bietet der Mikrokosmos mit seinen eigenen Regeln, Hierarchien und den ständig wechselnden Protagonisten Stoff für ganze Romane. Vicky Baums Roman um die alternde Ballettdiva Grusinskaya wurde so erfolgreich, dass Hollywood ihn mit Greta Garbo verfilmte. Später griff die Autorin, die für die Recherchen zu ihrem Hotel-Bestseller übrigens wochenlang als Zimmermädchen in einem Berliner Luxushotel gearbeitet hatte, erneut auf das Rezept zurück: in dem Roman „Hotel Shanghai“. Roth wiederum gefiel es so gut im Hotel, dass er nie eine eigene Wohnung wollte. Ab seinem 18. Lebensjahr wohnte er in Hotelzimmern in Wien, Berlin, Moskau oder Paris. „Ich will hier heimisch sein, aber nicht zu Hause. Ich möchte kommen und gehen, kommen und gehen.“ Dass die Menschen um ihn herum dies ebenfalls tun und sich noch dazu alle ein bisschen wie Romanfiguren verhalten, indem sie immer irgendetwas zu suchen scheinen, und sei es auch nur etwas Ruhe, hilft einem Schriftsteller bestimmt bei der Arbeit.

Auch für Bühnenstücke eignet sich das Hotel natürlich hervorragend. Die Operette „Im weißen Rössl“ kommt einem hier sofort in den Sinn, vermutlich wegen der vielen Ohrwürmer, die sie hervorgebracht hat („Was kann der Sigismund dafür, dass er so schön ist?“). Und auch Filmemacher, die sowieso gern so wenige Drehorte wie möglich haben, schätzen das Hotel als Kulisse. Eines der jüngeren Beispiele ist „Grand Budapest Hotel“, jene schräg-charmante Historiensatire in knalligen Bonbonfarben, die den Zuschauer nach 100 äußerst unterhaltsamen Minuten mit dem einzigen Wunsch entlässt, der Regisseur Wes Andersen möge doch auch in der realen Welt ein Hotel eröffnen, man würde sofort einchecken. Und hätte es schon zu seinen Lebzeiten Hotels gegeben – William Shakespeare (1564-1616) hätte sich auf das Leben im Hotel sicher auch diverse Reime gemacht. Doch erst 1769 wurde in England das erste Hotel eröffnet. Es steht übrigens noch heute.

Nun ist ein Hotel natürlich per se schon eine Welt für sich – womit sich die Frage aufdrängt, wie sehr der Hotelier da eigentlich noch kreativ sein muss. Die Antwort lautet: sehr! Denn Hotels sind am erfolgreichsten, wenn sie von vornherein gut durchdacht sind, ein klares Konzept verfolgen, eine stringente Linie haben, eben: eine eigene kleine Welt schaffen, von Anfang an. Nur so stechen sie aus der Masse heraus und werden interessant für Gäste, die sich im Urlaub gern überraschen lassen wollen. Dazu später mehr.

Drittens: Weil man in bester Gesellschaft ist

Tilla rümpfte die Nase. Kaum war sie ein paar Tage in Paris, schon hatte Gatte Ludwig eine „Wanzenburg“ an der Backe: einen alten, großen Kasten an der Adria, der ebenso wie der Kurort Abbazia, heute Opatija, schon sehr viel bessere Zeiten gesehen hatte. Wir schreiben das Jahr 1936 und das verwahrloste Haus sollte dem Ehepaar Katzenellenbogen aus Berlin eine neue finanzielle Perspektive bieten. Das tat es auch, das „Hotel Cristallo“ wurde ein großer Erfolg. Denn die frisch gebackene Hoteliersfrau war keine geringere als Tilla Durieux, eine der schillerndsten Schauspielerinnen des frühen 20. Jahrhunderts. Und ihr Hotel – nichts geringeres als der europäische Prototyp einer neuen Hotelsparte: des Promi geführten Hotels.

Wer hat die Durieux nicht alles gemalt: Max Liebermann, Lovis Corinth, Oskar Kokoschka – sogar Renoir fertigte im Jahr 1914 ein Porträt der Durieux, da hatte die Gicht seine Hände bereits so fest im Griff, dass die Pflegerin den Pinsel an seiner Hand festbinden musste. In ihrem Salon in Berlin gingen die Künstler und Intellektuellen des Landes ein und aus – mit Rosa Luxemburg, zum Beispiel, verband sie eine tiefe Freundschaft – und auf den Bühnen Berlins spielte die Durieux eine große Rolle nach der nächsten. Theatralisches gab es auch in ihrem Privatleben. Als sie im Januar 1926 nach 16 Ehejahren mit dem Galeristen Paul Cassirer die Scheidungspapiere unterschreiben wollte, schoss dieser sich im Nebenraum eine Kugel ins Herz. „Jetzt bleibst du aber bei mir“, hauchte er und starb wenige Tage später im Krankenhaus. Vier Jahre später heiratete sie den jüdischen Unternehmer Ludwig Katzenellenbogen. Als die Nazis an die Macht kamen, ging sie mit ihm erst in die Schweiz, dann nach Kroatien, wo sie jenes „Hotel Cristallo“ im damals italienischen Abbazia eröffnete: 106 Betten – so viel Zimmer wie Arbeit. „Ich arbeitete von früh bis abends, um die Räume nach meinem Geschmack zu gestalten, nachdem es gründlich gereinigt worden war“, erinnerte sie sich in ihren Memoiren, „zudem hatte ich heftige Kämpfe mit unseren Teilhabern zu bestehen, denen mein Geschmack gründlich missfiel. Es wurde (...) aber wunderbar, obwohl uns nur geringe Mittel zur Verfügung standen.“ Die leuchtend weiße Front des Hauses bekam durch dunkelblaue Loggien und Fensterkreuze schmucke Akzente. Die Etagen waren abwechselnd in kräftigem Gelb oder Blau gehalten.

„Im Gegensatz zu den übrigen Hotels in Abbazia sah es in den Farben lustig und modern aus und lockte dadurch Gäste an. Außerdem hatte es sich herumgesprochen, dass ich daran beteiligt war und so kamen viele Berliner und Deutsche aus anderen Städten.“ Tatsächlich zog die frühere Salondame die Gäste in Scharen ins Hotel und bewies einmal mehr ihre Qualitäten als Gastgeberin: „Ich tat, was ich konnte, um die Gäste zu unterhalten.“ Schmeckte einem Gast ein Gang im Menü nicht, durfte er sich eine andere Speise bestellen. Überrascht beobachtete die Durieux dann, wie sich so mancher nicht nur den neuen, sondern auch den verschmähten Gang reinschaufelte, und die Portionen waren ziemlich üppig. „Ich habe diese Erfahrung gerade bei Menschen mit großem Geldbeutel gemacht.“ Auch wurden Löffel oder Klosettpapierrollen stibitzt, von Leuten, „die es gar nicht nötig hatten“. Mit großem Staunen lernte die Schauspielerin also eine neue Spezies Mensch kennen: den Hotelgast. Der legte nicht nur ein merkwürdiges Gebaren an den Tag, sondern hatte auch höchst interessante Vorstellungen von Meteorologie: „Natürlich war das Hotel auch für das Wetter verantwortlich.“

In den Spielplan der Theater passte die Hotellerie bestens: Im Winter spielte die Durieux auf den Bühnen von Budapest, Prag und Zürich, im Sommer, wenn die Theater Pause machen, umsorgte sie ihre Gäste im Hotel – dabei musste sie selbst fern der Schauspielhäuser nicht auf Theatralisches verzichten: „Was sich gelegentlich im Hotel abspielte, könnte am besten in einem Lustspiel geschildert werden (...) Liebesaffären, Eifersuchtsszenen, sogar ein versuchter Selbstmord brachten allerlei Aufregung.“ Nachdem im April 1938 auch in Abbazia Juden verhaftet wurden, verließen die Katzenellenbogens fluchtartig das Hotel Richtung Schweiz: „...es war zu befürchten, dass auch L.K. ins Gefängnis kommen würde. Wir hatten zudem mit unserem gut gehenden Hotel zu viel Neid erweckt.“

Hollywoodstars als Hoteliers

Drei Jahrzehnte später kaufte der 33-jährige Robert Redford ein Tal in den Rocky Mountains, um dort, am Fuße des 3582 Meter hohen Bergmassivs Timpanogos ein Resort zu eröffnen. Nach einer Reihe von Flops hatte der Schauspieler mit der Westernkomödie „Zwei Banditen“ endlich Erfolg an der Kinokasse. An der Seite von Paul Newman spielte er dort den schweigsamen Revolverhelden Sundance Kid. Die Rolle gab nicht nur dem Resort den Namen, sondern auch ein paar Jahre später dem Filmfestival im 38 Meilen entfernten ehemaligen Bergbaustädtchen Park City, das der Schauspieler im Jahr 1981 unter seine Fittiche nehmen sollte. Und „Sundance“ heißt auch seine private Ranch. Diese liegt gleich in der Nähe seines Resorts, so kann Redford auf seinem Resort regelmäßig nach dem Rechten sehen. Und er tut das gern.

Denn das „Sundance Resort“ hat er so gebaut, wie es ihm gefiel – und nicht etwa wie die New Yorker Investoren rieten. Statt riesiger Apartmentblöcke liegen urige Blockhütten auf dem Areal verstreut, von dichten Fichtenwäldern umstanden und rauschenden Bächen umspült. Hier können die Hotelgäste alles tun, was Robert Redford in seinen Filmen so anschaulich wie ansehnlich vormacht: Reiten, Fliegenfischen, am Kamin romantisch werden. Sie können aber auch töpfern, malen, Schmuck herstellen. „To develop a little and preserve a great deal” – so Redfords Ansatz. Nachhaltigkeit wird demnach groß geschrieben. Im Kiosk gibt es Bio-Produkte von der eigenen Farm, Klimaanlagen sucht man vergebens und der Strom für die Sessellifte wird aus Windenergie generiert. Selbst die „Owl-Bar“ gibt sich nachhaltig, ist sie doch im Prinzip ein Produkt von Recycling: Der Saloon aus dem Jahr 1890 wurde aus Wyoming herangekarrt und in die Bar des Resorts eingebaut. Einschusslöcher aus wilden Wildwest-Zeiten könne man an dem uralten Tresen, an dem der echte Butch Cassidy schon gezecht haben soll, noch erfühlen. Heute steht auch Redford gern hier und genehmigt sich ein Bier.

Apropos Western, apropos Bar. Wer Clint Eastwood einmal persönlich treffen will, geht am besten abends auf die „Mission Ranch“ in Carmel-by-the-Sea, wenn das Hotelrestaurant zur Piano Bar wird. So tat es der Spiegel-Journalist Matthias Mattussek, der im Jahr 2010 keinen Interviewtermin bekam und sich aus Anlass des 80. Geburtstags der Westernlegende auf gut Glück auf Recherche in das 200 km südlich von San Francisco gelegene Küstenstädtchen begab. Tatsächlich saß Eastwood in jener Hotelbar. Er war sogar in Plauderlaune. „Ich habe hier in der Mission Ranch meinen ersten legalen Drink gekippt“, erzählte er dem Journalisten, „das war in den Fünfzigern, man veranstaltete damals die sogenannte Lehrernacht, da gab es die Drinks für die Hälfte. Später habe ich die Kneipe einfach gekauft. Jetzt muss ich gar nichts mehr bezahlen.“ Gekauft hat er aber nicht nur die Kneipe, sondern die ganze Ranch, einen der ältesten Milchbauernhöfe Kaliforniens. Und Eastwood kaufte sie natürlich nicht, um seine Drinks frei Haus zu bekommen – sondern um einen Apartmentkomplex zu verhindern, den eine Investorengruppe dort in den 1980ern plante.

Eastwood war zu der Zeit Bürgermeister von Carmel, diesem hübschen kleinen Städtchen, das schon Schriftsteller wie Ernest Hemingway, John Steinbeck und Jack London begeisterte. Anfang der 1950er-Jahre kam Eastwood das erste Mal her. Damals war er bei der US-Armee in der Gegend stationiert. Im April 1986 wurde der Republikaner mit einer Mehrheit von 72,5 Prozent gewählt und dürfte über das Bürgermeisterhonorar von 200 Dollar nur müde gelächelt haben. Doch dafür war er nicht angetreten. Sondern weil ihm die vielen Vorschriften in der Stadt gehörig auf den Geist gingen. So wurde es ihm erst im Jahr zuvor verboten, ein kleines Bürogebäude zu bauen. Selbst Eis essen war auf der Straße nicht gestattet – weil das zu viel Müll mache. Eastwood aß offenbar gern Eis, die Regelung war eine der ersten, die er kippte.

Was „Dirty Harry“ noch tat: Er ließ einen neuen Touristen-Parkplatz bauen und erweiterte die Bibliothek um eine Abteilung für Kinderbücher. Und er gab der Mission Ranch eine neue Zukunft als Hotel. Heute verteilen sich hier 31 Zimmer im amerikanischen Landhausstil vom Stall bis zum Farmhaus aus dem 19. Jahrhundert und bieten entweder einen schönen Blick auf den Carmel River oder auf die Sonnenuntergänge des Pazifiks. Am Sonntag spielt eine lokale Band zum Frühstück, die Eastwood angeblich selbst auswählt. Und wenn die hübschen Schafe sich abends von der Wiese trollen, so heißt es, liefern sie dabei immer noch eine kleine Show ab.

Doch die Mission Ranch ist nicht das einzige Promihotel im beschaulichen Carmel mit seinen gerade mal 4.000 Einwohnern. Doris Day betrieb hier bis zu ihrem Tod im Jahr 2019 das „Cypress Inn“, ein hübsches Boutique-Hotel mit einem schönen Garten im Innenhof und gemütlichen Gästezimmern. Als eines der tierliebsten Hotels des Landes galt es bald. Kein Wunder, war Doris Day eine der bekanntesten Tierschützerinnen Amerikas, seit den 1980ern setzte sie sich mit ihrer Stiftung insbesondere für herrenlose Hunde ein. Ebenso willkommen: Fans des Filmstars. Die trafen sich hier zum Beispiel regelmäßig, um den Geburtstag der Day zu feiern – und zuweilen meldete sich die im Jahr 1922 geborene Jubilarin dann telefonisch und überraschte mit ihrer frischen Stimme. Sofort hatte man sie vor Augen, wie sie in „Bettgeflüster“ mit Rock Hudson telefonierte: sexy, schlagfertig und dabei so sittsam und moralisch, wie es ihre Art war. Dieses Image hat sie nie gewechselt – und es stattdessen auch ihrem kleinen Boutique-Hotel übergestülpt; ihre Passion für Vierbeiner kam noch obendrauf.

Wie der VIP, so das Hotel

Überhaupt haben die Hotels der Prominenten viel mit dem Image ihrer Betreiber zu tun. So passt das elegante Londoner „No. 11 Cadogans Gardens“, in dem sich schon der stilbewusste Oscar Wilde vergnügte, natürlich ausgezeichnet zu Model und Schauspielerin Liz Hurley, die an dem Haus Teilhaberin ist. Oder das „Bedford Post Inn“ in der Nähe von New York, das Pretty-Woman-Star Richard Gere im Jahr 2007 mit seiner damaligen Ehefrau Carey Lowell eröffnete: Ein gut gefüllter Weinkeller, zwei feine Restaurants, knisterndes Kaminfeuer – da muss man nicht Julia Roberts heißen, um dahin zu schmelzen. Und dass John Malkovich mit dem Zwei-Sterne-Budget-Hotel „The Big Sleep“ in Cardiff in Wales eines der coolsten Hotels der Welt schuf, steht dem unkonventionellen Schauspieler und Regisseur genauso gut zu Gesicht, wie der Bademantel, in dem er sich nach der Eröffnung medienwirksam in der Lobby ins Bett legte.

Und wie sieht wohl das Hotel eines Robert de Niro aus, dessen Perfektionismus am Set schon so manchen in den Wahnsinn getrieben hat? Genau: cool, männlich, detailverliebt und bis in den letzten Winkel durchdacht. 2008 eröffnete er das noble „The Greenwich Hotel“ im New Yorker Stadtviertel Tribeca, wo er seinen Hang zum Perfektionismus auf mehreren Stockwerken austoben durfte. Die Terrakotta-Fliesen wurden handgefertigt nach dem Vorbild eines italienischen Palazzo aus dem 14. Jahrhundert. Die Eichenbalken in der Lobby stammen teils aus lange geschlossenen Fabriken im Süden der USA. Es gibt handgewebte Teppiche aus Tibet, Leder-Couches aus England, Betten aus Schweden. Kein Raum gleicht dem anderen: 88 Zimmer und Suiten – 88 verschiedene Stile, 88 verschiedene Welten.