Der unbekannte Junge und das Vermächtnis der Ehrlichkeit - Alexander Lombardi - E-Book

Der unbekannte Junge und das Vermächtnis der Ehrlichkeit E-Book

Alexander Lombardi

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Beschreibung

Die 4 vom See und der Kampf um die Seeburg: Die Situation auf der Seeburg spitzt sich zu. Verzweifelt versuchen die vier vom See und Antonias Familie zu verhindern, dass sie die Jugendherberge und ihr Zuhause aufgeben müssen. Auch Laura, eine neue Klassenkameradin der Freunde, verliert ihr Zuhause. Die 4 vom See untersuchen die Sache genauer und machen eine erstaunliche Entdeckung. Gleichzeitig schwindet ihre Hoffnung, dass sie die Seeburg doch noch behalten können. Als der Anwalt Stefan Trenner den Freunden seine Hilfe anbietet, stehen sie vor der entscheidenden Frage: Können sie ihm trauen?

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Veröffentlichungsjahr: 2025

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ISBN 978-3-417-27127-0 (E-Book)

ISBN 978-3-417-28111-8 (lieferbare Buchausgabe)

E-Book-Erstellung: CPI books GmbH, Leck

© 2025 R.Brockhaus in der SCM Verlagsgruppe GmbH

Max-Eyth-Str. 41· 71088 Holzgerlingen

brockhaus-verlag.de

Lektorat: Christiane Kathmann, www.lektorat-kathmann.de

Umschlaggestaltung: Stephan Schulze, Stuttgart

Titelbild und Illustrationen: Clara Vath, vath-art.de

Satz: Burkhard Lieverkus, Wuppertal

Inhalt

Kapitel I: Eine schicksalhafte Entscheidung

Kapitel 1: Der Brief

Kapitel 2: Die neue Schülerin

Kapitel 3: Eine überraschende Begegnung

Kapitel 4: Wirklich Isabelle?

Kapitel 5: Verwandtenbesuch

Kapitel 6: Umzug

Kapitel II: Der Junge auf dem Marktplatz

Kapitel III: Abschied

Kapitel IV: Auf der Polizeiwache

Kapitel V: Der zweite Hauser

Kapitel VI: Frühstück mit Neuigkeiten

Kapitel 7: Abendessen im Schlosshotel

Kapitel 8: Verdacht auf der Baustelle

Kapitel 9: Geheimnisse

Kapitel 10: Streit

Kapitel VII: Arbeit und Brot

Kapitel VIII: Witwen- und Waisenfürsorge Würm

Kapitel IX: Eine fremde Welt

Kapitel X: Die Brosche

Kapitel XI: Verhängnisvolle Enthüllungen

Kapitel 11: Onkel Thomas

Kapitel 12: Rätselhafte Schätze

Kapitel 13: Die Bodenprobe

Kapitel 14: Das Vermächtnis der Ehrlichkeit

Kapitel 15: Der beste Weg

Kapitel 16: Janina macht eine Entdeckung

Kapitel XII: Hilfe für Theodor

Kapitel XIII: Die Drohung

Kapitel XIV: Die Adoption

Kapitel XV: Der Anschlag

Kapitel XVI: Das Versteck

Kapitel 17: Mehr als du glaubst

Kapitel 18: KI und Cola

Kapitel 19: Üble Machenschaften

Kapitel 20: Die Bagger rollen

Kapitel 21: Versöhnung und Hoffnung

Kapitel 22: Wahrheit

Kapitel XVII: Bei Familie Reihmann

Die 4 vom See – das sind …

Antonia wohnt, seit sie denken kann, in der großen Burg direkt am Ufer des Starnberger Sees, mitten zwischen den Villen der Reichen und Schönen – ein Zuhause, um das sie viele beneiden. Ihre Eltern Andreas und Gitti Reihmann sind die Herbergseltern der Jugendherberge, die in dem Gebäude untergebracht ist, deshalb wohnt die Familie in dem historischen Gemäuer. Wenn Antonia morgens aufwacht, kann sie ans Fenster treten und auf den See hinausblicken – wenn sie dabei nicht über ihr Kletterzeug stolpert, das meistens irgendwo im Zimmer auf dem Boden liegt. Klettern ist Antonias größtes Hobby, sehr ordentlich ist sie aber nicht. Wenn sie nicht in einer Felswand hängt, liest sie gerne Informationen über Geschichte und Archäologie. Ihr Wissen hat den vier Freunden bei ihren Entdeckungen schon oft geholfen.

Antonia hat zwei jüngere Geschwister, die siebenjährigen Zwillinge Sina und Luca. Zu ihrer Familie gehört außerdem Opa Hans, ein alter Fischer, der nicht weit entfernt von der Seeburg in einer Fischerhütte direkt am See lebt und über die Jahre zu ihrem Ersatzopa geworden ist. Von seinen Ratschlägen und vor allem seinem festen Glauben hat Antonia schon viel gelernt.

Die Familie Reihmann besucht eine evangelische Freikirche in Starnberg. Für Antonia gehört der Glaube ganz selbstverständlich zum Alltag dazu, und dass sie sich auf Jesus verlassen kann, hat sie schon oft erfahren. Das heißt aber nicht, dass es nicht auch einige Dinge in ihrem Leben gibt, die sie richtig ärgern oder nerven. Beispielsweise leidet Antonia seit dem Kindergartenalter an Diabetes. Sie muss ständig eine Insulinpumpe tragen, die das lebensnotwendige Insulin in ihren Körper abgibt. Meistens hat Antonia ihre Krankheit gut im Griff, doch manchmal sackt ihr Blutzucker plötzlich ab, und dann wird es gefährlich für sie, wenn sie nicht sofort etwas Zuckerhaltiges isst oder trinkt. Zum Glück wissen ihre Freunde Bescheid, besonders ihre beste Freundin Emma, und können ihr im Notfall helfen.

Antonia hasst es, schwach zu sein. Sie regt sich schnell auf, wenn ihr jemand unterstellt, dass sie etwas nicht kann, und wird richtig wütend. Ihre Kraft und Entschlossenheit machen sie zu derjenigen, die bei den vier vom See oft die Initiative ergreift.

Emma ist da etwas zurückhaltender. Sie denkt eher zweimal nach, bevor sie etwas unternimmt, ist dafür aber gründlich und plant voraus. Ihre Stärke liegt vor allem in der Planung – und in der Recherche. Emma ist eine talentierte Forscherin, Naturwissenschaften sind ihre Leidenschaft. Außerdem reitet sie, ihr Pferd Firestorm ist ihr Ein und Alles.

Emmas Eltern sind geschieden und so lebt sie einen Teil der Woche im Zuhause ihrer Mutter Katrin und ihres Stiefvaters Peter und den anderen Teil bei ihrem Vater Jörg und seiner Frau Manuela. Jörg ist Chemiker und betreibt ein Analyse- und Forschungslabor in der Villa am See. Manuela ist Innenarchitektin und engagiert sich stark in sozialen Projekten. Zusammen haben sie noch eine Tochter, Emmas jüngere Halbschwester Mia. Peter ist Kommissar bei der Kripo in Starnberg, Emmas Mutter ist Arzthelferin.

Emma leidet unter der Zerrissenheit, darunter, sich immer zwischen ihren Eltern entscheiden zu müssen. Meistens versucht sie, nicht weiter darüber nachzudenken, aber manchmal gelingt ihr das nicht.

Emma hat sich im Versteck der vier vom See, einem alten Zirkuswagen auf dem Gelände der Seeburg, ein kleines Labor eingerichtet. Hier verbringt sie viele Stunden mit Experimenten. Außerdem ist sie häufig auf der Seeburg bei ihrer besten Freundin Antonia. So häufig, dass sie dort eine Zahnbürste im Bad stehen hat und einen festen Sitzplatz in der Küche. Sie fühlt sich bei Antonias Familie sehr wohl und genießt die gemeinsamen Abendessen am großen Familientisch.

Während der Trennungsphase ihrer Eltern musste Emma lernen, die Stimmungen anderer Menschen schnell zu erfassen. Sie ist deshalb sehr sensibel und hoch empathisch, außerdem scheut sie Konflikte. Bei den teilweise abenteuerlichen Unternehmungen der vier Freunde ist sie oft diejenige, die die anderen bremsen möchte.

Frankys Zuhause liegt direkt am Sportplatz von Allmannshausen – nicht das Reihenhaus seiner Familie, das befindet sich ein paar Straßenzüge weiter, sondern das Restaurant seiner Eltern, in dem die Familie die meiste Zeit verbringt. Frankys Vater Germano und seine Mutter Elvira sind aus Italien nach Deutschland gezogen und betreiben die Pizzeria schon seit vielen Jahren. Sie backen die beste Pizza in der gesamten Umgebung und so treffen sich bei »La Ruota« Nachbarn, Freunde und Sportvereine. Franky liebt auf der einen Seite Pizza über alles (wie fast jedes italienische Gericht), auf der anderen Seite hasst er es, im Restaurant mit anpacken zu müssen.

Neben der Zubereitung italienischer Gerichte kennt sich Frankys Vater vor allem mit einem aus: Fußball. Er trainiert die Jugendmannschaft des TV Berg und war selbst in seiner Jugend ein richtig guter Spieler. Sehr zum Leidwesen von Franky hat er seinen Ehrgeiz nie ganz abgelegt und ihn auf seinen Sohn übertragen, bei dem er sofort ein großes Talent für Fußball erkannt hat. Franky spielt gerne und gut Fußball, doch es ist nicht seine erste Leidenschaft und die Pläne, die sein Vater für ihn hat, sind ihm zu viel. Deshalb hat er vor einiger Zeit mit dem Training aufgehört und widmet sich nun dem Hobby, das ihn wirklich begeistert: Programmieren.

Franky ist der Computerexperte der vier Freunde. Er ist in der Lage, sich schnell mit jedem fremden System vertraut zu machen, und hat seine Hackerkünste schon manchmal eingesetzt, um Dinge herauszufinden, die sonst nicht zugänglich gewesen wären. Aber er achtet streng darauf, keinen Schaden anzurichten.

Emma, Antonia und Franky kennen sich schon seit der Grundschule. Gemeinsam haben sie vor ein paar Jahren einen alten Zirkuswagen auf dem Gelände der Seeburg zu einem gemütlichen Versteck gemacht, in dem sie sich treffen, reden und Pläne schmieden. Franky ist gerne dort. Mit dem Glauben hat er nicht so viel am Hut. Seine Familie ist zwar in einer katholischen Kirchengemeinde und Franky hat an der Kommunion teilgenommen, aber sie gehen eigentlich nur an den hohen Feiertagen in den Gottesdienst und der Glaube spielt in ihrem Alltag kaum eine Rolle.

Jaron ist erst vor Kurzem zu den anderen drei gestoßen. Er ist zusammen mit seiner Mutter von Köln an den Starnberger See gezogen, als diese eine Arbeit als Sekretärin auf der Seeburg angenommen hat. Angelika Rahn und Gitti Reihmann sind alte Schulfreundinnen und haben immer Kontakt gehalten. Jarons Vater lebt nicht mehr, er ist bei einem Autounfall ums Leben gekommen, als Jaron vier Jahre alt war. Der Unfall hat Jarons Leben überschattet, lange hat er geglaubt, er wäre schuld am Tod seines Vaters. Erst vor wenigen Monaten hat er erkannt, dass das falsch war und er sich lange grundlos gequält hat. Seitdem weiß er, wie viel Kraft man aus Vergebung ziehen kann.

Jaron interessiert sich für Flugzeuge, trainiert leidenschaftlich Kung-Fu und liebt Sport aller Art – am Starnberger See hat er zum Beispiel das Surfen für sich entdeckt. Jaron liebt den See. Wann immer er Zeit hat, geht er schwimmen oder sitzt am Seeufer und flitscht Steine über die Oberfläche. Der historische Löwensteg der Seeburg ist dafür der perfekte Ort. Die wechselnden Wetterlagen über dem See faszinieren ihn und er bekommt nicht genug davon.

Jaron und seine Mutter Angelika gehen in die gleiche Gemeinde wie Antonia und ihre Eltern. Sie waren in Köln schon in einer freien Gemeinde und haben sich in Starnberg gleich zu Hause gefühlt. Dazu trägt auch bei, dass Jaron nach dem Umzug endlich einen besten Freund gefunden hat – Franky. Nicht nur sind die beiden unzertrennlich, Jaron liebt außerdem die Pizza, die Frankys Vater backt.

Wütend knallte der Bauer den Brief auf den Tisch und ließ sich in seinen Stuhl fallen. Der alte Holzstuhl knarrte protestierend. Seine Frau, die gerade Eier aus der Speisekammer geholt hatte, kam zurück in die Küche.

»Ah, da bist du ja wieder«, sagte sie und schloss die Kammertür hinter sich. »Hast du etwas erreicht?«

Der Bauer knurrte. »Gar nichts habe ich erreicht, die alte Vettel hatte keine Ahnung von der Abmachung, die wir mit ihrem Sohn haben. Hat nur geheult die ganze Zeit.« Er streifte seine Stiefel ab, die polternd zu Boden fielen.

Die Bäuerin stellte die Schüssel mit den Eiern neben dem Herd ab, trat zu ihm und hob die Stiefel auf und erwiderte: »Na ja, immerhin ist ihr Sohn gefallen. Da kann ich schon verstehen, dass sie traurig ist.«

»Er ist in den Krieg gezogen, was hat sie denn gedacht, was passiert?«

»Na, hör mal!« Die Bäuerin zog die Stirn zusammen. »Sie ist seine Mutter. Natürlich ist sie traurig.«

»Ach, lass mich doch in Ruhe mit dem sentimentalen Quatsch!« Der Bauer fuhr unwirsch mit der Hand durch die Luft. »Es ist Krieg, so schaut’s aus. Da müssen alle ihren Teil beitragen.«

»Konnte sie dir denn wenigstens ein bisschen was geben? Die haben heute den letzten Sack Mehl abgeholt, jetzt haben wir nur noch Kartoffeln.«

Ihr Mann sah sie verärgert an und verschränkte die Arme. »Ich hab doch gesagt, dass ich nichts erreicht habe! Die Alte hatte nichts, gar nichts mehr. Und sie hätte auch gar keinen Grund, uns was zu geben.«

Die Bäuerin nickte. Sie drehte sich um und verstaute die Stiefel ihres Manns im Garderobenschrank. Wieder am Tisch schenkte sie ihm aus dem Krug mit Bier ein, den sie bereitgestellt hatte. Sie setzte sich neben ihn und fragte: »Und was machen wir jetzt?«

Der Bauer nahm einen tiefen Zug, wischte sich den Schaum vom Mund, rülpste und sagte: »Na, wir werden den Burschen los. So schnell wie möglich.«

Seine Frau verschränkte die Hände und zog die Schultern ein wenig hoch. »Du willst das wirklich machen?«, fragte sie vorsichtig. »Wenn wir ihn einfach aussetzen, wird er wahrscheinlich auf der Straße landen.«

»Ach was«, widersprach der Bauer, »die lassen kein Kind auf der Straße schlafen. Die ganzen reichen Leute hier am See haben doch nichts Besseres zu tun, als auch noch dem letzten Tunichtgut den Hintern zu polstern. Die sind so stolz auf ihre Waisenhäuser und ihre Wohlfahrt, den werden sie schon nicht krepieren lassen. Nur um so rechtschaffene Leute wie uns kümmert sich keiner.« Er schnaubte verächtlich.

Seine Frau sah ihn stumm an. Sie ahnte, dass sie ihren Mann nicht würde umstimmen können, wenn er in so gereizter Stimmung war. Sie musste es trotzdem versuchen. »Meinst du nicht doch, dass wir den Bub behalten können?«, fragte sie leise. »Er tut mir halt leid!«

Sein Kopf fuhr herum und er starrte sie an. »Bist du narrisch? Willst du, dass deine eigene Tochter hungert, nur um so einen hergelaufenen Wicht, der uns schon viel zu lange auf der Tasche liegt, durchzufüttern? Du hast doch selbst grad gesagt, dass unsere Vorräte nicht mehr ewig reichen werden.«

»Ich mein ja nur«, versuchte sie, sich zu wehren, gab es aber auf, ihn umzustimmen. Sie hatte zu viel Angst vor ihrem Mann und fügte sich lieber.

Um ihn abzulenken, griff sie nach dem Brief, den er auf den Tisch hatte fallen lassen, betrachtete ihn und fragte: »Was ist das?«

»Ach, den hat mir die Alte aufgedrängt. Ist wohl ein Brief von ihrem Sohn. Sie meinte, da stünde was Interessantes drin. Ist mir aber egal, solange kein Geld drin ist.« Er beugte sich vor, riss ihr den Brief aus der Hand, knüllte ihn zusammen und warf ihn geschickt in die Kiste mit Brennholz, die neben dem Herd stand. Dann nahm er einen weiteren Zug Bier.

Seine Frau schaute nachdenklich zu dem Brief, sagte aber nichts und seufzte nur innerlich.

»Wann ist das Essen fertig?«, fragte der Bauer und setzte seinen Krug ab.

»Gleich«, sagte sie rasch, »ich brate euch nur noch ein paar Eier.«

Lieselotte wagte erst, wieder zu atmen, als sie die Bäuerin mit der Pfanne klappern hörte. Sie hatte gerade in der guten Stube Staub gewischt, als der Bauer hereingekommen war, und unwillkürlich gelauscht. Angespannt versuchte sie, auch ja nichts zu verpassen. Zum einen, weil sie nicht entdeckt werden wollte, zum anderen, weil sich die beiden über das Schicksal des Jungen unterhielten. Nur seinetwegen hielt sie es hier auf dem Hof noch aus.

Das aber hat sich jetzt wohl erledigt, dachte sie bei sich, ich bin frei, zu gehen. Ihr Blick schweifte durch das Zimmer, in dem die Bauersfamilie sorgfältig ihre besten Möbel platziert hatte. Ein großer Tisch, zwei Sessel mit Stehlampen in einer Ecke, ein Regal mit den wenigen Büchern, die sie besaßen, und eine Kommode. Auf dieser stand eine Vase aus Kristall mit den letzten Blumen des Jahres. Ein Familienporträt hing darüber. Endlich frei, aus dieser Enge zu fliehen, dachte sie zufrieden.

Während der Duft von gebratenen Eiern in die Stube drang, sah Lieselotte aus dem Fenster hinaus in den Hof. Sie entdeckte ihre kleine Tochter, die gerade vom Stall zurückkam und ausgelassen einen Eimer hin- und herschwenkte. Neben ihr ging Hanne, die Tochter der Bauern. Die beiden Mädchen unterhielten sich lebhaft. Sophia sagte etwas, Hanne lachte. Die beiden verstanden sich gut.

Lieselotte wurde nachdenklich. Aber was ist mit ihr?, fragte sie sich. Soll Sophia auch ins Waisenhaus, wie es dem Bub bevorsteht? Ich selbst kann auf der Straße leben, das kriege ich hin. Aber sie darf ich da nicht mit hineinziehen. Und beide kann ich schon gar nicht retten. Sie presste die Lippen aufeinander und atmete tief durch. Sophia und mich werden sie nicht vom Hof jagen. Sie brauchen meine Arbeitskraft, jetzt wo alle Knechte an der Front sind. Und sie werden ihrer geliebten Tochter nicht die Spielkameradin nehmen.

Vielleicht sollten wir doch bleiben, dachte sie und seufzte leise. Um Sophias willen. Theodor muss ich dann wohl aus der Ferne bewachen, wenn der Bauer ihn wirklich wegbringt.

Später an diesem Abend brachte die Bäuerin Theodor die Reste vom Abendessen, so wie jeden Abend. Er aß nie mit der Familie in der Küche. Anweisung des Bauern. Ihr tat der Junge leid, aber sie fügte sich, wie immer.

Als sie die Tür zur Kammer über dem Stall aufschloss und sie öffnete, trat ihr Theodor schon entgegen. Er hatte die Kerze auf dem kleinen Tisch entzündet. Die Bäuerin warf ihm einen kurzen Blick zu und stellte den Teller mit der Kartoffel auf die Tischplatte. »Mahlzeit«, wünschte sie ihm.

Der Junge trat an den Tisch, betrachtete das Essen gierig und nickte stumm. Seine Augen schienen sie nicht wahrzunehmen.

Während er nach der Kartoffel griff und zu essen begann, trat sie an sein Bett und nahm die Jacke an sich, die er dort abgelegt hatte. Bevor er merkte, was sie tat, ging sie schnell aus dem Zimmer und schloss die Tür wieder hinter sich ab. Doch sie ging nicht in die Küche zurück, wo ihr Mann beim dritten Krug Bier saß und vor sich hinstarrte, sondern stieg die Treppe hinauf ins Schlafzimmer. Dort trat sie an die Kommode, in der sie ihre Schätze aufbewahrte.

Sie nahm ein kleines Kästchen heraus und klappte den Deckel auf. Darin lag ein wenig Schmuck, eine getrocknete Blume aus ihrem Brautstrauß, ein Bild von Hanne als Baby, ein paar Satinbänder, die sie im Haar getragen hatte, als sie selbst jung gewesen war. Sie griff nach einem Gegenstand, der sorgfältig in ein Taschentuch gewickelt war, legte ihn auf ihre Hand und schlug das Tuch auseinander.

Einen Moment betrachtete sie staunend das Schmuckstück, dessen Steine im Licht der Kerze funkelten. Die Brosche füllte den Raum mit Lichtpunkten. Nie vorher hatte sie so etwas Wertvolles besessen. Sie zögerte. Soll ich diesen Schatz nicht doch für mich behalten?, überlegte sie unschlüssig. Doch dann traf sie eine Entscheidung. Er gehört mir nicht.

Sie riss sich von dem Anblick los und öffnete eine andere Schublade. Darin lag ihr Handarbeitszeug. Sie griff nach Schere, Nähnadel und einer Garnrolle und trug alles zusammen mit der Jacke zum Bett. Im Schein der Kerze begann sie mit der Arbeit. Nachdem sie eine Naht aufgetrennt hatte, nähte sie die Brosche Stich für Stich in die Jacke ein.

Lieselotte lag neben Sophia im Bett. Ihre Tochter war schon lange eingeschlafen, doch die junge Magd wartete und lauschte. Endlich verklangen die Geräusche im Haus. Sie hörte das Bett der Bauersleute knarren, als sich das Ehepaar schlafen legte. Sie wartete, bis das wohlvertraute Schnarchen des Bauern an ihr Ohr drang, dann richtete sie sich auf und schlug die Decke so leise zur Seite, wie sie konnte. Barfuß schlich sie aus der Kammer und die steile Holztreppe hinunter. Die Bohlen knarrten unter ihren Füßen, doch sie wusste, wohin sie ihren Schritt setzen musste, um so wenig Lärm wie möglich zu machen. Der Schein ihrer Kerze flackerte über die Wände.

Die Küchentür stand einen Spalt offen und sie schob sie langsam, ganz langsam weiter auf, bis sie hindurchschlüpfen konnte. Als sie an den Herd trat und das Licht auf den Holzkorb fiel, atmete sie auf. Das Stück Papier war noch nicht in den Ofen gewandert. Sie bückte sich und fischte den Brief des Knechts an seine Mutter zwischen den Scheiten hervor. Neugierig betrachtete sie den zerknitterten Umschlag.

Ein Geräusch ließ sie herumfahren. Waren das Schritte gewesen? Sie deckte ihre Kerze ab und lauschte. Im Haus war es völlig still. Es dauerte eine Weile, bis sie es wagte, wieder in ihre Kammer unter dem Dach zu gehen und sich neben Sophia ins Bett zu kuscheln. Den Brief steckte sie unter die Matratze. Am nächsten Tag würde sie ein Versteck für ihn finden.

Kapitel 1

Der Brief

Die Seeburg, Gegenwart

Dr. Trenner schlug die Fahrertür des Mercedes hinter sich zu. Emmas Magen zog sich zusammen. Schon der Anblick des Anwalts verursachte ihr Übelkeit. Vor einer Stunde hatten die vier vom See erfahren, dass Trenner und sein Mandant Franz-Josef von Beilstein erfolgreich gewesen waren: Familie Reihmann würde ihr Zuhause verlieren.

»Meine liebe Familie Reihmann, es tut mir so außerordentlich leid!«, rief Trenner und ging mit ausgebreiteten Armen über den regenfeuchten Platz auf die kleine Gruppe im Burgtor zu.

»Was tut Ihnen leid?«, fragte Antonias Vater kurz angebunden.

»Dass von Beilstein so skrupellos vorgeht«, antwortete Trenner. Er hatte ein Lächeln im Gesicht und sah fast freundlich aus.

Aber nur fast, dachte Emma. Vor allem sieht er aus wie ein Mann, der für gewöhnlich seinen Willen bekommt. Randlose Brille, teurer Mantel, darunter Anzug und Krawatte. Klassisches Power-Dressing.

»Aha.« Antonias Mutter Gitti schnaubte.

Emma merkte, dass sie dem Anwalt kein Wort glaubte. Sie hatte Antonias Mutter bisher nur selten so wütend gesehen.

»Sie arbeiten für Beilstein«, sagte Gitti. »Sie setzen doch seine Interessen durch. Und wir sollen glauben, dass es Ihnen leidtut? Wir glauben Ihnen gar nichts!«

Trenner schenkte ihr einen fast mitleidigen Blick. »Frau Reihmann, Sie haben recht, Franz-Josef von Beilstein ist noch mein Mandant. Meine Kanzlei ist ein Familienunternehmen; schon mein Vater hat Ludwig von Beilstein vertreten und ich vertrete nun Franz-Josef. Natürlich war ich auch bereit, in dieser Sache für ihn tätig zu werden. Aber die Art und Weise, wie er vorgeht, die kann ich nicht mittragen.«

»Warum tun Sie es dann!«, rief Antonia und ballte die Fäuste. »Sie nehmen uns unser Zuhause weg! Sie sind genauso schlimm wie Beilstein!«

»Mein liebes Kind, ich werde mein Mandat zurückgeben«, sagte Trenner. »Franz-Josef wird bei der Verhandlung mit dem Freistaat von einem Kollegen vertreten werden.«

Wie bitte?, dachte Emma erstaunt. Damit hatte sie nicht gerechnet. Die anderen wohl auch nicht, denn zunächst sagte keiner etwas.

»Warum das?«, wollte Franky schließlich wissen.

Jaron nickte fragend.

»Weil mir dieser Trottel auf die Nerven geht«, brauste Trenner auf. »Er denkt einfach nicht nach, will nur seinen Willen durchsetzen und nimmt keine Rücksicht, auf niemanden.« Er nahm seine Brille ab und putzte die Gläser mit dem Saum seines Mantels. »Deshalb habe ich beschlossen, mich von ihm zu trennen.« Er setzte die Brille wieder auf und lächelte. »So geht man nicht mit Menschen um. Mir persönlich ist gegenseitiger Respekt sehr wichtig. Sie sind nette und ehrliche Leute. Bei Ihnen ist die Seeburg in guten Händen. Leute wie Sie schmeißt man nicht raus, mit denen arbeitet man zusammen.«

Reihmanns nahmen das Kompliment auf, ohne etwas zu erwidern.

Als er keine Antwort bekam, nickte Trenner und meinte: »Nun, ich kann Ihr Misstrauen verstehen. Das ginge mir in Ihrer Situation bestimmt genauso. Ich bin eigentlich auch nur gekommen, um Sie wissen zu lassen, dass ich auf Ihrer Seite stehe. Ich würde mich gerne für Ihre Interessen einsetzen. Wenn Sie Hilfe brauchen, melden Sie sich.«

Er fasste mit der Hand in den Ausschnitt seines Sakkos und holte eine Visitenkarte aus der Innentasche. Gitti nahm sie stumm entgegen.

»Melden Sie sich«, sagte Trenner zum Abschied und ging zu seinem Wagen zurück.

Die vier Freunde und Antonias Eltern beobachteten, wie er den Motor startete, noch einmal winkte und losfuhr.

Emma wusste, dass Trenner der Mann war, den sie vor ein paar Tagen zusammen mit ihrer Lehrerin Janina Rahn gesehen hatte. Die beiden hatten sich geküsst und umarmt – der Anwalt und die Lehrerin waren ganz offensichtlich ein Paar.

Macht das Trenner glaubhafter?, fragte sich Emma verwirrt. Janina war nett. Alle vier Freunde hatten sie ins Herz geschlossen, nicht erst, seit sie entdeckt hatten, dass Janina eine Cousine von Jaron war. Trenner hingegen? Der war bis vor ein paar Minuten der Feind gewesen. Definitiv wird Janina unsympathischer dadurch, dass sie sich mit einem solchen Typen einlässt, beschloss Emma. Oder doch nicht?

»Was war das denn?«, flüsterte Gitti.

»Ich habe keine Ahnung«, antwortete Andreas.

Ich auch nicht, dachte Emma. Keine Ahnung, welches Spiel dieser Mann spielt.

»Und? Wie lief es?«, fragte Janina zur Begrüßung, als sie Trenners Anruf beantwortete. Er hatte ihre Nummer gewählt, sobald die Seeburg hinter ihm verschwunden war.

»Wie erwartet«, erwiderte Trenner, »sie haben mir nicht geglaubt.«

»Verständlich«, sagte Janina. »Aber das wird schon. Ich werde mit Angelika reden und ihr sagen, dass sie sich auf dich verlassen können.«

»Angelika?«

»Meine Tante. Die arbeitet doch auf der Seeburg als Sekretärin.«

»Stimmt, habe ich ganz vergessen.«

»Sie wird bei Reihmanns sicher ein gutes Wort für dich einlegen.«

»Danke. Ich würde den Reihmanns gerne helfen, wenn sie mich lassen.«

»Ich danke dir auch«, sagte Janina, »du bist lieb. Die Reihmanns haben es wirklich nicht verdient, so um ihr Lebenswerk gebracht zu werden. Und es ist ja auch nicht zu fassen, dass Franz-Josef von Beilstein Anspruch auf die Burg erhebt, obwohl so unsicher ist, ob er Erfolg haben wird.«

»Ich glaube nicht, dass er das so gründlich geprüft hat«, meinte Stefan Trenner, »er neigt eher zum spontanen Handeln. Und die Beweise waren ja auch nicht so leicht zu finden, selbst ich wusste nichts von dem Brief. Unglaublich, wie du den gefunden hast.«

»Ja, das war nicht so einfach. Die Gerichtsakten sind im Krieg zerstört worden, das weißt du ja schon. So bleibt nur noch der Briefwechsel, in dem die Geschäfte mit Frankreich als Enteignungsgrund genannt werden – ganz klar also ein politisches Motiv, das von Beilstein und du angefochten habt.«

»Genau. Nur deshalb haben wir den Antrag auf Rückgabe der Seeburg überhaupt stellen können.«

»Das Dokument, das ich jetzt im Stadtarchiv gefunden habe, weist aber eindeutig darauf hin, dass der Ururgroßvater von Franz-Josef die Burg nicht – oder nicht nur – aus politischen Gründen, sondern auch wegen einer Straftat verloren hat.«

»Und damit wäre sein Anspruch hinfällig, einfach unglaublich. Auf das Gespräch mit von Beilstein freue ich mich nicht.«

»Du schaffst das schon«, bestärkte Janina ihn.

»Und du schaffst es, mit mir am Wochenende zum Golfen zu gehen, richtig?«

Janina lachte. Trenner wollte ihr schon eine Weile Golfspielen beibringen, etwas, wofür sie sich bisher nicht hatte begeistern können. Doch er hatte ihr lange von seiner Golfpartnerin vorgeschwärmt, einer Dame, die für den Freistaat Bayern arbeitete, sodass sie schließlich zugestimmt hatte. Die Wetteraussichten waren gut, es gab keine Ausreden mehr.

Sie verabschiedeten sich. Sobald der Anruf beendet war, befahl Trenner dem Freisprechsystem, eine weitere Verbindung herzustellen. »Rufe Kranz und Partner an«, sagte er laut.

»Rufe Kranz und Partner Büro an«, bestätigte die Systemstimme.

Das Freizeichen ertönte. Kurze Zeit darauf meldete sich eine Männerstimme: »Architekturbüro Kranz und Partner, guten Tag?«

»Ja, grüß Gott, hier ist Trenner. Herrn Kranz bitte.«

»Einen Moment bitte.«

Nach kurzem Warteschleifengedudel meldete sich der Architekt: »Kranz.«

»Ja, Alexander, hallo. Hier ist Stefan.«

»Stefan! Was kann ich für dich tun? Hast du ein neues Projekt in Aussicht?«

»Ja, habe ich. Und was für eines. Du wirst Augen machen!«

»Du machst mich neugierig«, antwortete der Architekt und lachte, »rück raus, worum handelt es sich?«

»Nun … hättest du Lust, eines der wertvollsten Gebäude, direkt hier am Seeufer, in ein Schlosshotel zu verwandeln?«

»Oho! Spielst du jetzt in der ersten Liga oder was?«

»Noch nicht ganz, aber bald. Ich muss nur noch einen Konkurrenten aus dem Weg räumen.«

»Na, darin bist du gut, soviel weiß ich. Erzähl schon, von welchem Objekt sprichst du?«

Trenner erläuterte seinem Freund und Geschäftspartner in allen Details, was er vorhatte. Kranz war zufrieden. Er ahnte, dass dieses Prestigeprojekt eine große Chance für ihn war.

Kapitel 2

Die neue Schülerin

Gymnasium Kempfenhausen

»Na, die Bohnenstange hat wenigstens in der Klasse gute Sicht, egal, wo sie sitzt«, höhnte Isabelle von Beilstein und musterte von ihrem Stuhl aus die Neue. Die Schülerinnen und Schüler der siebten Klasse hatten sich schon auf die Stühle im Klassenraum verteilt. Nun beäugten sie neugierig das Mädchen, das schüchtern an der Eingangstür stehengeblieben war und seinen Rucksack etwas verloren in den Händen hielt.

Sie war sehr groß und überragte die anderen im Raum um mindestens einen Kopf. Ihre dichten dunkelbraunen Locken fielen ihr offen bis über die Schultern. Das runde Gesicht und die Pausbacken waren sanft und blass.

Sie sieht nett aus, dachte Franky. Nur Isabelle hält es mal wieder für nötig, über sie herzuziehen.

Einige um Isabelle herum lachten leise. Sie gehörten zum engen Kreis der hübschen, blonden Tochter von Franz-Josef von Beilstein, ihre Cousine Xenia und zwei, drei andere Freundinnen.

»Halt die Klappe, Isabelle«, rief Antonia, die in der Reihe hinter Franky saß. Sie konnte die Tochter des Hoteliers nicht ausstehen.

»Halt selbst die Klappe«, rief Isabelle zurück, die sich so schnell nicht einschüchtern ließ.

»Du kannst dich hierhin setzen«, rief Emma dem neuen Mädchen zu. Franky drehte sich zu ihr um und nickte ihr lächelnd zu. Auf Emma ist Verlass, dachte er. Emma zeigte auf einen freien Platz zwei Stühle weiter, neben Antonia. Die warf ihr einen genervten Blick zu. Auch wenn sie Isabelle unausstehlich fand, so wollte sie ganz offensichtlich nicht gleich Freundschaft mit der neuen Schülerin schließen. Doch sie gab sich einen Ruck, nahm ihre Schultasche von dem freien Stuhl und machte Platz.

Das Mädchen drückte seinen Rucksack an die Brust, während es zu ihr ging, und setzte sich.

»Hallo«, grüßte Antonia freundlich.

»Hallo«, antwortete das Mädchen leise.

»Ich bin Emma«, sagte Emma, »das ist Antonia. Und wie heißt du?«

»Laura.«

»Willkommen in der Klasse«, sagte Emma.

»Bist du neu nach Starnberg gezogen?«, fragte Antonia. Das Schuljahr hatte schon angefangen und es war ungewöhnlich, dass zu dieser Zeit neue Schüler zu ihnen stießen.

»Nein, ich wohne schon immer hier. Ich habe nur die Schule gewechselt«, antwortete Laura.

Die Freunde sahen sie überrascht an.

»Und warum?«, fragte Antonia.

Laura zuckte mit den Schultern. »Hat einfach nicht mehr gepasst«, erklärte sie schlicht.

In diesem Moment betrat die Klassenlehrerin Janina Rahn den Klassenraum und rief: »Guten Morgen!«

Franky, der dem Austausch zwischen den drei Mädchen gelauscht hatte, drehte sich in Richtung Tafel.

Frau Rahn sah sich suchend um. Als sie Laura entdeckte, lächelte sie und sagte: »Zuerst einmal begrüßen wir heute Morgen eine neue Schülerin, Laura Conti. Herzlich willkommen, Laura.«

Die Klasse drehte sich zu Laura um und applaudierte unwillig. Laura saß stumm und mit hochgezogenen Schultern da.

»Ich hoffe, dass du dich gut einlebst und dich hier wohlfühlst«, fuhr die Lehrerin freundlich fort und sagte dann etwas lauter zur ganzen Klasse: »Wir werden auf jeden Fall dafür sorgen, nicht wahr?«

Ein unbestimmtes Gemurmel antwortete ihr.

»Da wir gerade dabei sind, Laura, wir haben hier in der Schule die Tradition, dass neue Schülerinnen und Schüler für die ersten Wochen einen Paten bekommen. Der wird dir zeigen, wo alles ist, nimmt dich mit in die Fachräume und so weiter. Den Paten bestimmen wir gleich.« Frau Rahn sah Franky an, der etwas zusammenzuckte. »Ich habe diesmal an dich gedacht, Franky«, sagte sie.

»An mich?«, piepste Franky erstaunt. Einige in der Klasse lachten.

»Ja, an dich«, bestätigte die Lehrerin.

»Warum ich?«

»Laura hat die gleichen Interessen wie du. Sie ist sehr gut in Informatik und hat sogar schon einen Preis gewonnen für ein Programm, das sie geschrieben hat. Ich denke, ihr werdet euch gut verstehen.«

Isabelle flüsterte Xenia etwas zu und die beiden kicherten.

Franky drehte sich zu Laura um, die ihn schüchtern ansah. Emma aber nickte ihm aufmunternd zu.

Franky seufzte innerlich. Oh Mann, warum ich!, dachte er. Er hasste es, immer wieder Zielscheibe für den Spott von Isabelle und ihrer Clique zu sein. Wenn ich Pate von Laura bin, wird das sicher nicht besser. Aber von so etwas hatte er sich noch nie bremsen lassen. »Okay«, stimmte er laut zu.

»Gut, dann hätten wir das ja geklärt. Fangen wir an«, sagte Frau Rahn. »Wer von euch möchte die Lösung der ersten Aufgabe erklären, die ihr zu Hause erarbeitet habt?«

»Hey Laura. Dann komm mal mit«, sagte Franky, als es zur Pause klingelte und sie in den Biologieraum wechseln mussten.

Laura nahm ihre Tasche und gemeinsam mit Emma und Antonia gingen sie den Gang entlang.

»Wo wohnst du denn?«, fragte Emma.

»In Berg, an der Nördlichen Seestraße«, antwortete Laura.

»Wow, nicht schlecht«, sagte Antonia.

»Wo genau ist das?«, fragte Franky.

»Direkt neben dem Strandhotel Leoni«, erwiderte ihre neue Klassenkameradin.

»Ach, die gelbe Villa?«, fragte Emma.

»Nein, auf der anderen Seite der Straße«, erklärte Laura.

»Ah, okay«, sagte Franky. Er kannte das Apartmenthaus. Es lag auf einem weitläufigen Grundstück, das einen fantastischen Blick auf den See und die Alpen bot. Es befand sich etwas abgelegen hinter einem kleinen Wäldchen, völlig ruhig und doch in unmittelbarer Nähe zum Seeufer. Auf solchen Grundstücken standen sonst am Ostufer nur Villen mit hohen Mauern, Pools und gepflegten Parks.

Allein das Grundstück ist mehrere Millionen wert, dachte Franky. Schon komisch, dass dort so ein Wohnblock steht.

»Und du programmierst gerne?«, fragte er.

»Ja, ich habe schon ein bisschen was in die Richtung gemacht«, antwortete das Mädchen bescheiden.