Der vergessene Mond Bd I - Bernd Tannenbaum - E-Book

Der vergessene Mond Bd I E-Book

Bernd Tannenbaum

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Beschreibung

Im ersten Band der Fantasy-Saga "Der vergessene Mond - Zeit des Erwachens" erzählt Bernd Tannenbaum die aufsehenerregende Geschichte des jungen Herm Pendrak, der auszieht, um ein Magier zu werden. Die Geschichte entführt den Leser in eine fremde Welt, die von drei sichtbaren Monden beschienen wird. Doch es scheint noch ein vierter "vergessener Mond" in der fremdartigen Welt zu existieren, von dem niemand mehr weiß. Als der junge Magier auf die tapfere Kira trifft, gerät er mit ihr in eine Welt voller Intrigen und Geheimbünde. Gejagt von dunklen Mächten folgen Pendrak und Kira dem Weg ihres Schicksals, während die Welt um sie herum dabei ist, einen alten Schleier des Vergessens abzuwerfen. Es ist der Anbruch der "Zeit des Erwachens"… Fremde Völker, dunkle, geheimnisvolle Mächte und die Suche nach dem eigenen Weg verwebt Autor Bernd Tannenbaum zu einer spektakulären Fantasy-Saga, in der sich ein kochender Magier, außergewöhnliche Helden und Fabelwesen tummeln. Die dichtgewobene Geschichte schafft es, die Fantasywelt um eine ganz neuartige Saga zu bereichern, die mit actiongeladener Magie und vielen Überraschungen aufwartet. Für Fans von Fantasy à la T. Canavan, Thomas Finn oder Wolfgang Hohlbein, aber auch für Fantasyneulinge ein absolutes Muss. "Der vergessene Mond Band I - Zeit des Erwachens" ist der erste Teil der Fantasy-Saga "Der vergessene Mond". "Der vergessene Mond" - Die Fantasy-Saga Band I - Zeit des Erwachens Band II - Das schwarze Buch Band III - Rückkehr der Blutkrallen Band IV - In Arbeit

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Seitenzahl: 416

Veröffentlichungsjahr: 2015

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Für Achim, Victor & HeikeLichter meines Lebens

Bernd Tannenbaum

Der vergessene Mond

Band I – Zeit des Erwachens

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© 2015 Bernd Tannenbaum

Umschlaggestaltung: Martin Schlierkamp

Entwurf der Runenkreise: Lothar Peterhof

Karte: Bernd Tannenbaum

Verlag: tredition GmbH, Hamburg

ISBN

Paperback

978-3-7323-5396-5

Hardcover

978-3-7323-5397-2

e-Book

978-3-7323-5398-9

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Inhaltsverzeichnis

Schatten über weißer Blume

Schwarzes Feuer

Zusammenkunft am Donnerfels

Wyrmtöter

Zeit des Erwachens

Die schwarze Nacht

Der vergessene Mond

Band I

Zeit des Erwachens

Band II

Das schwarze Buch

Band III

Rückkehr der Blutkrallen

Schatten über weißer Blume

Mit einem Krachen warf Rakul die Steine des Schicksals in die silberfarbige Schüssel des Sehers, so wie er es zu jeder Sonnenwende tat. Zufrieden sah der alte Erzmagier dem Wirbel der Steine zu, wie sie durch das glänzende Gefäß rasten. Obwohl das Ergebnis schon seit Jahrzehnten beinahe immer dasselbe war, faszinierte ihn das Schauspiel jedes Mal aufs Neue. Nachdem die Steine wieder Ruhe gefunden hatten, betrachtete er aufmerksam die Lage der großen Steine, sie lagen dort, wo er sie erwartet hatte. Doch dann stutzte er, irrte er sich oder hatten sich zwei der kleineren Steine etwas von ihrer üblichen Position entfernt?

Unsicher sah er genauer auf die anderen kleinen Steine. Hatten sie sich auch verschoben oder spielten seine alten Augen ihm einen Streich? Adrenalin durchfuhr seinen Körper, als er die magische Kraft der drei Monde in sich aufnahm. Er musste sicher gehen, seine Position erlaubte ihm keinen Raum für Zweifel. Konzentriert wirkte er den Zauber und visualisierte das Schicksal der Welt vor seinen Augen. Drei Monde standen hell am Nachthimmel, genau wie es sein sollte, kein Hinweis auf eine andere Kraft war zu sehen. Doch dann, ganz langsam wurde es sichtbar. Ein Schatten, klein und dunkel schob sich über den Nachthimmel nach Osten, um dort zu verschwinden.

Mit einem Schütteln beendete Rakul die Vision des Schicksals. „Ein Schatten im Osten, was hat das zu bedeuten?“ Es war die erste Unregelmäßigkeit seit beinahe zwanzig Jahren, aber genau wie damals war er ratlos über ihre Bedeutung. Die Steine des Schicksals wirkten stets am besten, wenn die Welt im Wandel war, zu den Sonnenwenden im Sommer und Winter. So hatte er bereits vor zwanzig Jahren zur Sommersonnenwende eine erste Unregelmäßigkeit im Bild der Steine wahrgenommen, dann ein Jahr später noch mal. Er hatte die Wächter aktiviert und die Ursache der Anomalie suchen lassen, doch trotz aller Bemühungen hatten sie nichts gefunden. Einer der Seher sprach von zwei Boten des Erwachens, die er in seiner Vision sah, doch niemand konnte einen Hinweis auf sie finden. Schließlich hatte er in der Kammer der Sterne die nächste Konjunktion der Monde berechnet und mit Zufriedenheit festgestellt, dass der Karas kein Bestandteil der nächsten Konjunktion sein würde. Beruhigt hatte er Vermerke in seinen Aufzeichnungen gemacht und es beinahe schon vergessen, bis heute.

Doch was hatte die erneute Anomalie zu bedeuten? Gedankenversunken strich der Magier über seinen langen weißen Bart, während er zum einzigen Balkon des Kristallturms ging. Kalte Luft wehte in einem rauen Wind durch die Berge und erfasste Rakul mit eisiger Kälte. Umgehend wurde er sich einmal mehr seines Alters bewusst. Bald schon würde es an der Zeit sein, einen Nachfolger zu benennen, selbst die Kraft des Turms würde ihn nicht ewig am Leben halten können. Er konnte auf ein langes Leben zurückschauen, vielleicht sogar zu lang, denn die Kraft des Turms hatte auch ihren Preis.

Ein Blick zum Himmel zeigte ihm die drei Monde der Welt, aus denen er seine magische Kraft bezog. Grün, blau und rot standen sie am Nachthimmel und waren eine Quelle der Macht für diejenigen, die sie zu nutzen wussten. Genügend Kraft, um seine Aufgabe zu erfüllen, doch der Turm war für ihn Energiequelle und Gefängnis zugleich. Angestrengt sah er auf die drei Monde, noch immer seine Magie wirkend. War da ein Schatten, etwas Verborgenes, das langsam sichtbar wurde? Doch so sehr er sich auch konzentrierte und soviel magische Kraft er auch einsetzte, es war nichts zu erkennen. Die Barriere hielt stand und das war das Einzige, was zählte. Er würde wieder eine Notiz in seinen Aufzeichnungen machen, so wie damals auch und weiter beobachten, so wie er es schon immer getan hatte.

Mit einem unguten Gefühl in der Magengegend erwachte Kira unsanft aus ihrem Schlaf. Routiniert und ohne nachzudenken rollte sie ihren Körper in perfekter Spannung haltend nahezu geräuschlos aus ihrer Schlafposition auf die Füße und verharrte still in ihrer geduckten Position, kampfbereit wie eine Raubkatze vor dem Sprung. „Was ist geschehen?“ Ihr Magen hatte sich innerlich verknotet und gab ihr dieses ungute Gefühl, das sie schon früher verspürt hatte, wenn sie sich in unmittelbarer Gefahr befand.

Langsam sah sie sich um und nahm ihre Umgebung in sich auf, Geräusche, Gerüche, die Umrisse ihrer Kammer. Still horchte sie nach irgendetwas Ungewöhnlichem, während sich ihre Augen langsam an die Dunkelheit gewöhnten. Ihre Schlafdecke lag an dem üblichen Platz, noch warm und zerwühlt von ihrem plötzlichen Manöver. Der kleine Tisch, das einzige Möbelstück in ihrem Raum, stand noch immer an derselben Wand, an der sie ihn vor wenigen Stunden benutzt hatte. Feder und das Tintenfass sauber an den Rand gerückt, befand sich das Pergament noch in der Mitte des Tisches, auf dem sie gezeichnet hatte. Ein kurzer Blick zeigte ihr, dass die Zeichnung unverändert war, in sauberen Strichen hatte sie an einem Kirschbaum in der Blütezeit gearbeitet, ihrem Lieblingsmotiv.

„Wieder ein Kirschbaum und wieder dieses beklemmende Gefühl von drohender Gefahr“. Der Anblick des Bildes erinnerte sie umgehend an die Ebene von Tong, durch die sie im Frühling ihres vierzehnten Jahres im Kloster gereist war, schon damals hatte das warnende Gefühl in ihrem Magen ihr Leben gerettet. Die gesamte Ebene war an jenem Tag in ein Meer von Kirschblüten gebadet, der Duft der Pflanzen hatte ihr die Sinne geraubt. Sie hatte den Frühling schon immer geliebt, aber dort, inmitten der Ebene, umgeben von tausenden Kirschbäumen, dort war auch ihr Herz aufgeblüht.

Es war auch das erste Jahr gewesen, in dem sie diese neuen Gefühle bemerkte, die sie vorher nicht gekannt hatte. Blut schoss in ihr Gesicht, wenn sie Nakang ansah und eine innere Hitze schien sie zu erfassen, wann immer sie in seiner Nähe war. Nakang war damals bereits im zwanzigsten Jahr in der weißen Blume und hatte gerade den vierten Shitsu gemeistert. Seine langen schwarzen Haare legten sich sanft über seine muskulösen Schultern, während er langsam neben Meister Yi den Pfad entlang ging. Es war eine große Ehre für Kira gewesen, das sie den Meister auf seiner Reise begleiten durfte und erst das dritte Mal, dass sie das Kloster für mehr als nur einige Stunden verlassen hatte. Die Angst, die sie zu Beginn der Reise ergriffen hatte, als sie die beschützenden Mauern des Klosters verließ, war schnell ihrer Neugier gewichen und spätestens seit sie die Ebene von Tong erreicht hatten, war aus ihrer Neugier Euphorie geworden.

Der Tag hätte perfekt sein können, wäre da nicht der verdammte Pak-Ma und seine ihm angeborene Sturheit gewesen. Das riesige graubefellte Lasttier maß eine Länge von mehr als sechs Metern, wenn auch die letzten beiden Meter nur aus seinem spitz zulaufenden Schwanz bestanden. Unendlich langsam setzte es einen seiner vier grauen Hufe vor den anderen, während die Reiseausrüstung des Meisters und seiner Begleiter bedenklich an den Seiten seines fetten Körpers hin und her schaukelte. Es war Kiras Aufgabe, das riesige Lasttier zu führen und das verlangte mehr von ihrer Aufmerksamkeit, als ihr lieb war. Obwohl sie bereits im zehnten Jahr gelernt hatte, ein Pak-Ma zu führen, schien gerade dieses Exemplar auffällig störrisch zu sein. Sie musste unter allen Umständen verhindern, dass sich der eigenwillige und faule Gigant plötzlich auf die Seite legte und so die an seinen Seiten befestigte Ausrüstung zerdrückte.

Gerade als sie das Lasttier wieder im Griff hatte und hoffte, ihren Blick wieder auf die perfekten Schultermuskeln Nakangs legen zu können, war es passiert. Ihr Magen hatte sich verknotet und die unmittelbare Nähe von Gefahr schien so offensichtlich, dass sie beinahe laut aufgeschrieen hätte. In dem Moment, in dem das Erbeben der Erde spürbar geworden war, hatte sie sofort reagiert. Mit zwei schnellen Sätzen und einem Sprung auf den besonders hohen Kirschbaum an ihrer linken Seite, den sie gerade noch wegen seiner Blütenpracht bewundert hatte, brachte sie sich in Sicherheit.

Ein schneller Blick zurück zeigte ihr, dass ihre Sprünge ihr Leben gerettet hatten. Dort, wo eben noch das träge Pak-Ma friedlich auf dem Feldweg hinter ihr her getrottet war, hatte sich die Erde geöffnet und nun umklammerten acht riesige Tentakel das Lasttier, das nun in Todesangst schreiend versuchte, sich aus der tödlichen Umklammerung zu befreien. Ein Tempok hatte seine Falle aufgestellt und geduldig auf seine Beute gewartet. Der riesige Jäger war nicht auf Kira oder ihre beiden Begleiter aus gewesen, es war das Pak-Ma, welches ihm auf Wochen einen vollen Bauch bescheren würde. Ein Blick zur Seite zeigte Kira, das auch Nakang und ihr Meister in sicherer Entfernung auf einen Baum gesprungen waren. Nie würde sie dieses Gefühl vergessen, als sich ihr Blick und der ihres Meisters getroffen hatten. Es war mehr als nur Anerkennung in seinem Blick, er schien sie genau zu betrachten, länger als jemals zuvor, und sein Blick sendete Blitze durch ihre Wirbelsäule. Später hatte er ihr erzählt, dass er schon vorher auf sie aufmerksam geworden war, doch war ihr Ausweichmanöver derart schnell und präzise gewesen, das er erst an diesem Tag ihr volles Potential erkannt habe. Er hatte ihr vorausgesagt, dass sie es bis zum siebten Shitsu schaffen würde und nun war sie nicht mehr weit entfernt von ihrem Ziel. Bereits vor einer Woche hatte sie den sechsten Shitsu abgeschlossen, als jüngste Frau die dies jemals geschafft hatte und nach einer weiteren Woche der Meditation würde sie endlich in die Geheimnisse des siebten Shitsu eingeweiht. Meister Yi selbst würde sie lehren, er war einer der nur wenigen Menschen auf der Welt, der diese Stufe der Kampfkunst gemeistert hatte.

Langsam verschwommen die Erinnerungen an das Tal, die Kirschblüten und die Todesschreie des Pak-Ma aus Kiras Geist und wichen wieder der kalten Stille ihrer Umgebung. Sie war in ihrer Kammer, allein, wie immer in jeder Nacht der letzten Jahre. Der Winter hatte seinen kalten, weißen Mantel über das Kloster gelegt und Feuer brannten in den Gemeinschaftsräumen bei Tag und Nacht, befeuert von den Anwärtern des ersten Shitsu. Kira erinnerte sich noch gut an die Zeit, als sie es war, die die Feuer hatte hüten müssen, damals war sie noch ein kleines Kind gewesen, das den Winter hasste.

„Hat sich daran etwas geändert?“ Still schmunzelte sie in sich hinein, trotz all ihres Trainings, all der bestandenen Prüfungen, ihrer stahlharten Muskeln und der eisernen Disziplin, mit der sie seit Jahren schon lebte, hasste sie den Winter noch immer. „Immer noch ein Kind.“ Kira biss sich auf die Zunge wie sie es immer tat wenn sie wütend auf sich war. Sie müsste kein Kind mehr sein. Würde sie mehr von ihrem Mut im Kampf auch beim Umgang mit Männern zeigen, wäre sie sicher schon eine Frau, anstatt noch immer allein in ihrer Kammer zu liegen.

Sie hatte sich oft vorgestellt, wie es wohl wäre, das Lager mit einem Mann zu teilen und oft war Nakang der Mann in ihrer Vorstellung gewesen, doch hatte sie nie den Mut gehabt, ihn anzusprechen, weder ihn noch einen der anderen Männer in der Weißen Blume.

„Bin ich schön?“ Diese Frage hatte sie sich oft gestellt in den letzten Jahren, seit ihre Gefühle für Nakang in jenem Frühling vor fünf Jahren erwacht waren. Sie war durchschnittlich groß für eine Frau, schlank und durchtrainiert. Kein Gramm Fett war auf ihrem Bauch zu finden, Arme und Beine durchzogen von klar definierten Muskeln. Ihr langes schwarzes Haar hatte ihr einige Komplimente eingebracht, auch von anderen Frauen aus dem Kloster, doch trug sie es meist zu einem Zopf geflochten, der dann auf ihrem Haupt mit einer Nadel verknotet war. Ein kurzer Blick auf ihr eigenes Hinterteil zeigte ihr zwei kleine muskulöse Rundungen, Kira hatte ihren Körper seit vielen Jahren schon darauf trainiert, im Kampf zu bestechen und nicht, um Männerblicke auf sich zu ziehen.

Ein warmer Körper, der im Winter Wärme und Geborgenheit spendet, oft schon hatte sie sich danach gesehnt. Still und leise auf ihrer Decke liegend hatte sie gelauscht, wenn nachts Geräusche aus den anderen Kammern zu hören waren, jenen Kammern in denen Paare lebten.

Diesmal waren keine Geräusche aus den Kammern zu hören, der Herr des Schlafes hatte sich über die Bewohner des kleinen Klosters gelegt. „War das ein Rascheln?“ Jetzt war Kira sicher, das sie etwas gespürt hatte, eine leichte Erschütterung des Bodens, zu leise um wirklich ein Geräusch zu sein, doch ihr trainierter Körper hatte es gespürt, wie ein gedämpfter Schritt direkt vor ihrer Kammer. Kira setzte ihren Körper in Aktion, blitzschnell und ihrem jahrelangen Training folgend sprang sie lautlos aus ihrer geduckten Haltung zur Kammertür. Ein schneller Griff und die Tür war geöffnet, ihre Füße in perfekter Balance nebeneinander, die Fäuste in Augenhöhe so stark angespannt, das ihr das Blut aus den Knöcheln wich, traf ihr Blick auf ein Paar eiskalte graublaue Augen, die aus dem schmalen Schlitz einer schwarzen Gesichtsmaske zu ihr herausblickten.

Der Körper des Mannes war in schwarze Tücher gehüllt und nur schemenhaft in der Dunkelheit zu erkennen, doch die geduckte Haltung, Körperspannung und sein Blick sagten Kira sofort, das sie einen Kämpfer vor sich hatte. Sie hatte schon viele Männer gesehen und mit vielen gekämpft, aber nie hatte sie in Augen wie diese geblickt. Es waren Augen eines Mannes, der getötet hatte, Augen eines Mannes, der vor hatte zu töten.

Sie spürte den Angriff noch bevor sie ihn sah, mit unglaublicher Geschwindigkeit raste die schwarze Klinge auf ihren Hals zu und verfehlte ihn nur um Millimeter. Einmal mehr hatten ihre schnellen Reflexe ihr Leben gerettet, aber dies war nicht die Ebene von Tong und der Angreifer war kein gigantischer Tempok. Sie war in ihrem Kloster und der Angreifer war ein Mann, kein Jäger. Wut erfüllte ihre Gedanken. Wie konnte er es wagen, ein Attentäter, in ihrem Kloster? Wusste dieser Narr nicht, dass die größten Kampfmeister von ganz Begos hier trainierten?

Kira wusste nicht, wem das Attentat gelten sollte, doch der Mann in Schwarz vor ihr würde für seine Ignoranz bezahlen. Ein kurzes Zögern nur, dann ging sie zum Angriff über. Ihre Fäuste rasten auf den Attentäter zu, während ihre Beine seitlich zu ihm in Position gingen. Neunzehn Jahre Leben in dem Kloster, vierzehn Jahre Kampftraining und eiserne Disziplin hatten ihren Körper in eine schlanke stahlharte Kampfmaschine verwandelt, die nun entfesselt wurde. Ohne nachzudenken folgte sie den gelernten Formen, Schlag, Tritt, Seitschritt, Doppelschlag, es gab einen sanften Stoß, als sie ihren Gegner am Körper traf. Der verhüllte Attentäter war gut, seine Angriffe schnell und genau, jeder Schlag darauf abgezielt, eine tödliche Verletzung zu verursachen, und doch war es ein ungleicher Kampf. Kira parierte, wich aus, schlug zurück, zuerst traf sie nur mit kraftlosen Schlägen, wie sie es aus ihren unzähligen Trainingskämpfen gewohnt war, doch langsam legte sie mehr Kraft in ihre Angriffe. Die schwarze Klinge des Angreifers schnitt mit einem Zischen durch die Luft, knapp über Kiras Kopf, während sie in einen Spagat abtauchte. Sie hatte ihren Gegner genau studiert und ihm scheinbar eine Möglichkeit zu einem Angriff auf ihren Hals gegeben, der Mann in Schwarz hatte nicht lang gezögert und schlug zu. Ohne seine Deckung, das Schwert noch in Bewegung über ihrem Kopf war sein Körper ein perfektes Ziel.

Diesmal legte sie all ihre Kraft in einen Schlag, die Energien ihres angespannten Körpers kanalisierend schoss ihre Faust hart und präzise direkt in seinen Unterleib. Der Treffer war brutal, hart genug um einen dicken Stein zu zerbrechen, für Kiras Gegner verheerend. Seine Augen verdrehend brach der Mann zusammen, ohne Laut zu geben, er würde für Minuten kampfunfähig sein. Zufrieden sah Kira hinab auf das Resultat ihres Angriffs. „Wie im Training. Der Angreifer war echt, seine Angriffe sollten sie töten, doch der Kampf war nicht anders als einer ihrer unzähligen Trainingskämpfe gewesen. Sie kannte alle empfindlichen Körperstellen, besonders die von Männern, wusste genau wohin sie schlagen musste um jemanden außer Gefecht zu setzen oder wie man seinen Gegner töten würde. Leber, Solarplexus, Unterleib, kurze Rippe – hier geht der Gegner zu Boden – Kehlkopf, Herz, Schläfen – tödlich.

„Irgendetwas stimmt nicht. Wieso ist er so still?“ Kiras Treffer war präzise und darauf angelegt, durch Schmerz zu betäuben. Der getroffene Angreifer müsste vor Schmerzen schreien, doch wand er sich beinahe unnatürlich leise am Boden. „Wieso rufe ich nicht um Hilfe?“ Kiras Gedanken rasten, verzweifelt versuchte sie Worte zu formen, einen Alarmton zu rufen – doch nichts. Wo Worte ihre Kehle verlassen müssten, war nichts außer Stille, alles war still, zu still. „Magie. Ein Stillezauber!“ Der eisige Griff der Angst nahm schlagartig Besitz von ihr. Dies war kein einzelner Attentäter, es war ein Angriff, ein Angriff auf das ganze Kloster.

Kiras Herz raste, als sie zu der ihr benachbarten Kammer rannte. Ein schneller Blick in den Gang zeigte ihr, dass alle Kammertüren außer der eigenen geschlossen waren. Beras Kammer, die am Anschluss des Gangs zur großen Halle lag, würde leer sein. Bera war bereits am Tag zuvor mit Nakang und zwei Pak-Mas aufgebrochen, um Kräuter, Gewürze und Leinen in Jenga zu kaufen. Erleichterung durchflutete sie für einen Moment, Nakang war in Sicherheit. „Törichtes Kind. Wie kannst du jetzt daran denken, wo die ganze weiße Blume in Gefahr ist?“ Wieder biss sie sich auf die Lippe, solche Gedanken konnte sie jetzt nicht brauchen. Sie brauchte Hilfe, musste einen Weg finden um Alarm zu schlagen. Stattdessen dachte sie nun wieder an Nakang, an ihn und die Tatsache, dass er allein mit Bera reiste.

Kira wusste, das viel auf solchen Reisen passieren konnte, schon manche Klosterbrüder und Schwestern hatten vor einer solchen Reise allein in ihrer Kammer geschlafen, um sie dann nach ihrer Rückkehr zu teilen. Ein Bild von Nakang und Bera manifestierte sich in ihren Gedanken, Beras Finger streiften sanft durch Nakangs langes glänzendes Haar, während seine Hände vorsichtig von ihren Hüften zu ihrem Busen strichen. Bera hatte einen weiblichen Busen, anders als die meisten Frauen in der weißen Blume. Wo Kira harte Muskeln und nur leichte weibliche Hügel aufwies, konnte man Beras Rundungen schon auf den ersten Blick erkennen. Sie trug ihr Haar stets offen, so das die Haarspitzen sanft über ihre Schultern auf den Busen fielen und sich auf und ab bewegten, wenn sie ruhig und tief atmete. Kira trug ihr langes schwarzes Haar stets zu einem festen Zopf geflochten, auf ihrem Kopf zusammengebunden mit einer Haarnadel aus hartem Stahl, die als Waffe genutzt einen Gegner in Sekunden würde töten können. Wütend schüttelte sie die Gedanken an Nakang und Bera von sich, sie musste sich konzentrieren.

„Zuerst wecke ich die Anderen in diesem Gang, dann fesseln wir den Angreifer und sehen weiter.“ Den Plan gefasst rannte sie zu der Kammertür, die neben ihrer eigenen lag und riss sie auf. Der Anblick des toten Körpers auf der von Blut geröteten Decke ließ sie erstarren. Bi-Tans Kopf lag abgetrennt vom Körper am Fußende der Decke, seine toten Augen halb geschlossen und leer. Es war nicht der erste tote Körper, den Kira sah, aber diesmal war es anders. Es war kein alter Mann, der nach erfülltem Leben an seinem Alter starb, auch war er keiner Krankheit oder einem Raubtier erlegen, er war von einem Mann ermordet worden. Ein Mann hatte seinen Kopf vom Körper getrennt und dieser Mann lag nur wenige Meter entfernt in dem Gang vor ihrer Kammer. Kalte Wut ergriff sie, als sie sich vorstellte, wie der Attentäter lautlos in die Kammer geschlichen war, sich vorsichtig über Bi-Tan gebeugt und ihm seine Hand auf den Mund gepresst hatte, während er seine Kehle durchschnitt. „Warum nur hat er den Kopf von seinem Körper getrennt? Reichte es nicht, ihn zu ermorden, musste er auch noch seine Leiche verstümmeln? Dafür wird er bezahlen.“ Wütend stürmte Kira aus der Kammer zurück in den Gang, mit der festen Absicht den Attentäter zu töten. Er würde für den Mord an Bi-Tan bezahlen, sie würde ihn nicht leben lassen, nicht nach dem, was er ihrem Klosterbruder angetan hatte.

Das harte Metall traf sie an ihrer linken Schulter und der plötzliche Aufschlag ließ sie herumwirbeln, Schmerz betäubte ihre Sinne. Der schnelle Blick auf ihre Schulter zeigte ihr das sternförmige Geschoss, das sich in ihr Fleisch gebohrt hatte. Blut floss aus der Wunde, ihr sonst so sicherer Stand war außer Balance und mit wackligen Knien sah sie entsetzt ihren Gegner, wie er sich langsam vom Boden erhob, einen weiteren metallischen Stern in der Hand. „Unmöglich!“ Ihr Faustschlag hatte ihn genau getroffen, er konnte sich nicht so schnell erholen. Dann sah sie die seltsamen Schriftzeichen auf der Brust ihres Gegners. „Eine Rune!“ Fast unsichtbar, nur von einem extrem geschärften Auge zu erkennen, sah Kira die Runenschrift, vier Kreise, drei von ihnen hohl, der vierte ausgefüllt, umgeben von den für Runen typischen Keilzeichen waren in dunkler Farbe auf den Stoff gemalt. So dunkel war die Farbe, dass sie es nicht beim ersten Mal gesehen hatte, doch inzwischen hatten sich ihre Augen perfekt an die Dunkelheit angepasst. Sie wusste nicht viel über Runen, außer dass sie existierten, doch die offensichtliche Anwesenheit eines Stille-Zaubers auf dem Kloster war Warnung genug.

„Sie haben einen Magier, offensichtlich mächtig genug, um seine Kämpfer mit Runen zu stärken.“ Der Gedanke bohrte sich in ihr Herz wie eine vergiftete Nadel. „Sind sie stark genug, um zu siegen? Eine Horde Attentäter, unterstützt von einem Magier, mit Runen auf ihrer Kleidung, möglicherweise stark genug um das gesamte Kloster auszulöschen. Das darf nicht passieren, ich muss leben und die anderen warnen. Meister Yi, er wird sie zurück in die Hölle schicken, aus der sie gekommen sind.“

Kiras Blick konzentrierte sich nun voll auf ihr Gegenüber, während sie ihren Körper mehr und mehr anspannte, die kanalisierten Energien durch sich hindurch fließen ließ. Als der Mann in schwarz den Stern warf, explodierte sie. Aus dem Stand sprang sie nach vorne, drehte dabei ihren Körper seitlich um die horizontale Achse und hörte den Stern an ihr vorbei fliegen. In demselben Moment, in dem ihre Füße wieder Boden berührten, drehte sie sich ein weiteres Mal, ihr rechtes Bein im letzten Moment streckend direkt zum Kopf des Gegners. Er war gut, änderte seine Position rechtzeitig in eine Verteidigungsstellung und parierte den Tritt. Ohne zu überlegen setzte sie den Angriff fort, durchlief die Formen des sechsten Shitsu wie in Trance. Ihr Gegner parierte, wich aus, wich zurück, versuchte zu kontern, doch es war zwecklos. Bereits nach wenigen Sekunden war er beinahe fünf Meter zurückgewichen, es war nur eine Frage der Zeit, wann er mit seinem Rücken gegen die Wand am Ende des Ganges stoßen würde. Dann war es soweit, der Angreifer spürte die Wand hinter sich mit seinem linken Fuß, er würde nicht weiter zurückweichen können. „Ein Tier ist dann am gefährlichsten, wenn es keinen Ausweg zur Flucht hat“ Die Stimme ihres Meisters erklang in ihrem Kopf, wie er sie in seinen Lektionen belehrte.

Kira war bereit, als der Mann in schwarz seinen Verzweiflungsangriff startete. Schnell und präzise stieß er das schwarz glänzende Schwert auf ihr Herz, doch der Stoß fuhr ins Nichts. Routiniert war sie ihren Formen gefolgt, elegant unter seinem Stoß hindurch geglitten und hatte sich mit dem Rücken direkt vor ihm in Position gebracht. Ihre Hände umfassten die Seinen und mit dem Schwung ihrer Drehung wirbelte sie sein Gelenk nach innen. Ein kurzer Ruck und sein eigenes Schwert durchstieß sein Herz.

Kira atmete langsam, ihren Körper still haltend, ihre Hände noch über die des Mannes gelegt, auf dem Griff des Schwertes. Wie in Zeitlupe drehte sie sich um und sah in die toten Augen ihres Gegners. Blut floss aus seiner Wunde, unbewegt stand er neben ihr, festgehalten durch ihren stahlharten Griff. „Keine Rune kann dich vor einem Schwert in deinem Herzen schützen.“ Noch immer stand sie unbewegt vor ihm, unfähig seinen Leichnam loszulassen, wie gelähmt von dem Todesstoß, mit dem sie gerade sein Leben beendet hatte. Es war das erste Mal, das sie getötet hatte, diesmal war es kein Holzgerüst, an dem sie den tödlichen Schlag so oft geübt hatte. Unzählige Stunden hatte sie damit verbracht, den waffenlosen Kampf gegen bewaffnete Gegner zu trainieren und deren eigene Waffen gegen sie zu richten. Doch diesmal war es kein Holz, diesmal war ihr Gegner tot, sie hatte sein Leben beendet. Schweiß stand auf ihrer Stirn und sie spürte, wie ihre Knie weich wurden.

„Die Wunde“ schoss es ihr durch den Kopf. Ein schneller Blick zu ihrer Schulter verriet ihr, dass sie weiter Blut verloren hatte, sie musste unbedingt die Blutung stoppen. Schnell zog sie ihr Nachtgewand aus und riss es in Streifen, um einen Verband zu schaffen. Doch dann verharrte sie einen Moment.

„Was, wenn mich nun einer meiner Brüder so sieht?“ Inzwischen nackt schüttelte Kira schließlich den Gedanken an Scham ab, es gab nun wichtigeres zu tun. Ein schneller Ruck entfernte den Stern, sofort presste sie den ersten Streifen Stoff, den sie zu einem Ballen geformt hatte, auf die Wunde. Dann der Verband, gefolgt von einem weiteren Ballen und wieder ein Verband. Zufrieden sah sie auf den fertigen Pressverband auf ihrer Schulter, die Blutung war für den Moment gestoppt. Doch er würde ihre Kampftauglichkeit einschränken, sie konnte ihren linken Arm nur noch bis zur Schulterhöhe heben und die Wunde würde einen guten Angriffspunkt für ihre Gegner geben. Lautlos fluchte sie vor sich hin, während sie vorsichtig die anderen Kammern überprüfte. Beras Raum war wie erwartet leer bis auf ein einzelnes Bild auf dem kleinen Tisch, der nicht unähnlich dem ihren an der Wand ihrer Kammer stand. Kiras ohnehin schon verknoteter Magen wand sich weiter, als sie das Motiv von Beras Bild sah. Nakang stand nackt mit dem Rücken zum Betrachter neben einem Wasserfall, die Linien seiner Rückenmuskeln in Harmonie zum fallenden Wasser verlaufend, verschlug ihr das Gesamtbild den Atem. Das konnte sie unmöglich aus ihrer Phantasie gemalt haben, er musste für sie posiert haben. Eine warme Träne lief über Kiras Gesicht und sie schluckte schwer.

„Wieso interessiert mich das? Es gab genug Gelegenheiten, ihn anzusprechen.“ Verzweiflung ergriff sie, während sie sich vorstellte, wie Nakang und Bera auf ihrer Reise an einem Wasserfall ihr Lager aufschlugen. Er würde wieder für sie posieren und dann…“Nein, nicht jetzt!“ Mit einer harten Bewegung wischte sie sich die Träne vom Gesicht und konzentrierte sich wieder auf ihre Umgebung. Schnell überprüfte sie die anderen Kammern und Übelkeit stieg in ihr auf, als sie die erwarteten Leichen fand. Die Toten hatten ihre Köpfe abgetrennt neben sich liegen, genau wie Bi-Tun. Das flaue Gefühl in ihrem Magen bekämpfend bewegte sie sich weiter zur großen Tür, die ihren Gang von der großen Halle trennte. Sie würde schon bald noch mehr Tote sehen, da war sie sicher. Und möglicherweise würde sie auch wieder kämpfen müssen, nur wie sollte sie das tun mit ihrer Verletzung? „Und was, wenn ich dem Magier in die Arme laufe?“

Kira versuchte sich an die Lektionen ihres Meisters über Magie zu erinnern. „Die Macht der Magier kommt von den drei Monden, Jatul, Jesah und Zonah. Der grüne Mond Jatul steht für das Leben, der blaue Mond Jesah für den Wandel und das Wetter, der rote Mond Zonah für Feuer und Zerstörung. Ein Magier zieht seine Kraft stets nur aus einem der Monde und gehört der Schule dieses Mondes an. Runen können nur von starken Magiern geschrieben werden, dazu wird das Blut derer benutzt, die die Runen nutzen sollen.“ Der Gedanke an den toten Angreifer brachte ihr wieder das Bild der Runen auf seiner Brust vor Augen. „Natürlich, es war sein Blut.“ Die dunkle Farbe auf dem schwarzen Stoff war sein Blut, daher war das Zeichen so schwer zu sehen gewesen.

„Zerstört die Rune oder tötet den Magier, der sie geschaffen hat und sie verliert ihre Wirkung, aber seidstets vorsichtig, Magie ist wie diejenigen die sie nutzen unberechenbar und wird meist eingesetzt, um Böses zu tun, selten nur Gutes.“ Kira wiederholte die Worte noch einmal in ihren Gedanken, versuchte einen Sinn darin zu finden, einen Nutzen, der ihr einen Vorteil verschaffen würde. Dann traf es sie. „Die Macht der Magier kommt von den drei Monden…“ Natürlich, Jatul stand in voller grüner Pracht am Abendhimmel, der gegnerische Magier nutzte sicher die Kräfte dieses Mondes. Ihrer Überlegung folgend suchte sie nach den Konsequenzen ihrer Feststellung. „Die Angreifer haben den Überfall genau geplant und sich den günstigsten Tag ausgesucht. Jatul steht voll im Zenit der Nacht, so kann ihr Magier seine volle Macht entfalten. Als grüner Magier kann er heilen, aber was kann er noch?“ Einmal mehr biss Kira sich auf ihre Lippe, diesmal noch wütender auf sich. Sie war eine außergewöhnlich talentierte Kämpferin, diszipliniert und gehorsam, aber den theoretischen Lektionen ihres Meisters über Magie hatte sie nie viel abgewinnen können. „Hätte ich dem Thema nur mehr Aufmerksamkeit gewidmet, dann wüsste ich nun vielleicht, wie ich gegen einen Magier zu kämpfen habe.“

Still verharrend zögerte Kira, die Tür zum großen Saal zu öffnen, der der zentrale Punkt des Haupthauses war, in den alle Gänge der Seitenflügel mündeten. Wenn ein Magier an dem Angriff teilnahm, war der große Saal die wahrscheinlichste Stelle, an der er sich befinden würde.

„Der siebte Shitsu kann Magie abwehren.“ Kira erinnerte sich plötzlich, dass ihr Meister dies einmal erwähnt hatte. Es würde ihr selbst nicht viel helfen, denn ihr Training zur siebten und letzten Ebene der Kampfkunst des Klosters hatte noch nicht begonnen, doch Meister Yi war ein Meister des siebten Shitsu. Nur er persönlich unterrichtete die wenigen Anwärter, die es je zur siebten Ebene schafften und nur die allerwenigsten von ihnen wurden selbst zu Meistern. „Ich werde es schaffen, ich werde den siebten Shitsu meistern. Und dann werde ich mich auch gegen Magier verteidigen können.“ Doch noch war es nicht soweit, jetzt brauchte sie ihren Meister, er war ihre einzige Hoffnung.

Karrek hielt die Energie noch einen Moment aufrecht, bevor er sie wieder entschwinden ließ, zurück in die Nacht, die ihn mit soviel Kraft versorgte wie selten zuvor. Der Tag des Angriffs war gut gewählt, Jatul stand voll im Nachthimmel und seine Energie erfüllte Karrek stärker und schneller als an jedem anderen Tag des Jahres. Zufrieden sah er auf die drei toten Körper hinab, die reglos vor ihm am Boden lagen. Jeder einzelne von ihnen war ein Kämpfer, schnell, durchtrainiert und tödlich, und doch waren sie leichte Opfer für ihn gewesen.

Seine Energie hatte ihre Körper durchflutet, ihren Herzschlag erfasst und langsam aber sicher gestoppt. Lächelnd hatte er gewartet und zugesehen, wie sie langsam zu Boden gesunken waren, lautlos nach Hilfe suchend um sich griffen und schließlich starben. Er hatte seine Fähigkeiten in langen Jahren perfektioniert und das stille Töten zu seiner Spezialität gemacht. Andere grüne Magier nutzten die Kraft des Mondes hauptsächlich zur Heilung, nicht aber Karrek. „Dieselben Kräfte, die heilen, können auch töten, so einfach und doch so effektiv. Wer braucht schon rote Magier mit ihrem Feuer und ihrer Zerstörung, wenn man doch so einfach einen Herzschlag beenden kann.“

Langsam und mit der Selbstsicherheit eines Mannes, der um seine Überlegenheit wusste, sah er sich in der großen Halle um. Feuer prasselten lautlos in den drei Feuerstellen und sorgten für eine überraschend angenehme Wärme in der Halle, die durch fünf schwere Holztüren mit den Gängen der Wohnkammern verbunden war. Felle verhingen die Fensteröffnungen, um die Wärme der Feuer im Inneren des Gebäudes zu halten. Über den Feuerstellen selbst begannen gemauerte Kanäle, die den heißen Rauch in einem gut durchdachten System über die Wohnkammern zum Dach des Zentralgebäudes brachten, so das die drei großen Feuer genügend Wärme für alle Bewohner liefern konnten.

Seine Informationen waren korrekt gewesen, der Aufbau der weißen Blume entsprach genau den Zeichnungen. Eine Treppe am Kopfende führte auf eine Balustrade, die mit dem Wohnbereich der Meister im oberen Stockwerk verbunden war, das große Tor in Karreks Rücken führte in den Hof, der von einem weißen Tuch aus Schnee bedeckt war. Erwartungsvoll blickte der Magier in Richtung der Balustrade - wenn noch Widerstand zu erwarten war, dann von dort. Semkai selbst hatte sich dem Stockwerk der Meister verschrieben, mit seinen besten drei Schülern war er losgezogen, um den Auftrag schnell und lautlos zu beenden.

Gedankenabwesend musste Karrek an die Belohnung denken, die ihn erwarten würde, nach der heutigen Nacht. Perse, die Tochter des Fürsten Ma-Go würde ihm gehören. Er wusste nicht, wie und auf welche Weise sein Auftraggeber das geschafft hatte, hatte doch der Fürst selbst immer wieder sein Misstrauen gegenüber Magiern bekräftigt und eine Heirat seiner Blume mit einem „Vertrauenslosen“, wie er die Magier nannte, stets ausgeschlossen. Doch das Wie oder Warum interessierte ihn nicht, schon zum nächsten Jatul würde sie in seinen Armen liegen und er würde sie leiden lassen für die herablassenden Blicke und Zurückweisungen, die er durch sie hatte ertragen müssen.

Das Geschoss flog so schnell auf ihn zu, das jedes Ausweichen unmöglich war. Noch bevor Karrek das Traumbild von Perse aus seinen Gedanken geschüttelt hatte, schlug die kleine metallische Kugel mit einem dumpfen Schlag gegen seinen Schutzwall. Wie von einer unsichtbaren Kraft gehalten schwebte sie nun reglos wenige Zentimeter vor seinem Kopf, ein tödlicher Angriff, der einen normalen Menschen sicher ausgeschaltet hätte. Doch Karrek war kein normaler Mensch, er war ein grüner Magier, ein Meister des Jatul und es würde mehr brauchen als eine Metallkugel, um ihn auszuschalten. Grimmig und noch immer bewegungslos sah er auf zur Balustrade, wo sein Angreifer stand. Der Mann war alt, sehr alt, sein freier Oberkörper bedeckt mit Narben und Altersflecken, die man deutlich auf den stahlharten Muskeln sehen konnte. Ein lächerlich wirkender langer weißer Bart fiel von seinem kahlgeschorenen Kopf über seine Schulter, seinen Unterleib in feste Leinenhosen geschnürt. Mit einer schnellen Bewegung, grazil wie eine Katze, sprang der Mann über das Geländer der Balustrade und landete mit angewinkelten Beinen in perfekter Balance mitten in der Halle, nur wenige Meter von ihm entfernt. Karrek ließ sich nicht vom Alter des Mannes oder seinem lachhaften Bart täuschen, der alte Mann wurde von einer Aura aus Autorität und Gefahr umgeben. Es gab keinen Zweifel, Meister Yi hatte ihn gefunden.

Karreks Augen trafen sich mit denen des Kampfmeisters, still und bewegungslos. Die Muskeln in voller Anspannung war der Meister des Klosters bereit zum Angriff, doch noch immer stand er reglos in der Mitte der Halle. „Worauf wartet er nur? Das Überraschungsmomentist vorbei, will er mich nicht angreifen?“ Gerade als Karrek verwundert einen Zauber starten wollte, zeigte sich ihm der Grund für das Zögern des alten Meisters in Form von zwei schwarzgekleideten Gestalten, die lautlos von der Balustrade herab neben ihm landeten. „Nur zwei?“ Offenbar hatte Semkai den Meister der weißen Blume unterschätzt, wenn bereits zwei seiner Schüler ausgeschaltet waren. Schmunzelnd trat Kerrak einen Schritt zurück und gab dem Meister des Mordes so das Zeichen, das er nicht in den Kampf eingreifen würde. Er wusste um die seltsame Kriegerehre, der sich sein Weggefährte verschrieben hatte. Er wollte seine Fähigkeit im Töten mit der des Klostermeisters messen und Karrek würde ihm die Gelegenheit geben.

Semkai war klein und schlank, doch seine unproportional breiten Schultern deuteten seine Kraft und Fähigkeit im Kampf an. Komplett in feste schwarze Tücher gekleidet, die nur einen schmalen Schlitz zu seinen Augen offen ließen, strahlte er eine Aura von Gefahr aus, die einem unvorbereiteten Mann das Blut gefrieren ließ. Seine eiskalten Augen versprachen den Tod und selbst Karrek verspürte noch immer dieses unwohle Gefühl, wenn er von ihnen angesehen wurde. Doch es war nicht Karrek, den die kalten Augen Semkais fokussierten, sondern der weissbärtige alte Mann, dem die volle Aufmerksamkeit des geübten Mörders gehörte. Gespannt auf das einmalige Duell wartend sah der Magier, wie Semkai seine beiden Sai in Position brachte, die bevorzugten Waffen des Kampfmeisters. Die kurzen Parierdolche Semkais konnten jedweden Gegner innerhalb von Sekunden entwaffnen, ihre messerscharfen Schneiden vermochten Kehlen aufzuschlitzen und Fleisch zu durchbohren, ihr geringes Gewicht gab dem Kampfmeister dabei den Vorteil hoher Beweglichkeit.

Yi wandte sich dem neuen Angreifer nun zu, unbewaffnet, in einer seltsam anmutenden Verteidigungsposition, die einen Ausblick auf das Können des Mönches gab. Der Schüler Semkais, der nun hinter Yi stand, hatte sein No-Dachi ebenfalls in Position gebracht, langsam und in voller Konzentration näherte er sich dem Meister, das lange gebogene Zweihandschwert bereit zum tödlichen Schlag. Die Bewegung war so schnell, das Karrek Mühe hatte, ihr mit seinen Augen zu folgen, wie ein Blitz war der unbewaffnete Meister explodiert und raste durch die Formen seiner Kampfkunst, als ob sein Körper der eines Zwanzigjährigen wäre und nicht der eines alten Mannes. „Unglaublich, so schnell.“ Wie gebannt folgte der Magier den Bewegungen des Altmeisters, sah wie der Schüler Semkais mit einem stummen Schrei zu Boden ging, seinen Hals in einer Position, die keinen Zweifel an dem Tod des talentierten Kämpfers ließ. Noch bevor das No-Dachi lautlos auf dem Boden aufschlug befanden sich schließlich die beiden Meister selbst in einem Kampf, der mehr einem Tanz zu gleichen schien. Atemlos verfolgte Karrek das Duell der Titanen, die sich durch ihre Formen und Angriffe bewegten, wie er es noch niemals zuvor gesehen hatte. Angriffe und Paraden trafen aufeinander, blitzschnelle Tritte, Schläge und Stöße wechselten einander ab, während sich die Kämpfer in Sprüngen und Rollen durch den Raum bewegten.

Karrek hatte den Burrak-Kumun oft beim Training zugesehen, doch waren ihre Übungskämpfe nicht vergleichbar mit diesem Schauspiel vor seinen Augen. Dies waren keine Schüler, die Angriffe oder Formen lernten, es waren Meister, die ihresgleichen suchten. Nie zuvor hatte er Semkai so lange kämpfen sehen, der Meister des Mordes hatte stets den schnellen Tod seiner Gegner bevorzugt. Auch bei seinen Trainigskämpfen, in denen er oftmals drei oder mehr seiner Burrak-Kumun gegenüberstand, hatte er meist alle Gegner in weniger als dreißig Sekunden am Boden. Aber diesmal kämpfte er nicht gegen seine Schüler, diesmal war der Gegner ebenbürtig und es war kein Sieger in dem Duell zu erkennen, das nun schon seit über einer Minute in der großen Halle der weißen Blume wütete.

Kira starrte atemlos auf das Schauspiel, das sich nur wenige Meter entfernt vor ihren Augen abspielte. Der Kampf ihres Meisters gegen den kleinen in schwarz gekleideten Mann war das Unglaublichste, was sie jemals gesehen hatte. Regungslos sah sie den Attentäter seine kurzen aus schwarzem Stahl geschmiedeten Sai in tödlicher Präzision durch eine offensive Form wirbeln, zu schnell um den Bewegungen folgen zu können. „Sieben Messer“ erinnerte sich Kira an die Kampftechnik, die in sieben schnellen Stößen auf vitale Zonen des Gegners den Tod bringen sollte. Schwer zu parieren, wenn mit Schwertern ausgeführt, nahezu unmöglich bei schnellen Messern oder Sai.

Fasziniert sah sie ihren Meister, wie er seinen Köper in nahezu unmögliche Positionen brachte und dabei nicht nur den sieben Todesstößen auswich, sondern in der direkten Gegenbewegung noch einen Angriff startete. „Noch so viel zu lernen, so viel. Es wird noch Jahre dauern, bis ich auch nur annähernd so kämpfen kann.“ Wütend biss sie sich einmal mehr auf die inzwischen wunde Lippe, der kleine Schmerz bot ihr eine Ablenkung zu dem pulsierenden Albtraum in ihrer Schulter, der durch ihre Bewegungen immer schlimmer geworden war. „Was für eine dumme Idee, den alten Kamin zu nutzen. Ich hätte wissen müssen, das der Kanal zu eng ist, um mit einer Schulterverletzung hindurch zu krie-chen.“ Langsam nahm Kira den Blick von dem Duell der Meister, das nur wenige Meter unter ihr stattfand. Sie war durch den alten Kamin gekrochen, um unentdeckt in die Haupthalle zu gelangen und nun lag sie in der Öffnung mit dem Kopf voraus und verfluchte ihre Idee, die noch vor wenigen Minuten so gut gewesen schien. Sie hatte sich vorgenommen, den Magier zu überraschen. „Wenn er dich nicht sieht, kann er keinen Zauber auf dich wirken.“ Ein einfacher Plan, der sich jedoch als äußerst problematisch herausgestellt hatte.

Sie wusste von dem alten Kamin, der früher in der Mitte der großen Halle gestanden und von dort aus die Kanäle mit Wärme versorgt hatte. Später war er abgerissen worden und ersetzt durch drei neue Feuerstellen, die sich nun gegenüber und seitlich der Eingangstür befanden. Doch der alte Zuführungskanal war noch da, lediglich verstopft mit einem gefetteten Tuch, das seinen Ausgang nach draußen verschließen sollte. Schnell war Kira vom Eingangstor zu ihrem Gang zurück gelaufen, dort in den Wärmekanal geklettert und hatte den Weg zur Abzweigung gefunden. Die Luft anhaltend und blind im Rauch war sie dem Weg gefolgt, den sie früher oft als Kind kriechen musste, um den Kanal zu säubern. Niemand mochte diese Arbeit, doch Kira hatte sie immer freiwillig gemacht, wenn sie konnte. In dem engen Kanal hatte sie ihren Körper trainiert, abgeschlossen von ihrer Umwelt und den kritischen Blicken der Meister hatte sie sich gebogen und gedreht, ihre Bauchmuskeln in eine Platte aus Stahl verwandelt. Nun war sie ihrer alten Erinnerung gefolgt, hatte die verstopfte Abzweigung gefunden und war in den alten Kanal geklettert. Den Stoff-Stöpsel hinter sich wieder in Position bringend war sie weiter gekrochen bis zum Ende des Schachts, der über dem Eingangstor zur großen Halle schräg aus der Wand ragte. So konnte sie den Kampf verfolgen und sah auch das eigentliche Ziel ihrer Aktion, den in grüne Roben gehüllten Magier, der genau unter ihr stehend den Kampf ohne einzugreifen zu betrachten schien.

Doch die Situation schien hoffnungsloser als sie gehofft hatte, ihr Meister war in einen tödlichen Kampf mit einem Attentäter verwickelt, der seinem Können in nichts nachzustehen schien und selbst wenn er den Kampf gewinnen sollte, würde der wartende Magier ihn sofort töten. Kira selbst war eingeklemmt in der Schachtöffnung, die sich als deutlich enger herausstellte als in ihrer Erinnerung aus Kindheitstagen und selbst wenn sie sich bewegen könnte, wäre ihr ein schneller Überraschungsangriff aufgrund ihrer Verletzung unmöglich. Verzweiflung stieg in ihr auf, während sie langsam versuchte, ihren rechten Arm vor den Körper zu schieben. „In jeder Minute, in der ich hier festhänge, sterben möglicherweise Brüder und Schwestern von mir.“ Ihre Gedanken richteten sich auf die zwei Nebengebäude des Klosters, in denen die Jünglinge und Anwärter auf die unteren Kammern untergebracht waren. Kira gab sich keinen Illusionen hin, die Mörder mit den eiskalten Augen würden auch vor ihnen keinen Halt machen, der Magier würde alle töten lassen, wenn sie ihn nicht aufhalten konnte. Gerade als sie ihren Arm erfolgreich an ihrer Hüfte vorbei nach vorne schieben konnte, spürte sie die leichte Erschütterung, mehr ein Ruck, der durch den gemauerten Kanal ging, kaum merkbar. Sofort hielt Kira still und wartete angespannt ob sie sich getäuscht hatte. Einen Sekundenbruchteil später musste sie feststellen, dass es keine Täuschung gewesen war, als der Schacht unter ihrem Körper nachgab und sie zusammen mit einem Berg von Schutt und Steinen in die Tiefe stürzte.

Karrek konnte nicht glauben, was er sah. Aufgeschreckt durch eine Bewegung über ihm hatte er seine Gedanken von Perse abgewendet und die Überlegungen zu ihrer kommenden Bestrafung verschoben. Sein Körper war warm und bebte noch bei der Vorstellung daran, was er mit ihr tun würde, doch ein seltsames Gefühl von Gefahr hatte ihn aus seinen grausamen Gedanken gerissen. Seinen Kopf nach oben drehend blickte er auf ein Bild, dessen Absurdität ihn zum Lachen gebracht hätte, stände er nicht direkt unter der Lawine, die sich auf ihn zubewegte. Ein Schwall von Schutt und Steinen fiel geradewegs von der Decke auf ihn herab, in den Steinen verkantet eine nackte Frau, die lautlos schreiend inmitten der Lawine auf ihn hinab stürzte.

Es war zu spät zum Ausweichen und so konnte er nur noch hilflos mit ansehen, wie die ersten Steine auf seine Schutzbarriere trafen. Der Zauber, den er als Schutz um sich herum aufgebaut hatte, umgab ihn in Form einer unsichtbaren Glocke. Sie war stark genug, um Geschosse aufzuhalten oder Schwertschläge abprallen zu lassen, doch er hatte sie nicht dafür erschaffen, um eine Steinlawine aufzuhalten. In dem Bruchteil einer Sekunde hatten die ersten schweren Steine alle Energie aufgesogen, mit der er die Barriere errichtet hatte, die nächsten Steine drückten ihn auf die Knie. Instinktiv verkleinerte er die Kuppel, um so weniger Energie zur Aufrechterhaltung zu benötigen und vielleicht hätte sie gehalten, wäre nicht die junge Frau selbst inmitten der Steine direkt auf das Zentrum seiner Barrikade gefallen. Ein harter Schock durchschlug seinen Körper in dem Moment, wo ihn die Energie verließ und die Kuppel zusammenbrach.

Karrek war augenblicklich in Panik, er wusste das der Rückschlag eines fehlgeschlagenen Zauberspruchs um so schlimmer war, je mehr Energie aufgewendet worden war um ihn zu sprechen, und Karrek hatte viel Energie für seinen Schutzwall genutzt. Er spürte wie der Schock seinen Körper durchfuhr, wie Sehnen in seinen Beinen rissen und Rippen brachen, Schmerz durchflutete seinen Verstand. Nur einen Sekundenbruchteil später schlug die Lawine auf ihn ein, die angesammelten Steine, die von seinem Feld aufgehalten worden waren, hatten sich auf dem Oberteil der Schutzglocke aufgehäuft und fielen nun in einem gesammelten Haufen auf ihn. „Sprungf“ Der Gedanke an seine letzte Rettung, seine Absicherung für alle Fälle schrie aus ihm heraus.

Kira erhob sich stöhnend vom Boden und schüttelte dabei den Schutt und die Steine ab, die auf sie gefallen waren. Der stechende Schmerz in ihrem rechten Bein sagte ihr, das sie mehr als nur kleine Prellungen bei dem Sturz davongetragen hatte und so schaffte sie es nur bis auf die Knie, bevor ein lauter Schmerzensschrei ihre Kehle verließ. „Mein Schrei, ich kann ihn hören!“ Jubel durchzuckte Kira, als sie realisierte, dass der Stille-Zauber auf dem Kloster gebrochen war. „Aber wo ist der Magier geblieben?“ Er war fort, unter Kira befanden sich nur Schutt und Steine, der Magier und seine unsichtbare Kuppel, auf die sie gefallen war, waren fort.

Sie hatte gesehen, wie die Steine, die ihr vorausgefallen waren, von einer unsichtbaren Hand gehalten, in der Luft über dem Mann in den grünen Roben geschwebt hatten, sie konnte noch immer das flaue Gefühl des freien Falls in ihrem Magen spüren und den harten Aufschlag, als sie selbst auf die Barriere traf. Nie würde sie den Blick des Magiers vergessen, seine ungläubigen Augen, die sie ansahen, als wäre sie eine Sagengestalt aus einer fernen Welt. Dann war die Kuppel zusammengebrochen und sie war hart zusammen mit allen Steinen auf den Boden aufgeschlagen. „Ein Sprung!“ Kira erinnerte sich an das Gesicht des Magiers, sah wie er in Panik mit seinen Lippen ein Wort formte. „Sprung“ Das war es gewesen. Er ist geflohen, an einen anderen Ort gesprungen.

Konzentriert versuchte Kira sich noch einmal an ihr lückenhaftes Wissen über Magie zu erinnern. Sprünge waren gefährlich, man kam nicht immer am gewünschten Zielort an. Je besser man den Zielort kannte und je länger man sich dort schon einmal aufgehalten hatte, umso wahrscheinlicher war es, das man auch dort landete. Doch wehe, man war nicht konzentriert und wich vom Zielpunkt ab, dann konnte man in einem Felsen herauskommen oder einem Baum. Das war der Grund, warum Magier die Teleportation nur in größten Notfällen nutzten, denn jedes Mal setzten sie ihr Leben aufs Spiel.

Mit schmerzverzerrtem Gesicht schüttelte Kira die Gedanken an den Magier von sich und versuchte, durch den aufgewirbelten Staub zu blicken. Zwei Gestalten standen nur wenige Meter entfernt von ihr, unbewegt und lauernd. Wo vor ihrem unfreiwilligen Sturz die beiden Meister noch in ein tödliches Duell versunken waren, standen sie nun still und sahen Kira mit überraschten Augen an. Sie hatten eingehalten, in mitten ihrer Formen und blickten auf die Mönchin, als sie sich nackt und blutüberströmt aus einem Haufen Schutt erhob, der nun den Platz eingenommen hatte, wo noch vor Sekunden der grüne Magier gestanden hatte. „Was mochten sie nun denken“ Beinahe hätte sie angefangen zu lachen, was für ein verwirrender Anblick musste sie sein, als sie sich aus der Lawine von Steinen erhob. Die Stille hielt nur für eine weitere Sekunde, dann explodierten die beiden Kämpfer erneut. Diesmal ging ihr Meister in die Offensive und es war der Mörder in Schwarz, der Angriffe parierte und auswich. Schnell realisierte Kira, das ihr Meister überlegen war, er hatte seinen Gegner getäuscht und auf Zeit gespielt, wohl wissend, das er allein gegen den Magier nicht würde bestehen können. Doch nun waren die Karten neu gemischt und Meister Yi entfaltete sein volles Können. Schlag um Schlag drängte er den Attentäter zurück, schnell erkannte Kira die Schlange, die bevorzugte Offensivform des Meisters. Blitzartig wie der Angriff einer Giftschlange stachen seine Arme hervor, drängten den Gegner zurück und trafen. Das unterdrückte Stöhnen des Mannes in Schwarz zeigte, das der Treffer seine Wirkung nicht verfehlt hatte. Ihr Meister würde siegen, und dann würden sie die übrigen Attentäter suchen und töten, jeden einzelnen.

Mit einiger Anstrengung schaffte sie es schließlich, sich aufzurichten, indem sie ihr gesamtes Gewicht auf das gesunde Bein verlagerte. Ihre Hilflosigkeit verfluchend sah sie sich in der großen Halle um, die sie seit ihrer Kindheit mit so angenehmen Gefühlen verbunden hatte. Als sie noch ein Jüngling war, hatte sie oft in den Wintern über Nacht die Feuer geschürt und später, als sie in die hohen Shitsu aufgenommen wurde, wurde die große Halle zu ihrer Heimat. Hier speisten ihre Brüder und Schwestern zusammen und hier war es auch, wo sie die wenigen Geschichten der Außenwelt gehört hatte, wenn einer der Mönche von einer seiner seltenen Reisen zurückgekommen war. Sie wusste genug von der Welt außerhalb des Klosters, um sicher zu sein, das sie in der weißen Blume bleiben wollte. Machtgierige Fürsten, Kriege, tödliche Jäger wie der Tempok, all das versprach die Welt außerhalb der schützenden Mauern