Der vergessene Mond Bd IV - Bernd Tannenbaum - E-Book

Der vergessene Mond Bd IV E-Book

Bernd Tannenbaum

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Beschreibung

Es handelt sich um den vierten und letzten Teil der Buchreihe "Der vergessene Mond". Band I - Zeit des Erwachens Band II - Das schwarze Buch Band III - Rückkehr der Blutkrallen Band IV - Die Große Konjunktion Klappentext Der Kaiser wurde gewählt und so liegen nun die Augen aller Mächtigen und Herrscher auf ihm. Während der neue Anführer der freien Völker versucht, die Reiche unter sich zu vereinen, hat Herm Pendrak nur einen Gedanken - Kira finden und befreien. Für beide ist es ein Rennen gegen die Zeit, denn es naht der Tag der Großen Konjunktion.

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Seitenzahl: 411

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Für Bianca, Achim, Victor & Heike

Lichter meines Lebens

Bernd Tannenbaum

Der vergessene Mond

Band IV – Die Große Konjunktion

© 2024 Bernd Tannenbaum

Coverdesign von: Martin Schlierkamp

Covergrafik von:

Lothar Peterhof,

 

Ersteller der Runenkreise

Druck und Distribution im Auftrag des Autors:

tredition GmbH, Heinz-Beusen-Stieg 5, 22926 Ahrensburg, Germany

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist der Autor verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne seine Zustimmung unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag des Autors, zu erreichen unter: tredition GmbH, Abteilung "Impressumservice", Heinz-Beusen-Stieg 5, 22926 Ahrensburg, Deutschland.

Inhalt

Cover

Widmung

Titelblatt

Urheberrechte

Der grüne Turm

Der Pakt der Drachen

Das Erbe des Drachenauge

Schlacht am schwarzen Turm

Rückkehr des Vergessenen

Der vergessene Mond Bd IV

Cover

Widmung

Titelblatt

Urheberrechte

Der grüne Turm

Rückkehr des Vergessenen

Der vergessene Mond Bd IV

Cover

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Der vergessene Mond

Band I

Zeit des Erwachens

Band II

Das schwarze Buch

Band III

Rückkehr der Blutkrallen

Band IV

Die Große Konjunktion

Der grüne Turm

Grübelnd sah Rakul in die silberfarbene Schüssel des Sehers. Wo sonst die Steine des Schicksals in wilden Wirbeln über den Kristallboden rasten, lagen nun eben diese Steine reglos am Boden der Schüssel. "Nichts. Sie sagen nichts. Die Steine sprechen nicht mehr." Nachdenklich strich sich der Erzmagier durch seinen langen Bart. Es war kalt geworden trotz des nahenden Sommers, ganz so als ob sich sogar das Wetter gegen die kommenden Veränderungen stemmte. Die Schneekuppen der umliegenden Berggipfel waren bereits im Frühling geschmolzen und hatten für zahlreiche Wasserläufe in die Täler gesorgt, doch das Wasser der kleinen Seen war noch zu eisig für Mensch oder Tier, um in ihnen zu schwimmen. Nun nahte trotz der ungewohnten Kälte der Sommer, ein günstiger Zeitpunkt, um die Steine zu werfen und das Schicksal zu befragen. Doch die Steine lagen still, die Wahrscheinlichkeitsknoten blieben seinen Blicken verborgen. "Es muss die Konjunktion sein. Es gibt keine andere Erklärung. Der Vergessene kehrt zurück und wir sind blind!" Ein flaues Gefühl stieg in Rakul auf bei dem Gedanken an die nahende Konjunktion. Schon bald würden vier Monde gleichzeitig voll am Nachthimmel stehen, ein Ereignis, das die Welt schon seit Jahrtausenden nicht mehr gesehen hatte.

"Ist alles in Ordnung, Meister?" Ragfans Frage klang wie ein Hohn angesichts der bevorstehenden Konjunktion der vier Monde, doch Rakul mochte es ihm nicht vorwerfen. Der graue Diener hatte viele Talente, die Interpretation von Weissagungen gehörte nicht dazu. "Die Steine sprechen nicht mehr zu mir, Ragfan. Dunkle Schleier liegen über der Zukunft" Rakul hatte seine Worte leise gesprochen, doch sein Diener schien sich seiner düsteren Stimmung nicht anschließen zu wollen. "Aber wir haben einen Kaiser. Einen Rat und einen Kaiser. Die Chi Tsume sind zurück gekehrt und der Nachfahre von Kain Drachenauge wird die Sikau wiederaufbauen. Ihr habt viel erreicht, Meister."

Rakul mochte seinem Diener nicht widersprechen. Ragfan hatte Recht in dem was er sagte und doch fühlte der alte Meister des Kristallturms keinen Triumph. "Ja, wir haben einen Kaiser. Einen Kaiser und eine Allianz, aber sie steht auf einem zerbrechlichen Fundament." Rakul war überrascht gewesen, als er von der Wahl des jungen Prinzen aus Meronis zum Kaiser gehört hatte. Und doch war er auch erleichtert gewesen. Er wusste, dass Agenten des Feindes beim Rat zugegen gewesen waren, doch sie hatten die Wahl nicht verhindern können. Es war ein Sieg gewesen, trotz aller Rückschläge.

"Es sind die Drachen, die mir Kopfschmerzen bereiten, Ragfan. Was werden sie tun, jetzt wo auch sie erwacht sind? Wir waren darauf nicht vorbereitet. Es ging alles so schnell, viel zu schnell." Mit einem Kopfschütteln ging Rakul auf den Südbalkon des Kristallturms. Umgehend wehte ihm kalter Wind aus den Bergen entgegen. Sein Körper reagierte nicht gut auf die eisige Luft. Und doch wusste er, dass es nicht nur der Wind war, der ihn frösteln ließ. Das Alter forderte langsam aber sicher seinen Tribut.

"Dann müssen wir schneller sein, Meister." Auch ohne sich umzudrehen wusste Rakul, wer sich so plötzlich in sein Gespräch mit Ragfan eingebracht hatte. Perkles bewegte sich mit der Grazie einer Raubkatze, als er neben seinen Meister auf den Balkon trat. "Es gibt beunruhigende Nachrichten aus Meronis. Der alte König widersetzt sich dem Rat, die Sternensinger sind nicht mehr und die Armee des Königs steht an der Grenze zu Valkall. In Phrygia hat Schmee Kadeen die Macht übernommen, weder sie noch der untergetauchte Triumvir Kaldwell Trion erkennen den Kaiser an. Wenn es der Tzarina gelingt, ein Bündnis zwischen Kaldarra, Meronis, Phrygia und Tangara zu schmieden, dann stehen dem jungen Kaiser harte Zeiten bevor."

"Wir waren Narren, Perkles. Die Tzarina steht unter dem Einfluss des Vergessenen, keiner von uns weiß wie lange schon. Sie haben sich vorbereitet, gut vorbereitet und wir waren blind." Mit scharfem Blick sah Rakul nach Osten, gen Phrygia. "Die alten Schriften lassen keinen Zweifel zu. Der Tempel, der in Phrygias Hafen auftauchte, als Herm Pendrak die schwarze Garde mit dreizehn Glockenschläge bannte, ist mit den Drachen verbunden. Und er steht jetzt unter der Kontrolle von Schmee Kadeen." Langsam nahm Perkles eine Flöte aus seinem Gürtel und begann, eine längst vergessene Melodie zu spielen. "Die Tzarina und ihre Armeen sind nun die Sache des Kaisers. Dafür wurde der Rat ja einberufen. Aber die Drachen … ?"

Für einen Moment musterte Rakul seinen Kampfmeister aufmerksam. Perkles war so viel mehr als nur der oberste Krieger des Kristallturms. Seine Auffassungsgabe bezüglich der politischen Lage der Welt war ausgezeichnet und seine strategische Einschätzung der militärischen Mächte auf den Punkt exakt. Es war nun Sache des Kaisers, zu handeln. Der Kristallturm konnte den Kaiser unterstützen und beraten, aber er konnte nicht seine Kriege für ihn führen.

"Prinz Lingard hat bereits seine Truppen formiert und marschbereit gemacht. Viele Magier, deren Kräfte mit dem Auftauchen des schwarzen Mondes neu erwacht sind, haben sich beim Orakel versammelt und seiner neuen Sikau-Leibwache angeschlossen. Die Klingen der Sikau singen wieder, die Attentäter des Feindes werden es nicht leicht haben." Rakul stimmte seinem Diener mit einem vorsichtigen Nicken zu, aber es gab mehr zu bedenken. "Die valkallischen Krieger …?" "Nein, Meister. Sie sind in ihre Eisebenen zurückgekehrt." "Das ist gut. Es gäbe kaum Hoffnung auf eine friedliche Lösung mit dem König von Meronis, wenn valkallische Klankrieger vor den Toren von Merobar stünden." "Prinz Lingard hat sich diesbezüglich als äußerst umsichtig erwiesen, Meister. Er führt neben den Sikau nur seine Waldwächter und Truppen aus Kaitain nach Meronis. Die Valkaller werden sich im Norden gegen die Tzarina in Stellung bringen, während Fa-Sal mit seiner schnellen Kavallerie die Sklavenstädte vor der Küste von Kahilis angreift und Tertia Gilnos den Widerstand in Süd-Keldur organisiert."

"Das lässt die Türme der Magie und die Drachen für uns." Rakuls Worte waren eine Feststellung gewesen und weder Ragfan noch Perkles mochten ihm widersprechen. "Tertia Gilnos ist eingeweiht in den Bund der Wächter, intelligent und willensstark, aber sie kann nicht mit Drachen verhandeln. Ebenso wenig kann Fürst Fa-Sal allein den schwarzen Turm in Kahilis angreifen oder der Kaiser den Erzmagier des grünen Turms herausfordern. Wir werden diese Bürden tragen müssen. Perkles, begib dich nach Phrygia, reise so schnell du kannst. Sei vorsichtig und bleibe unentdeckt. Soweit wir wissen, ist Harmondir noch immer in Phrygia. Was wissen wir über die Pläne von Herm Pendrak, wird er den neuen Meister des schwarzen Turms herausfordern?"

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Langsam nur schoben sich erste Sonnenstrahlen über den gelben Wüstenboden. Es war die kurze Zeit des Zwielichts, in der die Dunkelheit mit der aufgehenden Sonne um die Vorherrschaft in der Wüste rang. Schließlich drängte die brennend helle Scheibe das Dunkel der Nacht zurück und warf erste Schatten von den unzähligen Zelten der Oase auf den noch kalten Wüstenboden. Nichts in der Wüste Alterras konnte Herm so in seinen Bann ziehen wie der langsame Sonnenaufgang, der das Zwielicht brachte. "Die Zeit des Veränderung. Als wenn die Wüste aus einem langen Schlaf erwacht." Die Wüste Alterras war kein Reich im eigentlichen Sinne, wie etwa das Waldreich Meronis oder Kaldarra im Norden. Es war mehr ein riesiger Landstrich, der von umherziehenden Wüstenstämmen bewohnt wurde. Es gab keine Grenzen, keine Festungen oder Herrschaftsansprüche auf spezielle Gebiete, nur das Wasser und die Oasen. "Und das Orakel. Mit dem Wissen der Vergangenheit. Sein Wissen kann das Zünglein an der Waage sein, es kann alles entscheiden."

Es waren nur Tage vergangen, seit der große Rat getagt und Prinz Lingard zum Kaiser gekürt hatte und doch waren die Veränderungen in der großen Oase des Orakels von Alterra unverkennbar. "Sie haben wieder ein Ziel. Es verändert die Menschen." Wo vorher tausende Menschen ohne Ziel im Leben auf eine Weissagung des Orakels wartend in hölzernen Slumhütten gelebt hatten, war nun eine ungewohnte Betriebsamkeit ausgebrochen. Der Rat hatte nach der Wahl des Kaisers die Oase zu seinem ständigen Sitz benannt und allen Bewohnern der hölzernen Hütten Arbeit und Lohn geboten. Jetzt wurden die stinkenden Slums abgerissen und Festungsanlagen entstanden um den großen See der Oase, den eigentlichen Schatz dieses Ortes. "Ordnung entsteht aus dem Chaos. Ein gutes Zeichen. Wir werden sehen."

Mit dem Ende des Zwielichts riss sich auch Herm los von dem Anblick der aufgehenden Sonne und begann seinen langsamen Gang zum Steg der Pyramide. Sein Weg wurde gesäumt von den Priestern des Orakels, die ihn bereits geduldig erwarteten. Ein ungutes Gefühl stieg beim Anblick des seltsamen Bauwerks in ihm auf, das sich nun vor ihm auftürmte. Er hatte seinen erneuten Besuch beim Orakel lange gescheut, doch nun gab es keinen Grund zum Aufschub mehr. Sein Freund Lingard, jetzt Kaiser Lingard, war im Begriff aufzubrechen, ebenso wie Fürst Fa-Sal und die ehemalige Triumvirin Tertia Gilnos. Schwarze Magier sammelten sich bei den Zelten des neuen Kaisers, um den Sikau beizutreten. Er musste seine Entscheidung treffen. Ginge es nach seinem Herzen allein, wäre er bereits aufgebrochen. Zum grünen Turm, zu Kira, zum Verräter Tirist. Doch es ging nicht nur um ihn. Er brauchte Rat. Rat und Informationen, die ihm nur das Orakel geben konnte.

Noch während er den Steg betrat, entzündeten die Priester die Feuer der Rauchschalen und ließen ihn allein. Nach den Geschehnissen der letzten Tage hatte niemand einen Zweifel daran, dass das Orakel mit ihm sprechen würde. "Das wirst du doch, Terminus, oder bin ich den langen Weg umsonst gegangen?" Umgehend hörte Herm ein leises Lachen in seinem Kopf. Seine Zweifel waren unnötig gewesen. Terminus, das große Orakel Alterras, würde mit ihm sprechen. "Du kennst meine Geschichte, Nachfahre des Drachenauges. Ich stehe nicht zusammen mit jenen, denen du dienst." "Ja, ich weiß um den Streit um das Ritual des Vergessens. Du warst nicht einverstanden gewesen damit, alle Erinnerung an den schwarzen Mond aus der Welt verschwinden zu lassen. Hast du damals schon geahnt, wie unberechenbar die Auswirkungen des Rituals sein würden? Das mehr vergessen werden könnte als geplant?" Für einen Moment war es still um Herm. Der Rauch aus den Feuerschalen vor dem Orakel hatte ihn inzwischen komplett eingehüllt, die Anwesenheit starker Magie war spürbar.

"Es war ein grausamer Plan. Das Ritual nahm den Magiern des Karas ihre Kraft - auch denen, die tapfer auf unserer Seite unter Einsatz ihres Lebens gekämpft hatten. Es ist das Streben nach Wissen, was unser Handeln anleiten sollte. Ein Vergessen kann niemals der richtige Weg sein." "Ich muss dir zustimmen. Der Vergessene hatte nun endlos viel Zeit, seine Rückkehr vorzubereiten, während die Welt nicht einmal mehr um die Gefahr wusste. Es scheint mir immer mehr, dass deine Entscheidung, dich dem Ritual zu entziehen, die Richtige war." Erneut erklang das Lachen in Herms Kopf, doch diesmal hatte es den bitteren Klang von Verzweiflung.

"Bist du gekommen, um mir zu schmeicheln, Herm Pendrak? Du weißt nichts von mir und von meinen Fehlern. Ich war ein Narr und jetzt bin ich ein Gefangener, verflucht seit Ewigkeiten." Verwirrt hielt Herm einen Moment inne. Das Gespräch verlief ganz und gar nicht, wie er es erwartet hatte. "Ich weiß, weshalb du hier bist, Drachenauge. Ich weiß auch, welche Frage du stellen möchtest. Aber zuerst solltest du dir selbst eine Frage stellen. Hast du dich niemals gefragt, warum ich immer noch lebe, nach so vielen Jahrhunderten?" Die Worte des Orakels trafen ihn wie ein Schlag. "Natürlich. Warum hatte ich nicht daran gedacht? Die Pyramide hat dich vor dem großen Vergessen geschützt. Aber sie konnte nicht dein Leben verlängern, nicht über so lange Zeit. Nicht einmal die Meister des Kristallturms lebten so lange wie du jetzt schon in der Zeitüberdauerst. Aber wie? Wie ist es dir gelungen?" Ein stilles Seufzen war die einzige Antwort, die Herm für einen Zeitraum bekam, der ihm wie eine Ewigkeit erschien.

"Es war bereits vorher geschehen, vor dem Ritual. Wir alle hatten gespürt, dass der Vergessene einen Anker in die Welt geschlagen hatte, als wir ihn in den Nexus bannten. Aber nur ich hatte gespürt, dass er noch einen weiteren Zauber gewirkt hatte. Er band den Prätor mit ewigem Leben an die Welt. Ich war damals jung. Jung und ein Dummkopf. Ohne zu überlegen verband ich meine Lebensenergie mit dem Zauber. Und so wie der Prätor zu ewigem Leben verflucht wurde, gebunden an den schwarzen Turm, so traf der Fluch auch mich. Eingesperrt in meine Pyramide wurde ich verflucht, ewig zu leben, als einziges Lebewesen mit einem Wissen, das vom Rest der Welt vergessen worden war."

Langsam verstand Herm die Folgen, die das Handeln des alten Magiers für ihn gehabt hatte. Im Streit mit dem Kristallturm, gebunden an ein Bauwerk in der Wüste Alterras, ausgestattet mit einem einzigartigen Wissen, welches der Rest der Welt vergessen hatte. Mit einem Schauer erahnte er die Verzweiflung, die das Orakel über die Jahrtausende aufgebaut haben musste. Schließlich sammelte er sich wieder und stellte die alles entscheidende Frage. "Kennst du den Ort des Ankers?" "Da ist sie. Die Frage, auf die ich solange gewartet habe. Die Frage, mit der sich alles ändern wird. Die Antwort ist Nein, Drachenauge. Wenn ich den Anker damalshätte lokalisieren können, wäre es niemals zum Ritual des Vergessens gekommen. Aber jetzt, eine Ewigkeit später, weiß ich, wie man ihn finden kann. Ich war nicht untätig in den letzten Jahrtausenden. Glaubst du, ich habe den Herrschern der Welt aus reiner Freude Weissagungen gemacht? Ich habe meine Position genutzt, um Informationen zu sammeln. Genug Informationen, um zu wissen, wie man den Anker findet. Aber mein Wissen hat einen Preis."

Herm war nicht überrascht. Er hatte bereits geahnt, dass die Informationen, auf die er hoffte, nicht ohne eine Gegenleistung preisgegeben würden. Und er hatte keinerlei Druckmittel, er würde jeden Preis akzeptieren müssen, den das Orakel verlangte. "Wenn wir den Anker nicht finden und lösen, sind wir alle verloren. Also nenne deinen Preis, Orakel, ich werde ihn bezahlen."

"Das schwarze Buch ist der Schlüssel, Herm Pendrak. Nur wenige wussten damals, was wirklich passiert war, aber meinen Nachforschungen nach war es die Königin von Tangara, die das Buch in den alten Ruinen gefunden hatte. Der Vergessene, damals ihr Liebhaber und ein ambitionierter Magier im schwarzen Turm, nutzte das vergessene Wissen des Buches, um die Macht zu ergreifen. Der Anker, der ihn aus dem Nexus mit der Welt verbindet, entstammt diesem alten Wissen - und kann nur mit ihm gelöst werden. Du musst das Buch finden und diejenige, die es trägt. Nur zusammen mit ihr und dem Buch kannst du den Anker lösen - und meinen Preis bezahlen. Du wirst es verstehen, wenn du dort bist,zur großen Konjunktion. Doch dein Weg dorthin ist gefährlich. Du wirst das Schwert des Kaisers benötigen, ebenso wie die blutrote Kriegerin. Sie kann dich retten oder verdammen, es wird auch deine Entscheidung sein. Geh jetzt, Drachenauge. Geh und erfülle dein Schicksal. "

Nachdenklich saß Herm auf dem Steg, während der ihn umgebende Rauch nach und nach vom Wind der Wüste verweht wurde. Die Stimme des Orakels in seinem Kopf war verschwunden und ließ ihn mit vielen Fragen zurück. Am Ende des Stegs warteten die Priester des Orakels in respektvollem Abstand auf ihn, doch sie waren nicht mehr allein. Eine Kriegerin in rot saß neben ihnen am Ufer und starrte ihn mit jenem stechenden Blick an, den er schon so oft bei ihr bemerkt hatte. "Die blutrote Kriegerin. Welche Rolle wirst du wirklich spielen, Sherazene?" Herm hatte keinen Zweifel daran, wen das Orakel gemeint hatte, als es von der blutroten Kriegerin gesprochen hatte. Sie würde ihn begleiten müssen. Sie und das Schwert des Kaisers.

Mit der aufgegangenen Sonne war hektische Betriebsamkeit in der Oase ausgebrochen und die Bewohner hatten ihre Arbeiten an der Festungsanlage wieder aufgenommen, während die verschiedenen Armeen sich marschbereit machten. "Nun, Herm, hast du deine erhofften Antworten erhalten? Wirst du mich begleiten, nach Meronis? Ich könnte dich als Anführer der Sikau an meiner Seite gut gebrauchen" Mit einem Lächeln vernahm er die Stimme seines Freundes. Obwohl inzwischen Kaiser, vermochte Lingard sich noch immer lautlos wie ein Späher zu bewegen.

"Die Sikau werden dich beschützen, mein Freund. Ihre Klingen singen bereits für dich. Mein Schicksal wird mich einen anderen Weg führen. Ich…" Mit einer abwehrenden Handbewegung unterbrach ihn der junge Kaiser. "Nein, sag es mir nicht. Die Agenten des Feindes haben überall ihre Ohren, sogar hier. Ohne dich wäre nichts hiervon möglich gewesen. Ich vertraue dir, du wirst den Weg gehen, der gegangen werden muss. Was brauchst du?" Für einen Moment nur überlegte Herm, dann sah er seinem Waffenbruder direkt in die Augen. "Ich brauche dein Schwert, mein Freund. Ich brauche die Chi Tsume."

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Eisige Kälte lähmte ihren Körper. Zitternd zog sie ihre Beine an sich und sah in die Dunkelheit. Finsterstes Schwarz umgab Kira wie ein undurchdringlicher Schleier, kein noch so kleiner Lichtschein war zu sehen. Nur langsam kehrte ihre Erinnerung zurück. Dann durchzuckte es sie wie ein Blitz, schlagartig wusste sie wieder, was geschehen war. "Der grüne Erzmagier, er ist ein Verräter!" Wieder durchzog ein Schauer ihren Körper, doch diesmal war es nicht die Kälte, die Kira zum Zittern brachte. Es war die Angst um Herm, seinen Kampf mit dem grünen Erzmagier und den katzenartigen Monstern, der umgehend neue Energien in sie strömen ließ. Er durfte nicht tot sein. Nicht, nachdem sie bereits so viel gemeinsam überlebt hatten.

"Ich werde Herm wiedersehen. Nichts wird mich daran hindern, weder ein Erzmagier, noch seine Katzenmonster." Wütend sprang sie auf und streckt ihre Arme aus. Nichts, keine Wand, kein Möbelstück war zu fühlen. Der Boden, auf dem sie stand, bestand aus kaltem Stein, ungewöhnlich glatt und fest. Langsam schloss sie ihre Augen und atmete tief ein. Sich auf ihr Training des sechsten Shitsu besinnend wurde sie eins mit ihrem Körper und begann, sich vorsichtig zu bewegen.

Nur wenige Minuten später hatte sie den kompletten Raum ertastet. Trotz kompletter Dunkelheit wusste sie, dass ihr Gefängnis vier mal vier Meter maß und aus Stein bestand. Die Decke war etwa zwei Meter hoch, ebenso wie Boden und Wände aus glattem Stein. In einer Ecke befand sich eine kleine Öffnung nach unten, welche offensichtlich für die Notdurft gedacht war, aber ansonsten gab es keine noch so kleine Fuge oder Unregelmäßigkeit in ihrem Verlies. "Kein Fenster, keine Tür. Wie nur kam ich herein?"

Während Kira noch über ihr seltsames Gefängnis nachdachte, hörte sie plötzlich eine altbekannte Stimme in ihrem Kopf. "Endlich bist du wieder wach. Es war töricht von dir, dich von einem Erzmagier gefangen nehmen zu lassen. Er mag ein Narr sein, wenn er glaubt, dem Vergessenen die Stirn bieten zu können, und doch ist seine Macht beträchtlich. Ich werde ihm nicht ewig widerstehen können." Wie ein Blitz durchzuckten Kira die Worte des schwarzen Buches. Sie hatte es beinahe vergessen, doch es war noch an seinem gewohnten Platz. Mit festem Leinen an ihren Körper gebunden trug sie immer noch das Buch bei sich, dass einen eigenen Geist und Willen hatte, das schwarze Buch aus der Zeit der Legenden.

"Er will die Kontrolle über mich und er hat genügend magische Macht, um dieses Ziel zu erreichen. Du musst handeln, bevor ich zu schwach werde." Kira war nicht überrascht, dass das Buch zu ihr sprach, es hatte schon oft zu ihr gesprochen. Es war mehr das, was es sagte, das ihr Unbehagen bereitete. Sie hatte die Präsenz in ihrem Kopf beinahe schon als allwissend akzeptiert, alt und mächtig. Und jetzt offenbarte dieselbe Präsenz ihr, dass sie schwächer wurde; eine Tatsache, die ein ungutes Gefühl in Kiras Magen auslöste. "Was meinst du mit 'Handeln'? Ich bin eine Gefangene, in einem Raum ohne Tür und Fenster, was kann ich schon tun?"

Umgehend erschallte lautes Gelächter in Kiras Kopf. "Du bist eine Närrin. Glaubst du, dass dein Gefängnis aus Stein besteht? Denkst du, eine steinerne Zelle könnte mich halten? Erforsche deinen Geist, die Antwort ist in dir."

Langsam setzte sich Kira wieder auf den Boden. "Das Buch hat recht. Ich bin die Gefangene eines Erzmagiers, meine Zelle besteht nicht aus Stein, sondern aus Magie. Verdammte Magie!" Einmal mehr verfluchte sie die Tatsache, dass sie den siebten Shitsu nicht mehr hatte meistern können. Die Fähigkeit, Magie durch die Kraft der Konzentration brechen zu können, wäre überaus nützlich in ihrer jetzigen Situation.

"Also gut, was jetzt? Der Erzmagier hat mich entführt, sicher in seinen Turm, dort ist seine Macht am größten. Ich habe dich noch bei mir, es ist ihm also nicht gelungen, dich zu kontrollieren…noch nicht. Sherazene und Herm, sie blieben zurück." Dann erinnerte sie sich wieder. "Ich war nicht allein. Die Teleportation erfasste auch die Prinzessin, Lingards Schwester. Sie muss ebenfalls eine Gefangene sein."

Zuerst wartete Kira noch auf eine Antwort, doch dann akzeptierte sie die Stille. Die Präsenz des schwarzen Buches entschied stets selbst, wann sie mit ihr reden wollte und wann sie schwieg.

"Ich muss mich konzentrieren. Mein Geist ist mein Gefängnis, also kann ich mich nur über meinen Geist befreien." Kira dachte zurück an die wenigen Tage bei Meister Zosho. Sie hatte große Schwierigkeiten gehabt, sich an ihren neuen Meister zu gewöhnen, der so anders war, als ihr alter Meister Yi. Und doch hatte er sie besiegt, in jedem einzelnen Trainingskampf. Durch sein hohes Alter bedingt war er ihr körperlich unterlegen gewesen und zumeist hatte er noch Alkohol getrunken vor oder gar während ihrer Ausbildungskämpfe - und doch hatte er jedes mal gesiegt.

"Meister Zosho beherrscht das siebte Shitsu, ich bin noch nicht so weit. Oder doch?" Diesmal wanderten Kiras Gedanken weiter in die Vergangenheit zurück, zu dem Kampf in der Höhle gegen den gepanzerten Greifenreiter. Dort hatte sie Kräfte genutzt, die sie immer noch nicht verstand. "Ich muss denselben Punkt absoluter Ruhe erreichen, den ich damalsfand. Sonst werde ich dieses Gefängnis niemals aufbrechen können."

Kira musste wieder an Herm denken. In seinen Armen konnte sie Frieden finden. Frieden und ihre innere Ruhe. Doch Herm war nicht bei ihr. Er war vielleicht schon tot oder verletzt, irgendwo in einer Höhle in Begos, vermutlich tausende Kilometer entfernt. "Herm wird mich suchen, wenn er noch lebt. Aber er kann sich nicht einem Erzmagier in seinem Turm stellen, er wird Hilfe brauchen. Wenn ich wenigstens eine Nachricht senden könnte." Erneut verfluchte sie ihre Hilflosigkeit, als das Buch einmal mehr in ihrem Kopf zu ihr sprach.

"Magie wird dich nicht aus den dunklen Kerkern der alten Zeit befreien können, Nachfahrin der Königin. Die Macht deiner Herkunft ist der Schlüssel. Die Königin hat dir ihre Fähigkeiten vererbt. Die Kraft der Visionen, mit denen du mögliche Wege der Zukunft sehen kannst ebenso wie das Traumwandeln. Ich habe die Wege gesehen. Es gibt jene, die auf unseren Wegen wandeln. Freunde werden kommen, aber sie werden Hilfe benötigen. Wir müssen bereit sein, wenn der Zeitpunkt gekommen ist."

Verdutzt hielt Kira inne. Einmal mehr ließen die Worte des schwarzen Buches sie sprachlos zurück. "Traumwandeln? Davon habe ich noch niemals zuvor gehört. Und selbst wenn ich diese Gabe tatsächlich besitzen sollte, dann weiß ich nicht, wie man sie einsetzen kann." Für einen Moment herrschte Stille in ihrem Kopf, so als ob die Präsenz des Buches nachdenken müsste. Dann brach sie die Stille wieder. "Ich werde dich lehren. Wir werdenschnell sein müssen, schnell und klug. Ich hoffe, du lernst ebenso schnell wie deine Vorgängerin, Kira von Tangara. Denn davon wird jetzt abhängen, ob du uns alle retten kannst."

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"Phantastisch. Der neue Tempel wird den alten in allem übertreffen. Was für ein wundervolles Bauwerk." Zufrieden sah Bermon auf die beinahe fertig gestellten Bauten, das neue Zentrum seiner Macht. Anders als der alte Tempel der Sternensinger in Paitai handelte es sich diesmal nicht um einfache Gebäude auf der Plattform eines großen Baums. Stattdessen hatte Bermon prächtige Villen geschaffen, in denen seine neuen Singer leben würden, umgeben von dem Luxus, der ihrem Rang entsprach. Kasernengebäude für Wachen und eine Mauer um den Komplex würden für die notwendige Sicherheit sorgen. Das Haupthaus aber überthronte alle anderen Gebäude bei weitem. Dies würde sein Sitz werden, der Sitz des ersten Singers, schon bald die einzige Macht in der Welt, welche Visionen empfangen konnte. Der Vergessene hatte die Zukunft verhüllt, nur für ihn würde sie sich wieder öffnen.

"Fehlen nur noch die Kristalle. Tirist wird sie mir verschaffen, dann ist die Macht in Meronis mein." Bermon hatte schon vor vielen Jahren begonnen, die Fäden der Intrigen zu spinnen, welche ihm nun zur Macht verhelfen würden. Ein junger und ehrgeiziger grüner Magier war dabei ein nützlicher Verbündeter gewesen. Jetzt war dieser einst junge Magier der Erzmagier des grünen Turms und damit hatte er auch Zugriff auf die Kristalle, welche Bermon so dringend benötigte. "Wenn die Kristalle erst einmal in die große Kuppel eingesetzt sind, wird sich nichts meiner Sicht entziehen können. Die Geheimnisse der Mächtigen, die Intrigen meiner Feinde, ich werde sie alle sehen. Tirist soll nur glauben, dass er das bessere Ende unseres Handels hat, aber am Ende wird die Macht mein sein."

"Selbstzufriedenheit sollte keine der Tugenden der Mächtigen sein, meint ihr nicht, erster Singer Bermon?" Die fremdländische Stimme schien den Schatten selbst zu entspringen und doch war Bermon nicht überrascht. Er hatte die Anwesenheit des Attentäters gespürt, so wie es beinahe immer der Fall war. Es war eine seiner besonderen Gaben, die Anwesenheit anderer Menschen in seiner Umgebung spüren zu können. Selbst die solch geschickter Attentäter wie den Barrack-Kumun.

Der dunkle Klan hatte in den letzten Monaten wertvolle Arbeit für Bermon geleistet. Boten waren verschwunden, Informationen zurückgehalten, einige Morde öffentlich begangen, stets mit gefälschten Hinweisen auf valkallische Krieger oder die verbannten Waldwächter, die Prinz Lingard in sein Exil gefolgt waren. Doch mit der Festigung seiner Macht wurden die Attentäter aus Begos mehr und mehr zu einem Problem für ihn. "Sie müssen verschwinden." Schließlich drehte er sich langsam um und sah in die Schatten vor den halbfertigen Bauwerken. Nur die aus dem Sichtschlitz einer schwarzen Maske herausstechenden Augen des Mörders waren in der Dunkelheit sichtbar. "Ich schäme mich nicht meiner Sünden, ich akzeptiere sie als Teil meiner selbst. Es gibt hier nichts mehr zu tun für euch, ihr könnt jetzt zu eurem Meister zurückkehren."

Die Augen des Mörders gaben keine Regung preis und doch schienen sie zu lächeln, als er antwortete. "Seid ihr euch nicht zu sicher, erster Singer? Es ist euch noch nicht gelungen, Prinz Sigtur in einen Krieg mit Valkall zu führen und die Entwicklungen in Alterra geben Anlass zur Sorge. Es heißt, Prinz Lingard zieht mit einer Armee nach Meronis." Mit einem leisen Lachen quittierte Bermon die Worte des Mannes, der noch immer verborgen in den Schatten stand. "Seid kein Narr. Prinz Lingard und eine Armee? Ich werde seine verstoßenen Waldwächter in alle Winde zerstreuen und ihn in Ketten vor seinen Vater führen. Der Krieg mit Valkall ist nur eine Frage der Zeit, es wird sich ein Weg finden, Sigtur zu überzeugen. Und sobald meine Gesandtschaft vom grünen Turm zurückkehrt, werde ich diesen Tempel einweihen. Euer Werk hier ist getan."

Für einen Moment glaubte Bermon, dass der Attentäter einen weiteren nichtigen Einwand für den Verbleib seines Klans in Meronis vorbringen würde, doch dann spürte er, dass die Präsenz des Mannes verschwunden war. "Sie werden verschwinden, ausgezeichnet." Nach einem kurzen letzten Blick auf den zukünftigen Sitz seiner Macht wandte er sich schließlich ab und setzte seinen Weg in den Palast fort. Anders als die Waldstadt Paitai, dem alten Sitz der Singer, war Merobar eine prächtige Stadt, majestätisch und voller Bauwerke aus der Zeit der Legenden. So war auch der Palast König Garms IV ein eindrucksvolles Gebäude, umringt von Gärten und gesichert von der Palastwache des Königs.

"Und ich habe sie alle in meiner Hand." Mit dem Verschwinden Prinzessin Lydias war es einfach für Bermon gewesen, auch die letzten wichtigen Posten im Palast mit seinen Gefolgsleuten zu besetzen. Ebenso waren die neuen Singer handverlesen und allesamt loyal zu ihm. Seit der Dunkelstein die Gedanken des alten Königs lähmte, war es umso einfacher geworden, den alten Mann glauben zu lassen, dass er Meronis noch regierte. Dementsprechend betrat er mit bester Laune den Thronsaal, als ein Bote aus dem Süden gerade seinen Bericht verlas.

"Die Armee des Verbannten, ehemals Prinz Lingard, wird in den nächsten Tagen Paitai erreichen. Neben hunderten der ebenfalls verbannten Waldwächter haben sich ihm mehrere Verbände der regulären meronischen Armee angeschlossen. Truppen aus zahlreichen Stadtstaaten Kaitains begleiten das Heer ebenso wie Magier des roten und blauen Turms. Ihre genaue Zahl ist noch nicht bekannt, wir müssen aber von einer Heeresstärke von über sechstausend Mann ausgehen, unter anderem schwer gepanzerter Infanterie und Kriegsmaschinen aus Kaitain." Umgehend gefror Bermon sein Lächeln im Gesicht. "Sechstausend Mann? Das ist doch Unsinn, ihr redet verworren. Hört auf damit, dem König solche Schrecken einzureden."

Mit einer Handbewegung bedeutete er dem Boten, still zu schweigen. "Euer Gnaden. Mit eurer Erlaubnis werde ich diesem Aufruhr persönlich nachgehen. Vermutlich handelt es sich nur um eine Bande schlecht bezahlter Söldner. Ich bin mir sicher, wir werden dies schnell aufklären können, damit ihr wieder euren wichtigen Staatsgeschäften nachgehen könnt. Und falls ein Angriff aus Valkall droht, hat Prinz Sigtur bereits euren Befehl erhalten, keinesfalls vor den Barbaren zurückzuweichen."

Wieder etwas ruhiger beobachtete Bermon, wie der alte König langsam in seinen Thron zurücksank, nachdem er sich bei der Erwähnung seines Sohnes Lingard kurz aufgesetzt hatte. "Der Dunkelstein wird nicht ewig wirken. Ich muss Lingard in die Hand bekommen. Aber Sechstausend Mann? Wie ist ihm das gelungen? Der Krieg mit Valkall muss beginnen, so schnell wie möglich."

"Nur eine Bande schlecht bezahlter Söldner? Das ist eure militärische Einschätzung, Erster Singer?" Die rauchige Stimme durchschnitt den Raum und stach in Bermons Magen wie ein Dolch aus Feuer. Umgehend wallte Panik in ihm auf, während er sich langsam umdrehte, um seiner tot geglaubten Widersacherin in die Augen zu sehen. "Prinzessin Lydia, ich …" Der Anblick, der sich dem ersten Singer nun aber bot, verschlug ihm umgehend den Atem. Es kam nicht oft vor, dass Bermon aus dem Gleichgewicht gebracht wurde, doch nun stand er sprachlos mit offenem Mund vor einem beinahe unwirklichen Bild.

Prinzessin Lydia stand vor ihm, es gab keinen Zweifel daran, dass sie es war. Und doch war sie eine andere Person. Wo früher seidene Roben ihren schlanken Körper verhüllt hatten, trug sie nun eine lederne Rüstung, welche weite Teile ihres Körpers unbedeckt ließ. Sehnige Muskeln ließen ihre Arme dicker erscheinen, als sie es eigentlich waren. Am Auffälligsten jedoch waren die metallischen Krallen, die an eben jenen Armen hingen und sie wie eine surreale Kriegerin aus vergessenen Zeiten wirken ließ. Und sie war nicht allein. Einen Meter hinter ihr, wie ein Leibwächter entsprungen direkt aus der Hölle, stand ein muskulöser Krieger mit eben den gleichen Krallen an seinen Armen, seinen Blick fest auf Bermon fixiert. Der erste Singer hatte diesen Blick schon oftmals gesehen, er verhieß den Tod. Und er war direkt auf ihn gerichtet.

Eisige Stille hatte sich über den Thronsaal gelegt. Niemand wagte es, auch nur einen Ton hervorzubringen und auch die Bermon treue Palastwache starrte ungläubig auf die zurückgekehrte Prinzessin und ihren Leibwächter. "Tochter? Lydia, bist du es? Komm zu mir, mein Kind." Hilflos musste Bermon mit ansehen, wie der alte König sich langsam aus seiner Umnachtung befreite und seine Tochter zu sich rief. Es geriet außer Kontrolle. Er musste eingreifen, jetzt, solange er noch konnte.

Sein erster Impuls drängte ihn, sofort zuzuschlagen. Wenn er jetzt den Befehl gab, würde die Palastwache ihm folgen? Würden sie den König in Gewahrsam nehmen? Seine Hände begannen zu schwitzen, während er nervös seine Lippen befeuchtete.

„Die Krallen an ihren Armen. Das müssen Blutkrallen sein. Sie werden sich nicht ergeben, sie werden kämpfen.“ Schließlich traf Bermon seine Entscheidung. Jetzt war nicht die Zeit für eine offene Herausforderung. Ohne ein weiteres Wort stürmte er aus dem Palast und gab dabei dem Hauptmann der Garde ein Handzeichen, ihm zu folgen. „Die Singer sollen sich beim neuen Tempel versammeln. Informiert alle unsere Verbündeten. Wir müssen schnell handeln.“

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"Lingard muss davon erfahren." Nachdenklich sah Vicarius in die tanzenden Flammen der Feuerstelle. Der dunkle Mantel hing noch immer über seiner Schulter. Er wagte es nicht, ihn abzulegen, nicht hier im grünen Turm, inmitten des Hoheitsgebiets seines Feindes. Die Macht des Mantels war groß, er stammte noch aus der Zeit der Legenden, gewoben aus der Wolle eines schwarzen Lammasus. Ohne ihn könnte Vicarius sich nicht schon so lange unentdeckt im Turm bewegen. Heute morgen erst hatten ihm seine Spione von den beiden Gefangenen berichtet, die offenbar von Tirist selbst durch ein Portal in den grünen Turm gebracht worden waren, doch er musste sie mit eigenen Augen sehen. "Erst dieser Traum und jetzt plötzlich wirkliche Gefangene in Tirists Turm? Das ist niemals nie ein Zufall."

Vicarius hatte schon vor langen Zeiten damit begonnen, nach besonderen Kräften abseits der Magie zu forschen. Der Erhalt von Visionen und das Traumwandeln waren nur zwei solche Beispiele. In Begos hatte sein alter Meister Telsoma ihm einmal einen Kampfmönch vorgestellt, der nur anhand der Kraft einer rituellen Bewegung einen magischen Angriff parieren konnte. Bis zum heutigen Tag ist es ein Rätsel für Vicarius, wie so etwas möglich sein konnte. Es hieß wohl Shitsu, wenn er sich recht entsann. Doch in all dieser Zeit hatte er niemals einen Traumwandler getroffen. Bis gestern, gestern Nacht in seinem eigenen Traum. Eine Frau war ihm erschienen und hatte ihn um Hilfe gebeten. Er sah ihr Bild noch in seinem Kopf - schwarze lange Haare, ein fremdländisches Gesicht. "Komm zum Turm. Ich bin gefangen. Gefangen in den dunkelsten Zellen. Der Erzmagier Tirist ist ein Verräter. Die Zeit des Erwachens ist gekommen und mein Gefährte benötigt deine Hilfe. Komm zum Turm und bring alle, die dir etwas schulden." Seit er aus dem seltsamen Traum erwacht war, hatte Vicarius nicht mehr aufhören können, an diese Frau zu denken. Er hatte sofort gewusst, dass dies kein gewöhnlicher Traum gewesen war. Ein Traumwandler hatte ihn besucht, oder vielmehr eine Traumwandlerin. Dann hatte ihn die Nachricht über die neuen Gefangenen im dunklen Kerker erreicht.

"Ein ungewöhnlich riskanter Schritt für so einen Feigling wie dich, Tirist. Was hast du vor, Verräter?" Es war nicht nur ungewöhnlich, dass sein alter Rivale es gewagt hatte, durch ein Portal zu reisen, sondern auch, dass er die ihm anvertraute Prinzessin von Meronis eingekerkert hatte. Beides passte nicht zu dem sonst so vorsichtig agierenden Intriganten.

Der Erzmagier hatte es in den letzten Jahren gut verstanden, seine Macht im grünen Turm zu festigen. Seit Telsomas Tod und Vicarius Flucht hatte der neue Führer des grünen Turms seine Vertrauten in fast alle wichtigen Positionen gebracht, aber noch hatte Vicarius Freunde im Turm. Freunde, die ihm von den neuen Insassen des dunklen Kerkers berichtet hatten.

"Aber wieso hat er Prinzessin Carelia eingesperrt? Sie war doch zur Ausbildung im Turm und stets unter seiner Kontrolle gewesen. Die Prinzessin jetzt einzusperren macht doch keinen Sinn. Und wer ist die andere Frau, ist sie die Frau aus meinem Traum? Mir entgeht etwas, etwas Wichtiges. Ich brauche mehr Informationen." Angestrengt versuchte Vicarius, seine Gedanken zu ordnen und einen Sinn in den Geschehnissen der letzten Tage zu erkennen, doch die klaren Gedanken entglitten ihm. Er könnte versuchen, Carelia zu befreien, um das Wohlwollen des alten Königs von Meronis zu erlangen. Aber seine Freundschaft mit Lingard war dessen Vater wohlbekannt und so schien dieser Weg wenig erfolgversprechend, seit Lingard vom König verstoßen worden war.

"Lingard, alter Freund, wenn ich nur wüsste, wo du steckst. Du wüsstest Rat, so wie sonst auch," Vicarius hatte Lingard schon zu lange nicht gesehen. Der junge Prinz von Meronis war nach Süden gegangen, nach beunruhigenden Berichten über Attentate auf die Sternensinger von Meronis. Dann hatten sich die Ereignisse überschlagen. Ein neuer Mond war am Himmel erschienen, ein schwarzer Mond, und er brachte den Krieg über die Welt. Ihm folgten Gerüchte, Gerüchte über einen neuen Kaiser. "Aber das ist unmöglich. Das Kaiserreich ist Vergangenheit. Nur noch lebendig in den Legenden alter Bücher und den Geschichten an Lagerfeuern."

Vicarius versuchte, seine Gedanken wieder zu fokussieren. Die Geschichten über einen Kaiser spielten keine Rolle, denn Tirist hatte bereits verkündet, dass der grüne Turm ihn nicht anerkennen würde. Ohne die Anerkennung aller drei Türme konnte aber niemand zum Kaiser ernannt werden, es musste sich um das politische Spielchen eines Kriegsherren aus dem Süden handeln.

"Die Gefangennahme der Prinzessin - dieser Schritt ist zu riskant für Tirist, er würde ein solches Wagnis nur eingehen, wenn der Gewinn ihm enorme Macht sicherte. Es muss mit der zweiten Frau zu tun haben, die er gefangen hält. Wer ist sie, woher kennt sie die Prinzessin?" Vicarius Agenten hatten ihm nichts über die fremde Frau sagen können. Tirist hatte sie ebenso wie die Prinzessin in eine der magischen Zellen gesteckt, also musste sie gefährlich sein. "Ist sie die Traumwandlerin? Eine der wilden Magierinnen, die abseits der Türme leben?"

Vicarius war damals noch unter der Leitung des alten Erzmagiers Telsoma Gerüchten nachgegangen, in denen von Magiern berichtet wurde, die nicht unter der Kontrolle der Türme standen. Zuerst hatte er die Geschichten als Märchen abgetan und nur an Einzelfälle geglaubt, aber dann hatten sich die Geschichten verdichtet, besonders im Norden, bei den Barbaren Valkalls. Warum also sollte es nicht auch an anderen Orten geheime Bünde von Magiern geben?

"Wir waren Narren gewesen, Telsoma. Anstatt nach Geheimbünden und Magiern in fernen Ländern zu forschen, hätten wir unsere Aufmerksamkeit besser auf unseren eigenen Turm gerichtet. Jetzt bist du tot und ich ein Flüchtling. Aber ich verspreche dir, der Verräter wird noch dafür bezahlen." Das plötzliche Auflodern der Flammen in der Feuerstelle vor ihm riss Vicarius aus seinen Gedanken. Das sanfte Orange des Feuers verwandelte sich kurz in ein gedämpftes Grün, bevor es zu seiner normalen Farbe zurückkehrte. Das war das vereinbarte Zeichen, der Weg zum dunklen Kerker war jetzt sicher. Ohne nach dem Magier Ausschau zu halten, der ihm das Zeichen gegeben hatte, ging er langsam und lautlos durch die schwach beleuchteten Gänge.

Sein Mantel machte ihn nicht unsichtbar, aber sehr schwer zu sehen. Zauber der Erkennung glitten wirkungslos an ihm ab, was ihn besonders wertvoll für Vicarius kleine Ausflüge in den Turm machte. Die meisten Menschen wussten nicht, dass der sichtbare Teil des grünen Turms nur Fassade war. Dort wurden die Prüfungen abgehalten, Gäste empfangen und diplomatische Treffen organisiert. Das wahre Herz des Turms aber lag unterhalb des sichtbaren Bauwerks, unter der Erde. Hier in einem endlos wirkenden System von Tunneln und Katakomben kannten nur wenige Magier alle Wege. Und noch weniger von ihnen kannten alle geheimen Zugänge. So war es ihm möglich gewesen, den Turm im geheimen zu besuchen, auch wenn es trotz des Mantels immer wieder gefährliche Ausflüge waren.

Die nächste Abzweigung war hell erleuchtet von Runen des Schutzes. Hinter der Abzweigung begannen die Räume, die nur den alten und hochgestellten Magiern zugänglich waren. Tirist hatte dafür gesorgt, dass nur seine Freunde diese Runen unbemerkt passieren konnten, doch er hatte nicht vorausgesehen, das Vicarius einen Schutzmantel aus der Zeit der Legenden besaß. Kurz vor der Abzweigung hielt der grüne Magier an und horchte in den Gang. Alles war still, das Zeichen seiner Agenten schien korrekt gewesen zu sein. Mit einigen schnellen Schritten ging er durch den Gang und über die Runen. Nichts passierte. Erleichtert atmete Vicarius aus. Er war sich sicher gewesen, dass der Mantel mächtig genug war und doch war er angespannt gewesen.

"Keine Zeit zur Freude, ich muss mich beeilen." Ohne weitere Verzögerung betrat Vicarius den geheimen Teil der Katakomben und folgte zielgerichtet den Tunneln nach unten. Wie erwartet begegnete er keinem anderen Magier und so erreichte er weiter unerkannt den Zellentrakt. Vier unscheinbare Türen befanden sich in der nur schlecht ausgeleuchteten Katakombe, alle mit stärksten Runen beschriftet. Vicarius hatte die Magie hinter den dunklen Zellen nie verstanden und er war sich sicher, dass auch Telsoma keine echte Kenntnis ihrer Funktionsweise hatte. Die Zellen waren alt, möglicherweise stammten auch sie noch aus der Zeit der Legenden. Sicher war aber, dass ein Entkommen unmöglich war. Die Zellen sperrten nicht nur den Körper ein, sondern auch den Geist. Gefangene in den Zellen wurden langsam verrückt, wenn sie zu lange in ihnen festsaßen, weshalb Telsoma sie nur einmal während seiner Zeit als Erzmagier genutzt hatte.

Vorsichtig näherte er sich der ersten Tür und berührte mit seiner Hand die Sichtrune. Umgehend wurde die Tür durchsichtig und gab den Blick frei auf eine Frau, die mit angezogenen Beinen auf dem kalten Steinboden lag und leise weinte. Vicarius hatte Prinzessin Carelia bisher nur kurz gesehen, doch ihre Ähnlichkeit mit seinem Freund Lingard war unverkennbar. Stumm sah er der abgemagert wirkenden Frau einen Moment zu, dann schloss er die Sichtrune wieder. Schließlich ging er zur zweiten Zelle und aktivierte die gleiche Rune. Überrascht sah er auf das Bild, dass sich ihm bot. Die Frau aus seinem Traum stand in der Mitte der Zelle und bewegte ihren Körper in seltsamen Formen, fast schien es, als glitt sie durch ein unsichtbares Wasser, so fließend waren ihre Bewegungen. Fasziniert folgte er den Bewegungen der Frau, die offenbar eine gut ausgebildete Kämpferin war. Vicarius erkannte die Formen, er hatte sie zumindest in ähnlicher Form bereits einmal gesehen, als er dem Kampfmeister aus Begos bei seinem Shitsu zugesehen hatte.

Plötzlich unterbrach die junge Frau ihre Übung und sah direkt auf die Tür. "Unmöglich! Sie kann michnicht sehen, sie kann nicht wissen, dass ich da bin." Mit offenem Mund starrte er der Unbekannten in die Augen, während sie direkt in die Seinen zu sehen schien. "Ich weiß, dass du mich hören kannst. Das Buch sagte mir, dass du da draußen bist. Und das du ein Freund bist. Mir bleibt nicht viel Zeit, das Buch wird schwächer. Wenn du wirklich ein Freund bist, dann müssen wir jetzt handeln."

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„Das ist doch Irrsinn. Hier ist nichts.“ Fluchend führte Sigtur seine Expeditionsarmee durch die eisigen Ebenen Valkalls. Er hatte den nördlichen Grenzwald von Meronis bereits vor zwei Tagen verlassen, auf der Suche nach der valkallischen Armee, die angeblich die Grenzen des Reiches bedrohte, doch gefunden hatte er nichts außer niedergebrannten Dörfern, Zerstörung und Tod. „Sag es mir noch einmal, Tykos. Der Befehl trägt wirklich das Siegel meines Vaters?“ Der erste Hauptmann ritt mit verkniffenem Gesichtsausdruck neben Prinz Sigtur, während er das Chaos um sich herum betrachtete. „Ja, mein Prinz. Der Brief wurde vom ersten Singer selbst gezeichnet und trägt das Siegel eures Vaters. Es gibt keinen Zweifel an seiner Echtheit. Aber was den Inhalt angeht …“

Mit einer wütenden Handbewegung unterbrach Sigtur seinen ersten Hauptmann. Er vertraute Tykos mit seinem Leben, aber er konnte nicht zulassen, dass ein direkter Befehl des Königs in Frage gestellt wurde. Die Anweisungen waren unmissverständlich. Die valkallische Armee finden, noch während sie sich an den Grenzen zu Meronis sammelt und vernichten, bevor sie ins Königreich einfallen kann. „Nur, dass es hier weit und breit keine Armee gibt.“ Alles, was Sigturs Soldaten in Valkall vorgefunden hatten, waren Massengräber, niedergebrannte Felder, zerstörte Dörfer und Krieg.

„Die valkallischen Klans haben sich gegenseitig beinahe vollständig ausgelöscht. Ich habe noch niemals zuvor davon gehört, dass interne Klankriege mit dermaßen offener Brutalität und Grausamkeit geführt wurden. Wenn unsere Spurenleser recht haben, waren sogar ihre wilden Magier an den Kämpfen beteiligt. Ich weiß, dass ich den Befehl des ersten Singers nicht in Frage stellen darf, mein Prinz. Aber hier … hier ist keine Armee. Hier ist gar nichts mehr. Die wenigen Krieger, die die große Schlacht überlebt haben, stehen an der Grenze zu Kaldarra und schützen Valkall vor der Armee der Tzarina.“ Sigtur wusste, dass sein Hauptmann recht hatte, doch er konnte dessen Aussage nicht so stehen lassen. „Der Befehl des Königs, Tykos. Der erste Singer Bermon ist lediglich sein Kanzler. Mein Vater herrscht in Merobar.“ Sigtur hatte seine Worte mit Kraft gesprochen und einer eindeutigen Rüge im Unterton, doch tief in seinem Inneren sorgte er sich mehr um seinen Vater, als er zugeben mochte. Zu lange schon war er im Dienst der Armee an den nördlichen Grenzen, zu weit weg vom Hof und seinem Vater. „Natürlich, mein Prinz. Verzeiht mir meine Worte. Es ist nur … wenn der erste Singer tatsächlich eine Bedrohung aus Valkall gesehen hat, wo ist sie dann?“