Der verlassene Zwilling - Inge Danke - E-Book

Der verlassene Zwilling E-Book

Inge Danke

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Beschreibung

Trauma-Heilung für verlassene Zwillinge

Hochsensibilität, Einsamkeit und unspezifische Schuldgefühle: Wer diese Symptome verspürt, hat wahrscheinlich das Trauma eines vorgeburtlichen Geschwisterverlustes erlitten. In der Embryonen-Forschung geht man davon aus, dass 30 bis 60 Prozent aller Schwangerschaften zunächst als Mehrlingsschwangerschaften angelegt sind. Nicht alle tragen ein Trauma davon, doch für viele überlebende Zwillinge kann erst die Aufarbeitung dieses Verlustes und die Kontaktaufnahme zur verlorenen Geschwisterseele Heilung bringen. Inge Danke, Psychotherapeutin und selbst ein verlassener Zwilling, hat unzählige Betroffene begleitet. Anhand vieler Fallbeispiele beschreibt sie, welche Anzeichen für ein Trauma im Mutterleib sprechen und welche therapeutischen Wege zur Heilung führen.

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Seitenzahl: 183

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Über das Buch

Hochsensibilität, Einsamkeit und unspezifische Schuldgefühle: Wer diese Symptome verspürt, hat wahrscheinlich das Trauma eines vorgeburtlichen Geschwisterverlustes erlitten. In der embryologischen Forschung geht man davon aus, dass 30 bis 60 Prozent aller Schwangerschaften zunächst als Mehrlingsschwangerschaften angelegt sind. Nicht alle tragen ein Trauma davon, doch für viele überlebende Zwillinge kann erst die Aufarbeitung dieses Verlustes und die Kontaktaufnahme zur verlorenen Geschwisterseele Heilung bringen. Inge Danke, Psychotherapeutin und selbst ein verlassener Zwilling, hat unzählige Betroffene begleitet. Anhand vieler Fallbeispiele beschreibt sie, welche Anzeichen für ein Trauma im Mutterleib sprechen und welche therapeutischen Wege zur Heilung führen.

Über die Autorin

Inge Danke, geboren 1952 in Jülich (Deutschland), ist Diplom-Sozialpädagogin, systemische Familien- und Trauma-Therapeutin (SE und NARM-Practitioner) sowie zertifizierte Trauerbegleiterin mit eigener Praxis im Hochwald (Schweiz). Einer ihrer Praxisschwerpunkte liegt im Heilen von frühen Entwicklungstraumata. Dank ihrer spirituellen und feinfühligen Wahrnehmung erreicht sie Menschen auf einer tiefen seelischen Ebene. Neben therapeutischen Einzelsitzungen leitet sie Seminare in den Bereichen systemische Familienaufstellungen, Persönlichkeitsentwicklung und Trauerbegleitung.

Inge Danke

Der verlasseneZwilling

Das Trauma des vorgeburtlichen Geschwisterverlustes

Wege zur emotionalen und spirituellen Heilung

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Originalausgabe

© 2021 Kailash Verlag, München

in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH

Neumarkter Str. 28, 81673 München

Lektorat: Judith Mark, Freiburg

Satz und E-Book Produktion: Satzwerk Huber, Germering

Umschlaggestaltung: ki 36, Sabine Krohberger Editorial Design, MünchenAutorenfoto: ©privat

ISBN 978-3-641-26281-5V002

www.kailash-verlag.de

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Für alle überlebenden Mehrlingeund für die zahllosen ungeborenen Mehrlingsseelen.

Inhalt

Einführung

Teil 1Verlorener und überlebender Mehrling

Kapitel 1Überlebende Mehrlinge: nie so ganz »zu Hause« im Leben

Ein vernachlässigtes Phänomen

Erfolgreich, aber nicht glücklich

Wenn der Verlust früh bemerkt wird

Kapitel 2Vorgeburtlicher Geschwisterverlust: eine traumatische Erfahrung

Die medizinische Seite des Geschwisterverlusts

Auch vorgeburtliche Erfahrungen prägen sich ein

Überlebende Mehrlinge brauchen besondere Aufmerksamkeit

Kapitel 3Wenn das Trauma sich meldet: Anzeichen für einen vorgeburtlichen Geschwisterverlust

Symptome bei Kindern

Symptome bei Erwachsenen

Körperliche Spuren des verlorenen Geschwisters

Die Angst, nicht normal zu sein

Panikattacken nach dem Tod der Mutter

Kapitel 4Überlebende Mehrlinge: ein Psychogramm

Viel Gespür für andere – und wenig für sich selbst

Sich selbst nicht verstehen

Auf der Suche nach der Ursache der Probleme

Selbsterforschung: Bist auch du ein überlebender Mehrling?

Teil 2Auf dem Weg zur Heilung des Traumas

Kapitel 5Zugang finden zur Herz-Seelen-Ebene

Wenn ein Teil der Seele abgespalten ist

Zugang zu einer neuen Energie finden

Kapitel 6Die spirituelle Ebene

Das »Heilige« im Praxisraum

Kapitel 7Das Leben wollte dich: innere Ressourcen erschließen

Die große Vielfalt unserer Ressourcen

Die schützende Wirkung von Ressourcen

Überlebensstrategien

Teil 3Therapeutische Möglichkeiten (und ihre Grenzen)

Kapitel 8Aufstellungsarbeit und NARM: eine fruchtbare Kombination

Aufstellungsarbeit in der Seminargruppe

Kapitel 9Vorgeburtlicher Geschwisterverlust als Entwicklungstrauma

Leben im Schatten des Traumas

Ressourcen in der therapeutischen Praxis

Heilung findet jenseits der Sprache statt

Kapitel 10Worum geht es eigentlich? Die Arbeit mit »Bodenankern«

»Bodenanker« in der Einzeltherapie

Kapitel 11Auf der Suche nach dem verlorenen Geschwister: die therapeutische Arbeit in der Praxis

Das Trauma umfassend auflösen

Raum schaffen für neue Lebensenergie

Kapitel 12Verborgenes Wissen erschließen durch holotropes Atmen

Holotropes Atmen und Aufstellungsarbeit

Kapitel 13Der feinstoffliche Wahrnehmungskanal: Informationen aus einer anderen Welt

Der verlorene Zwilling meldet sich zu Wort

Hinter körperlichen Dysbalancen kann eine Botschaft stecken

Teil 4Wie du dein Selbstheilungspotenzial aktivierst: praktische Impulse

Natur-Impulse

Mit allen Sinnen die Natur erleben

Die Kraft der Bäume nutzen

Tautreten

Zur Ruhe kommen

Gehmeditation

Meditation

Durch Handbewegung zur Seelenbewegung

Schutz- und Kraft-Impulse

Sich mit der Erde verbinden

Ganzkörperverbindung mit der Erde

Füße und Wasser

Powerbank: die eigenen Ressourcen erschließen

Eine Energiehülle erschaffen

Yoga, Chi Gong und Pilates: die Kraft der bedachten Bewegung

Zum Ausdruck finden

Ein Mandala malen

Symbole und Rituale kreieren

Schreiben

Impulse für Eltern

Für Eltern mit Schreibaby: Pucken

Ein verlassenes Zwillingskind altersgerecht begleiten

Teil 5Wenn ein Kind vor der Geburt verloren geht: Betroffene berichten

Ein doppelter Zwillingsverlust

Ein Bruder namens Nick

Diese ewige unklare Sehnsucht

Als stünde jemand neben oder hinter mir

Ein Verlust, der mich geprägt hat

Als lebte ich auf dem falschen Planeten

Wie zwischen zwei Welten

Niemand hat’s bemerkt …

Was stimmt nicht mit mir?

Jahrzehntelang verdrängtes Wissen

Ein Schlüsselerlebnis

Ich bin jetzt ein Teil der Gemeinschaft

Resümee

Danke

Literatur

Register

Einführung

»Warum möchtest du dein eventuelles Mehrlingsthema bei mir anschauen?«, fragte mich eine Kollegin, die ich aufgesucht hatte, um Klarheit über meine Vermutung zu erhalten. Irgendwann hatte bei mir das Gefühl angeklopft, dass ich einen vorgeburtlichen Verlust im Mutterleib erlebt haben könnte. Bei meiner Tätigkeit als Trauerbegleiterin sowie systemischer Familien- und Traumatherapeutin begleitete ich viele Klienten, die im Mutterleib einen Zwilling verloren hatten. Irgendwann fing ich an, mich zu fragen, ob dies reiner Zufall war. Warum fanden so viele überlebende Mehrlinge den Weg zu mir in die Praxis? Was hatte das Thema mit mir persönlich, mit meiner Biografie zu tun? Wirkte hier möglicherweise die Gesetzmäßigkeit »Gleiches zieht Gleiches an«? War es meine innere Berufung, auf das Seelenschicksal der überlebenden Mehrlinge aufmerksam zu machen?

Meine Vermutung, dass die Schwangerschaft meiner Mutter mit mir zu Beginn eine Mehrlingsanlage war, bestätigte sich zunächst in einer Einzelaufstellung. Da ich ein eher skeptischer Mensch bin, wollte ich mich nicht auf eine einzige Methode verlassen, sondern ließ meine Vermutung durch unterschiedliche therapeutische Vorgehensweisen beleuchten. Immer wieder ergaben sich Hinweise darauf, dass ich einen vorgeburtlichen Verlust erlebt habe. Aus meiner eigenen Betroffenheit als überlebender Mehrling heraus nehme ich an, dass unsere Seele erst bestimmte Entwicklungen durchlaufen haben muss, bevor dieses Thema für uns überhaupt wahrnehmbar wird. Wahrscheinlich können wir erst dann einen ganzheitlichen seelischen Heilungsprozess durchlaufen. Bei all meinen therapeutischen Ausbildungen hatte sich der vorgeburtliche Verlust nicht gezeigt. Ich war wohl erst »reif« für das Thema, als ich in mir selbst eine körperliche und seelische Resonanz wahrnahm, sobald es bei einem meiner Klienten um das Thema des vorgeburtlichen Geschwisterverlusts ging. Für mich galt zunächst einmal zu klären, ob diese Resonanz einfach dadurch bedingt war, dass meine Spiegelneuronen – jene Nervenzellen in unserem Gehirn, die uns etwas, was anderen geschieht, oft lebhaft mitempfinden lassen – besonders aktiv waren. Denkbar wäre auch gewesen, dass eine therapeutische Gegenübertragung vorlag: Reagierte ich auf die vorgeburtlichen Verlusterfahrungen meiner Klienten nur deshalb so intensiv, weil sie Verlusterfahrungen beispielsweise aus meiner Kindheit und Jugend reaktivierten? Beide Vermutungen ließen sich auf unterschiedlichen Ebenen betrachten. Beide konnten letztlich ausgeschlossen werden.

Da ich Menschen weiterhin professionell begleiten und unter allen Umständen vermeiden wollte, dass meine Traumata mit denen meiner Klienten verschmolzen, war ich gefordert, mich an die Arbeit zu machen: Es galt, mein eigenes Trauma im Mutterleib anzuschauen. Dabei habe ich tiefe seelische Prozesse durchlaufen und Gefühle in einer neuen Intensität erlebt. Ich bin mit etwas Größerem in Verbindung getreten, das ich bisher nur ansatzweise bei meinen Klienten wahrgenommen hatte.

Mein Seelenschicksal als überlebender Mehrling ist bei meiner Tätigkeit als Therapeutin eine wertvolle Ressource, ein innerer Reichtum. In diesem Buch möchte ich etwas von diesem inneren Reichtum weitergeben. Ich empfinde mich gewissermaßen als Sprachrohr, um der Thematik der überlebenden Mehrlinge einen größeren Stellenwert in der Gesellschaft und Öffentlichkeit zu verschaffen. Vielleicht fragen sich einige von euch an dieser Stelle, warum mir dies so wichtig ist.

Auf diese Frage gibt es viele Antworten. Zwei ganz einfache lauten: weil Heilen besser ist als Leiden. Und weil dieses Thema durch ein größeres Bewusstwerden mehr Relevanz bei Ärzten und im Gesundheitswesen erhält. Bei der weiteren Lektüre dieses Buches werdet ihr noch auf etliche weitere gute Gründe stoßen.

Zum Schutz der Identität meiner Klienten habe ich in den Fallgeschichten dieses Buches alle Namen geändert. Um den Lesefluss zu erleichtern, verwende ich durchgängig die männliche Form. Weibliche Leser sind selbstverständlich immer mitgemeint. Die Begriffe »verlassener Zwilling«, »überlebender Mehrling«, »überlebender Zwilling«, »Zwilli« (ein von mir kreierter Begriff) verwende ich jeweils synonym.

Teil 1

Verlorener und überlebender Mehrling

In Teil 1 dieses Buches berichte ich über die Häufigkeit des vorgeburtlichen Geschwisterverlusts und seine Konsequenzen. Ich werde beginnen mit den Auswirkungen bei Kindern und danach auf die Folgen des vorgeburtlichen Verlusts bei Erwachsenen zu sprechen kommen. Dabei lasse ich meine Erfahrungen aus der Praxis einfließen.

Woran lässt sich bei Kindern und Erwachsenen erkennen, dass sie im Mutterleib ein Geschwister verloren haben? Auch darüber wirst du in den folgenden Kapiteln mehr erfahren.

Ein gesonderter Abschnitt befasst sich damit, wie überlebende Mehrlinge im Laufe ihres Lebens immer wieder »getriggert« werden: Ihr Nervensystem und Zellgedächtnis wird dann jeweils an ihre traumatische Erfahrung im Mutterleib erinnert.

Kapitel 1Überlebende Mehrlinge: nie so ganz »zu Hause« im Leben

»Schon als Kind hatte ich das Gefühl, nicht ganz von dieser Welt zu sein, lebte wie in einer anderen Welt, in einem Trancezustand, oder wie man das auch immer nennen mag. Als Baby habe ich laut meiner Mutter sehr viel geschlafen und war ›pflegeleicht‹. In der Kleinkindzeit und Kindheit soll ich recht still und verträumt gewesen sein. Ich erinnere mich, dass ich in der Grundschule zwar körperlich anwesend war, jedoch dem Unterricht nicht folgen konnte. Mit den Gedanken war ich immer woanders. Die Schulzeit war für mich ein ungeliebter Zwang. Über meinen Schulaufgaben schlief ich manchmal ein. Schon bei geringeren Aufregungen wurde ich ohnmächtig. Die Eltern und Geschwister habe ich zwar gehört, doch meist habe ich ›vorbeigehört‹, war irgendwie nicht präsent. Wenn ich heute zurückblicke, war ich wahrscheinlich sehr kreativ und fantasievoll. Den Schulabschluss habe ich dann doch noch mit wenig Aufwand geschafft. Das Gefühl, nicht ganz da zu sein, zieht sich wie ein roter Faden durch mein Leben. Ich habe oft Todessehnsucht, fühle mich mit allem überfordert, spüre mich nicht, weiß nicht, was ich hier auf der Erde soll. Einerseits suche ich einen Partner, andererseits habe ich Angst vor Nähe. Keine Ahnung, warum ich für zwei arbeite und nicht zur Ruhe komme. Ich habe enorme Schuldgefühle. Nie genüge ich.

»Meine fünfjährige Tochter redet mit unsichtbaren Freunden.« – »Wir fühlen uns mit unserem feinfühligen Sohn überfordert.« – »Mein Leben lang bin ich auf der Suche und weiß doch nicht, was ich suche.« Wenn ich in meiner Praxis diese oder ähnliche Aussagen höre, werde ich hellhörig: Könnte es sich bei meinem Gegenüber oder dem »schwierigen« Kind, von dem die Rede ist, um einen überlebenden Mehrling handeln? Die Betonung liegt auf »könnte«. Auch Klagen über innere Unruhe, Verlustängste, ein ständiges, grundlos erscheinendes Gefühl der Trauer oder Probleme, den eigenen Körper oder die eigenen Bedürfnisse nicht zu spüren, können auf den vorgeburtlichen Verlust eines Geschwisters hindeuten. Manche der Betroffenen fühlen sich handlungsunfähig und ratlos.

Ein vernachlässigtes Phänomen

Das Phänomen eines vorgeburtlichen Geschwisterverlusts wird vielfach belächelt. Es wird zu wenig oder gar nicht in Betracht gezogen, wenn Diagnosen gestellt werden, oder das Wissen darum wird als esoterischer Humbug oder schlicht »Einbildung« abgetan. Folgerichtig können Betroffene nicht auf eine Kostenübernahme bei der Behandlung ihrer Beschwerden hoffen. Das ist bedauerlich, denn auf der Basis meiner beruflichen Erfahrung und Betrachtungsweise kann ich sagen, dass die traumatherapeutische Arbeit mit verlorenen Zwillingen ein Gewinn für die gesamte Familie, Gesellschaft und Wirtschaft ist.

Viele Krankheiten oder körperliche Symptome würden sich eventuell gar nicht erst entwickeln, wenn jeder Betroffene, der Hilfe sucht, in seinem Sein betrachtet werden würde. Auf lange Sicht wäre unser Krankenkassensystem entlastet und der Mensch weniger anfällig für chronische Krankheiten und/oder andere körperliche Symptome.

In Europa ging es den Menschen noch nie so gut wie in unserer Zeit. Doch immer noch und immer wieder werden Menschen primär unter dem Blickwinkel ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit betrachtet. Warum lassen wir unserer Seele in dieser turbulenten und hektischen Zeit keinen Raum, um Schritte zu gehen, die es uns ermöglichen, in einen tieferen Kontakt mit uns selbst zu kommen? Sind wir dem Zeitgeist einer stetigen Gewinnmaximierung wirklich hilflos ausgeliefert? Immer mehr Menschen in unserer Gesellschaft leiden unter der unaufhaltsamen Beschleunigung des Lebens. Was hindert uns daran, einen Perspektivwechsel in Richtung Gesundheit vorzunehmen und uns auf uns selbst und das Wesentliche im Leben zu besinnen? Wir leben in einer Zeit, in der uns unendlich viele therapeutische Methoden zur Verfügung stehen. Frühere Generationen hatten weder das fachliche Wissen noch die finanziellen und zeitlichen Ressourcen, um sich mit den eigenen Lebensthemen intensiver befassen zu können. In der Generation unserer Eltern und Großeltern waren die Themen Krieg, Existenzängste, Nachkriegsjahre, Wiederaufbau und wirtschaftlicher Aufschwung beherrschend – Themen also, bei denen es wenig Spielraum für Gefühle und körperliche Empfindungen gab. Heute leben wir in einer Zeit, in der viel Heilungsarbeit stattfinden darf.

Erfolgreich, aber nicht glücklich

Schenken wir der Statistik Glauben, dann hat wahrscheinlich fast jeder Zweite von uns eine vorgeburtliche Verlusterfahrung erlebt. Wie sehr dieses Schicksal den Lebensweg prägen kann, soll ein kurzer Einblick in die Geschichte eines meiner Klienten verdeutlichen. Es handelt sich um einen erfolgreichen Geschäftsmann. Um seine Identität zu schützen, nenne ich ihn Robert. Er hatte mich und meine therapeutische Arbeit während eines Seminars kennen gelernt. In der Gruppe brachte er sich locker, flockig und witzig ein. Wer in seine Augen schaute, konnte sehen, dass unter seinem Humor sehr viel Trauriges lag. Wenige Tage nach dem Seminar meldete er sich per Mail und bat um einen Einzeltermin bei mir. Der lustige und witzige Robert zeigte sich nun ganz anders. Für ihn fühlte es sich so an, als sei er in einem Burnout gelandet. Der Alkohol, der sich bei Robert für einige Zeit als »Gehhilfe« bewährt hatte, half ihm in seiner gegenwärtigen Lebenslage nicht mehr weiter. In dem schwarzen Loch, wie er es selbst genannt hatte, gab es für ihn keine Lichtblicke mehr. Robert wollte nicht zu einem Psychiater gehen. Die Einnahme von Psychopharmaka lehnte er ab.

Bereits in der ersten Sitzung spürte ich, dass dieser Mann wahrscheinlich ein vorgeburtliches Trauma erlebt hatte. Dieses früheste Entwicklungstrauma schauten wir erst an, nachdem andere Lebensthemen gelöst waren und Robert sich emotional und körperlich wieder stabilisiert hatte. Vorsichtig näherten wir uns dem verlorenen Zwilling an. Das Trauma, das Robert in seiner Embryonalzeit erlebt hatte, konnte in zahlreichen Einzelsitzungen auf der Körperzellen-, Geist- und Seelenebene aufgelöst werden. Robert fand, wonach er im Unterbewussten immer gesucht hatte.

Während einer Sitzung war es Robert möglich, sich energetisch und emotional nochmals mit seinem verlorenen Zwilling zu verbinden. Ein behutsames gegenseitiges Abschiednehmen und das Wissen darum, dass die spirituelle Verbindung bleiben würde, haben seine tiefe Seelenwunde heilen lassen. Die tief berührende spirituelle Erfahrung, die er mit seinem verlorenen Zwilling machen durfte, hat ihn geerdet. Von seinem verlorenen Zwilling bekam er den Segen, etwas Gutes aus seinem Leben machen zu dürfen. Mit dieser Erlaubnis kehrte bei Robert nachhaltiger innerer Frieden ein.

Was ich hier in kurzen Sätzen schildere, war ein langer therapeutischer Weg. Robert zählt zu der Generation, die gelernt hat, zu »funktionieren«. Wer zeitlebens funktionieren muss, überschreitet irgendwann seine Belastungsgrenze, nimmt sich selbst kaum noch wahr und entfernt sich infolgedessen auch von seinem sozialen Umfeld. Die körperliche, seelische und geistige Abwärtsspirale kann eine unaufhaltsame Eigendynamik entwickeln.

Wenn der Verlust früh bemerkt wird

Wenn Eltern bereits zu einem frühen Zeitpunkt wahrnehmen, dass ihr Kind »anders« ist als andere Kinder, bleibt den Überlebenden vorgeburtlicher Verluste viel Überforderung erspart. Wenn Mütter oder Eltern mit ihren »auffälligen« Kindern zu mir in die Praxis kommen, frage ich meist nach, wie die Schwangerschaft mit dem Kind verlaufen ist, wie die Geburt war und ob es irgendwelche einschneidenden Erlebnisse gab. Oft berichten Mütter dann, dass es in der Schwangerschaft etwa eine Zwischenblutung gab, der sie, nachdem der Arzt sie beruhigt hatte, keine weitere Bedeutung mehr beimaßen. Bei Kindern können viele Verhaltensweisen darauf hindeuten, dass zu Beginn der Schwangerschaft eine Mehrlingsanlage vorhanden war.

Kapitel 2Vorgeburtlicher Geschwisterverlust: eine traumatische Erfahrung

»Ich vermute, dass ich einen verlorenen Zwilling habe.« Mit dieser Annahme kommt der fast 40-jährige Matthias zu mir in die Praxis. Auf meine Frage, wieso er die Vermutung habe, ein verlassener Zwilling zu sein, erzählt er: »Schon früh im Leben habe ich das Gefühl gehabt, dass mir etwas Wichtiges fehlt. Je älter ich werde, desto größer wird diese Gewissheit, und zu der Empfindung gesellt sich eine Sehnsucht, die manchmal fast unerträglich wird. Immer wieder spüre ich so etwas wie einen seelischen Schmerz in mir. Ich arbeite für zwei, kaufe für zwei ein, esse und trinke für zwei Personen, ich bin unbewusst immer im Doppelpack unterwegs. Sogar in der Beziehung mit meinem Partner hatte ich das Gefühl, dass an meiner Seite etwas fehlt. Jetzt, wo die Beziehung in die Brüche gegangen ist, bin ich bereit, nach mir selbst zu schauen. Ich möchte wissen, ob meine Vermutung vom verlorenen Zwilling stimmt und welche Möglichkeiten es gibt, meine Suche zu beenden. Ich möchte mehr Verständnis für mein Verhalten gewinnen, inneren Frieden finden, endlich bei mir ankommen und der Sehnsucht ein Zuhause geben.«

Die medizinische Seite des Geschwisterverlusts

Nicht jede Mehrlingsschwangerschaft endet auch mit der Geburt von mehreren Kindern. Peter Pharoah, Mediziner an der Universität Liverpool, geht davon aus, dass die Chance einer Mehrlingsschwangerschaft bei der Zeugung eins zu 20 beträgt. Tatsächlich kommen jedoch nur bei einer von 40 Geburten gesunde Zwillinge zur Welt. Dies berichtet die Wissenschaftsjournalistin Elke Bodderas in einem Artikel für die Welt (Bodderas 2009). Häufig stirbt ein Embryo oder Fötus vorzeitig ab – meist geschieht dies bis zur 12. Schwangerschaftswoche. Dies hat natürliche Ursachen, oder es wird bewusst herbeigeführt, etwa durch den missglückten Versuch, eine unerwünschte Schwangerschaft komplett zu beenden. Der sogenannte »Fetozid« gehört zu den Schattenseiten der modernen Reproduktionsmedizin. Bei einer Kinderwunschbehandlung reift häufig mehr als eine befruchtete Eizelle heran. Werdende Eltern stehen dann vor der schweren Entscheidung, ob sie einen oder zwei Embryonen töten lassen, um die Risiken einer Mehrlingsschwangerschaft auszuschließen. Ich möchte diesen Aspekt hier nur am Rande ansprechen – er böte Raum für ein eigenständiges Buch. Unberücksichtigt bleiben im vorliegenden Buch auch diejenigen Fälle, bei denen ein Zwillingsgeschwister erst während der Geburt verstirbt. Ich konzentriere mich auf den natürlich bedingten vorgeburtlichen Verlust und seine Auswirkungen.

Was passiert mit dem Embryo oder Fötus, der in einem frühen Stadium der Schwangerschaft abstirbt? Elke Bodderas schreibt mit Bezug auf Peter Pharoah, dass der Fötus von der Plazenta absorbiert wird. Es kann auch vorkommen, dass bei der Geburt des verbliebenen Zwillings mumifizierte Körperteile des abgegangenen Fötus sichtbar werden. Bodderas berichtet, dass Ärzte und Hebammen dies häufig verschwiegen, um die frischgebackenen Eltern nicht zu verunsichern (Bodderas 2009). Ganz selten kommt es vor, dass ein überlebender Mehrling mit seinem abgestorbenen, teilentwickelten Zwillingsgeschwister im Bauch geboren wird. Mediziner sprechen dann vom »Foetus in foetu«. Auf der ganzen Welt sind weniger als 100 Fälle dieser Art bekannt (Basler Zeitung, 02.08.2017).

Auch vorgeburtliche Erfahrungen prägen sich ein

Der frühe fötale Geschwisterverlust hinterlässt beim geborenen Zwilling seine Spuren. Peter Pharoah hat das Schicksal von mehr als 200000 überlebenden Mehrlingen über längere Zeit verfolgt. Er kam zu dem Ergebnis, dass der vorgeburtliche Verlust eines Geschwisters das Risiko von Geburtsfehlern beim überlebenden Mehrling deutlich erhöht.

In diesem Buch sollen nicht die körperlichen, sondern die seelischen Beeinträchtigungen überlebender Mehrlinge im Vordergrund stehen. Bis vor wenigen Jahren wurde dem vorgeburtlichen Verlust und den Folgen für den im Mutterleib verbleibenden sich entwickelnden Menschen kaum Bedeutung beigemessen. Das hat sich geändert. Aus der Pränatal- und Hirnforschung ist heute bekannt, dass unser zelluläres Gedächtnis bereits kurz nach der Zeugung in der Lage ist, Informationen auf der Körperzellenebene abzuspeichern (Heller/LaPierre 2013, S. 183ff.; Hüther 2013, S. 36ff.). Mithin hat alles, was während der Schwangerschaft geschieht, einen Einfluss auf das werdende Leben. Innere und äußere Einflüsse wirken auf der Körperzellenebene und somit im Nervensystem des Ungeborenen. Diese sehr frühen Erfahrungen haben mit hoher Wahrscheinlichkeit Auswirkungen auf unseren späteren Lebensweg und unsere körperliche, geistige und seelische Gesundheit.

Der australische Mediziner sowie Kinder- und Jugendpsychologe Graham Farrant war in den 1970er Jahren ein Pionier im Wissen darum, dass es ein zelluläres Bewusstsein gibt. (Farrant selbst hatte übrigens einen versuchten Schwangerschaftsabbruch bei seiner Mutter überlebt.) Seine wissenschaftlichen Erkenntnisse führten zu einer bahnbrechenden Veränderung am Therapeutenhorizont. Farrant integrierte sein Wissen in seine therapeutische Tätigkeit. Fortan spielte bei der Behandlung seiner Klienten auch deren vorgeburtliches und geburtliches Erleben eine Rolle (Farrant 1986, S. 28ff.).

Man kann davon ausgehen, dass etwa 30 bis 40 Prozent der Schwangerschaften mit einer Mehrlingsanlage beginnen (Steinemann, 2012, S. 13ff.). Mithin dürfte es sehr viel mehr Menschen mit einem verlorenen Zwilling geben, als gemeinhin angenommen wird. Ein Gynäkologe bestätigt mir die steigende Zahl der Mehrlingsschwangerschaften. Dies, so sagt er, sei zum einen auf das zunehmende Alter der Schwangeren und zum anderen auf die steigende Anzahl der künstlichen Befruchtungen zurückzuführen. Er betont, dass Frauen bei einer Mehrlingsanlage oftmals das frühe Absterben einer Leibesfrucht gar nicht mitbekommen. Daraus lässt sich schließen, dass es viel mehr traumatische Verlusterlebnisse im Mutterleib geben muss als bekannt.

Professor Dr. Joachim Dudenhausen, ehemaliger Leiter der Klinik für Geburtsmedizin an der Charité Berlin, und Professor Dr. Rolf Maier, Direktor der Kinder- und Jugendklinik des Marburger Universitätsklinikums, veröffentlichten 2010 im Deutschen Ärzteblatt einen Artikel, in dem sie schreiben, dass es bei etwa ein bis fünf Prozent aller Schwangerschaften zum Tod eines Zwillings oder Mehrlings kommt. Wenn die werdenden Eltern das frühe Absterben der Leibesfrucht bewusst erleben, hinterlässt dies bei ihnen psychische und physische Spuren. Wichtig sei es, dem überlebenden Kind bzw. den überlebenden Kindern besondere Beachtung zu schenken. Dudenhausen und Maier nehmen darüber hinaus an, dass bei überlebenden Mehrlingen von einer Häufung von neurologischen Veränderungen ausgegangen werden muss(Dudenhausen/Maier 2010).

Eine Fachärztin für Allgemeine Innere und Integrative Medizin erklärte mir, dass bei einem traumatischen Erlebnis das schützende Amnionhäutchen des Fötus/Embryos in der Gebärmutter an Dichte verliert. So liegt die Vermutung nahe, dass das heranwachsende Leben im Mutterleib danach nicht mehr so gut gegen äußere Einflüsse geschützt ist. 

Überlebende Mehrlinge brauchen besondere Aufmerksamkeit