Der Wald weist Dir den Weg - Alexa Willems - E-Book

Der Wald weist Dir den Weg E-Book

Alexa Willems

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Beschreibung

Welch einen großen Schatz haben wir da vor unserer Haustür? Bereits Hippokrates, der bedeutendste Arzt der Antike, hat auf die umfassende Wirkung der Natur hingewiesen. Sowohl auf den Körper als auch auf unseren Geist haben Aufenthalte in der Natur einen ganz eigenen, ausgleichenden und heilenden Wirkmechanismus. Auch moderne Forschungen und diverse Studien belegen, dass Natur-Aufenthalte wie etwa im Wald Angst reduzieren und zu einer Verbesserung des Wohlbefindens beitragen können. Sie wirken sich positiv und stabilisierend auf Körper, Seele und Geist aus. Aufmerksamkeit und Wahrnehmung werden geschult.  Wer regelmäßig im Wald unterwegs ist, spürt innere Ruhe, fühlt sich erfrischt, das Immunsystem wird gestärkt und das Selbstwertgefühl gesteigert. Wenn wir auf neuen Wegen wandeln, so verwandelt dies auch uns, davon ist die existenzanalytische Logotherapeutin Alexa Willems überzeugt. Ganz persönlich hat sie erfahren, dass der Wald nicht nur ihr selbst, sondern auch vielen anderen Menschen, die sie als Therapeutin und Coach begleitet, gut tut. In ihrem Coaching-Ratgeber nimmt sie die Leserinnen und Leser mit auf eine innere Reise und folgt sieben wesentlichen Fragen, die zum Sinn im Leben führen. Anhand vieler Geschichten, praktischer Beispiele und Übungen erfahren wir, worauf es wirklich ankommt. Für Alexa Willems ist der christliche Glaube ein wichtiger Halt in ihrem Leben. In einer persönlichen Krise hat sie erfahren, wie ihr Gebet und Glaube helfen.

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Seitenzahl: 194

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Alexa Willems

Der Wald weist dir den Weg

7 Fragen, die dich zum Sinn in deinem Leben führen

Knaur eBooks

Über dieses Buch

Wir haben einen großen Schatz direkt vor unserer Haustür!

 

Draußen in der Natur zu sein, das wirkt sich stabilisierend auf Körper, Geist und Seele aus – davon war schon Hippokrates, der bedeutendste Arzt der Antike, überzeugt. Auch moderne Studien belegen: Wer regelmäßig in der Natur unterwegs ist, spürt innere Ruhe, fühlt sich erfrischt und gestärkt.

 

Ganz persönlich hat Alexa Willems durch eine tiefe Krise erfahren, dass die Natur – in ihrem Fall der Wald – nicht nur ihr selbst, sondern auch vielen anderen Menschen guttut, die sie heute als Logotherapeutin und Coachin begleitet. Sie nimmt Dich mit auf eine innere Reise und folgt dabei sieben wesentlichen Fragen, die zum Sinn im Leben führen. Anhand vieler Geschichten, praktischer Beispiele und Übungen erfährst Du, worauf es ankommt.

 

 

 

In diesem Buch erzähle ich viele Geschichten von Menschen, die ich im Laufe der Jahre begleiten durfte. Namen und Lebensumstände habe ich verändert, um Privatsphäre zu schützen. Die Geschichten stehen beispielhaft für viele andere.

Inhaltsübersicht

Einleitung

Wo stehst Du?

Ganz da

Der Standort macht’s

In Bewegung kommen

Was trägst Du?

Ein Rucksack zum Glück

Anschauen, was ist

Du musst aus einer Trauerweide keine Eiche machen

Auch aus Steinen, die einem in den Weg gelegt werden, lässt sich etwas Schönes bauen

Was gibt Dir Halt?

Wer wachsen will, braucht Wurzeln

Wie ein Baum in den Himmel streben

Halt im Glauben

Kraftorte

Mit Humor >geht< alles besser

Wann ruhst Du?

Ich leiste, also bin ich?

Erdung und Ruhe gehören zusammen

Lehrmeisterin der Stille

Rituale sind Felsen in der Brandung des Alltags

Mit Rhythmus lebt sich’s besser

Worauf schaust Du?

Den Blick weiten

Mit einem Ast auf Du und Du

Dankbarkeit macht glücklich

Wohin führt Dein Weg?

Unterwegs mit einem Ziel

Wegweiser zum Sinn

Dem Sinn entgegenleben

Was gibst Du?

Deine Lebensaufgabe

Aus Einzelteilen wird ein Ganzes

Du machst den Unterschied

Vom Warum zum Wozu

Am Ende des Weges: das Ganze sehen

Dank

Einleitung

© Gudrun Webel

 

»Ich arbeite so viel wie nie und weiß immer weniger, wofür!« Dieser Satz von Markus, den ich vor einiger Zeit begleiten durfte, ist mir in guter Erinnerung. Das Bedürfnis nach Sinn, das sich darin ausdrückt, ist riesig. Alte tragende Strukturen lösen sich auf, die gefühlte Sicherheit nimmt ab und die Geschwindigkeit und Menge all der Informationen, die täglich auf uns niederprasseln, haben sich vervielfacht, ohne dass ein Ende in Sicht wäre. Existenzielle Sorgen um unsere Zukunft und unsere Gesundheit belasten uns. Die Klimakrise bedroht unsere Lebensgrundlage, politische Verwerfungen auf der ganzen Welt und vor unserer Haustür stellen das Leben, wie wir es in den letzten Jahrzehnten selbstverständlich geführt haben, bedrohlich infrage.

Was trägt in diesen Zeiten? Was gibt uns Kraft, Hoffnung und Inspiration? Das fragen sich viele.

Die Natur ist ein Rückzugs- und Kraftort. Sie ermöglicht uns, wieder zu uns selbst zu kommen. Wenn wir in die Natur gehen, kommen wir Schritt für Schritt bei uns selber an. Wir haben einen großen Schatz direkt vor unserer Haustür!

Noch ist kaum bekannt, welch vielfältige negative Auswirkungen eine dauerhafte Naturentfremdung mit sich bringt. Zwar ist die Naturdefizitstörung keine medizinische Diagnose, doch beschreibt der Begriff treffend, wie sehr ein gutes Leben die Natur braucht. Denn Naturaufenthalte wirken sich positiv und stabilisierend auf Körper, Seele und Geist aus. Im Grünen zu sein, fördert unsere Gesundheit und schenkt not-wendende Auszeiten von den alltäglichen Belastungen. In der Natur können wir ausloten, was wirklich wichtig ist und wohin unsere Lebensreise gehen soll.

 

Dass ausgerechnet ich einmal ein Buch über die Sinnsuche in und mit der Natur schreibe, ist für mich so unglaublich wie die Tatsache, dass ich heute als Therapeutin für sinnzentrierte Psychologie mit Menschen in der Natur arbeite. Warum?

Bis ich mit 32 Jahren an einer Essstörung erkrankte, arbeitete ich im mittleren Management einer großen Bank. Ich hatte Karriere gemacht und lebte ein Leben auf der Überholspur – bis mein Körper mir die Rote Karte zeigte. In dieser existenziellen Krise haben mich drei Wieder- bzw. Neuentdeckungen aufgefangen: mein Glaube an Gott, die Natur und das Studium der Logotherapie und Existenzanalyse (mehr dazu erzähle ich im zweiten Kapitel).

Meinen Glauben, der mir als Jugendliche sehr wichtig war, hatte ich nie ganz vergessen. Aber Gott hatte in meinem schnellen Leben einfach keinen Platz mehr. Am tiefsten Punkt meines Lebens aber durfte ich die Erfahrung machen, dass Gott unverbrüchlich zu mir steht. Dass mir diese Erfahrung möglich war, habe ich der Natur und ihren sinnenhaften Zeichen zu verdanken.

 

Die Logotherapie und Existenzanalyse, begründet von Viktor E. Frankl, wird häufig die »dritte Wiener Schule der Psychotherapie« genannt (neben der Psychoanalyse von Sigmund Freud und der Individualpsychologie von Alfred Adler) und auch als sinnzentrierte Psychologie bezeichnet. Mit anderen Worten: Sie bestärkt Menschen darin, ihr Leben sinn- und wertvoll zu gestalten.

Ihr Konzept beruht auf der Erkenntnis, dass der Mensch zutiefst danach strebt, sein Leben in einem Sinnzusammenhang zu verstehen. Gelingt ihm dies nicht, fällt er leicht in eine »existenzielle Frustration«, die zum gefährlichen Nährboden werden kann für seelische Störungen aller Art wie z.B. Neurosen, Depressionen, Kriminalität oder Suchtkrankheiten.

Man könnte Viktor Frankl auch den Vater der Resilienzforschung nennen. Denn mit seiner Logotherapie beweist er, wie trotz widriger Umstände das Leben gemeistert werden kann, und zeigt, aus welchen Quellen wir Kraft schöpfen können. Er bestätigte den unmittelbaren Zusammenhang zwischen der Resilienzfähigkeit eines Menschen und der Sinnerfüllung, die er erlebt.

Viktor Frankl entwickelte die Logotherapie und Existenzanalyse auch auf Basis einer persönlichen Krisenerfahrung. Wegen seiner jüdischen Herkunft war er während des Zweiten Weltkriegs in vier verschiedenen Konzentrationslagern inhaftiert. Er verlor dort seine Frau, seine Eltern und seinen Bruder.

Und dennoch verlor Viktor Frankl nicht seinen Lebensmut. Die selbst gewählte Aufgabe, anderen Mut zuzusprechen, trug maßgeblich dazu bei, dass er die Zeit im Lager ertragen und überleben konnte. Seine Eindrücke und Erfahrungen verarbeitete er in seinem Buch … trotzdem Ja zum Leben sagen. Ein Psychologe erlebt das Konzentrationslager.

»Es gibt nichts auf der Welt was einen Menschen so sehr befähigte, äußere Schwierigkeiten oder innere Beschwerden zu überwinden, als: das Bewusstsein eine Aufgabe im Leben zu haben.«1 So kündigte Viktor Frankl im Konzentrationslager seine Vorträge den Mitgefangenen an. Er referierte unter diesen besonderen Bedingungen über seelische Gesundheit und Widerstandsfähigkeit. Seine Vorträge gaben den Mitinsassen Hoffnung.

Die von ihm entwickelte Logotherapie misst dem Bewusstsein für eine Aufgabe im Leben eine besondere Bedeutung zu. Im Wort Aufgabe steckt Gabe. Aus der uns gegebenen Gabe erwächst eine Aufgabe, die es zu erfüllen gilt. Und ja, auch wir haben die Chance, unsere kleinen und größeren Krisen zu überwinden und daraus sogar Kraft zu schöpfen.

 

Ich bin keine Schamanin, keine Druidin, keine Esoterikerin – ich bin als ehemalige Bankerin eine Frau, die mit beiden Beinen im Leben steht. Weder trommle ich noch zünde ich Räucherstäbchen an (beides ist sicherlich gut, aber es gehört nicht zu meinem Weg). Aber ich kann vollkommen auf die positive Wirkung der Natur vertrauen. Dank meiner Kenntnisse bringe ich Menschen zurück in die direkte Verbindung mit der Natur und vor allem mit sich selbst. Ich bin eine Art Fährtenleserin, die verschiedene Wege vorschlägt, um Menschen in einer herausfordernden Lebenssituation zu helfen, positive Naturerfahrungen zu machen, an manchen Stellen tiefer zu sehen. Ich bin eine wohlmeinende Begleiterin, die Fragen stellt und Impulse gibt, die Antworten auslösen können. Antworten, die sich dann meist wie von selbst entwickeln, weil sich Menschen auf den Weg machen – aus dem tiefen Erleben und im Einklang mit der Natur.

In meinem Rucksack habe ich das »Handwerkszeug« aus meinem Studium der Logotherapie und Existenzanalyse dabei. Damit wandert die Sinnorientierung immer mit. Natur und Logotherapie sind eine wahrlich sinnvolle Kombination, denn beide – Natur und Sinnfragen – haben Aufforderungscharakter. Sie fordern uns auf, unser Leben sinnvoll zu gestalten.

Ich berate und begleite Menschen nur noch in Ausnahmefällen in meinem Coachingraum. Stattdessen habe ich die Natur als meine Co-Therapeutin entdeckt. Seit meine Klient*innen zu Mitwander*innen geworden sind, hat sich viel verändert, denn vieles geht einfacher in Wanderschuhen.

Wenn wir miteinander unterwegs sind, dann geht keine*r voraus. Zusammen erwarten wir, was da kommen mag. Die Mitwander*innen gehen, erkennen und deuten selbst. Diese Handlungsfähigkeit trägt viel Gesundes in sich. In der Psychotherapie gibt es allzu oft eine einseitige Problemorientierung, die eher kontraproduktiv ist. Wenn Rat suchende Menschen selbst erkennen können, handlungsfähig bleiben und das Leben wieder unter dem Aspekt des Gelingens erleben, werden die seelische und körperliche Kraft mobilisiert. Weg von der Ohnmacht hin zu dem Weg, den ich selbst zu wählen habe und den ich gestalten kann.

 

Auch Dich lade ich ein, mit mir auf Entdeckungsreise zu gehen. Mit diesem Buch möchte ich Dich als Logotherapeutin und Naturcoach bei Deiner Sinnsuche und Persönlichkeitsentfaltung in und mit der Natur begleiten. Es führt Dich zu wichtigsten Themen Deines Lebens.

Die Natur ist, wie kaum ein anderer Ort, voller Sinnbilder. Wenn wir draußen unterwegs sind, kommen wir fast automatisch wieder mit unserer Ursprünglichkeit in Kontakt. Die äußere Natur spiegelt verblüffend oft unsere innere Natur wider. Dies zu erkennen und sich darauf einzulassen, führt zu mehr Klarheit und bereichert das Leben. Mit diesem Buch kannst Du lernen, diese Zeichen zu erkennen und für Dich zu übersetzen.

 

Jedes Kapitel ist mit einer Frage überschrieben. Sie ist das Kernthema der dann folgenden Seiten. Neben Impulsen aus der Logotherapie und Erfahrungen aus meiner praktischen Arbeit findest Du in jedem Kapitel erprobte Übungen, die Dir helfen, das Thema ganz konkret für Dich persönlich zu beleuchten.

Du kannst mit dem Buch direkt loswandern, die einzelnen Kapitel in der Natur vor Deiner Haustür lesen und Dich dort auf die Übungen einlassen. Oder Du liest das Buch gemütlich auf dem Sofa oder in der Straßenbahn, lässt Dich inspirieren und brichst dann möglicherweise irgendwann später in die Natur auf. Beides ist möglich!

Ich empfehle Dir allerdings, bei der Reihenfolge der Kapitel zu bleiben, da die Geschichten und die Übungen aufeinander aufbauen. Zudem ist es gut, während der Lektüre oder unterwegs Wesentliches aufzuschreiben, zu sammeln und festzuhalten: Gedanken, Bilder oder Naturmaterialien, die für Dich eine besondere Bedeutung bekommen haben. Der Alltag wirkt allzu oft wie ein Radiergummi, deshalb brauchen wir Erinnerungshilfen. Und auch Belastendes verliert an Macht, wenn wir es niedergeschrieben haben. Gehen wir in die Natur, kommen wir auf andere Gedanken. Sie sind es wert, festgehalten zu werden.

So wird das Gedächtnis gestärkt, die Problem- und Lösungskompetenz erhöht sich und Klarheit stellt sich ein.

 

© stock.adobe.com/Nitr

 

Dieses Buch kann Dir ein steter Begleiter und Wegweiser sein. Wenn es eines Tages in Deinem Rucksack mit vielen Notizen und dem ein oder anderen Eselsohr zu finden ist, hat es seinen Dienst erfüllt und ist vom reinen Lesebuch zum wertvollen, persönlichen Begleiter geworden.

 

Bis bald – im Wald

Deine Alexa

Wo stehst Du?

© Gudrun Webel

Ganz da

Du kennst sicher die Hinweistafeln, die oft auf Wanderparkplätzen zu finden sind. Ein Punkt oder Pfeil kennzeichnet darauf den Standpunkt derer, die sich gleich auf den Weg machen werden. Diese Verortung ist unverzichtbar. Denn was nützt uns die beste Karte, wenn wir nicht wissen, wo wir stehen? Genau darum soll es in diesem ersten Kapitel gehen: Ich lade Dich ein, wahrzunehmen, wo Du stehst, und bei Dir selbst anzukommen.

Mit Lissi hatte ich mich bei unserem ersten Treffen auf einem Wanderparkplatz verabredet. Bis dahin kannten wir uns nur vom Telefon, wo wir uns kurz unterhalten und über Lissis Beweggrund gesprochen hatten, zu mir in die Beratung zu kommen. Ich hatte schon einige Minuten am vereinbarten Treffpunkt gewartet, als Lissi mit einem roten Flitzer deutlich zu schnell auf den Parkplatz gefahren kam. Sie sprang aus dem Auto, griff nach ihrem Rucksack und eilte mit großen Schritten auf mich zu.

Nun stand sie in Wanderkleidung vor mir, bestens ausgerüstet und voller Tatendrang. Nachdem wir uns kurz begrüßt hatten, meinte sie, sie wolle direkt loslegen, um keine Zeit zu verlieren. Welchen Weg wir denn gehen würden, fragte sie mich auffordernd, schloss währenddessen noch schnell ihr Auto ab und verstaute den Schlüssel kniend in der Seitentasche ihres Rucksacks. Als sie sich wieder aufrichtete, trafen sich unsere Blicke. Ruhig und ohne auch nur im Geringsten an Aufbruch zu denken, schaute ich sie an und sagte: »Eine Wanderung beginnt schon vor dem ersten Schritt. Sie beginnt mit dem Ankommen.« Lissi schaute mich verdutzt an – verstand aber sofort: Sie war zwar anwesend, aber nicht richtig da. Sie atmete hörbar aus und es schien, als würde sie damit viel von dem, was sie ursprünglich antrieb, zurücklassen. Dann beförderte sie ihr Smartphone in den Flugmodus und verstaute es in ihrem Rucksack. Jetzt war sie offensichtlich bereit, sich auf den Moment, auf das Hier und Jetzt einzulassen.

 

Um zu wissen, wo wir stehen, müssen wir erst einmal tatsächlich da ankommen, wo wir gerade sind. Es braucht Zeit, bis die Seele nachkommt. Doch wie oft sind wir gedanklich schon bei der nächsten Aktivität oder der nächsten Aufgabe unserer endlosen To-do-Liste? Wir wollen möglichst effizient und produktiv sein, denn »Zeit ist Geld«.

Nie waren wir vernetzter als heute und nie war es einfacher, sich von sich selbst zu entfremden. Wir sind dauernd »on«, erreichbar für jeden – nur für uns selbst nicht. Wir werden überschwemmt von einem nie abreißenden Strom aus Informationen, die unsere Sinne überfluten und uns rastlos zurücklassen, überarbeitet und unbefriedigt, zwar eingeloggt, aber ausgebrannt. Die Digitalisierung mit ihren zahllosen Ablenkungen hat in jeden Winkel unseres Lebens Einzug gehalten.

Um dem digitalen Strom zu entkommen und sich vom Alltagsgeschehen zu lösen, ist ein Tapetenwechsel hilfreich. Wenn wir die Lebensbereiche Arbeit und Freizeit bewusst trennen und unsere Verpflichtungen zurücklassen, entsteht der nötige Freiraum, um bei uns anzukommen. Durch den Abstand zu den sonstigen Pflichten stellt sich zudem Erholung leichter ein.

Die tatsächliche Distanz zwischen zwei Orten spielt dabei keine Rolle. Es geht nur um das Gefühl, entfernt vom Alltag zu sein. Die Natur hilft uns dabei. Sie vermag es, uns automatisch in einen anderen Modus zu bringen, der uns in die Entspannung führt. Jedoch nur dann, wenn wir den Off-Knopf unseres Handys finden.

Es ist hilfreich, den Übergang zu Deiner (R)auszeit bewusst zu gestalten. Ein bewusster Moment des Innehaltens signalisiert Dir: Jetzt bin ich wirklich da. Jetzt ist meine Zeit.

Zu diesem entscheidenden Moment lud ich auch Lissi ein, nachdem sie nicht nur körperlich, sondern auch mit ihrer Aufmerksamkeit am Treffpunkt angekommen war. Wir fanden einen auf dem Waldboden liegenden Ast, der uns als sichtbares Zeichen des Übergangs in die Natur diente. Nach ein paar tiefen Atemzügen stiegen wir über diesen Ast wie über eine Schwelle und traten so bewusst in den Wald ein, der uns mit seinen beruhigenden Grüntönen empfing.

 

 

 

Übung: Was Dein Herz ausspült

 

Halte Ausschau nach einem sichtbaren Zeichen des Übergangs. Zum Beispiel nach der Stelle, an der der Schotterweg in Waldboden übergeht. Gehe bewusst über diese Schwelle und lege die Wegstrecke schweigend zurück. Finde beim Laufen einen guten Rhythmus. Was passt zu Deiner derzeitigen Gemütslage und Verfassung? So, wie wir gehen, geht es uns.

Widme Deine volle Aufmerksamkeit der Natur: Wie fühlt sich der Untergrund an? Was siehst Du? Welche Farben dominieren? Was riechst Du? Welche Naturgeräusche kannst Du wahrnehmen? Diese Art, beim Gehen nur die eigenen Empfindungen und die Natur wahrzunehmen, wird auch Mönchsgang genannt. In Klöstern wird er praktiziert, um zur Ruhe zu kommen. Suche Dir dann einen Ort, an dem Du einige Zeit verweilen kannst. Finde einen festen Stand auf beiden Füßen und schließe Deine Augen. Lenke Deine Aufmerksamkeit auf Deine Füße. Wo sind die Berührungspunkte zum Boden? Fühlst Du trotz Schuhwerk den Untergrund, auf dem Du stehst?

Achte auf Deinen Atem. Mit jedem Einatmen nimmst Du Sauerstoff und Energie auf, mit jedem Ausatmen gibst Du Verbrauchtes und Hinderliches ab.

Erlaube Deinem Kopf, zur Ruhe zu kommen.

Nimm Dein Herz als Sitz Deiner Zuversicht und Intuition wahr. Vertraue, dass Deine Gedanken in die richtige Richtung gelenkt werden. Beobachte, welche Antwort auf die folgende Frage Dir als Erstes in den Sinn kommt: Was ist meine Sehnsucht?

Gönne Dir Zeit, damit Deine Gedanken sich formen können.

Komme langsam mit einigen ruhigen Atemzügen zurück, öffne die Augen. Notiere alle Gedanken, die Dir kamen, in Dein Notizbuch.

Je bewusster ich den Übergang zelebriere und mich auf diese Schwelle einlasse, desto bedeutsamer sind die anschließenden Erfahrungen.

 

 

Ubuntu, oder: Ankommen für Fortgeschrittene

Kennst Du die afrikanische Lebensphilosophie Ubuntu? Sie wird auch als »Lebensphilosophie vom Wir« bezeichnet. Das Ubuntu-Prinzip besagt, dass wir Teil eines Ganzen sind und unser Wohlergehen immer untrennbar mit den anderen verbunden ist. Wörtlich übersetzt heißt »Ubuntu«: »Ich bin, weil wir sind.« Desmond Tutu, der für seinen Einsatz für die Menschenrechte mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde, hat festgehalten, dass ein Mensch, der im Sinne von Ubuntu lebt, grundsätzlich offen für die Person und die Meinung anderer ist. Dass er sich in seinem eigenen Handeln von ihnen bestätigt und nicht bedroht fühlt, auch weil er um deren Fähigkeiten weiß und auf ihre Güte setzt.

Ich bin durch ein sehr überraschendes Erlebnis zu Ubuntu gekommen. Vor einigen Jahren lernte ich Lisha kennen, die ursprünglich aus Afrika kommt und schon einige Zeit in Deutschland lebt. Zu Beginn unserer gemeinsamen Wanderung sagte sie: »Alexa, ich muss vorher noch kurz Danke sagen.« Als ich sie erstaunt anschaute, fragte sie: »Darf ich dich dazu einladen?« Lisha erklärte, sie wolle Danke sagen, dass ich für sie da bin und dass die Natur uns den Raum schenkt. Außerdem bitte sie um Führung.

Lisha legte ihren Zeigefinger auf ihre Lippen, um mir zu signalisieren, leise zu sein. Dann hielt sie langsam nach allen Seiten Ausschau. Anschließend sammelte sie geradezu meditativ von jeder Seite langsam verschiedene Naturutensilien ein. Jedes Fundstück hielt sie in beiden Händen, betrachtete es kurz und nickte mit dem Kopf. Mir fiel auf, wie nah sie sich dabei der Erde zuwandte und mit ihr in Kontakt trat. Mit all den Dingen, die sie eingesammelt hatte, schmückte sie nun die Stelle, die wir als unseren Übergangsort in die Natur ausgewählt hatten.

Wir stellten uns einander gegenüber an die Linie, die nun festlich geschmückt wirkte. Sie faltete ihre Hände und verneigte sich vor mir und sagte: »Ubuntu.« Ich tat es ihr gleich. Es hatte etwas Königliches, ein sehr besonderes Gefühl von Gesehenwerden und Ansehen-Schenken. Es tat gut, sich dafür Zeit zu lassen.

Anschließend leitete sie mich an, mich auch vor der Natur zu verneigen. Wir taten es gemeinsam in alle vier Himmelsrichtungen. Dann begann Lisha, in einer mir fremden Sprache zu singen. Mir stiegen Tränen in die Augen. Obwohl ich nichts verstand, berührte mich diese Zeremonie in meinem tiefsten Inneren. Während mir die Tränen über die Wangen kullerten, traten wir Hand in Hand über die Schwelle. Wir blickten noch kurz zurück und begannen dann unsere gemeinsame Wanderung.

Mich hat diese Ubuntu-Erfahrung tief beeindruckt. Auch wenn ich nicht so wundervoll singen kann, ist es für mich ein heilsames Ritual bei jeder Wanderung geworden.

Das Gefühl, ganz da zu sein, sich ganz dem Augenblick hinzugeben, diesen zu würdigen und zu zelebrieren, ist das Besondere an dieser Erfahrung. Ubuntu lehrt mich den achtsamen Umgang mit mir selbst, mit meinem Gegenüber und mit allem, was uns umgibt.

 

Du kannst nicht zwei Gedanken gleichzeitig denken

Insbesondere dann, wenn wir auf ein bestimmtes Thema fokussiert oder im Tunnel unserer Herausforderungen und Nöte gefangen sind, ist unsere Wahrnehmung eingeschränkt. Wir sehen sprichwörtlich vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr. Ein Naturaufenthalt führt weg von dieser einseitigen Sichtweise. Der Wind pustet Frische in unsere eingeschränkte Gedankenwelt. Möglichkeiten tauchen auf. Fernab vom Gewohnten können wir uns leichter auf Neues einlassen.

 

Wie fühlt sich der Wind an? Spürst Du die Sonne, die Dein Gesicht wärmt? Welche Gerüche verströmt der Waldboden und wie schmecken die Brombeeren am Wegesrand? Wenn wir uns mit allen Sinnen auf die Natur konzentrieren, führt sie uns direkt ins Jetzt.

Das ist der Hintergrund jeder Achtsamkeitsübung: Du kannst keine zwei Gedanken gleichzeitig denken. Wenn Du also Deine volle Konzentration auf Naturwahrnehmungen lenkst, nehmen sie den Platz ein, an dem die ewige, vielleicht auch negative Gedankenschleife sich breitgemacht hatte.

Wir steigen für einen Moment aus. Vergessen unsere To-do-Listen aus Sorgen und Anforderungen des Alltags. Wenn die äußere Ruhe auch zur inneren Ruhe wird, sinkt das Stresshormon Cortisol. Eine Wohltat für unseren Körper und unsere Seele.

Viele Meditationsformen sollen die Meditierenden dahin führen, innerlich »leer« zu werden. Mantras oder Silben, die fortwährend wiederholt werden, sollen bewirken, dass es einen Moment des Nichts, der gedanklichen Leere gibt.

Bei Naturmeditationen geht es jedoch um das Gegenteil. Sie sind Gedankenspaziergänge, um »voll« zu werden. Voll von den lebensbejahenden und stärkenden Eindrücken der Natur, die uns umgibt. Von den Gesetzmäßigkeiten, die sich in der Natur schnell finden lassen.

Wir sehen und spüren, dass die Natur sich im stetigen Wandel befindet und dennoch einen verlässlichen, tragenden Boden bietet. Wenn wir Geduld haben, nehmen wir den ewigen Kreislauf des Werdens, Wachsens und Vergehens wahr. Alles ist geprägt von einem natürlichen Rhythmus und alles ist voneinander abhängig.

 

Was passiert im Gehirn, wenn wir uns bewusst in der Natur aufhalten? In der Natur zu sein, unterstützt uns dabei, neben der reinen Betawellenfrequenz, die für das logische Denken zuständig ist, auch die Alphawellen zu aktivieren. Diese Gehirnaktivität fördert den Zugang zu Visionen, Tagträumen und hilfreichen Bildern. Denn diese Bilder benötigen einen entspannten Geisteszustand, um sich herausbilden zu können. An dieser Stelle noch ein Hinweis: Wir dürfen den ersten Impulsen und Bildern, die uns in den Sinn kommen, durchaus Vertrauen schenken und sollten sie nicht mit unserer Stimme der Vernunft überstimmen.

Wenn wir uns zu einer Naturmeditation zurückziehen, öffnet uns das für unser in uns wohnendes kreatives Potenzial. Am besten gelingt das an einem ungestörten Ort inmitten der Natur. Vielleicht im Schatten eines großen Baumes abseits der viel begangenen Wege oder auf einer einsamen Waldlichtung. Mit ein wenig Übung kannst Du aber auch bei Dir zu Hause eine Naturmeditation machen. Ein Bild betrachten, oder einen Gegenstand, der Dich an etwas erinnert – ein Blatt, einen Blütenzweig, eine Schale mit weichem Moos –, der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Letztlich ist es vor allem eine Frage, ob es Dir gelingt, Deine Gedanken zu fokussieren. Auf Seite 191 findest Du einen Link, der Dich zu einer Naturmeditation führt, die Dir zu einer Auszeit verhilft.

 

 

Das Geheimnis der Zufriedenheit

 

Es kamen einmal ein paar Suchende zu einem alten Mönch.

»Meister«, fragte einer von ihnen, »was tust du, um glücklich und zufrieden zu sein? Ich wäre auch gerne so glücklich wie du.«

Der Alte antwortete mit mildem Lächeln: »Wenn ich liege, dann liege ich. Wenn ich aufstehe, dann stehe ich auf. Wenn ich gehe, dann gehe ich, und wenn ich esse, dann esse ich.«

Die Fragenden schauten etwas betreten in die Runde. Einer platzte heraus: »Bitte, treibe keinen Spott mit uns. Was du sagst, tun wir auch. Wir schlafen, essen und gehen. Aber wir sind nicht glücklich. Was ist also dein Geheimnis?«

Es kam die gleiche Antwort: »Wenn ich liege, dann liege ich. Wenn ich aufstehe, dann stehe ich auf. Wenn ich gehe, dann gehe ich, und wenn ich esse, dann esse ich.«