Der Weg in die Marktwirtschaft - Eva Schäffler - E-Book

Der Weg in die Marktwirtschaft E-Book

Eva Schäffler

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Beschreibung

Die Privatisierung in Tschechien

Der Privatisierungsprozess, den die Tschechische Republik in den 1990er-Jahren durchlief, ist auch als »tschechischer Weg« bekannt. Eva Schäffler schildert diesen Weg jedoch jenseits bestehender Sonderwegs- und (Miss-)Erfolgsnarrative. Bereits vor der Samtenen Revolution gab es staatliche Wirtschaftsreformen sowie Reformszenarien. Die Autorin widmet sich zudem ungeplanten Entwicklungen und Konflikten, die sich bei der Restitution, der Privatisierung kleiner und der Privatisierung großer Betriebe ergaben. Mit den deutsch-tschechischen Joint Ventures Volkswagen und Škoda sowie Continental und Barum wird die internationale Dimension der tschechischen Privatisierung beleuchtet.

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Eva Schäffler

Der Weg in die Marktwirtschaft

Studien zur Geschichte der Treuhandanstalt

Herausgegeben von Dierk Hoffmann, Hermann Wentker und Andreas Wirsching im Auftrag des Instituts für Zeitgeschichte München – Berlin

Eva Schäffler

Der Weg in die Marktwirtschaft

Tschechien und die Privatisierung in den 1990er-Jahren

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.

Aufbau Digital,

veröffentlicht in der Aufbau Verlage GmbH & Co. KG

© Aufbau Verlage GmbH & Co. KG, Berlin 2023

Die Originalausgabe erschien 2023 im Ch. Links Verlag, einer Marke der Aufbau Verlage GmbH & Co. KG

www.christoph-links-verlag.de

Lektorat: Dr. Daniel Bussenius, Berlin

Umschlaggestaltung: zero-media.net, München; Foto: Der tschechoslowakische Präsident Václav Havel nimmt im Dezember 1991 ein Kuponheft entgegen, © ČTK

ISBN 978-3-96289-191-6

eISBN 978-3-8412-3195-6

Inhalt

Vorwort der Herausgeber

Einleitung

Forschungsstand

Fragestellung

Quellen

I. Politische und wirtschaftliche Rahmenbedingungen der Privatisierung im Überblick

1. Politische Rahmenbedingungen

Die Auflösung der Tschechischen und Slowakischen Föderativen Republik

Wahlen und Parteienlandschaft

2. Wirtschaftliche Rahmenbedingungen

II. Die Vorgeschichte der Privatisierung

1. Wirtschaftsreformen in den 1980er-Jahren

Die přestavba im Überblick

Neue Gesetze als wichtiges Element der přestavba

Die Rolle der Prognostik(er)

2. Auf dem Weg zu einem Drehbuch der ökonomischen Reform

Von Prognostikern zu Politikern

Von zwei Reformkonzepten zu einem Drehbuch

III.Die Privatisierung

1. Die Restitution

Eine Restitution vor der Restitution: Ein bemerkenswertes Fallbeispiel aus der tschechischen Provinz

Restitution: Politische Erwägungen, rechtliche Regelung und Umsetzung

Implikationen der Restitution für die tschechisch-deutschen Beziehungen (1989/90 bis zum Abschluss der Deutsch-Tschechischen Erklärung im Jahr 1997)

2. Die kleine Privatisierung

Die kleine Privatisierung im Überblick

Die Versteigerungen vor Ort: Ablauf und Probleme

3. Die große Privatisierung/die Kuponprivatisierung

Ursprung, Grundregeln und Grundelemente der großen Privatisierung/der Kuponprivatisierung

Probleme und Konflikte bei der Kuponprivatisierung

4. Nach der Privatisierung: Wirtschaftliche Entwicklung bis zum Ende der 1990er-Jahre und Bewertung der Privatisierung in der Rückschau

IV. Ausländische Direktinvestitionen und internationale Gemeinschaftsunternehmen im Privatisierungsprozess

1. Ausländische Direktinvestitionen im Privatisierungsprozess

2. Internationale Gemeinschaftsunternehmen im Privatisierungsprozess

Fallstudie: Barum und Continental

Fallstudie: Škoda und Volkswagen

Vergleich der beiden Fallstudien

Resümee

Anhang

Abkürzungen

Quellen und Literatur

Archivalische Quellen (Archive und Bestände)

Gedruckte und digitale Quellen (ohne Zeitungen/Publikumszeitschriften)

Zeitungen/Publikumszeitschriften

Literatur

Personenregister

Dank

Die Autorin

Vorwort der Herausgeber

Noch in der Spätphase der DDR gegründet, entwickelte sich die Treuhandanstalt zur zentralen Behörde der ökonomischen Transformation in Ostdeutschland. Ihre ursprüngliche Aufgabe war die rasche Privatisierung der ostdeutschen volkseigenen Betriebe (VEB). Sehr bald aber wies ihr die Politik zahlreiche weitere Aufgaben zu. Sukzessive sah sich die Treuhandanstalt mit der Lösung der Altschuldenproblematik, der Sanierung der ökologischen Altlasten, der Mitwirkung an der Arbeitsmarktpolitik und schließlich ganz allgemein mit der Durchführung eines Strukturwandels konfrontiert. In ihrer Tätigkeit allein ein behördliches Versagen zu erkennen wäre daher ahistorisch und einseitig, auch wenn die Bilanz der Treuhandanstalt niederschmetternd zu sein scheint. Denn von den etwa vier Millionen Industriearbeitsplätzen blieb nur ein Drittel übrig. Das öffentliche Urteil ist daher ganz überwiegend negativ. Die Kritik setzte schon ein, als die Behörde mit der Privatisierung der ersten VEBs der DDR begann. Bis heute verbinden sich mit der Treuhandanstalt enttäuschte Hoffnungen, überzogene Erwartungen, aber auch Selbsttäuschungen und Mythen. Außerdem ist sie eine Projektionsfläche für politische Interessen und Konflikte, wie die Landtagswahlkämpfe 2019 in Ostdeutschland deutlich gemacht haben. Umso dringender ist es erforderlich, die Tätigkeit der Treuhandanstalt und mit ihr die gesamte (ost-)deutsche Transformationsgeschichte der frühen 1990er-Jahre wissenschaftlich zu betrachten. Dies ist das Ziel der Studien zur Geschichte der Treuhandanstalt, deren Bände die Umbrüche der 1990er-Jahre erstmals auf breiter archivalischer Quellengrundlage beleuchten und analysieren.

Die Privatisierung der ostdeutschen Betriebe brachte für viele Menschen nicht nur Erwerbslosigkeit, sondern auch den Verlust einer sicher geglaubten, betriebszentrierten Arbeits- und Lebenswelt. Insofern ist die Erfahrungsperspektive der Betroffenen weiterhin ernst zu nehmen und in die wissenschaftliche Untersuchung ebenso zu integrieren wie in die gesellschaftspolitischen Konzepte. Der mit der Transformation einhergehende Strukturwandel hatte Folgen für Mentalitäten und politische Einstellungen, die bis in die Gegenwart hineinreichen. Dabei wurden die individuellen und gemeinschaftlichen Erfahrungen und Erinnerungen stets von medial geführten Debatten über die Transformationszeit sowie von politischen Interpretationsversuchen geprägt und überlagert. Diese teilweise miteinander verwobenen Ebenen gilt es bei der wissenschaftlichen Analyse zu berücksichtigen und analytisch zu trennen. Der erfahrungsgeschichtliche Zugang allein kann die Entstehung und Arbeitsweise der Treuhandanstalt sowie die Privatisierung der ostdeutschen Wirtschaft nicht hinreichend erklären. Vielmehr kommt es darauf an, die unterschiedlichen Perspektiven miteinander in Relation zu setzen und analytisch zu verknüpfen, um so ein differenziertes und vielschichtiges Bild der Umbrüche der 1990er-Jahre zu erhalten.

Diese große Aufgabe stellt sich der Zeitgeschichte erst seit Kurzem, denn mit dem Ablauf der 30-Jahre-Sperrfrist, die für staatliches Archivgut in Deutschland grundsätzlich gilt, ergibt sich für die Forschung eine ganz neue Arbeitsgrundlage. Das öffentliche Interesse konzentriert sich auf die sogenannten Treuhandakten, die im Bundesarchiv Berlin allgemein zugänglich sind (Bestand B 412). Sie werden mittlerweile auch von Publizistinnen und Publizisten sowie Journalistinnen und Journalisten intensiv genutzt. An dieser Stelle sei aber daran erinnert, dass schon sehr viel früher Akten anderer Provenienz allgemein und öffentlich zugänglich waren – die schriftliche Überlieferung der ostdeutschen Landesregierungen oder der Gewerkschaften, um nur einige Akteure zu nennen. Darüber hinaus können seit einiger Zeit auch die Akten der Bundesregierung und der westdeutschen Landesverwaltungen eingesehen werden. Die Liste ließe sich fortsetzen.

Bei aller Euphorie über die quantitativ wie qualitativ immer breiter werdende Quellengrundlage (allein zwölf laufende Aktenkilometer Treuhandüberlieferung im Bundesarchiv Berlin) sollte allerdings nicht aus dem Blick geraten, dass Historikerinnen und Historiker die Archivalien einer Quellenkritik unterziehen müssen. Dies gehört grundsätzlich zu ihrem Arbeitsauftrag. Da die Erwartungen der Öffentlichkeit an die Aussagekraft vor allem der Treuhandakten hoch sind, sei dieser Einwand an dieser Stelle ausdrücklich gemacht. So gilt es, einzelne Privatisierungsentscheidungen der Treuhandspitze zu kontextualisieren und mit anderen Überlieferungen abzugleichen. Zur Illustration der Problematik mag ein Beispiel dienen: Treuhandakten der sogenannten Vertrauensbevollmächtigten und der Stabsstelle Recht enthalten Vorwürfe über »SED-Seilschaften« und »Korruption«, die sich auch in der Retrospektive nicht mehr vollständig klären lassen. Die in Teilen der Öffentlichkeit verbreitete Annahme, die Wahrheit komme nun endlich ans Licht, führt daher in die Irre und würde ansonsten nur weitere Enttäuschungen produzieren. Es gibt eben nicht die historische Wahrheit. Stattdessen ist es notwendig, Strukturzusammenhänge zu analysieren, unterschiedliche Perspektiven einzunehmen, Widersprüche zu benennen und auch auszuhalten. Dazu kann die Zeitgeschichtsforschung einen wichtigen Beitrag leisten, indem sie mit quellengesättigten und methodisch innovativen Studien den historischen Ort der Treuhandanstalt in der Geschichte des vereinigten Deutschlands bestimmt, gängige Geschichtsbilder hinterfragt und Legenden dekonstruiert.

Im Rahmen seines Forschungsschwerpunktes »Transformationen in der neuesten Zeitgeschichte« zu den rasanten Wandlungsprozessen und soziokulturellen Brüchen der Industriegesellschaften seit den 1970er-Jahren hat das Institut für Zeitgeschichte München – Berlin (IfZ) im Frühjahr 2013 damit begonnen, ein großes, mehrteiliges Projekt zur Geschichte der Treuhandanstalt inhaltlich zu konzipieren und vorzubereiten. Auf der Grundlage der neu zugänglichen Quellen, die erstmals systematisch ausgewertet werden konnten, ging das Projektteam insbesondere folgenden Leitfragen nach: Welche politischen Ziele sollten mit der Treuhandanstalt erreicht werden? Welche Konzepte wurden in einzelnen Branchen und Regionen verfolgt, und was waren die Ergebnisse? Welche gesellschaftlichen Auswirkungen haben sich ergeben? Wie ist die Treuhandanstalt in internationaler Hinsicht zu sehen?

Bei der Projektvorbereitung und -durchführung waren Prof. Dr. Richard Schröder und Prof. Dr. Karl-Heinz Paqué unterstützend tätig, denen unser ausdrücklicher Dank gilt. Über Eigenmittel hinaus ist das IfZ-Projekt, das ein international besetzter wissenschaftlicher Beirat kritisch begleitet hat, vom Bundesministerium der Finanzen von 2017 bis 2021 großzügig gefördert worden. Auch dafür möchten wir unseren Dank aussprechen. In enger Verbindung hierzu standen zwei von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderte Einzelprojekte von Andreas Malycha und Florian Peters.

Dierk Hoffmann, Hermann Wentker, Andreas Wirsching

Einleitung

Forschungsstand

Die Privatisierung in der Tschechoslowakei und später in der Tschechischen Republik1 ist ein gesellschaftlich wie wissenschaftlich stark beachtetes Thema, über das viel geschrieben, diskutiert und gestritten wurde und wird. Gleichzeitig ist die Privatisierung noch ein zeitgenössischer und damit auch sehr junger zeitgeschichtlicher Gegenstand.2 Weder ist sie aus heutiger Sicht in all ihrer Tiefe und Breite erforscht, noch wird das in einigen Jahren der Fall sein. Nichtsdestotrotz kann eine geschichtswissenschaftliche Studie, die die Privatisierung in der Tschechischen Republik näher untersucht, auf eine Fülle von Forschungsliteratur zurückgreifen. Die Mehrzahl der relevanten Publikationen ist dabei sozialwissenschaftlichen Ursprungs – an erster Stelle stehen hier die Wirtschafts- und Politikwissenschaften –, erst in letzter Zeit haben sich auch vermehrt Historikerinnen und Historiker3 zu diesem Thema zu Wort gemeldet.

Viele der älteren sozialwissenschaftlichen Studien können der Transformationsforschung zugeordnet werden.4 Sie basieren in der Regel auf der Annahme, dass sich die »osteuropäischen«5 Länder, und damit auch die Tschechische Republik, nach dem Ende des Staatssozialismus das westliche Modell von Marktwirtschaft (und Demokratie) zum Vorbild nahmen6 und ihre Reformpolitik daran ausrichteten.7 Eine wichtige Rolle spielen auch jüngere, auf die Zeit nach 1989/90 bezogene komparative Ansätze, in denen die wirtschaftliche Entwicklung in verschiedenen Ländern der Region miteinander verglichen wird. Hier ist insbesondere ein Forschungsansatz von Bedeutung, der davon ausgeht, dass sich in den verschiedenen Ländern mehrere »varieties of capitalism« etablierten. Nach Bohle und Greskovits entstanden in den postsozialistischen Ländern beispielsweise neoliberale, eingebettete neoliberale und neokorporatistische Kapitalismen, wobei die Tschechische Republik und auch die Slowakei zur zweiten Gruppe gezählt werden.8

Der Washington Consensus und die von ihm festgelegten Hauptreformmaßnahmen Liberalisierung, Deregulierung und Privatisierung stellen einen weiteren Dreh- und Angelpunkt (nicht nur) in sozialwissenschaftlichen Werken dar, in denen die tschechische Privatisierung (mit)behandelt wird. Die Geschichte der wirtschaftlichen Transformation in Tschechien wird dabei häufig als Erfolgs- oder Misserfolgsgeschichte erzählt, vielfach auch unter Verwendung des Prädikats »neoliberal«9. Rein inhaltlich steht meist die sogenannte große Privatisierung10 im Fokus, wobei Probleme und Konflikte in deren Verlauf in der Regel nur wenig detailliert beleuchtet werden. Stattdessen geht es häufig vor allem um eine (volkswirtschaftliche) Bewertung des Prozesses in der Rückschau.11

Insbesondere das Erfolgsnarrativ war bereits in den 1990er-Jahren existent. Nicht nur von tschechischen Politikern, sondern auch von in- und ausländischen Expertinnen und Experten wurde das Land immer wieder als erfolgreich(st)e Transformationsökonomie bezeichnet, und es wurde auf die besondere Schnelligkeit bei der Privatisierung sowie auf den großen Umfang des von staatlicher in private Hand überführten Eigentums verwiesen.12 Aber auch ambivalentere Urteile wurden schon bald gefällt: Der tschechische Ökonom Josef Kotrba – heute Chef der Wirtschaftsprüfungs- und -beratungsfirma Deloitte in Tschechien – kam 1995 zu dem Schluss, dass die Privatisierung zu diesem Zeitpunkt nicht alle ihre Zielsetzungen erreicht habe und dass es dazu höchstwahrscheinlich auch in Zukunft nicht kommen werde. Jedoch sei die Entwicklung insgesamt positiv und schwarzmalerische Prognosen hätten sich als unbegründet erwiesen.13

Deutlich kritischer äußerte sich Martin Myant, ein in Tschechien geborener, aber schon in jungen Jahren nach Großbritannien ausgewanderter Wirtschaftswissenschaftler. In einer 1996 publizierten Studie vertrat er die Position, dass es keine »simple conclusion« zur Privatisierung geben könne und dass diese gleichermaßen Stärken und Schwächen aufweise.14 Generell sei es zum Beispiel gelungen, große Teile des staatlichen in privaten Besitz umzuwandeln. Jedoch wirtschafteten viele der sich nun in Privatbesitz befindlichen großen Betriebe zu wenig effizient.15 Ein deutlich negativeres Fazit zog Myant dann im Jahr 2003: In der Rückschau betrachtet sei eine »backward and inefficient centrally-planned economy […] into a weak, unstable and inefficient market economy« umgewandelt worden.16

Mit der Frage, ob die wirtschaftliche Transformation erfolgreich war, setzt sich beispielsweise auch der Ökonom Libor Žídek in einer Studie auseinander, die 2006 auf Tschechisch17 und 2017 in einer leicht erweiterten Version auf Englisch erschienen ist. Er beschreibt die wirtschaftliche Transformation in den 1990er-Jahren als »rather complicated process that was accompanied by numerous problems and difficulties«.18 Mit Blick auf die Privatisierung kommt er unter anderem zu dem Schluss, dass es keine ausreichenden gesetzlichen Rahmenbedingungen für diesen Prozess gegeben habe, was in Einzelfällen zu Fehlentwicklungen geführt und kriminelles Verhalten begünstigt habe. Jedoch ist er überzeugt, »that the reformers were not interested in their personal material enrichment […]«.19 Generell hält er einen Großteil der am Reformprozess geäußerten negativen Kritik für destruktiv und vermutet dahinter auch linksgerichtete politische Ambitionen.20 Für ihn steht fest, dass die wirtschaftliche Transformation im Großen und Ganzen eine »success story« war.21

Neben der Frage, ob die tschechische Privatisierung eher erfolgreich oder eher erfolglos war, geht es in der sozialwissenschaftlichen Forschungsliteratur auch häufig darum, inwieweit wirtschaftspolitische Programmatik und wirtschaftspolitisches Handeln auseinanderklafften. Häufig ist in diesem Zusammenhang die Rede von einem »social liberal compromise«22 oder einer Lücke zwischen Rhetorik und Privatisierungs- bzw. Wirtschaftspolitik im Allgemeinen.23 Gemeint ist damit, dass die tschechischen Reformer, allen voran der föderale Finanzminister und spätere tschechische Ministerpräsident Václav Klaus, größere sozialpolitische Zugeständnisse machten und auch die Privatisierung in der Realität weniger konsequent vorantrieben, als es der nach außen hin beschworene marktliberale Kurs vermuten ließ.24

Als Erklärung dafür wird unter anderem angeführt, dass für Klaus die ökonomischen Aspekte der Reform im Vordergrund gestanden hätten und er selbst kein fertiges sozialpolitisches Modell in petto gehabt habe. Folglich habe er auf die Vorschläge anderer, weniger marktliberal eingestellter Kabinettsmitglieder – insbesondere auf die des Ministers für Arbeit und Soziales Petr Miller – zurückgreifen müssen. Ebenso wird betont, dass Klaus seine Reformvorschläge nicht ohne die Zustimmung ebendieser Kabinettsmitglieder hätte durchsetzen können und er sich deshalb in manchen Belangen auch an ihren Vorstellungen orientierte. Eine Rolle habe außerdem gespielt, dass die Politik angesichts der umfassenden Reformen auf die Zustimmung der Bevölkerung angewiesen gewesen sei – und dementsprechend deren Folgen auch etwas abzumildern versuchte.25

Neben der Vielzahl an sozialwissenschaftlichen Studien, die die tschechische Privatisierung bzw. einzelne Aspekte dieses Prozesses (mit-)behandeln, gibt es in den letzten Jahren auch immer mehr geschichtswissenschaftliche Werke zu diesem Thema. Zumindest grob umrissen wird die tschechische Privatisierung in umfangreicheren Darstellungen, die die wirtschaftliche Entwicklung in den 1990er-Jahren in größeren räumlichen Kontexten und breiteren zeitlichen Horizonten beleuchten.26 Eine kritische Perspektive auf das Erfolgsnarrativ der wirtschaftlichen Transformation (und damit auch der Privatisierung) vertritt beispielsweise Philipp Ther.27 Die 1990er-Jahre begreift er als Phase, in der innerhalb kürzester Zeit eine neoliberale Ordnung in Osteuropa entstand, wovon ausgehend es auch zu einem Wandel in der westlichen Welt – der sogenannten Ko-Transformation – kam.28

Für die vorliegende Studie von besonderer Relevanz sind jedoch vor allem explizit auf den tschechischen Fall bezogene Studien von Historikerinnen und Historikern. Grundlegende und ausführliche Informationen zur Samtenen Revolution und den politischen Entwicklungen in den frühen 1990er-Jahren, die auch die Diskussion um die Wirtschaftsreformen miteinschließen, liefert beispielsweise Jiří Suk.29 Einen wichtigen Strang in der auf die 1990er-Jahre, aber auch auf die Zeit davor bezogenen geschichtswissenschaftlichen Forschung bilden außerdem Arbeiten, die sich mit der Rolle von Experten bzw. Expertentum – sei es in wirtschaftlichen oder auch in anderen Kontexten – auseinandersetzen.30 All diese Studien zeigen, dass die Entwicklungen in den 1990er-Jahren nicht nur oder vor allem durch eine Orientierung an westlichen Modellen geprägt waren, sondern dass in diesem Jahrzehnt auch eine Reihe von Kontinuitäten aus der Zeit des Spätsozialismus zum Tragen kam. Auf diese Weise wird die Zäsur von 1989/90 relativiert bzw. aufgezeigt, dass sich diese »Zäsur« auch in eine längere, von den frühen 1970er- bis zu den späten 1990er-Jahren andauernde Phase einbetten lässt.31

In diese Richtung weist auch ein 2021 erschienenes Buch von Václav Rameš, das eine vor allem politikgeschichtlich orientierte Geschichte der Privatisierung erzählt.32 Das Werk widmet sich vornehmlich der sogenannten großen Privatisierung und untersucht die dahinterstehenden Konzepte – nicht nur die tatsächlich verwirklichten, sondern auch die, die sich im politischen Prozess nicht durchsetzen konnten – und politischen Motivlagen. Im Fokus stehen dabei sowohl von Experten als auch in der Öffentlichkeit geführte Diskurse, wobei deren Wurzeln hier ebenfalls bis in die Zeit des Staatssozialismus zurückverfolgt werden. Eine wichtige Schlussfolgerung des Autors lautet, dass die Privatisierung auf der Vorstellung gründete, dass sich die Menschen im neuen System als »eigenständige ökonomische Subjekte« (»samostatné ekonomické subjekty«) verhalten sollten.33 Er betont außerdem, dass die Privatisierung zwar mit der Zielsetzung verfolgt wurde, egalitäre Verhältnisse zu schaffen, aber paradoxerweise eine Eigentumsordnung hervorbrachte, die häufig als Verursacherin sozialer Ungleichheiten kritisiert wurde und wird.34

Fragestellung

War die Privatisierung in Tschechien ein Erfolg oder ein Misserfolg? Wurde durch sie eine am westlichen »Vorbild« orientierte Marktwirtschaft geschaffen? Wie viel waren die privatisierten Betriebe überhaupt wert, und wurden einige von ihnen vielleicht zu einem zu geringen Preis an ausländische Investoren verkauft? Wie viel Geld landete am Ende auf den schwarzen Konten von korrupten Politikern und dubiosen Managern? Auf all diese Fragen – und sicherlich noch auf einige weitere – wird diese Studie keine Antwort geben. Ihre Zielsetzung ist vielmehr, die im vorherigen Kapitel beschriebenen Narrative wie das von Erfolg bzw. Misserfolg oder das von einer Lücke zwischen Rhetorik und Politik nicht weiter zu stricken. Stattdessen wird der »Weg« der tschechischen Privatisierung Schritt für Schritt und aus mehreren Perspektiven untersucht.35 Das Endresultat soll keine irgendwie geartete Bewertung dieses »Weges« sein, sondern es wird angestrebt, diesen »Weg« genau(er) zu kartieren.

Eine zentrale Perspektive, aus der die Privatisierung im Folgenden erforscht wird, ist die Perspektive historischer Pfadabhängigkeiten. Das bedeutet, dass nicht nur der Zeitraum, in dem die Privatisierung geplant und umgesetzt wurde, in den Blick genommen wird, sondern auch der Zeitraum davor. Betrachtungen, die die Zäsur von 1989/90 überspannen und historische Vorprägungen integrieren, gibt es nicht nur in den Geschichts-, sondern auch in den Sozialwissenschaften.36 Oft nehmen die sozialwissenschaftlichen Studien vor allem deshalb auf die staatssozialistische Vergangenheit Bezug, weil Erklärungen dafür gesucht werden, warum bestimmte Entwicklungen im »Osten« in den 1990er-Jahren und darüber hinaus »anders« abliefen als im »Westen«.37 Die vorliegende Studie geht anders vor: Sie versteht den tschechischen Entwicklungspfad nicht als Abweichung vom vermeintlichen »westlichen Standard« oder will diesen im Vergleich zu diesem »Standard« untersuchen, sondern sie hat sich zum Ziel gesetzt, diesen Weg als »eigenen Weg« zu begreifen und nachzuvollziehen.38

Dabei zeigt sich schnell, dass die nach dem Ende des Staatssozialismus begonnene Privatisierung nicht »aus dem Nichts« heraus entstand.39 Einzelne Weichen waren – wenn auch unter anderen Vorzeichen und mit anderen Zielsetzungen – bereits während der Zeit des Staatssozialismus gestellt worden, sei es im Zuge vorsichtiger Reformen, in den Forschungsarbeiten des Prognostischen Instituts oder bei Kontakten zwischen tschechischen Staatsbetrieben und Unternehmen aus dem westlichen Ausland. Das Beispiel solcher »nichtintendierter Weichenstellungen« verweist bereits darauf, dass historische Pfadabhängigkeiten den »eigenen Weg« der tschechischen Privatisierung nicht determinierten,40 sondern dass sie diesen im Zusammenspiel mit strategischen Entscheidungen, aber auch mit ungeplanten Entwicklungen prägten. Insgesamt zeigt die Studie, dass der Privatisierungsprozess nicht, wie von den Reformern selbst behauptet, »alternativlos«41 war, sondern dass sein Verlauf und sein Ausgang prinzipiell offen waren und sich erst während des Prozesses ergaben.42

Ungeplante Entwicklungen sind im Rahmen der Privatisierung vor allem dann zu beobachten, wenn der Fokus nicht auf den Reformkonzepten liegt, sondern auf der tatsächlichen Durchführung der Privatisierung. Vieles kam nämlich am Ende anders als geplant: Termine konnten nicht eingehalten werden, die Bevölkerung verhielt sich nicht so wie auf dem Papier vorgesehen, und neue Akteure, deren Existenz in den Konzepten noch nicht einmal angedacht gewesen war, wurden zu dominanten Einflussgrößen. Solche Entwicklungen erwiesen sich häufig als problematisch: Sie machten es notwendig, dass kurzfristig umgedacht und der geplante Privatisierungsweg der Realität angepasst werden musste. Die Folge waren Konflikte, zum Beispiel zwischen den für die Privatisierung verantwortlichen Regierungsvertretern, deren Meinungen und Problemlösungsansätze sich zum Teil deutlich voneinander unterschieden. Zusätzlich zu Pfadabhängigkeiten und ungeplanten Entwicklungen untersucht die Studie, wie (einzelne) externe Akteure den »eigenen Weg« der tschechischen Privatisierung prägten und wahrnahmen. Diese drei Hauptperspektiven werden jedoch nicht in allen drei Hauptkapiteln gleich intensiv behandelt, sondern stehen je nach Thema mal mehr und mal weniger im Fokus.

Das erste Hauptkapitel (Kapitel II) widmet sich der Vorgeschichte der Privatisierung, die – so wird gezeigt – bereits in den 1980er-Jahren begann. Im Vordergrund stehen hier tschechische Perspektiven auf das Geschehen, doch werden diese auch um externe Ansichten ergänzt, zum Beispiel vonseiten der bundesdeutschen Botschaft in Prag. Das zweite Hauptkapitel (Kapitel III) nimmt einzelne Aspekte der drei Stufen der Privatisierung – Restitution, kleine und große Privatisierung – in den Blick, wobei das Kapitel zur Restitution auch die Implikationen behandelt, die sich im Zusammenhang mit der Rückgabe von enteignetem Besitz für die tschechisch-deutschen Beziehungen ergaben. In den Kapiteln zur kleinen und großen Privatisierung stehen interne Perspektiven, vor allem auch im Hinblick auf ungeplante Entwicklungen und daraus entstehende Probleme und Konflikte, im Vordergrund. Das dritte Hauptkapitel (Kapitel IV) fokussiert dann auf den internationalen Charakter des Privatisierungsprozesses. Zuerst geht es um das Thema ausländische Investitionen und internationale Gemeinschaftsunternehmen ganz allgemein, ehe dann zwei tschechisch-deutsche Joint Ventures – das von Barum und Continental und das von Škoda und Volkswagen – genauer untersucht werden.

Alles in allem fördert die Untersuchung des Zusammenspiels von Pfadabhängigkeiten, intendierten und nichtintendierten Entwicklungen sowie externen Einflüssen und Wahrnehmungen keinen allumfassenden Befund, sondern eine Reihe von Einzelbefunden zutage. Die Studie zeigt, dass der »eigene Weg« der tschechischen Privatisierung von einem Neben-, Mit-, aber auch von einem Gegeneinander verschiedener politischer, unternehmerischer und gesellschaftlicher Einflussnahmen und Diskurse geformt wurde. Der Weg verlief folglich nicht geradlinig, sondern war geprägt von Unebenheiten, Weggabelungen, Umleitungen und Sackgassen.

Quellen

Die beschriebene multiperspektivische Herangehensweise an den tschechischen Privatisierungsprozess spiegelt sich auch in den verwendeten Quellen wider. Abgedeckt werden hier sowohl die Perspektiven politischer Akteure als auch die Perspektiven von Experten und Unternehmen. Von zentraler Bedeutung sind außerdem Quellen, die Aufschluss über die gesellschaftliche Wahrnehmung der Privatisierung geben, wobei hier sowohl mediale Sichtweisen als auch die Sichtweisen von Bürgerinnen und Bürgern eine Rolle spielen werden. Zur Erschließung all dieser Perspektiven werden gleichermaßen archivalische wie gedruckte Quellen herangezogen.

Der Zugang zu archivalischen Quellen aus den 1990er-Jahren ist zwar aufgrund von gesetzlichen Schutzfristen noch stark beschränkt, auf einzelne Bestände konnte aber zugegriffen werden: Basierend auf den Recherchen in einem nordböhmischen Kreisarchiv wird beispielsweise ein Einzel- und gleichzeitig ein Sonderfall bei der Restitution nachvollzogen. Aus dem Bestand des Zentrums für Kuponprivatisierung im Nationalarchiv in Prag konnten unter anderem Briefe ausgewertet werden, die Privatpersonen an tschechische Behörden schrieben, um ihre Anliegen bzw. ihre Meinungen im Hinblick auf die Privatisierung zu äußern. Ebenso eingesehen wurden Akten im Unternehmensarchiv von Škoda, auf deren Basis das Zustandekommen des Gemeinschaftsunternehmens mit Volkswagen rekonstruiert wird. Zusätzliche Informationen zu dem Gemeinschaftsunternehmen stammen aus Archivalien, die zum einen in den Beständen des Bundesministeriums für Wirtschaft sowie der Treuhandanstalt im Bundesarchiv und zum anderen im Bestand des Referats 421 (Wirtschaftsbeziehungen West-Ost) des Auswärtigen Amts zu finden sind.

Im Politischen Archiv des Auswärtigen Amts findet sich noch ein weiterer relevanter Bestand, nämlich der der bundesdeutschen Botschaft in Prag, deren Einordnungen der Geschehnisse vor und nach 1989/90 immer wieder zur Abrundung des Gesamtbildes verwendet werden. Hinzu kommt der Bestand des Referats 214, das im Auswärtigen Amt für die Tschechoslowakei, aber auch für Ungarn, Rumänien, Jugoslawien, Bulgarien und Albanien zuständig war. Auf die Zeit vor 1989/90 beziehen sich die archivalischen Quellen, die Auskunft über die Vorgeschichte der Privatisierung geben. Dabei handelt es sich in erster Linie um den Bestand des Prognostischen Instituts – die hier erstellten wissenschaftlichen Analysen waren wichtige Vorläufer der Reformkonzepte der 1990er-Jahre –, der im Archiv der tschechischen Akademie der Wissenschaften zu finden ist.

Neben der Auswertung archivalischer Quellen hat sich auch die Auswertung gedruckter Quellen als überaus ertragreich erwiesen. Eine Untergruppe der gedruckten Quellen stellen sozialwissenschaftliche Studien aus den 1990er-Jahren dar. Diese Studien haben generell einen hybriden Charakter: Es handelt sich zum einen um Forschungsliteratur, deren Erkenntnisse als Ausgangspunkt für die eigenen Untersuchungen herangezogen werden. Zum anderen müssen die Autorinnen und Autoren dieser Studien aber auch als Zeitzeuginnen und Zeitzeugen begriffen werden, die die Geschehnisse um sich herum – sei es bewusst oder unbewusst – in Narrative einordneten und bewerteten.43 Als Quelle herangezogen werden aber auch Veröffentlichungen, in denen sich Positionen von an der Privatisierung beteiligten politischen Akteuren direkt widerspiegeln. Vor allem handelt es sich hierbei um selbstverfasste Texte oder Interviews, in denen die (ehemaligen) Politiker den Verlauf und den Ausgang dieses Prozesses entweder zeitgenössisch oder im Nachhinein kommentieren.

Eine weitere zentrale Gruppe von gedruckten Quellen ist die zeitgenössische Presseberichterstattung.44 Hilfreich war in diesem Zusammenhang vor allem ein umfangreicher Pressespiegel, der im tschechischen Nationalarchiv im Bestand des Zentrums für Kuponprivatisierung verwahrt wird.45 Verwendet wurden außerdem einzelne Artikel, die mithilfe des Presseausschnittarchivs des Herder-Instituts recherchiert wurden.46 Eine weitere Gruppe von Artikeln stammt aus in den frühen 1990er-Jahren veröffentlichten Betriebszeitungen, die im Gesamtgewerkschaftsarchiv des Böhmisch-Mährischen Gewerkschaftsbundes (Českomoravská konfederace odborových svazů/ČMKOS) eingesehen wurden. Hierzu zählt auch die Betriebszeitung des tschechischen Reifenherstellers Barum, zu dem ergänzende Informationen mithilfe eines im Unternehmensarchiv von Continental vorhandenen Pressespiegels recherchiert wurden. Eine wichtige Rolle als Quelle spielen auch die Betriebszeitungen von Volkswagen und Škoda, die im Konzernarchiv in Wolfsburg sowie im Unternehmensarchiv in Mladá Boleslav ausgewertet wurden.

Die verschiedenen Zeitungsartikel – sowohl diejenigen aus den Tages- als auch die aus den Betriebszeitungen – liefern zum einen konkrete Informationen zum Privatisierungsprozess, zum Beispiel, welche Entscheidungen wann getroffen wurden oder welche Politiker welche Standpunkte vertraten. Zum anderen verschaffen die in den Zeitungen veröffentlichten (Meinungs-)Artikel, Umfragen und Leserbriefe auch einen Einblick in zeitgenössische gesellschaftliche Bewertungen des Privatisierungsprozesses – weshalb auch darauf Wert gelegt wird, die ungefähre politische Positionierung der Blätter zu nennen, wenn zum Beispiel Kommentare oder auch Karikaturen als Quellen verwendet werden.

1 Diese Studie bezieht sich in erster Linie auf den tschechischen Teil der ČSFR und später auf die Tschechische Republik. Um eine bessere Lesbarkeit zu gewährleisten, ist häufig nur die Rede von »Tschechien« und der »tschechischen« Privatisierung, auch wenn sowohl die Zeit vor als auch die Zeit nach der Auflösung der ČSFR behandelt wird.

2 Bis heute wird der Diskurs um die Privatisierung u. a. von den Politikern mitgeprägt, die in den 1990er-Jahren die Privatisierungskonzepte entwarfen und umsetzten. Sie äußern sich zu diesem Thema nicht nur in der Tagespresse, sondern auch in eigenen Publikationen (vgl. z. B. Václav Klaus u. a. [Hg.]: 25 let české transformace, Prag 2016; Dušan Tříska: Ekonomie jako osud, Prag 2016).

3 In der Studie wird die männliche Form verwendet, wenn es sich bei den bezeichneten Akteuren ausschließlich oder beinahe ausschließlich um Männer handelt. Die männliche und die weibliche Form werden verwendet, wenn sowohl Frauen als auch Männer an den beschriebenen Entwicklungen beteiligt waren. Auf andere Formen des geschlechtergerechten Schreibens, z. B. Schreibweisen mit Sternchen oder Doppelpunkt, wird aufgrund der besseren Lesbarkeit verzichtet. Die nicht explizite Sichtbarkeit aller Geschlechter wird in Kauf genommen, da die Analysekategorie Geschlecht(er) nicht im Fokus der Ausführungen steht.

4 Einen Überblick über die der Transformationsforschung zugrunde liegenden theoretischen Paradigmen, Forschungsansätze, Methoden usw. bieten: Kollmorgen/Merkel/Wagener: Handbuch Transformationsforschung. Wegweisende Studien zur Transformation in den ehemals staatssozialistischen Ländern sind z. B.: von Beyme: Systemwechsel in Osteuropa; Linz/Stepan: Problems of democratic transition; Offe: Der Tunnel am Ende des Lichts.

5 Zum Osteuropabegriff vgl. grundlegend: Lemberg: Zur Entstehung des Osteuropabegriffs. Die Tschechoslowakei bzw. Tschechien werden im Folgenden als ostmitteleuropäische Länder bezeichnet, wobei zu dieser Gruppe von Ländern neben Tschechien und der Slowakei in der Regel noch Ungarn und Polen gerechnet werden. Als ostmitteleuropäisch werden mitunter auch das Baltikum, Teile der Ukraine und von Weißrussland sowie Kroatien und Slowenien bezeichnet (überblicksartig zur Abgrenzung dieser Gruppe: von Puttkamer: Ostmitteleuropa im 19. und 20. Jahrhundert, S. 1 – 5).

6 Auch in Tschechien erfolgte die (wirtschaftliche) Transformation unter dem Schlagwort der »Rückkehr nach Europa«, was u. a. die Akzeptanz für die negativen Neben- bzw. Folgeerscheinungen des Umbruchs erhöhte (Schulze Wessel: Konvergenzen und Divergenzen in der europäischen Geschichte, S. 102).

7 Für eine genauere Einordnung dieser Strömung in die Transformationsforschung vgl. Stykow: Postsozialismus.

8 Bohle/Greskovits: Capitalist Diversity on Europe’s Periphery. Ther fügt noch eine weitere Gruppe, nämlich die der oligarchisch-neoliberalen Kapitalismen hinzu (vgl. Ther: Die neue Ordnung auf dem alten Kontinent, S. 35). Zur »Vielfalt« der Kapitalismen vgl. auch: Lane: Post-State Socialism. A Diversity of Capitalisms?

9 Als Neoliberalismus wird gemeinhin eine »wirtschaftspolitische Ideologie« verstanden, die auf »einem Idealbild freier, autonomer und sich ins Gleichgewicht bringender Märkte, rational agierender Marktakteure und einem individualistisch-materialistischen Menschenbild« gründet und die Zielsetzung verfolgt, die Rolle des Staates in der Wirtschaft und auch in sozialen und wohlfahrtsstaatlichen Kontexten zu reduzieren (Ther: Neoliberalismus). »Neoliberal« wird in dieser Studie nicht als eigener analytischer Begriff verwendet, da er schwer abgrenzbar und gleichzeitig politisch stark aufgeladen ist, vgl. hierzu z. B.: Mirowski: Postface: Defining Neoliberalism; Ther: Neoliberalismus.

10 Der Privatisierungsprozess unterteilte sich in drei Schritte: Restitution, kleine Privatisierung und große Privatisierung. Eine ausführliche Untersuchung einzelner Aspekte dieser drei Schritte folgt in Hauptkapitel III.

11 Beispiele hierfür sind bzw. finden sich in: Kosta: Stand und Perspektiven der ökonomischen Transformation; Švejnar: The Czech Republic and Economic Transition; Mejstřík: The Privatization Process in East-Central Europe.

12 Dieses Erfolgsnarrativ findet sich in bzw. auf seine Existenz wird u. a. verwiesen in: Kosta: Stand und Perspektiven der ökonomischen Transformation, S. 152; Orenstein: Out of the Red, S. 100; Pesendorfer: Der Restaurationsprozeß des Kapitalismus, S. 8; Švejnar: Introduction, S. 18.

13 Kotrba: Privatization Process in the Czech Republic, S. 197 f.

14 Weitere Werke, die sich mit Stärken und Schwächen (von Teilaspekten) des tschechischen Privatisierungsprozesses beschäftigen, sind z. B.: Kotrba/Kočenda/Hanousek: The Governance of Privatization Funds; Mládek: Initialization of Privatization; Pospíšil: Economic Developments in the Czech Republic.

15 Vgl. Myant: Successful Transformations?, S. 147.

16 Myant ist der Auffassung, dass beim wirtschaftlichen Reformprozess insgesamt mehr falsch als richtig gemacht wurde. Als Fehler führt er u. a. an, dass die Reformmaßnahmen für eine entstehende Marktwirtschaft zu drastisch gewesen seien (z. B. im Bereich der Fiskalpolitik). Weiter kritisiert er, dass mit der Privatisierung des Bankensektors zu lange gewartet worden sei. Als positive Aspekte nennt Myant, dass es vergleichsweise stabile staatliche Institutionen gegeben habe und dass man dazu bereit gewesen sei, internationale Konzerne ins Boot zu holen (trotz einer zum Teil gegenteiligen Rhetorik) (vgl. Myant: The Rise and Fall, S. 262 – 266).

17 Žídek: Transformace české ekonomiky.

18 Žídek: From Central Planning to the Market, S. XXIX.

19 Ebd., S. 255.

20 Vgl. ebd., S. 236, 438.

21 Ebd., S. 445.

22 Orenstein: Out of the Red, S. 61.

23 Zum sozialliberalen Kompromiss bzw. zur Lücke zwischen Politik und Rhetorik vgl. Bohle/Greskovits: Capitalist Diversity, S. 61 f.; Havel: Economics and System Change, S. 247, 249; Kosta: Die Transformation des Wirtschaftssystems, S. 180; Orenstein: Out of the Red, S. 62 f., 71 f.; Myant: The Rise and Fall, S. 264; Berend: From the Soviet Bloc, S. 63; Žídek: From Central Planning to the Market, S. 59.

24 Klaus beschwor unter anderem einen »Markt ohne Adjektive« (»trh bez adjektiv«) (z. B. in: Klaus: Snahy o hledání třetí cesty nekončí, S. 1, 3).

25 Vgl. Orenstein: Out of the Red, S. 62, 71. Vgl. hierzu aber auch Suks Hinweis, dass ein hohes Maß an öffentlicher Unterstützung für die Durchsetzung der Reformideen zwar essenziell gewesen sei, dass Klaus es aber generell vermeiden wollte, breit angelegte Diskussionen zu führen, sondern diese eher auf Expertenkreise beschränken wollte (Suk: Labyrintem revoluce, S. 401).

26 Auf Ostmitteleuropa bezogen und mit expliziter und ausführlicherer Bezugnahme auf den tschechischen Fall sind hervorzuheben: Berend: From the Soviet Bloc; Ther: Die neue Ordnung.

27 Infrage gestellt wird das Erfolgsnarrativ der Überwindung des Kommunismus z. B. auch in: Wirsching: Der Preis der Freiheit.

28 Ther: Die neue Ordnung, S. 49.

29 Vgl. Suk: Labyrintem revoluce. Wichtige Anhaltspunkte zur politischen und wirtschaftlichen Entwicklung in den 1990er-Jahren finden sich auch in politik- und wirtschaftswissenschaftlichen Betrachtungen, z. B.: Bureš: Česká demokracie po roce 1989; Hodulák/Krpec: Hospodářská politika; Slaný: Proces.

30 Noch vor allem auf die Zeit des Staatssozialismus fokussiert sind die folgenden Arbeiten: Kopeček: From Scientific Social Management to Neoliberal Governmentality?; Sommer: Forecasting the Post-Socialist Future; Sommer: Vom sozialistischen Postindustrialismus zur Marktgesellschaft; Sommer: Řídit socialismus jako firmu. Die Zeit vor und nach 1989/90 beleuchten die Beiträge in: Kopeček: Architekti dlouhé změny.

31 Für eine englischsprachige Zusammenfassung dieser längerfristigen historischen Perspektive auf 1989/90 bzw. die 1990er-Jahre vgl. Kopeček: Architekti dlouhé změny, S. 355 – 365.

32 Rameš: Trh bez přívlastků.

33 Ebd., S. 222.

34 Vgl. ebd., S. 349.

35 Das Postulat, Transformationsgeschichte als multiperspektivische Geschichte zu erzählen und dabei keine zeitgenössischen Interpretationsmuster zu reproduzieren, findet sich in: Peters: Am Schnittpunkt von Ost und West, S. 344. Dass für die jüngste Zeitgeschichtsforschung die Distanzierung von etablierten Narrativen essenziell ist, betonen z. B. auch: Böick/Siebold: Die Jüngste als Sorgenkind?

36 Für Beispiele aus den Geschichtswissenschaften vgl. Anm. 30. Beispiele aus den Sozialwissenschaften sind: Crawford/Lijphart: Explaining Political and Economic Change; Kitschelt: Historische Pfadabhängigkeit oder Strategiewahl?; Segert: Postsozialismus.

37 Vom (mehr oder weniger ausschließlichen) »Rückgriff auf die Hinterlassenschaften des Sozialismus« zur Erklärung der Geschehnisse in den 1990er-Jahren haben sich die Sozialwissenschaften aber auch schon selbst wieder distanziert (Stykow: Postsozialismus).

38 Zum Konzept des »eigenen Wegs« über die Zäsur von 1989/90 hinaus vgl. Schäffler: Paarbeziehungen in Ostdeutschland.

39 Als Beispiele für neuere geschichtswissenschaftliche bzw. geschichtswissenschaftlich orientierte Studien, die gleichermaßen die Zeit vor als auch die Zeit nach 1989/90 in den Blick nehmen, seien noch genannt: Mark: 1989. A global history; Pula: Globalization under and after socialism. Den Fokus auf die »Transformation vor der Transformation« legt auch Peters: Von Solidarność zur Schocktherapie.

40 Vgl. hierzu Boyer, der darauf verweist, dass historische Pfadverläufe nicht alternativlos sind, sondern dass sie lediglich »Korridore möglicher Entwicklungen« festlegen (Boyer: Lange Entwicklungslinien, S. 27).

41 Vgl. hierzu Myant, der darauf verweist, dass Alternativen zum gewählten Reformkurs in Tschechien zwar immer wieder diskutiert, aber letztlich zurückgewiesen wurden – wobei die Argumente gegen diese Alternativen im Nachhinein als eher schwach zu beurteilen seien (Myant: The Rise and Fall, S. 267). Zum Alternativlosigkeitsdiskurs generell (allerdings bezogen auf Westeuropa) vgl. Séville: »There is no alternative«.

42 Zum Stellenwert von Zufall und Kontingenz in der Geschichte bzw. in der Geschichtswissenschaft vgl. grundlegend Koselleck, der den Zufall als »Motivationsrest in der Geschichtsschreibung« begreift (Koselleck: Vergangene Zukunft, S. 158 – 175). Ausführlich zu Zufall und Kontingenz vgl. Hoffmann: Zufall und Kontingenz.

43 Zum hybriden Charakter sozialwissenschaftlicher Studien vgl. auch: Böick/Siebold: Die Jüngste als Sorgenkind?; Doering-Manteuffel/Raphael: Nach dem Boom, S. 76.

44 Einen Überblick über die tschechische Presselandschaft in den frühen 1990er-Jahren bieten: Bednařík/Jirák/Spitzová Köpplová: Dějiny českých médií, S. 365 – 382.

45 In diesem Pressespiegel wurden die Artikel meist ohne die Angabe von Seitenzahlen gesammelt, weshalb diese Angabe häufig auch in dieser Studie fehlt. Aufgrund der Nennung der Zeitung, des Artikeltitels sowie des Erscheinungsdatums ist die Herkunft der Informationen aber trotzdem klar nachvollziehbar.

46 Auch hier fehlen oft Seitenangaben. Vgl. dazu die vorherige Anm.

I. Politische und wirtschaftliche Rahmenbedingungen der Privatisierung im Überblick

Basierend auf dem angeführten Forschungsstand, der multiperspektivischen Fragestellung sowie den im vorherigen Kapitel eingeführten Quellen werden die drei inhaltlichen Hauptkapitel (II, III, IV) verschiedene Aspekte der Privatisierung in Tschechien ausführlich untersuchen. Vorab fasst das nun folgende Überblickskapitel einige Informationen zu den wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen der Privatisierung zusammen.

1. Politische Rahmenbedingungen

Die Auflösung der Tschechischen und Slowakischen Föderativen Republik

Die Tschechoslowakei war nach dem Ende des Staatssozialismus erst eine Föderative Republik (Česká a Slovenská Federativní Republika/ČSFR), aus der dann 1993 die Tschechische Republik und die Slowakei hervorgingen. Die Auflösung der Föderation zum Ende des Jahres 1992 wurde auf oberster politischer Ebene ausgehandelt und ohne die direkte Beteiligung der Bevölkerung durch ein Referendum oder Ähnliches beschlossen. Da dieser Schritt ohne größere Konflikte oder problematische Nachwirkungen vollzogen wurde, wurde und wird die Teilung auch häufig als »Samtene Scheidung« bezeichnet. Angespielt wird damit auf die Bezeichnung »Samtene Revolution«, die häufig für den politischen Umbruch verwendet wird, der sich in der Tschechoslowakei im November und Dezember 1989 weitgehend friedlich vollzog. Wie bereits erwähnt, werden sich die Ausführungen in dieser Studie in erster Linie auf den tschechischen Teil der ČSFR und später auf die Tschechische Republik beziehen.1

Um das komplexe Zusammenspiel der politischen Akteure vor 1993 besser einordnen zu können, ist zu berücksichtigen, dass Tschechien und die Slowakei im Rahmen der Föderation über eigene Regierungen, eigene Parlamente sowie eigene ministeriale und behördliche Strukturen verfügten. Beispielsweise gab es sowohl ein tschechisches als auch ein slowakisches Privatisierungsministerium. Zwischen der föderalen und der nationalen Ebene2 sowie zwischen den beiden Republiken ergaben sich immer wieder Konflikte. Neben neu entstehenden Auseinandersetzungen gelangte eine Reihe von Konflikten an die Oberfläche, die schon seit der Zeit der Ersten Tschechoslowakischen Republik bzw. seit der Zeit des Staatssozialismus existiert hatten, aber nur zum Teil und auch nicht in letzter Konsequenz offen ausgetragen worden waren.3

Die Slowakei war wirtschaftlich schon immer der schwächere Teil der Föderation gewesen. Zusätzlich war sie von den ökonomischen Problemen, die sich unmittelbar nach dem Ende des Staatssozialismus ergaben, stärker betroffen als die Tschechische Republik. Dies lag vor allem daran, dass die slowakische Industrie – dominant waren hier unter anderem die Rüstungsproduktion und die Petrochemie – stärker ostorientiert und weniger diversifiziert war als die tschechische. Der Zusammenbruch der Zusammenarbeit im Rahmen des Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) und der Absatzmärkte im Osten führte dazu, dass sich die wirtschaftlichen Disparitäten zwischen den beiden Republiken noch weiter verschärften.4

Als »Juniorpartner« nahm sich die Slowakei aber nicht nur in wirtschaftlicher, sondern auch in gesellschaftlicher Hinsicht wahr.5 Umso wichtiger war es aus ihrer Sicht, nach dem Ende des Staatssozialismus und dem Untergang der ČSSR (Československá socialistická republika) einen passenden neuen Namen für den gemeinsamen Staat zu finden.6 Staatspräsident Václav Havel hatte die Bezeichnung Tschecho-Slowakische Republik (Česko-slovenská republika7) vorgeschlagen, die auf slowakischer Seite größtenteils befürwortet wurde, auf tschechischer Seite aber aufgrund des »Gedankenstrichs« auf Widerstand stieß.8 Letztendlich wurde der Vorschlag von der Föderalversammlung, dem föderalen Parlament der Tschechoslowakei, verworfen. Im April 1990 einigte man sich auf den Namen Tschechische und Slowakische Föderative Republik (Česká a Slovenská Federativní Republika), der jedoch häufig als unbefriedigende Kompromisslösung wahrgenommen wurde.9

Großes Konfliktpotenzial hatte in den frühen 1990er-Jahren auch die Frage, welche Kompetenzen die Föderation einerseits und die beiden Republiken andererseits haben sollten. Während die slowakische Seite möglichst wenige Politikbereiche auf der föderalen Ebene regeln lassen wollte, war die tschechische Seite der Auffassung, dass man auf diese Weise immer mehr auf eine Konföderation zusteuere, was als nicht wünschenswerte Tendenz empfunden wurde. Das bereits seit 1969 bestehende sogenannte Kompetenzgesetz (Zákon č. 2/1969 Sb.: Zákon České národní rady o zřízení ministerstev a jiných ústředních orgánů státní správy České socialistické republiky) wurde letztlich so abgeändert, dass die beiden Republiken mehr und die Föderalregierung weniger Zuständigkeiten als vorher hatten. Diese Aufteilung funktionierte aber häufig nicht gut und es kam zu Konflikten zwischen den beiden Ebenen.10

Konflikte ergaben sich auch im Hinblick auf die Umsetzung der von der Föderalregierung erlassenen Gesetze. So lag beispielsweise die Kompetenz, die für die ökonomischen Reformen notwendigen Gesetze zu erlassen, auf der föderalen Ebene, für die Umsetzung dieser Gesetze waren aber die Republiken zuständig. Ausgehend von diesen Zuständigkeitskonflikten taten sich die beiden Republiken schwer, sich auf eine gemeinsame Verfassung zu einigen. Nachdem eigentlich schon ein für beide Seiten akzeptabler Text gefunden worden war, wurde dieser noch vor den Wahlen im Juni 1992 vom slowakischen Parlament abgelehnt. Daraufhin weigerte sich die tschechische Seite, weitere Verhandlungen über die Verfassung zu führen.11

Nach den Wahlen im Juni 1992 spitzte sich der tschechisch-slowakische Konflikt auch im Hinblick auf die Wirtschaftsreformen immer weiter zu. Ein Grund, warum die Slowakei den von tschechischer Seite vorgeschlagenen, zumindest seiner Konzeption nach marktliberalen Reformkurs ablehnte, waren die bereits erwähnten größeren wirtschaftlichen Schwierigkeiten, mit denen der Landesteil seit dem Ende des Staatssozialismus zu kämpfen hatte.12 Der föderale Finanzminister Václav Klaus und seine Mitstreiter hatten anfangs fest vorgehabt, ihr Reformkonzept im gesamten Land durch- und umzusetzen. Nach den Wahlen im Juni 1992 übte Klaus, mittlerweile tschechischer Ministerpräsident, immer stärkeren Druck auf Bratislava aus. Wenn die Slowakei keinen gemeinsamen Staat mit einer starken Zentralregierung und keine radikalen Wirtschaftsreformen akzeptiere, würde die Tschechische Republik keinen gemeinsamen Staat mehr wollen. Der slowakische Ministerpräsident Vladimír Mečiar (HZDS), der eine nationalistische und radikalen Wirtschaftsreformen eher ablehnend gegenüberstehende Politik verfolgte, war jedoch nicht bereit, sich diesem Druck zu beugen.13 Dementsprechend war für beide Politiker die Auflösung der Föderation die sinnvollste Option.14

Wie bereits erwähnt, fiel der Beschluss, in Zukunft getrennte Wege zu gehen, ohne die Bevölkerung direkt einzubeziehen. Laut Meinungsumfragen wollte die Mehrheit der Bevölkerung in beiden Landesteilen keine Auflösung der Föderation. Dementsprechend hatte es auch Rufe nach einem Referendum gegeben, doch hatte am Ende keines stattgefunden – wahrscheinlich auch, weil die politische Führung auf beiden Seiten befürchtete, eine solche Abstimmung könnte womöglich nicht in ihrem Sinne ausgehen. Auch der tschechoslowakische Staatspräsident Václav Havel hatte sich für das Fortbestehen der Föderation eingesetzt, sich aber nicht gegen die Ministerpräsidenten Klaus und Mečiar durchsetzen können. Als das slowakische Parlament im Juli 1992 die Souveränität der Slowakei erklärte15 – die Auflösug der Föderation war damit de facto besiegelt –, trat Havel zurück.16

Am 25. November 1992 verabschiedete die Föderalversammlung dann das Gesetz über die Auflösung der Föderation (Ústavní zákon č. 542/1992 Sb.: Ústavní zákon o zániku České a Slovenské Federativní Republiky), das am 31. Dezember 1992 in Kraft trat. Nach der Auflösung der ČSFR konnte Klaus seinen wirtschaftlichen Reformkurs fortführen, ohne dabei auf Widerstände auf der föderalen Ebene bzw. vonseiten der Slowakei zu stoßen. Während die im Herbst 1992 angelaufene erste Welle der Kuponprivatisierung in Tschechien zu einem Ende gebracht wurde, wurde sie in der Slowakei abgebrochen.

Wahlen und Parteienlandschaft

Auch wenn die Föderation erst mit Jahresbeginn 1993 aufgelöst wurde, hatte sich eine komplette Spaltung des Parteiensystems in ein tschechisches und ein slowakisches bereits in den Jahren zuvor vollzogen.17 Nach der Samtenen Revolution wurde die sogenannte Regierung der nationalen Verständigung (Vláda národního porozumění) gebildet, die unter anderem die ersten freien Wahlen im Land vorbereiten sollte. In dieser Regierung hatten anfangs noch Vertreter der Kommunistischen Partei (Komunistická strana Československa/KSČ18) die Mehrheit der Kabinettsposten inne, hinzu kamen Vertreter des während der Revolution entstandenen Bürgerforums (Občanské Fórum/OF) sowie Anhänger kleinerer Parteien und parteilose Minister. Das Mehrheitsverhältnis verschob sich in den folgenden Monaten aber immer weiter zugunsten des OF, da immer mehr Politiker aus der KSČ austraten.19

Die ersten freien Wahlen in der ČSFR fanden dann im Juni 1990 statt. Die Mehrheit der Kabinettsposten in der bis Mitte des Jahres 1992 amtierenden föderalen Regierung – auch bezeichnet als Regierung des nationalen Opfers (Vláda národní oběti) – hatte anfangs das OF inne. Als slowakisches Pendant zum Bürgerforum stellte »Öffentlichkeit gegen Gewalt« (Verejnosť proti násiliu/VPN) ebenfalls mehrere Regierungsmitglieder. Andere Parteien, deren Vertreter Regierungsposten besetzten, waren die kommunistische Partei sowie die slowakische Christdemokratische Bewegung (Kresťanskodemokratické hnutie/KDH).

Ein für die Entwicklung des Parteienspektrums wichtiger Meilenstein wurde im Oktober 1990 erreicht, als Václav Klaus zum Vorsitzenden des OF gewählt und dadurch der rechte Flügel der Bewegung gestärkt wurde. Sein Sieg gegen den unter anderen vom Staatspräsidenten Václav Havel favorisierten Gegenkandidaten Martin Palouš wurde von vielen als überraschend empfunden. Klaus arbeitete in den folgenden Wochen darauf hin, das OF in eine Partei umzuwandeln, stieß aber mit diesem Vorhaben auf Widerstand. Viele OF-Vertreter sahen das Forum als Dachorganisation, die die Zivilgesellschaft als Ganzes repräsentieren sollte und demnach nicht in eine Partei mit einer bestimmten politischen Ausrichtung umgewandelt werden konnte.20

Dass er seinen Plan nicht in die Tat umsetzen können würde, erkannte Václav Klaus recht bald. Auch unter den anderen hochrangigen Vertretern des Bürgerforums setzte sich die Einsicht durch, dass das OF keine Zukunft hatte. Im Februar 1991 wurde es aufgelöst. Seine Nachfolgeorganisationen waren die von Klaus geführte Demokratische Bürgerpartei (Občanská demokratická strana/ODS), die Demokratische Bürgerallianz (Občanská demokratická aliance/ODA) und die Bürgerbewegung (Občanské hnutí/OH).21 Manche ehemalige Mitglieder des Bürgerforums schlossen sich aber auch keiner der drei Nachfolgeorganisationen, sondern anderen bereits bestehenden Parteien wie der Tschechoslowakischen Sozialdemokratie (Československá sociální demokracie/ČSSD22) an oder sie blieben parteilos. Die ODS ging aus den nächsten Wahlen im Juni 1992 als klare Siegerin hervor: Sie errang 34 Prozent der Stimmen, während die OH an der Fünfprozenthürde scheiterte und die ODA sechs Prozent der Stimmen auf sich vereinen konnte.23

Zur ab 1992 regierenden Koalition gehörten neben der ODS die Christliche und Demokratische Union – Tschechoslowakische Volkspartei (Křesťanská a demokratická unie – Československá strana lidová/KDU-ČSL) sowie die Bewegung für eine demokratische Slowakei (Hnutie za demokratické Slovensko/HZDS). Nach der Auflösung der Föderation hatten die ODS und die KDU-ČSL auch in der Tschechischen Republik die Regierungsgewalt inne. Weitere Koalitionspartner waren die Christdemokratische Partei (Křesťanskodemokratická strana/KDS) und die ODA. Diese Koalition – jetzt allerdings ohne die KDS – stellte auch nach den Wahlen 1996 wieder die Regierung. Ende 1997 führten wirtschaftliche Probleme und politische Konflikte bzw. Skandale – unter anderem im Zusammenhang mit dem Finanzgebaren der ODS – zur Einsetzung einer Beamtenregierung. Nach den Wahlen im Juni 1998 bildete dann die ČSSD eine von der ODS tolerierte Minderheitsregierung.

2. Wirtschaftliche Rahmenbedingungen

Grundsätzlich war die Privatisierung ein Teil der Wirtschaftsreformen, die nach dem Kollaps des Staatssozialismus in der Tschechoslowakei durchgeführt wurden, um die bestehende Zentralverwaltungs- in eine Marktwirtschaft umzuwandeln. Die Frage, wie genau dieser Umwandlungsprozess bewerkstelligt werden sollte, traf Politiker und Ökonomen allerdings mehr oder weniger unvorbereitet. Innerhalb weniger Monate wurden umfangreiche Reformkonzepte entworfen und es wurde damit begonnen, diese in die Tat umzusetzen. Letztendlich ergaben sich viele wirtschaftspolitische Fragen und Probleme aber auch erst im Zuge des Reformprozesses und mussten dann aus der Situation heraus gelöst werden.24

Eine zentrale Maßnahme, mit der die Umstellung vom zentralverwaltungs- zum marktwirtschaftlichen System in der Tschechoslowakei eingeleitet wurde, war die Einführung der Währungskonvertibilität. Als weiterer Schritt wurde die tschechoslowakische Krone massiv abgewertet, um einheimische Produkte beim Export konkurrenzfähiger zu machen. Dies war notwendig, weil mit dem Ende des RGW die bisherigen Absatzmärkte der Tschechoslowakei zumindest zum Teil wegbrachen. Jedoch gelang es dem Land vergleichsweise schnell, immer mehr Güter in Richtung Westen zu exportieren. 1989 waren nur 28,4 Prozent der Ausfuhren in nichtsozialistische Länder gegangen, drei Jahre später lag dieser Wert bei 74,3 Prozent.25 Ein weiterer wichtiger Reformschritt bestand in der Liberalisierung der Preise im Inland – mit Ausnahmen in Bereichen wie der Wohnraum- oder der Stromversorgung. Die Inflation stieg 1991 auf 59 Prozent,26 wurde aber durch eine restriktive Geldpolitik bereits bis zum Ende des Jahres wieder unter Kontrolle gebracht. Weitere Gegenmaßnahmen waren die Fixierung der Wechselkurse, hohe Kreditzinsen sowie eine strenge Haushaltsdisziplin.

Weniger schnell bekam man das sinkende Reallohnniveau in den Griff. Erst 1996 wurde hier wieder der Stand von 1989 erreicht.27 Auch beim Bruttoinlandsprodukt (BIP) stellte sich vorerst eine negative Entwicklung ein: 1992 war das BIP im Vergleich zu 1989 um 26 Prozent geschrumpft.28 Ab 1994 war wieder ein Aufwärtstrend zu verzeichnen.29 Die Arbeitslosenquote war hingegen auch in den frühen 1990er-Jahren überaus niedrig, zumindest im tschechischen Teil der Föderation: 1990 betrug sie in der gesamten Tschechoslowakei 0,1 Prozent und erhöhte sich 1991 auf 1,1 Prozent in Tschechien und 2,4 Prozent in der Slowakei. Anfang 1992 wurde dann im tschechischen Teil der Föderation ein Wert von 4,4 Prozent und im slowakischen Teil ein Wert von 12,7 Prozent erreicht.30 Zum Teil stiegen regionale Arbeitslosenquoten in der Slowakei auch auf über 20 Prozent.31

In Tschechien hielt die positive Entwicklung auch nach der Auflösung der ČSFR an: Zwischen 1993 und 1996 betrug die Arbeitslosenquote zwischen 3,9 und 4,8 Prozent und selbst in den Krisenjahren zwischen 1997 und 2000 lag sie noch deutlich unter zehn Prozent.32 Als Grund, warum die Arbeitslosigkeit gerade in den frühen 1990er-Jahren so gering blieb, wird zum einen angeführt, dass freigesetzte Arbeitskräfte aus schrumpfenden Industriezweigen schnell in der vergleichsweise stark expandierenden Privatwirtschaft unterkamen. Zum anderen wird darauf verwiesen, dass die »für die zentrale Planwirtschaft charakteristische Überbesetzung der Arbeitsplätze« noch einige Zeit über das Ende des Staatssozialismus hinaus fortbestand.33

Neben Liberalisierungs- und Deregulierungsmaßnahmen war die Privatisierung ein weiterer zentraler Bestandteil der wirtschaftlichen Reformen. Privatisierungen hatte es grundsätzlich schon in anderen Ländern und zu anderen Zeiten gegeben, jedoch ging es dabei in der Regel um einzelne Branchen oder große Staatsbetriebe, die innerhalb eines bereits bestehenden marktwirtschaftlichen Systems privatisiert wurden.34 Dementsprechend waren diese Privatisierungen auch nicht mit jenen in den ehemals staatssozialistischen Ländern vergleichbar, wo zwischen 70 und 90 Prozent der Volkswirtschaften von der staatlichen in die private Hand überführt wurden.35

In Tschechien erfolgte die Privatisierung in drei großen Schritten: Im Rahmen der Restitution konnten tschechoslowakische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger unter bestimmten Voraussetzungen enteignetes Vermögen zurückerhalten bzw. dafür entschädigt werden.36 Als zweiter Schritt folgte die Privatisierung kleiner und mittlerer Betriebe, welche vornehmlich in Versteigerungen an Privatpersonen veräußert wurden.37 Drittens stand die Privatisierung größerer Betriebe an, die meist mittels einer Mischung verschiedener Verfahren entstaatlicht wurden. Ein Verfahren war beispielsweise die Kuponprivatisierung, bei der tschechoslowakische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger gegen einen geringen Geldbetrag Kupons kaufen und diese für den Erwerb von Anteilen an größeren Staatsbetrieben einsetzen konnten.38 Es kam jedoch auch vor, dass größere Betriebe bzw. Anteile dieser Betriebe direkt verkauft wurden. Auch ausländische Investoren konnten sich so am tschechoslowakischen Privatisierungsprozess beteiligen.39

1 Für eine Darstellung der Privatisierung bzw. der die Privatisierung betreffenden Reformdiskurse in der Slowakei vor der Auflösung der Föderation vgl. Rameš: Trh bez přívlastků, S. 284 – 311.

2 Diese Begriffe werden in Bezug auf die Tschechoslowakei anders verwendet als in Bezug auf Deutschland. Mit nationaler Ebene ist im tschechoslowakischen Fall nicht die Bundesebene gemeint, sondern die Ebene der beiden Republiken, die jeweils als eigenständige Nationen begriffen wurden.

3 Vgl. Kopeček: The Velvet Divorce, S. 99; Štefanský: The fall of communism, S. 364.

4 Vgl. Kosta: Die Transformation des Wirtschaftssystems, S. 173; Vodička: Die Teilung, S. 14.

5 Rein quantitativ war Tschechien der Slowakei von der Bevölkerungszahl her deutlich überlegen (das Verhältnis lag bei circa 2 : 1). Hinzu kam beispielsweise, dass die tschechische Sprache die de facto dominante Sprache in der ČSSR und der ČSFR war, obwohl das Tschechische und das Slowakische auf dem Papier als selbstständige und gleichwertige Sprachen anerkannt wurden (zur Sprachenfrage, insbesondere nach dem Ende des Staatssozialismus, vgl. Schuppener: Sprachliche Identität in der zerfallenden Tschechoslowakei).

6 Auf formeller Ebene hatte es eine Föderation bereits zu staatssozialistischen Zeiten gegeben. Am 1. Januar 1969 wurde aus dem tschechoslowakischen Einheitsstaat eine Föderation, welche aus der Tschechischen Sozialistischen Republik und der Slowakischen Sozialistischen Republik bestand.

7 Bereits in den Jahren 1938 und 1939, genauer gesagt nach dem Abschluss des Münchner Abkommens und vor der nationalsozialistischen Zerschlagung der Tschechoslowakei, war diese Staatsbezeichnung verwendet worden.

8 Der Konflikt wird auch als »Gedankenstrich-Krieg« (rein typografisch handelt es sich um einen Bindestrich) bzw. auf Tschechisch »pomlčková válka« und auf Slowakisch »pomlčková vojna« bezeichnet (Rychlík: Rozdělení Československa, S. 127).

9 Vgl. Kopeček: The Velvet Divorce, S. 105; Štefanský: The fall of communism, S. 365.

10 Vgl. Bureš u. a.: Česká demokracie, S. 135; Kopeček: The Velvet Divorce, S. 106; Štefanský: The fall of communism, S. 366.

11 Vgl. ebd.

12 Vgl. Vodička: Die Teilung, S. 14.

13 Die Frage, wer die treibende Kraft hinter der Auflösung war – die Tschechische oder die Slowakische Republik –, wird in der Literatur unterschiedlich beantwortet. Einige Autoren sind der Meinung, das Verhalten bzw. die Interessen der tschechischen Seite seien letztlich dafür ausschlaggebend gewesen (vgl. z. B. Hilde: Slovak Nationalism, S. 648). Andere wiederum sehen als »Hauptverursacher« die Slowakei (vgl. z. B. Vodička: Die Teilung, S. 39). Eine weitere Gruppe ist der Auffassung, dass beide Seiten gleich viel zur Auflösung beitrugen (vgl. z. B. Orenstein: Out of the Red, S. 85).

14 Vgl. Bureš: Česká demokracie, S. 135, 145; Kopeček: The Velvet Divorce, S. 111; Orenstein: Out of the Red, S. 84 f.; Hilde: Slovak Nationalism, S. 647 f.

15 Das verabschiedete Dokument trug den Namen Erklärung des Slowakischen Nationalrats über die Souveränität der Slowakischen Republik (Deklarácia Slovenskej národnej rady o zvrchovanosti Slovenskej republiky).

16 Havel hätte wenig später ohnehin seinen Posten räumen müssen, da er von der Föderalversammlung nach den Wahlen im Juni 1992 nicht erneut zum tschechoslowakischen Staatspräsidenten gewählt worden war. Im Januar 1993, also nach der Samtenen Scheidung, wurde er dann in das Amt des tschechischen Staatspräsidenten gewählt; zu den weiteren Ausführungen in diesem Absatz vgl. Kopeček: The Velvet Divorce, S. 111; Orenstein: Out of the Red, S. 85; Štefanský: The fall of communism, 367; Vodička: Die Teilung, S. 5.

17 Vgl. ebd., S. 14.

18 Nach der Samtenen Revolution benannte sich die Partei erst in Kommunistische Partei der Tschecho-Slowakei (Komunistická strana Česko-Slovenska/KSČS) um. Ende 1990 teilte sich die KSČS in die Kommunistische Partei Böhmens und Mährens (Komunistická strana Čech a Moravy/KSČM) und in die Kommunistische Partei der Slowakei (Komunistická strana Slovenska/KSS). Aus der KSS wurde im Frühjahr 1992 die Partei der demokratischen Linken (Strana demokratickej ľavice/SDĽ), welche eine komplette Trennung von ihrer tschechischen »Schwester« noch vor der Auflösung der ČSFR vollzog.

19 Ausführliche Darstellungen zu den (partei-)politischen Entwicklungen in den frühen 1990er-Jahren liefern u. a.: Bureš u. a.: Česká demokracie; Suk: Labyrintem revoluce.

20 Vgl. Orenstein: Out of the Red, S. 82.

21 Die ODA hatte es bereits seit 1990 gegeben, ihre Vertreter hatten aber auf den Listen des OF für politische Ämter kandidiert (zur Entwicklung der ODA vgl. Roubal: Anti-Communism of the Future). Die Aufspaltung des Bürgerforums generell wird ausführlich dargestellt in: Rameš: Trh bez přívlastků, S. 130 – 139.

22 Nach der Auflösung der Föderation wurde aus der Tschechoslowakischen Sozialdemokratie die Tschechische Sozialdemokratische Partei (Česká strana sociálně demokratická/ČSSD).

23 Vgl. Orenstein: Out of the Red, S. 83 f.

24 Vgl. Šulc: Systémové základy, S. 114; Slaný: Proces transformace, S. 23; zur Einordnung der Ereignisse von 1989/90 als überraschend vgl. z. B.: Kocka: Überraschung und Erklärung; Kuran: Now out of Never.

25 Vgl. Kosta: Die Transformation des Wirtschaftssystems, S. 173.

26 In Ungarn wurde im selben Jahr ein Wert von 34,79 Prozent und in Polen ein Wert von 70,3 Prozent erreicht. 1990 hatte die Inflation in Polen sogar bei 251,1 Prozent und 1989 bei 585,9 Prozent gelegen (vgl. World Bank: The World Economic Outlook [WEO] Database April 1999, https://www.imf.org/en/Publications/WEO/weo-database/1999/April [Zugriff am 13. 1. 2021]).

27 Vgl. Segert: Transformationen in Osteuropa, S. 204.

28 Vgl. Kosta: Die Transformation des Wirtschaftssystems, S. 187.

29 Vgl. Segert: Transformationen in Osteuropa, S. 192.

30 Vgl. Švejnar/Terrellová/Münich: Nezaměstnanost v české a slovenské republice, S. 237.

31 Vgl. Kosta: Die Transformation des Wirtschaftssystems, S. 175.

32 Vgl. Český statistický úřad: Základní charakteristiky ekonomického postavení obyvatelstva ve věku 15 a více let (Zaměstnanost, nezaměstnanost), https://vdb.czso.cz/vdbvo2/faces/cs/index.jsf?page=vystup-objekt&z=T&f=TABULKA&skupId=426&katalog=30853&pvo=ZAM01-C&pvo=ZAM01-C&u=v413__VUZEMI__97__19#fx=0&w= (Zugriff am 30. 7. 2021). Zum Vergleich: In Ostdeutschland lag die Arbeitslosenquote 1991 bei 10,2 Prozent und in Westdeutschland bei 6,2 Prozent. In den Folgejahren stieg die Arbeitslosenquote in Ostdeutschland weiter an und erreichte 2005 einen Höchstwert von 20,6 Prozent, während die westdeutsche Arbeitslosenquote im selben Jahr bei 11,0 Prozent lag (vgl. Statistik der Bundesagentur für Arbeit: Arbeitslosigkeit im Zeitverlauf, https://www.destatis.de/DE/Themen/Wirtschaft/Konjunkturindikatoren/Lange-Reihen/Arbeitsmarkt/lrarb003ga.html (Zugriff am 30. 7. 2021).

33 Kosta: Die Transformation des Wirtschaftssystems, S. 175.

34 Zu Privatisierungen in der Bundesrepublik, u. a. in den Fällen Lufthansa, VEBA oder der Post vgl. z. B. Fuder: No experiments; Handschuhmacher: »Was soll und kann der Staat noch leisten?«.

35 Vgl. Orenstein: Out of the Red, S. 96; Segert: Transformationen in Osteuropa, S. 199.

36 Vgl. hierzu ausführlich Kapitel III.1.

37 Vgl. hierzu ausführlich Kapitel III.2.

38 Vgl. hierzu ausführlich Kapitel III.3; im Tschechischen werden die Anteilsscheine als kupóny bezeichnet. Angelehnt an diese Bezeichnung ist in dieser Studie die Rede von »Kupon«, »Kupons«, »Kuponmethode« und »Kuponprivatisierung« (das diakritische Zeichen über dem »o« wird bei den eingedeutschten Bezeichnungen weggelassen). In der Forschungsliteratur geläufig sind auch die Bezeichnungen »Coupon« und – besonders häufig – »Voucher«.

39 Vgl. hierzu ausführlich Hauptkapitel IV.