Der Weg ins Verderben - James Rickards - E-Book

Der Weg ins Verderben E-Book

James Rickards

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Beschreibung

Die weltweite Konjunktur hat sich nach der Finanzkrise unglaublich schnell erholt. Geradezu unnatürlich schnell. Die tönernen Füße, auf denen die erstaunliche Erholung steht, haben Namen: künstliche Niedrigstzinsen und eine epische Geldschwemme durch die Zentralbanken. Doch es ist nur eine Frage der Zeit, bis diese wegbrechen. Danach werden uns die Zentralbanken dieser Welt nicht mehr retten können. Die Regierungen haben bereits einen neuen Plan für die kommende Wirtschaftskrise und der heißt »Lockdown«: Statt frisches Geld drucken zu lassen, bereiten Staaten die Schließung von Banken und Börsen vor, damit die mächtigsten Finanzmarktakteure keine Transaktionen mehr tätigen können. Gleichzeitig werden Vorkehrungen getroffen, diese Maßnahmen zu legalisieren. Die globalen Eliten bereiten sich schon jetzt darauf vor, indem sie Bargeldreserven und Sachwerte horten. Doch für den Durchschnittsanleger sieht die Sache anders aus, wenn die Pforten ins Verderben erst einmal geöffnet sind. Dass auch Privatanleger dem nicht ganz schutzlos ausgeliefert sind und wie sie sich vorbereiten können, zeigt James Rickards in seinem neuen Buch.

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Seitenzahl: 591

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Für Fragen und Anregungen:

[email protected]

2. Auflage 2019

© 2017 by FinanzBuch Verlag,

ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH

Nymphenburger Straße 86

D-80636 München

Tel.: 089 651285-0

Fax: 089 652096

Die englische Originalausgabe erschien 2016 bei Portfolio unter dem Titel »The Road to Ruin«. © 2016 by Portfolio. All rights reserved.

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Übersetzung: Karsten Petersen

Redaktion: Werner Wahls

Korrektorat: Leonie Zimmermann

Umschlaggestaltung: Marc Fischer

Umschlagabbildung: C.J.Burton

Satz und E-Book Produktion: Satzwerk Huber, Germering

ISBN Print 978-3-95972-024-3

ISBN E-Book (PDF) 978-3-96092-030-4

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-96092-031-1

Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter

www.finanzbuchverlag.de

Beachten Sie auch unsere weiteren Verlage unter www.m-vg.de

Inhalt

Vorwort zur deutschen Ausgabe

Einführung

Kapitel 1: Dies ist das Ende

Kapitel 2: Eine Währung, eine Welt, eine Ordnung

Kapitel 3: Wüstenstadt der Wissenschaft

Kapitel 4: Vorbeben 1998

Kapitel 5: Vorbeben 2008

Kapitel 6: Erdbeben 2018

Kapitel 7: Freudenfeuer der Eliten

Kapitel 8: Kapitalismus, Faschismus und Demokratie

Kapitel 9: Siehe, ein schwarzes Pferd

Schlussbemerkung

Danksagung

Ausgewählte Quellen

Anmerkungen

Dem Gedenken an John H. Makin gewidmet,Ökonom, Mentor und Freund. Wir brauchen ihn heute mehr denn je.

Als das Lamm das dritte Siegel öffnete, hörte ich das dritte Lebewesen rufen: Komm! Da sah ich ein schwarzes Pferd; und der, der auf ihm saß, hielt in der Hand eine Waage. Inmitten der vier Lebewesen hörte ich etwas wie eine Stimme sagen: Ein Maß Weizen für einen Denar und drei Maß Gerste für einen Denar. Aber dem Öl und dem Wein füge keinen Schaden zu!

Offenbarung 6:5-6

Vorwortzur deutschen Ausgabe

Ich habe mich sehr über die Einladung meines Verlegers gefreut, dieses Vorwort für die deutsche Ausgabe meines Buches The Road to Ruin zu schreiben. Jeder Autor wünscht sich, ein möglichst großes Publikum zu erreichen, und so freue ich mich sehr über die Gelegenheit, diese Arbeit dem deutschsprachigen Leser in Deutschland und in aller Welt präsentieren zu können.

Seit die erste englische Ausgabe im November 2016 erschienen ist, hat es einige wichtige politische und wirtschaftliche Entwicklungen gegeben, die mit den Hauptthemen dieses Buches im Zusammenhang stehen. Diese Entwicklungen haben die im Buch beschriebenen Gefahren noch verschärft. Das internationale Finanzsystem wird von Tag zu Tag instabiler und gefährlicher.

Die meisten Analysten behandeln traditionell die globalen makroökonomischen Entwicklungen und Geopolitik als separate Sphären. Natürlich hat es schon immer gewisse Überschneidungen zwischen ihnen gegeben. So waren zum Beispiel seit der Antike wirtschaftliche Sanktionen in Form von Handelsblockaden ein Element der Kriegsführung. Aber heute wachsen diese Überschneidungen schneller als die Zahl der Analysten, die sich in beiden Bereichen auskennen. Die entwickelten Länder haben brillante Generäle und versierte Ökonomen, aber kaum Experten, die in beiden Sphären beschlagen sind. Durch diesen Mangel an interdisziplinärem Fachwissen entstehen blinde Flecken, in deren Bereich die Experten des einen Fachgebiets die Entwicklungen im anderen nicht sehen. In einer globalisierten, vernetzten Welt sind solche blinden Flecken gefährlich und potenziell verhängnisvoll. Dieses Buch soll die Zusammenhänge zwischen Ökonomik und Geopolitik aufzeigen und so diese blinden Flecken beleuchten.

Es gibt keine bessere Illustration dieses Phänomens als den neuen Weltkrieg, der zwischen Russland und den Vereinigten Staaten bereits begonnen hat. Deutschland ist zwar mit den Vereinigten Staaten verbündet, aber wirtschaftlich auch Russland eng verbunden. Daher hat Deutschland am meisten zu verlieren, wenn die Spannungen zwischen den beiden Supermächten eskalieren.

Die Geschichte der Kriegsführung ist eine Geschichte von neuen Waffen, die alte ersetzen. Schusswaffen ersetzten Schwerter, Panzer ersetzten Pferde, Flugzeugträger ersetzten Schlachtschiffe. Heute werden sämtliche kinetischen Waffensysteme nach und nach durch unsichtbare cyber-finanzielle Waffen und wirtschaftliche Sanktionen ersetzt. Wenn es das Ziel eines Krieges ist, die Wirtschaft eines Feindes zu schwächen und zu zerstören und seine Bevölkerung zu demoralisieren, dann sind cyber-finanzielle Waffen mindestens so wirkungsvoll wie Bomben und Geschosse. Die kritische Infrastruktur wie Banken, Börsen, das Stromnetz, Internet-Backbones und Atomkraftwerke lahmzulegen ist so destruktiv für eine Volkswirtschaft, als würde man Brücken, Straßen und Fabriken in die Luft sprengen.

Dieser neue Krieg begann im Januar 2014 mit den Bemühungen des Westens, einen prorussischen Präsidenten in der Ukraine zu Fall zu bringen. Diese Bemühungen waren zwar erfolgreich, provozierten jedoch Vergeltungsmaßnahmen: Russland annektierte die Krim und begann, sich in das Geschehen in der Ostukraine einzumischen. Die Vereinigten Staaten wollten nicht militärisch auf die russische Expansion reagieren, sondern verhängten stattdessen eine Serie von immer einschneidenderen Wirtschaftssanktionen. Im Großen und Ganzen machte Deutschland bei diesen Sanktionen mit, ungeachtet seiner engen wirtschaftlichen Beziehungen zu Russland.

Der Fehler der Vereinigten Staaten bestand darin, zu glauben, diese Sanktionen seien auf die eine oder andere Weise etwas anderes als militärische Gewalt. Russland sah diesen Unterschied nicht und fasste die westlichen Sanktionen als kriegerischen Akt auf. Dann verschärfte Russland den Krieg durch eine Reihe von Attacken und Computer-Hacks, die darauf abzielten, in den Besitz wertvoller Geheimnisse zu kommen oder führende Politiker im Westen bloßzustellen.

Während des Kalten Krieges setzte eine Doktrin, die als »mutually assured destruction« (MAD, »gegenseitig garantierte Vernichtung«) bezeichnet wurde, praktische Grenzen für destruktives Verhalten und Eskalation. Es war nicht sinnvoll, einen Atomschlag gegen einen Feind zu führen, wenn ihm danach noch genug Raketen und nukleare Sprengköpfe blieben, um einen Gegenschlag zu führen, der den Angreifer vernichten würde. Diese Doktrin, auch »Gleichgewicht des Schreckens« genannt, bewahrte ein stabiles, wenn auch beklemmendes Gleichgewicht, während über Rüstungskontrolle verhandelt wurde.

Die MAD-Doktrin konnte nur erfolgreich sein, wenn drei Voraussetzungen erfüllt waren: eine kleine Anzahl Beteiligter (im Wesentlichen die USA und die Sowjetunion, heute Russland), deren rationales Verhalten und relativ gute Informationen. Waren diese drei Voraussetzungen erfüllt, konnte ein spieltheoretischer Problemlösungsansatz angewandt werden.

In einem cyber-finanziellen Krieg sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt. Neben den Hauptgegnern – also den Vereinigten Staaten und Russland – fällt anderen Ländern die Rolle von »Frontstaaten« zu, zum Beispiel China, Iran, Türkei, Nordkorea und Syrien. Das Schlachtfeld liegt im Cyber-Space und die Waffen sind tödlich, aber unsichtbar. Bei manchen dieser Akteure, vor allem dem Iran und Nordkorea, ist kein Verlass darauf, dass sie sich rational verhalten werden. Informationen über die Fähigkeiten und Waffen eines Gegners sind kaum zu beschaffen; in einem cyber-finanziellen Krieg werden die meisten Beteiligten nicht einmal zugeben, dass sie überhaupt beteiligt sind. Im Gegensatz zu anderen Formen der Kriegsführung gibt es für die cyber-finanzielle keine allgemein anerkannten Verhaltensnormen.

Daher sind die Risiken einer unkontrollierten Eskalation ganz erheblich. Wenn die Vereinigten Staaten als Vergeltung für die russische Beteiligung an den WikiLeaks-Enthüllungen über US-Politiker einen Cyber-Angriff gegen Russland starteten, würde Russland sich dann wehren, indem es die New Yorker Börse lahmlegt? Noch beunruhigender als eine absichtliche Eskalation ist ein ungewollter Fehler, der unkontrollierte Folgen nach sich zieht, die schnell um sich greifen und zu finanziellen Verwüstungen führen. Bevor ein Computervirus in die Finanz-Infrastruktur eines Gegners eingeschleust werden kann, muss diese Infrastruktur ausgekundschaftet, penetriert und analysiert werden. Die Risiken, dass ein Fehler während der Sondierungs- oder Penetrierungsphase zu einer finanziellen Katastrophe führt, sind ganz erheblich.

Solche cyber-finanziellen Bedrohungen existieren zusätzlich zu der Instabilität, die dem internationalen Währungssystem aufgrund von Zentralbankinterventionen und privater Gier ohnehin innewohnt. Die Zentralbanken nutzen veraltete Gleichgewichtsmodelle, um ein Finanzsystem zu managen, das kein Gleichgewichtssystem ist, sondern ein komplexes dynamisches System, das völlig anders funktioniert, als ein Zentralbanker annimmt. Da es ihnen nicht gelingt, die statistischen Eigenschaften von Risiko in komplexen Systemen zu verstehen, sind Bankiers und Bankenaufseher blind für die Instabilitäten, die sich in Form von immer mehr Derivaten, Leverage, faulen Krediten und verlorenem Vertrauen aufbauen.

Das internationale Währungssystem hat in den vergangenen Jahren eine Reihe von Schocks erlebt, so zum Beispiel das Fallen des Pfund Sterling gegenüber dem Dollar um 14 Prozent am 23. Juni 2016, den Absturz des Euro gegenüber dem Schweizer Franken um 20 Prozent am 15. Januar 2015 und einen Flash Crash der Renditen von US-Schatzwechseln am 15. Oktober 2014. Alle drei Ereignisse spielten sich innerhalb weniger Minuten oder Stunden ab; früher haben so extreme Schwankungen Monate oder Jahre gebraucht. Das Währungssystem fängt an »umherzutaumeln«.

Diese Art von Volatilität ist beunruhigend, aber nicht überraschend. Heute hat das internationale Währungssystem keinen Anker mehr. Währungen und andere Formen von Geld – etwa Gold – können stark gegeneinander schwanken, weil es keine global anerkannte Maßeinheit für Wert gibt. Es ist zu erwarten, dass diese Schwankungen so lange weitergehen werden, bis das Finanzsystem zusammenbricht, in welchem Fall Gold die sicherste Form von Geld sein wird, oder bis eine Reform des globalen Währungssystems im Stil von Bretton Woods erreicht worden ist.

Leider lassen die führenden Politiker nicht erkennen, dass sie die Gefahr sehen würden oder bereit wären, im Rahmen einer neu aufgelegten Bretton-Woods-Konferenz etwas dagegen zu tun. Stattdessen ist die Welt auf einem Weg, der bestenfalls in die Stagnation führt und schlimmstenfalls in eine weltweite Rezession – vorausgesetzt, es kommt nicht zu einer akuten Finanzpanik von der Art, wie sie 2008 entstanden war. Leider wird es in den kommenden paar Jahren mit ziemlicher Sicherheit zu einer neuen Finanzpanik kommen, die um einiges schlimmer werden dürfte als jene von 2008.

Die Federal Reserve wird versuchen, 2017 auf dem eingeschlagenen Kurs zu bleiben und die Leitzinsen weiter zu erhöhen. Aber dieses Bemühen um Zinserhöhungen könnte noch vor Ende 2017 zu einer Rezession in den Vereinigten Staaten führen. Auch in China zeigt sich die Wirtschaft schwächer und es kommt immer häufiger zu Kreditausfällen sowie Preisblasen auf den Immobilien- und Aktienmärkten. Der japanischen Zentralbank ist es nicht gelungen, die Inflationsziele Japans zu erreichen, und die EZB entdeckt gerade, dass negative Zinsen nicht wie beabsichtigt funktionieren, um die schwächelnden Volkswirtschaften der EU-Mitgliedsländer wiederzubeleben. Weltweit steigt die Verschuldung, das Wachstum verlangsamt sich und die finanzielle Instabilität nimmt immer weiter zu. Eine neue globale Finanzkrise, die schlimmer sein wird als 2008, ist nur eine Frage der Zeit.

In diesem Buch vertrete ich die Auffassung, dass jedes Währungssystem auf Vertrauen basiert, aber Vertrauen ist empfindlich und kann leicht verloren gehen. Ist Vertrauen erst einmal verloren gegangen, ist es fast unmöglich, es wiederherzustellen. Die globalen Eliten nehmen das Vertrauen der Menschen als Selbstverständlichkeit an und sehen die Möglichkeit nicht, dass ihre veralteten Modelle, falschen Prognosen und gescheiterte Politik das Vertrauen in das Geld zerstören und die Stimmung der Menschen immer näher an den Point of no Return bringen könnten.

Sollte eine Finanzpanik um sich greifen, werden die Eliten bereitstehen, um durch Konto-Einfrierungen, Börsenschließungen und, falls erforderlich, Standrecht ihre privilegierten Positionen zu bewahren. All diese Maßnahmen werden als »vorübergehend« bezeichnet werden, während umfassendere Lösungen geplant und umgesetzt würden, darunter auch das Emittieren von neuem Weltgeld in riesigen Mengen durch den Internationalen Währungsfonds. Das Ergebnis wird eine verheerende Inflation sein und die Zerstörung von Wohlstand in einer Art und Weise, die den Deutschen nur allzu vertraut ist und an die sie tief sitzende historische Erinnerungen haben.

Zum Glück muss der einzelne Sparer oder Anleger diesem Plan der Eliten nicht unbedingt zum Opfer fallen. Es gibt konkrete Maßnahmen, die jeder sofort ergreifen kann, um selbst in den schlimmsten Szenarien seinen Wohlstand zu bewahren. Diese Maßnahmen werden in diesem Buch ausführlich beschrieben. Ich hoffe, dass die deutschen Leser es interessant und aufschlussreich finden werden.

James Rickards

Kapitel 1: Dies ist das Ende

Wie schön, ach, wie schön,

So verschiedene Leute

Zusammen zu sehn.8

Aus dem Science-Fiction-Roman Katzenwiege von Kurt Vonnegut, 1963

Die Unterhaltung

Das Aureole ist ein elegantes Restaurant mit einem schicken, modernen Design und hohen Decken. Es befindet sich an der West 42nd Street in Manhattan zwischen dem von Touristen überlaufenen Times Square und dem Bryant Park, einer grünen Oase mitten in der Großstadt. Die neoklassizistische New York Public Library, deren Eingang von zwei marmornen Löwen namens »Patience« und »Fortitude« (»Geduld« und »Seelenstärke«) bewacht wird, liegt nicht weit entfernt.

An einem angenehmen Abend im Juni 2014 saß ich dort mit drei Gefährten an einem Fenstertisch. Wir hatten einen kurzen Spaziergang vom Hörsaal der Bibliothek, wo ich einen Vortrag über das internationale Finanzwesen gehalten hatte, ins Aureole gemacht.

Die Bibliothek gewährte kostenlosen Eintritt zu meinem Vortrag. Jedes kostenlos zugängliche Ereignis in New York City zieht ein eklektisches Publikum an, das wesentlich vielfältiger ist als bei einer meiner typischen Präsentationen in einer Institution. Ein Herr im Publikum trug einen orangefarbenen Anzug, Fliege, Sonnenbrille und einen leuchtend hellgrünen Derby-Hut. Er saß in der ersten Reihe. Seine Erscheinung erregte keinerlei Aufsehen.

Die New Yorker sind nicht nur in der Wahl ihrer Garderobe ausgesprochen kühn, sondern typischerweise auch ungewöhnlich clever. Als ich nach dem Vortrag Fragen aus dem Publikum beantwortete, hob ein Zuhörer die Hand und sagte: »Ich halte Ihre Warnungen vor systemischem Risiko für berechtigt, aber ich stecke in einem betrieblichen 401(k)-Pensionsplan fest. Was sollte ich tun?« Meine spontane Empfehlung war: »Kündigen Sie Ihren Job.«

Dann sagte ich: »Aber mal im Ernst: Schichten Sie die Hälfte Ihrer Anlagen von Aktien in Cash um. So haben Sie immer noch ein gewisses Gewinnpotenzial, aber mit weniger Volatilität, und Sie haben andere Optionen, wenn die Lage klarer wird.« Das war alles, was er tun konnte. Während ich ihm antwortete, wurde mir klar, dass Millionen von Amerikanern in der gleichen Aktienfalle sitzen.

Im Aureole war es Zeit für einen entspannten Abend. Das Publikum war die übliche Midtown-Mischung von Moguln und Models. Ich befand mich in Gesellschaft dreier brillanter Damen. Zu meiner Linken saß Christina Polischuk, eine frühere Top-Beraterin von Barclays Global Investors, die sich inzwischen zur Ruhe gesetzt hatte. Barclays Global Investors war eine der weltweit größten Vermögensverwaltungen, bis das Unternehmen 2009 von BlackRock übernommen wurde. Diese Akquisition beförderte BlackRock an die Spitze seiner Liga, mit fast fünf Billionen Dollar an Vermögenswerten (Assets) unter seiner Verwaltung – mehr als die Wirtschaftsleistung von Deutschland.

Mir gegenüber saß meine Tochter Ali. Sie hatte sich gerade selbstständig gemacht als Beraterin für digitale Medien, nachdem sie vier Jahre lang Hollywoodstars der ersten Liga beraten hatte. Zu meiner Rechten saß eine der mächtigsten, aber öffentlich kaum bekannten Frauen der Finanzwelt, nämlich die Consigliere von Larry Fink, dem CEO von BlackRock. Sie war BlackRocks Ansprechpartnerin für die Regierung, die sich nach dem Zusammenbruch von 2008 bemühte, das Finanzsystem an die Kandare zu nehmen. Als die Regierung an BlackRocks Tür klopfte, war sie es, die öffnete.

Bei einer Flasche Weißburgunder unterhielten wir uns über alte Zeiten, gemeinsame Freunde und das Publikum bei meinem Vortrag. Dabei hatte ich auch über die Komplexitätstheorie und zuverlässige Daten gesprochen, die zeigten, dass das Finanzsystem auf einen Zusammenbruch zusteuerte. Meine Gesprächspartnerin zur Rechten brauchte keine Vorträge über systemisches Risiko; in ihrer Rolle bei BlackRock stand sie dort, wo die Ansteckungsgefahren am größten waren.

Unter Larry Finks Führung hat sich BlackRock in den vorangegangenen 25 Jahren zum mächtigsten Unternehmen unter den Vermögensverwaltungen entwickelt. BlackRock verwaltet separate Konten für die größten Geldinstitute der Welt sowie Investmentfonds und andere Investitionsinstrumente für Investoren aller Größen. BlackRock sponsert milliardenschwere ETFs (»Exchange Traded Funds«, börsengehandelte Fonds) über seine iShares-Plattform.9

Von Fink eingefädelte Akquisitionen, darunter State Street Research, Merrill Lynch Investment Management und Barclays Global Investors, in Verbindung mit internem Wachstum und neuen Produkten haben BlackRock an die Spitze der Vermögensverwaltungen befördert. BlackRocks fünf Billionen Dollar an verwalteten Assets sind auf Aktien, festverzinsliche Anlagen, Rohstoffe, Devisen und Derivate verteilt, über Märkte auf fünf Kontinenten. Keine andere Vermögensverwaltung hat diese enorme Größe und Breite. BlackRock ist der neue Leviathan an den Finanzmärkten.

Fink wird zwanghaft getrieben von seinem Streben nach Asset-Wachstum und der damit einhergehenden finanziellen Macht. In der Regel steht er früh auf, saugt die Nachrichten auf, arbeitet seinen äußerst aufreibenden Terminplan ab, der nur von Power-Lunches und -Dinners aufgelockert wird, und geht abends um halb elf Uhr schlafen, um fit zu sein für den nächsten Tag, an dem das ganze Spiel von Neuem beginnt. Wenn er nicht zwischen seiner Wohnung in East Side Manhattan und seinem Büro in Midtown pendelt, ist er auf dem Parcours der globalen Machteliten anzutreffen, zum Beispiel in Davos im Januar, auf IWF-Meetings im April, zu »Weißen Nächten« im Juni in St. Petersburg und so weiter, rund ums Jahr und rund um den Globus, bei Meetings mit Kunden, Staatsoberhäuptern, Zentralbankiers und anderen weniger bekannten, aber dennoch auffällig mächtigen Zeitgenossen.

Eine solche Machtfülle bleibt in Washington nicht unbemerkt. Die US-Regierung operiert wie die Black Hand, ein Vorgänger der Mafia, die in dem Film Der Pate – Teil II dargestellt wird. Wenn Sie Schutzgeld in Form von Wahlkampfspenden zahlen, an die richtigen Stiftungen spenden, die richtigen Berater, Anwälte und Lobbyisten engagieren und sich der Regierungsagenda nicht widersetzen, werden Sie in Ruhe gelassen, um Ihren Geschäften nachzugehen.

Wenn Sie allerdings kein Schutzgeld zahlen, wird Washington Ihre Fenster einschlagen, um Sie zu warnen. In den Vereinigten Staaten des 21. Jahrhunderts schlägt die Regierung Ihre Fenster ein, indem sie Sie mit politisch motivierten Anschuldigungen wegen Steuervergehen, Betrug oder Kartellabsprachen überzieht. Sollte auch das Sie immer noch nicht zur Räson bringen, wird die Regierung Ihnen einen weiteren Besuch abstatten, um Ihren Laden niederzubrennen.

Die Obama-Regierung trieb die Kunst der politisch motivierten Strafverfolgung auf Höhen, die seit 1934 nicht mehr erreicht wurden. Damals betrieb die Roosevelt-Administration eine Anklage gegen Andrew Mellon, einen angesehenen ehemaligen Finanzminister. Mellons einzige Vergehen bestanden darin, dass er reich war und ein lautstarker Widersacher von Franklin Delano Roosevelt (FDR). Letztlich wurden sämtliche Anschuldigungen gegen ihn fallen gelassen, aber dennoch kam die politisch motivierte Strafverfolgung beim linken Flügel der Roosevelt-Kohorte gut an.

Jamie Dimon, der CEO von JPMorgan Chase, lernte diese Lektion auf die harte Tour, als er 2012 Obamas Bankenregulierungspolitik öffentlich kritisierte. Im Laufe der darauffolgenden zwei Jahre zahlte JPMorgan über 30 Milliarden Dollar an Geldstrafen und Compliance-Kosten, um eine Vielzahl von straf- und zivilrechtlichen Verfahren wegen Betrugs beizulegen, die vom Obama-Justizministerium und diversen Aufsichtsbehörden angestrengt worden waren. Die Obama-Administration wusste, dass es viel lukrativer ist, Großbanken in die Zange zu nehmen statt Einzelpersonen, wie Roosevelt es getan hatte. Unter dem Regime dieser neuen Schwarzen Hand zahlten Aktionäre die Kosten und CEOs konnten ihre Jobs behalten, wenn sie denn den Mund hielten.

Fink spielte das politische Spiel wesentlich geschickter als Dimon. In einem Bericht der Wirtschaftszeitschrift Fortune heißt es: »Fink … ist ein überzeugtes Mitglied der Demokratischen Partei … dem häufig nachgesagt wird, er strebe ein hohes Regierungsamt an, zum Beispiel als Finanzminister.«10 Bis dahin war es Fink gelungen, die Angriffe zu vermeiden, denen seine Rivalen ausgesetzt waren.

Aber dann sah Fink sich mit einer Bedrohung konfrontiert, die massiver war als willkürliche Strafverfolgungen und Anfeindungen aus dem West Wing des Weißen Hauses. An dieser Bedrohung war zwar auch das Weiße Haus beteiligt, sie ging jedoch von den höchsten Ebenen des IWF und der G20 aus, dem Club der wichtigsten Wirtschaftsmächte. Sie ist unter der beruhigenden Bezeichnung »G-SIFI« bekannt, die Laien täuschen soll. Diese Abkürzung steht für »Globally Systemic Important Financial Institution« (»Global systemrelevante Finanzinstitution«). Eigentlich bedeutet G-SIFI nichts anderes als »Too big to fail«. Wenn ein Unternehmen auf der G-SIFI-Liste steht, wird es von der Regierung gestützt, weil sein Scheitern das globale Finanzsystem ins Wanken bringen würde. Auf dieser Liste stehen nicht nur große US-Banken, sondern eine ganze Reihe von riesigen Konzernen, welche die Finanzwelt dominieren. G-SIFI geht sogar über »Too big to fail« hinaus; auf dieser Liste stehen auch Organisationen, die zu groß sind, um in Ruhe gelassen zu werden. Die G20 und der IWF wollen die G-SIFIs nicht nur beobachten, sie wollen sie beherrschen.

Jedes größere Land hat seine eigene Liste von SIFIs und von »Systemically Important Banks« (SIBs), die ebenfalls »Too big to fail« sind. In den Vereinigten Staaten zählen JPMorgan und Citibank dazu sowie einige weniger bekannte Geldhäuser, etwa die Bank of New York, das Clearing-Nervenzentrum für den US-Staatsanleihen-Markt.

Mir waren diese Hintergründe bekannt, als ich mich an jenem Abend zum Dinner setzte. Die neueste Entwicklung war, dass Regierungen nicht nur Banken, sondern auch Finanzkonzerne, die keine Bank sind, in ihr Netz miteinbezogen.

Einige dieser Unternehmen waren leichte Beute, zum Beispiel der Versicherungsgigant AIG, der 2008 das Finanzsystem beinahe in den Abgrund gerissen hätte, und General Electric, dessen Kreditabteilung es während der Panik in jenem Jahr nicht gelungen war, ihre kurz laufenden Anleihen (Commercial Paper) umzuschulden. Weit mehr als das Versagen von Wall-Street-Banken versetzte das Einfrieren von General Electric den damaligen Fed-Chef Ben Bernanke am heftigsten in Panik. Der Zusammenbruch der General-Electric-Kreditabteilung zog sämtliche Konzerne in den USA in Mitleidenschaft, was direkt zu staatlichen Garantien für alle Bankeinlagen, Geldmarktfonds und kurzfristigen Unternehmensanleihen führte. Die Kernschmelze von General Electric war ein Moment allerhöchster Anspannung und alle Regierungen waren grimmig entschlossen, so etwas nie wieder zuzulassen.

Sobald GE und AIG gerettet worden waren, stellte sich die Frage, wie weit man das Netz für Nicht-Banken auswerfen sollte. Der Versicherungskonzern Prudential Insurance ging als Nächster ins Netz; etliche Regierungen versuchten, nicht nur die Banken und Großkonzerne zu kontrollieren, sondern auch die größten Vermögensverwalter der Welt. MetLife Insurance war das nächste Ziel auf der Abschussliste; BlackRock befand sich bereits im Fadenkreuz.

Ich fragte meine Tischnachbarin, »Wie läuft eigentlich diese ganze SIFI-Sache? Sie haben bestimmt eine Menge zu tun.«

Ihre Antwort erschreckte mich: »Es ist schlimmer, als Sie denken.«

Ich wusste, dass die Regierung versuchte, BlackRock der SIFI-Kategorie für Nicht-Banken zuzuweisen. Seit Monaten war hinter den Kulissen ein Kampf der BlackRock-Manager im Gange, diese Kategorisierung zu verhindern. Ihre Argumente waren ganz einfach: BlackRock sei ein Vermögensverwalter, keine Bank. Eine Vermögensverwaltung könne nicht pleitegehen; ihre Kunden dagegen schon.

BlackRock bestand darauf, dass Größe allein kein Problem sei. Die verwalteten Assets gehörten den Kunden, nicht BlackRock. Letztlich, so wurde argumentiert, sei BlackRock lediglich ein bezahlter Gehilfe für seine institutionellen Kunden und als solcher nicht wichtig.

Fink vertrat den Standpunkt, das systemische Risiko liege bei den Banken, nicht bei BlackRock. Banken leihen sich kurzfristig Geld von Einlegern und anderen Banken und verleihen dieses Geld dann langfristig als Hypotheken- oder Unternehmensdarlehen. Durch diesen Fristenkonflikt zwischen Forderungen und Verbindlichkeiten wird die Bank anfällig für den Fall, dass kurzfristige Gläubiger in einer Panik ihr Geld zurückfordern. Langfristige Forderungen können nicht kurzfristig liquidiert werden, es sei denn durch einen Notverkauf.

Die moderne Finanztechnologie verschlimmert dieses Problem noch, da Derivate die Möglichkeit schaffen, dass dieser Fristenkonflikt durch Hebelung noch verschärft und auf schwer nachvollziehbaren Wegen auf eine größere Zahl von Gegenparteien verteilt wird. Wenn eine Panik ausbricht, können selbst Zentralbanken, die bereit sind, als letztinstanzliche Kreditgeber einzuspringen, das Geflecht von Transaktionen nicht mehr rechtzeitig entwirren, um zu verhindern, dass wie bei einem Dominoeffekt eine Bank nach der anderen in den Abgrund gerissen wird. All das hat sich schon zur Genüge während der Panik von 2008 gezeigt und auch schon früher beim Zusammenbruch des Hedgefonds Long-Term Capital Management (LTCM) im Jahr 1998.

BlackRock hat keines dieser Probleme. Das Unternehmen ist schlicht und ergreifend eine Vermögensverwaltung. Seine Kunden vertrauen ihm ihre Vermögenswerte an, um sie anzulegen. Auf der anderen Seite der Bilanz stehen keine Verbindlichkeiten. BlackRock braucht keine Einleger oder Geldmarktfonds, um seine Operationen zu finanzieren. BlackRock agiert nicht als Auftraggeber von exotischen außerbilanziellen Derivaten, um die Assets seiner Kunden zu hebeln.

Ein Kunde engagiert BlackRock, stellt ihm gemäß einem Beratungsvertrag Vermögenswerte zur Verfügung und zahlt ein Honorar für die Beratungsleistung. Theoretisch ist das Schlimmste, was dem Unternehmen passieren kann, dass es Kunden verlieren oder weniger Honorar einnehmen könnte. Sein Aktienkurs könnte fallen. Aber selbst dann kann BlackRock keinen klassischen Bankrun erleiden, weil es keine kurzfristige Finanzierung braucht, um sein Geschäft zu betreiben, und nicht hochgradig gehebelt ist. BlackRock ist anders als eine Bank und sicherer.

Ich sagte: »Nun, ich weiß, was die Regierung tut. Sie wissen, dass ihr keine Bank seid und kein Finanzierungsrisiko habt. Sie wollen einfach nur Informationen. Sie wollen euch auf die SIFI-Liste für Nicht-Banken setzen, damit sie zu euch kommen, herumschnüffeln, sich eure Investments ansehen und diese Informationen dann in einer Krise an das Finanzministerium weitergeben können. Und sie werden das mit Informationen aus anderen Quellen verknüpfen. Solche Informationen liefern ihnen das Gesamtbild, wenn sie eine Panik ersticken müssen. Es ist lästig und es kostet viel Geld, aber ihr könnt das machen. Es sind lediglich zusätzliche Compliance-Kosten.«

Meine Gesprächspartnerin beugte sich zu mir herüber, senkte die Stimme und sagte: »Nein, das ist nicht das Problem. Damit könnten wir leben. Sie wollen uns vorschreiben, dass wir nicht verkaufen dürfen.«

»Wie bitte?«, erwiderte ich. Ich hatte sie durchaus verstanden, aber die Bedeutung dessen, was sie gesagt hatte, war erschreckend.

»In einer Krise wollen sie uns anrufen und anordnen, dass wir keine Wertpapiere verkaufen dürfen. Sie wollen unseren Betrieb einfach einfrieren. Letzte Woche war ich deswegen in Washington und nächste Woche fahre ich wieder hin für weitere Meetings. Wissen Sie, eigentlich geht es nicht um uns, sondern um unsere Kunden.«

Ich war schockiert, hätte es aber nicht sein sollen. BlackRock war ganz offenkundig ein Nadelöhr im Labyrinth der weltweiten Kapitalflüsse. Der Umstand, dass Aufsichtsbehörden Banken anweisen können, sich auf eine bestimmte Art und Weise zu verhalten, ist nicht weiter verwunderlich; die Bankenaufsicht kann eine Bank beinahe nach Belieben schließen. Ein Bankmanager weiß, dass seine Bank in einer Auseinandersetzung mit den Behörden stets den Kürzeren ziehen wird, also findet er sich mit den Anordnungen der Regierung ab. Aber der Staat hat keine offensichtliche rechtliche Macht über eine Vermögensverwaltung wie BlackRock.

Aber die täglichen Kapitalströme, die durch BlackRock hindurchfließen, sind gewaltig. BlackRock ist ein strategisches Nadelöhr wie die Straße von Hormus. Wenn die Öllieferungen durch die Straße von Hormus gestoppt werden, kommt die Weltwirtschaft zum Erliegen. Und in ganz ähnlicher Weise kommen die globalen Märkte zum Stillstand, wenn die Transaktionen bei BlackRock gestoppt werden.

In einer Finanzpanik will jeder sein Geld zurückhaben. Viele Anleger glauben, dass Aktien, Anleihen und Geldmarktfonds mit ein paar Mausklicks bei einem Online-Broker zu Geld gemacht werden können. In einer Panik wird das jedoch nicht immer möglich sein. Im besten Fall stürzen die Kurse ab und Ihr »Geld« verschwindet vor Ihren Augen. Im schlimmsten Fall setzen Fonds ihre Rückkäufe aus und Ihr Broker schaltet seine Systeme ab.

Generell können Politiker auf zwei Arten reagieren, wenn alle ihr Geld zurückhaben wollen. Die erste ist, Geld im Überfluss bereitzustellen und so lange immer mehr davon zu drucken, bis die Nachfrage gedeckt ist. Dies ist die klassische Funktion einer Zentralbank als letztinstanzlicher Kreditgeber, die man eigentlich etwas treffender als »letztinstanzliche Notenpresse« bezeichnen sollte.

Der zweite Ansatz ist, ganz einfach »Nein« zu sagen, also das System stillzulegen oder einzufrieren. Bei einem solchen »Lockdown« werden Banken und Börsen geschlossen und Vermögensverwalter angewiesen, nichts zu verkaufen. Während der Panik von 2008 entschieden sich die Regierungen für die erste Option: Die Zentralbanken druckten Geld und brachten es in Umlauf, um die Märkte wieder mit Liquidität zu versorgen und die Asset-Preise zu stützen.

Und jetzt schien es so, als wollten die Regierungen sich für die nächste Panik rüsten, indem sie sich auf die zweite Option vorbereiteten. Das bedeutet, dass die Regierung bei der nächsten Panik sinngemäß sagen wird: »Nein, ihr könnt euer Geld nicht zurückhaben. Das System ist geschlossen. Lasst uns den Schlamassel in Ordnung bringen und dann melden wir uns wieder bei euch.«

Das Geld, das bei BlackRock eingefroren würde, gehört nicht dem Unternehmen, sondern dessen Kunden. BlackRock managt Fonds für die größten Finanzinstitutionen der Welt, zum Beispiel für CIC (»Chinese Investment Corporation«, chinesischer Staatsfonds) und CalPERS (»California Public Employees’ Retirement System«), dem Rentensystem für Beschäftigte im öffentlichen Dienst von Kalifornien. Wenn BlackRock eingefroren wird, kommt das dem Einfrieren von Verkäufen durch China, Kalifornien und anderen Staaten und Organisationen in aller Welt gleich. Der US-Regierung steht es nicht zu, China zu verbieten, seine Wertpapiere zu verkaufen. Da China jedoch seine Vermögenswerte BlackRock anvertraut, würde die Regierung ihre Macht über BlackRock nutzen, um die chinesischen Wertpapiergeschäfte einzufrieren. Die Chinesen wären die Letzten, die davon erführen.

Indem die US-Regierung ein finanzielles Nadelöhr – nämlich BlackRock – kontrolliert, kann sie die Assets von großen Investoren kontrollieren, die normalerweise außerhalb ihrer Reichweite liegen. BlackRock einzufrieren ist ein unverfrorener Plan, über den die Regierung ganz offenkundig nicht öffentlich sprechen kann. Dank meiner Gesprächspartnerin beim Dinner im Aureole war dieser Plan deutlich zutage getreten.

Ice-Nine

In dem 1963 erschienenen Roman Cat’s Cradle (Katzenwiege) von Kurt Vonnegut, einer schwarzen Science-Fiction-Satire, ersann der Schriftsteller eine Substanz, die er »Ice-Nine« nannte und die von dem Physiker Dr. Felix Hoenikker entdeckt worden war. Ice-Nine war ein Polymorph – eine andere Erscheinungsform – von Wasser, das aus einer anders angeordneten Variante des Wassermoleküls H2O bestand.

Ice-Nine hat zwei Eigenschaften, die es vom normalen Wasser unterscheiden. Die erste ist ein Schmelzpunkt von 114,4ºF (45,8ºC), was bedeutet, dass es bei Zimmertemperatur gefroren ist. Seine zweite Eigenschaft ist, dass ein Wassermolekül, wenn es mit einem Ice-Nine-Molekül in Berührung kommt, sich sofort in Ice-Nine verwandelt.

Hoenikker brachte einige Ice-Nine-Moleküle in kleine Fläschchen ein, versiegelte sie und gab sie seinen Kindern, bevor er starb. Die Handlung des Romans dreht sich um den Umstand, dass dieses Ice-Nine, wenn es aus den Fläschchen freigesetzt würde und mit einem großen Gewässer in Kontakt käme, bewirken würde, dass der gesamte Wasservorrat auf der Erde – Flüsse, Seen und Ozeane – über kurz oder lang einfrieren und alles Leben auf der Erde enden würde.

Ein solches Weltuntergangsszenario passte zu der Zeit, in der Vonnegut sein Buch geschrieben hat. Katzenwiege wurde unmittelbar nach der Kubakrise veröffentlicht, als die reale Welt gefährlich nah an den Abgrund der nuklearen Vernichtung geriet, die später von Wissenschaftlern »nuklearer Winter« genannt wurde.

Ice-Nine ist eine elegante Art, die Reaktion der Machteliten auf die nächste Finanzkrise zu beschreiben. Anstatt die Welt mit neuer Liquidität zu versorgen, werden die Eliten sie einfrieren. Das System wird stillgelegt werden. Natürlich wird Ice-Nine als »vorübergehende« Maßnahme bezeichnet werden, ebenso wie Präsident Richard Nixon am 15. August 1971 das Aussetzen der Dollar-Gold-Konvertibilität als »vorübergehend« bezeichnete.

Die Dollar-Gold-Konvertibilität zu einer festgelegten Parität wurde seither nicht wiederhergestellt. Das Gold in Fort Knox ist seit diesem Tag eingefroren. Das Gold der US-Regierung ist Ice-Nine.