Der Wüstenjunge und die verborgene Quelle - Julia Netzmacher - E-Book

Der Wüstenjunge und die verborgene Quelle E-Book

Julia Netzmacher

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Beschreibung

Hast du das Gefühl, in einer Wüstenzeit festzustecken? Bist du frustriert und enttäuscht von gutgemeinten Ratschlägen und Tipps, die dich nicht voranbringen, sondern eher an den Rand der Resignation treiben? Fragst du dich, was aus deinen Lebensträumen geworden ist und welchen Sinn dein so alltägliches Leben eigentlich hat? Dann könnte diese Geschichte ein Geschenk für dich sein, das ungeahnte Kraft entfaltet.

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Julia Netzmacher

Der Wüstenjungeund die verborgene Quelle

Meine Seele soll ein Garten sein,

in dem Gott gerne wandert.

Teresa von Avila

Die Geschichte hinter der Geschichte

Eines Abends, als ich aufgrund meiner eigenen Lebensumstände sehr erschöpft war, setzte ich mich zu meinen beiden Kindern ans Bett und erzählte ihnen eine Gutenachtgeschichte, die mir spontan kam. Die Geschichte, die ich mich ihnen erzählen hörte, handelte von einem Jungen, der in der Wüste lebte und eine Quelle entdeckte, wo er sie am wenigsten vermutet hatte.

Nachdem ich meinen Kindern diese Geschichte erzählt hatte, nahm ich mir vor, sie aufzuschreiben. Die schriftliche Version wurde etwas länger: heraus kam die Fassung, die du jetzt in den Händen hältst. Ich wünsche dir, dass sie für dich eine Inspiration und Ermutigung ist auf deiner eigenen, persönlichen Reise hin zu jener verborgenen, rettenden Quelle, die Seelenwüsten in Wonnegärten verwandeln kann.

»Jeder, der sein Vertrauen auf mich setzt, aus dem wird von innen heraus lebendiges frisches Wasser sprudeln.«

Jesus, zitiert in Johannes 7,38a (Volxbibel)

Die Wüste

Wüste muss jeder erleben, der Frucht tragen soll.

Charles de Foucauld

Ein kleiner Junge wohnte in der Wüste. Niemand konnte sagen, wie er in der Wüste gelandet war – vermutlich war er schon dort geboren worden.

Umgeben von einer trockenen, kargen Sandlandschaft hatte er eine kleine, hölzerne Hütte, die ihm an den heißen Tagen Schatten und in den kalten Nächten Wärme und Schutz vor Skorpionen bot.

Das Leben in der Wüste war hart. Abgesehen vom Tag- und Nachtrhythmus bot die monotone Sandlandschaft dem Jungen wenig Abwechslung. Tatsächlich war das Leben in der Wüste für ein Kind unerträglich langweilig. Als Überlebenstaktik hatte der Junge sich deshalb angewöhnt, stets auf den nächsten guten Moment zu hoffen. Und dieser gute Moment kam, wenn wieder einmal eine Karawane vorbeizog, von der er sich eine Karaffe Wasser erbetteln konnte. Denn Wasser, das gab es in der Wüste natürlich nicht.

Weil er selbst keinerlei Wasserzugang hatte, war der Junge komplett abhängig von dem, was ihm vorbeiziehende Kaufleute gaben. Gerne wollte der Junge mit den farbig gekleideten Kaufleuten mitziehen, um aus seiner Wüste zu entkommen. Doch für ein Kind war in einer Karawane kein Platz. Außerdem hatten die meisten Kaufleute gar kein Interesse daran, jemanden aus der Wüste mit zur großen Stadt am Meer, der Stadt der tausend Brunnen, zu nehmen. »Wir leben von den Wüstenbewohnern«, sagten sie, »Denn sie kaufen unser Wasser. Wir sind nur solange reich, wie sie in der Wüste bleiben.«

Aus diesem Grund war die sagenumwobene Stadt der tausend Brunnen, die Stadt der Kaufleute und der Reichen, auch von hohen Mauern umgeben worden. Niemand wurde aus der Wüste hineingelassen. Andersherum kam es jedoch ab und zu vor, dass ein Stadtbewohner, der aus irgendeinem Grund gescheitert war, hinaus in die Wüste geworfen wurde. Dort baute er sich dann mühsam eine behelfsmäßige Hütte aus Holz, und es dauerte in der Regel nicht lange, bis seine einst farbig gemusterten, golddurchwirkten Kleider dieselbe eintönige Farbe annahmen wie der endlose Sand, der die Wüste bedeckte.

Der Junge verbrachte die meiste Zeit des Tages am kleinen Fenster seiner Hütte. Hier hielt er Ausschau nach der nächsten Karawane, nach dem nächsten Reisenden, der ihm einen Schluck Wasser geben könnte. Das Leben des Jungen bestand aus Warten und Hoffen, aus Sehnen und Wünschen. Dies zeigte auch das Innere seiner Hütte: Der Junge hatte die Wände mit Bildern und Fotos behängt – ausgerissene Seiten von Zeitschriften und Magazinen, die er auf einer illegalen Müllhalde in der Wüste gefunden hatte. Die Bilder, die er in der Hütte aufgehängt hatte, zeigten Fotos von Stränden und vom unendlich weiten, blauen Meer.

»Wie gerne wäre ich am Wasser«, dachte der Junge, dessen sonnengegerbte Haut in keiner Weise mehr der sanften Kinderhaut ähnelte, die er einst gehabt hatte.

Auch Bücher hatte der Junge gelesen. Obgleich mitten in der Wüste, war er keinesfalls unwissend. Ja, für sein Alter war er sogar erstaunlich gebildet. So hatte er den unter Wüstenbewohnern weit verbreiteten Bestseller »In zehn Schritten ans Meer« gelesen, »Die fünf Schlüssel zum Aufspüren von Flüssen und Bächen«, »Die große Fibel der Wünschelruten«, »Kinderleichte Bauanleitung für einen eigenen Brunnen« und »Lebe deine Träume!«. Keines der Bücher hatte ihm jedoch weitergeholfen – stattdessen hatten sie zu seiner Sehnsucht und seinem Durst noch Versagens- und Schuldgefühle hinzugefügt. »Warum schaffe ich es nicht?«, fragte der Junge verzweifelt. Mehrmals schon war er aufgebrochen, um die Wüste zu durchqueren und zu einem Fluss oder gar zum Meer zu gelangen. Jedes Mal waren seine Reisen gescheitert. Zweimal wäre er bei den Versuchen fast gestorben und hatte nur überlebt, weil ihn Karawanen rechtzeitig gefunden und wieder zurück zu seiner Hütte gebracht hatten. Alles, was von seinen Ausbruchsversuchen und Freiheitskämpfen übrig geblieben war, waren die Narben an seinen auf heißem Wüstensand verbrannten Füßen.

Das Leben in der Wüste schien ausweglos. Aber es war keinesfalls freudlos, denn immer, wenn der Junge eine neue Karawane sah, empfand er große Erleichterung. Für einen kurzen Moment fand der Junge einen Grund zur Freude und konnte mit dem Wasser aus den Karaffen der Händler seinen Durst stillen. Manchmal, wenn die Kaufleute außergewöhnlich großzügig waren, konnte er sogar einen kleinen Vorrat an Wasser anlegen. Auch wurde die Eintönigkeit und Monotonie der Wüste für kurze Zeit aufgehoben. Was gab es da an Abwechslung, wenn eine Karawane vorbei kam! Große Kamele mit weichen Fellen, beladen mit Neugier weckenden Kisten, Stoffballen, Tonkrügen und kostbaren Gerätschaften aus Gold und Silber. Händler verschiedenster Hautfarben mit Gewändern aus bunt gemusterten Stoffen und Turbanen. Die Glücksgefühle, wenn eine solche Karawane vorbeikam und wenn sein Warten belohnt wurde, hielten meist tagelang an. Aber selten waren diese Gefühle dauerhaft, sie gingen fast schon automatisch in neues Warten auf die nächste Karawane über, welche ihn erneut für einen kurzen Moment die Sinnlosigkeit, Verzweiflung und Mühe seines Alltags vergessen ließ.

Der kleine Junge in der Wüste beklagte sich nicht über sein Leben. Er kannte ja nichts anderes, und eine Änderung seiner Umstände schien unmöglich. Er lernte, die Dinge hinzunehmen, die er nicht ändern konnte, und gewöhnte sich an den Rhythmus seines beschwerlichen Lebens, welcher vom Wechsel zwischen Warten und kurzer Erleichterung, zwischen Glücksgefühl und neuen Sorgen geprägt war.

Eigentlich hätte der Junge die hübschen Bilder von Ozeanen und Stränden, die in seiner Hütte hingen, schon längst abnehmen können, da er tief in sich wusste, dass er nie am Meer leben würde. Aber aus irgendeinem unerklärlichen Grund blieben die Bilder hängen, so als wären sie von einer geheimnisvollen, unsichtbaren Kraft geschützt, die es nicht zulassen wollte, dass die Sehnsüchte des Jungen gänzlich in Vergessenheit gerieten.

Der Besuch

Halt an, wo läufst du hin, der Himmel ist in dir. Suchst du Gott woanders, du fehlst ihn für und für.

Angelus Silesius

Nun hätte das Leben des Jungen in der Wüste bis zu seinem Tod so weitergehen können, wäre nicht an einem Tag etwas Außergewöhnliches passiert, von dem ich dir jetzt berichten möchte.

Der Junge hielt, wie gewohnt, wieder Ausschau nach einer Karawane. Sein spärlicher Wasservorrat war zur Neige gegangen und seit vielen Stunden war er von großem Durst geplagt. Plötzlich sah er eine Gestalt hinter einer fernen Sanddüne auftauchen. Voller Freude stand er auf und holte rasch eine leere Karaffe, um sie bei der Karawane auffüllen zu lassen. Doch bald merkte er, dass dies keine bunte Karawane mit Kamelen und Kaufleuten war. Stattdessen war es ein einzelner Mann, mit Hut und langem Stock und einem einfachen Gewand, das ihm bis zu den Knöcheln reichte und fast dieselbe Farbe wie der Sand hatte. Er hatte keine Wasserkanister oder andere Vorräte dabei. Stattdessen folgte ihm eine Herde Schafe.

»Ein Hirte!«, rief der Junge, der Hirten und Schafe nur aus Büchern kannte. Zwar war er enttäuscht, da der Hirte offensichtlich kein Wasser bei sich trug; dennoch lief er hinaus in die Wüstensonne, um den Wanderer zu begrüßen und ihm das einzige anzubieten, was er hatte: den angenehmen Schatten seiner Hütte.

Dankend nahm der Hirte dort im Schatten Platz, während es sich die Schafe auf dem trockenen, sandigen Boden gemütlich machten. Keines der Schafe schien durstig oder hungrig zu sein. Sie waren allesamt wohlgenährt. Neugierig musterte der Junge nun den Hirten: Unter dessen Hutkrempe blinkten ihm freundlich strahlende Augen entgegen, die eine ungewöhnliche Tiefe zu haben schienen. Das Gesicht des Hirten war sonnengebräunt, und er schien das wärmste und sympathischste Lächeln zu haben, das der Junge je gesehen hatte. Während er den Hirten anblickte, wurde dem Jungen ganz wohl um sein Herz. Ja, der Junge fühlte sich so wohl in der Gegenwart des Fremden, dass er sogar seinen Durst vergaß.

Das Glücksgefühl, das der Junge in der Nähe des Hirten empfand, war ein ganz anderes Gefühl als das, was er bei den Karawanen wahrnahm. Bei den Kaufleuten hatte der Junge immer auch ein Stück Beklemmung und Bedrückung, Hoffnungslosigkeit und Traurigkeit gespürt, welches jedoch stets schnell beiseitegeschoben wurde von der Erleichterung, wieder Wasser zu haben. Beklemmung, weil er natürlich wusste, dass das Wasser nicht lange reichen würde. Bedrückung, weil er sich seiner Abhängigkeit von zufällig vorbeikommenden Karawanen bewusst war und sich schon oft die Frage gestellt hatte, was mit ihm geschehen würde, wenn einmal über längere Zeit keine Karawane vorbeikäme. Hoffnungslosigkeit, weil ihn keine Karawane mitnehmen konnte und wollte, und weil der Junge wusste, dass es aus der Wüste für ihn keinen Ausweg gab. Und Traurigkeit, da die Kaufleute den Jungen nicht immer gut behandelten. Manche Kaufleute weigerten sich, dem Jungen etwas zu geben. Andere wiederum beschimpften oder verspotteten ihn, weil er so armselig aussah. Auch musste er oft bitten und betteln, bis sich einer der Kaufleute über ihn erbarmte und ihm etwas Wasser daließ. Er wusste nie, ob die Kaufleute ihn freundlich oder hartherzig behandeln würden.

All diese belastenden Gefühle hatte der Junge bei diesem Hirten nicht. Ganz im Gegenteil: er fühlte sich auf seltsame Weise sicher und geborgen. So, als würde er den Hirten schon sein ganzes Leben lang kennen. Aber warum fühlte er sich in der Nähe des Hirten so glücklich, wo er doch von ihm gar kein Wasser bekommen hatte?

Nach einer Weile durchbrach der Hirte die Stille. »Danke, dass ich mich bei dir ausruhen darf«, sagte er. Seine Stimme war ruhig und tief, freundlich und wohlgesonnen.

»Tut mir leid, dass ich dir kein Wasser anbieten kann«, sagte der Junge, der nun langsam wieder seinen eigenen Durst bemerkte.

»Ich brauche nichts von dir«, lächelte der Hirte den Jungen an, »es ist umgekehrt: Ich möchte dir gerne etwas geben.«

Das überraschte den Jungen. Was könnte ihm dieser Hirte schon geben, da er ja weder Wasser noch andere Vorräte bei sich trug? Ein Schaf konnte der Junge hier in der Wüste nicht gebrauchen, denn hier gab es nichts, um das Tier zu ernähren.

Dieser Gedanke ließ den Jungen wieder auf die Schafe blicken. Sie sahen alle so zufrieden aus. Ein seltsamer Anblick, da hier ja weit und breit kein Gras war. »Sag mir, wo weidest du deine Schafe? Wo tränkst du deine Herde? Hier ist doch weit und breit kein Wasser«, fragte der Junge neugierig.

Da lachte der Hirte: »Natürlich ist hier Wasser. Es ist viel näher, als du denkst!«

»Wo denn?«, rief der Junge verwundert.

»Genau da, wo du bist«, antwortete der Hirte lächelnd.

»Meinst du etwa die leeren Karaffen in meiner Hütte?«, fragte der Junge. »Da ist leider kein Wasser mehr drin.«

Der Hirte schüttelte den Kopf. »Nein, eine Karaffe wird doch wieder leer, auch wenn sie voll wäre. Ich rede von einer sprudelnden Quelle, die ständig Wasser gibt.«

Der Junge runzelte die Stirn. Eine solche Quelle gab es hier nicht. Hatte der Hirte einen Sonnenstich? War er verrückt geworden? Hatte er Halluzinationen? Und sollte der Junge den Hirten wegschicken? Einen Wahnsinnigen wollte er nicht in seiner Nähe haben. Denn schon oft hatte er von Menschen gehört, die sich in der Wüste verirrt hatten und aufgrund von Fata Morganas, aufgrund des quälenden Durstes und der unsäglichen Hitze ihren Verstand verloren hatten. Und alle Wüstenbewohner waren davor gewarnt, solche bemitleidenswerten, jedoch unberechenbaren Verrückten in ihre Hütten aufzunehmen.

Doch der Hirte hatte überhaupt nicht den Anschein, verrückt zu sein. Und das Bild der wohlgenährten, glücklichen Schafe zeugte davon, dass dieser Hirte sicherlich keine Märchen erzählte.

Für einen Moment zögerte der Junge. Dann entschloss er sich, seiner Intuition nachzugehen und den Worten des Hirten Glauben zu schenken. Also sagte er: »Ich sehe keine Quelle. Bitte zeig mir, wo sie ist.«

»Du bittest mich, dir die Quelle zu zeigen, die du nicht sehen kannst?«, fragte der Hirte.

Der Junge nickte.

Da strahlte ein Funke in den Augen des Hirten: »Du vertraust mir also!«

Und dann stand er auf, trat aus dem Schatten der Hütte heraus und kniete sich in den heißen Wüstensand. Dort klopfte er mit der flachen Hand auf den Sand, so dass sich eine kleine, trockene Staubwolke erhob.

»Hier ist sie«, sagte der Hirte.

»Hier?«, fragte der Junge verblüfft. »Direkt vor meiner Haustür?«

»Ja«, lachte der Hirte. »Du hast das Wasser wohl bislang immer nur weit weg von dir gesucht?«

Der Junge dachte an seine Träume vom fernen Strand und weit entlegenen Meer; er erinnerte sich an seine Ausbruchsversuche und nickte. Dann seufzte er: »Wäre ja echt schön, wenn hier Wasser wäre. Ich kann nur keine Quelle sehen.«

»Ja«, nickte der Hirte. »Durch Sehen findest du sie auch nicht. Aber durch Glauben.«

Und dann winkte der Hirte den Jungen heran. Zögerlich setzte der Junge sich neben den Hirten. Sollte es hier tatsächlich eine verborgene Quelle geben? »Was soll’s, was habe ich schon zu verlieren?«, fragte der Junge in seinen Gedanken, und wandte sich dann gespannt an den Hirten: »Was muss ich tun?«

Der Junge dachte an seine vielen Ratgeber und Bücher, die er gelesen hatte. Sollte er vielleicht Steine heranschleppen, um einen Brunnen zu bauen? Sollte er sich auf die Reise machen, um in der Wüste einen kargen Baum mit Astgabel ausfindig zu machen, um eine Wünschelrute zu bauen? Welche Arbeit sollte der Junge verrichten, wie könnte er dem Hirten behilflich sein?

»Nichts«, sagte der Hirte. »Du brauchst absolut gar nichts tun. Lass dich einfach führen.«

Mit diesen Worten nahm der Hirte sanft die Hand des Jungen in seine. Und dann, gemeinsam, Hand in Hand, schob er bzw. schob die Hand des Jungen den Sand zur Seite.

Und es dauerte nicht lange, da spürten die Finger des Jungen etwas Feuchtes, Kühles.

»Wasser!«, rief er. Schnell löste er seine Hand aus der Hand des Hirten und buddelte weiter, um die Quelle auszugraben. Doch als er nun im Sand wühlte, verschüttete er das Wasser, das er eben noch gespürt hatte, mit Sand. Je tiefer er grub, desto größer wurden die Sandhaufen, die er zu seiner Seite anhäufte. Doch von Wasser war nichts mehr zu sehen.

»Wo ist das Wasser hin?«, fragte der Junge verzweifelt, während eine Träne über sein Gesicht floss.

Ruhig legte der Hirte seine Hand wieder auf die zitternde Hand des Jungen. »Ich sagte dir doch, ich brauche deine Hilfe nicht. Die Quelle kannst du nicht öffnen.«

»Nicht?«, fragte der Junge und brach nun in unkontrolliertes Weinen aus. Er war dem Wasser doch so nah gewesen! Er hatte Wasser gespürt, mit seinen eigenen Fingern, direkt hier im Sand vor seiner Hütte! Und nun war es weg. Nie hatte er die Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit so stark empfunden wie in diesem Moment.

Da spürte er den Arm des Hirten auf seiner Schulter. Sogleich wurde sein Herz mit Frieden und Trost erfüllt, während er wieder die ruhige Stimme des Hirten hörte: »Du brauchst nichts tun. Lass dich einfach nur führen.«