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Jeder kann kreativ sein und systematisch innovative Lösungen erarbeiten. Es kommt nur auf die Herangehensweise an. Design Thinking heißt umdenken und ideale Rahmenbedingungen für zielgerichtete und ergebnisorientierte Kreativität schaffen. Wer diese innovative Methode anwendet, gelangt schneller, leichter und mit mehr Spaß ans Ziel. Annie Kerguenne, Hedi Schaefer und Abraham Taherivand bieten Ihnenin diesem TaschenGuide Ihnen alle Hintergrundinformationen und Tools, die Sie für Ihren Einstieg in die Design-Thinking-Praxis brauchen. Inhalte: - Die drei Kernprinzipien des Design-Thinking als optimale strategische Richtlinien für Innovationen - Zehn präzise Prozess-Schritte und die bewusste Trennung von divergentem und konvergentem Denken - Die Hebelwirkung von Empathie und einer 360 Grad-Perspektive bei der Lösung komplexer Probleme - Co-Creation und Feedback als wichtige Treiber in umfassenden Projekten - Zahlreiche nützliche Tools für die praktische Umsetzung eines Design-Thinking-Mindsets - Neu in der 3. Auflage: von der Innovations-Methode zur Leadership-Strategie
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Seitenzahl: 172
Veröffentlichungsjahr: 2024
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Design Thinking
Die agile Innovations-Strategie
Annie Kerguenne, Hedi Schaefer, Abraham Taherivand
3. Auflage
Inhalt
Was Design Thinking ist und was es kann
■Die drei Kernprinzipien
■Wie alles begann
■Methode – Haltung – Kultur: wie man Design Thinking lernt
■Komplexe Probleme lösen mit Design Thinking
■Das Rückgrat im Design Thinking: ein Prozess in zehn Schritten
■Tool für alle Schritte: der Time Timer
Das Prinzip »Multiperspektivität«
■Vom Silodenken zur 360°-Perspektive
■Schritt 1: Die Möglichkeit entdecken und starten
■Schritt 2: Das Ziel formulieren
■Schritt 3: Die Regeln aufstellen
Das Prinzip »Nutzerzentriertheit«
■Der Nutzer als Zentrum der Design-Thinking-Welt
■Schritt 4: Herausforderung verstehen
■Schritt 5: Empathie aufbauen
■Schritt 6: Nutzerstandpunkt definieren
Das Prinzip »Lernend nach vorne gehen«
■Möglichst früh und schnell lernen
■Schritt 7: Die Ideen entwickeln
■Schritt 8: Prototypen umsetzen
■Schritt 9: Testen und iterieren
■Schritt 10: Die Wertschöpfung planen
■Wie die Implementierung gelingt
Ein Ausblick: Design Thinking von morgen
■Die unternehmerische Perspektive
■Die technologische Perspektive
■Die Nutzerperspektive
Design Thinking Hacks
■Schritt 1: Die Möglichkeit entdecken und starten
■Schritt 2: Das Ziel formulieren
■Schritt 3: Die Regeln aufstellen
■Schritt 4: Die Herausforderung verstehen
■Schritt 5: Empathie aufbauen
■Schritt 6: Einen Nutzerstandpunkt definieren
■Schritt 7: Ideen entwickeln
■Schritt 8: Prototypen bauen
■Schritt 9: Testen und iterieren
■Schritt 10: Die Wertschöpfung planen
Von der Innovationsmethode zur Leadership-Strategie
■Der gesunde Menschenverstand
■Die Prinzipien des strategischen Design Thinking als Kompass
■Die VUCA-Welt
■Umsetzung der Prinzipien des Design Thinking im Leadership
■Design Thinking als Leadership-Strategie der Zukunft
■Glossar
■Literaturempfehlungen
■Stichwortverzeichnis
Vorwort
Noch vor einigen Jahren war Design Thinking eine kleine Nische innerhalb der vielfältigen Management-Methoden und -strategien. Heute gibt es kaum eine Innovationskonferenz, die ohne Keynote Speaker zum Thema auskommt, von den unzähligen Design-Thinking-Büchern ganz zu schweigen.
Aber was ist Design Thinking überhaupt, was macht es aus? Wenn Sie 100 Personen fragen, so erhalten Sie höchstwahrscheinlich 100 verschiedene Antworten. Wir denken, dass sich tatsächlich jeder und jede ein eigenes Bild darüber machen sollte. Und das funktioniert nur, wenn man Design Thinking ausprobiert.
Dieser TaschenGuide bietet Ihnen alle Hintergrundinformationen und Tools, die Sie für einen Einstieg in die Design-Thinking-Praxis brauchen. Sie finden hier Prinzipien, Werkzeuge und Übungen, die in der Praxis vielfach getestet und optimiert worden sind. Sie können Sie auch ohne Anleitung eines Design Thinking Coaches intuitiv umsetzen. Natürlich kann und soll dieses Büchlein nicht die fundierte Ausbildung durch ein Design-Thinking-Institut oder sogenannte d-Schools ersetzen. Begreifen Sie diesen TaschenGuide als einen Begleiter auf Ihrem Weg in die kreative, innovative Welt des Design Thinking.
Viel Spaß beim Lesen und Ausprobieren wünschen Ihnen
Annie Kerguenne, Hedi Schaefer und Abraham Taherivand
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird bei Personenbezeichnungen und personenbezogenen Hauptwörtern in diesem Buch das generische Maskulinum verwendet. Entsprechende Begriffe gelten im Sinne der Gleichbehandlung grundsätzlich für alle Geschlechter. Die verkürzte Sprachform hat nur redaktionelle Gründe und beinhaltet keine Wertung.
Was Design Thinking ist und was es kann
»Design Thinking ist wie ein Großstadt-Dschungel – du weißt nie, was sich hinter der nächsten Ecke versteckt.« Diese Definition einer erfahrenen Praktikerin bringt es auf den Punkt: Der Design-Thinking-Prozess entzieht sich den Standards üblicher Managementmethoden und -techniken.
In diesem Kapitel erfahren Sie u. a.,
▪wie alles begann,
▪welche Probleme Sie mit Design Thinking angehen können,
▪wie man es lernen kann,
▪warum für Design Thinking drei Kernprinzipien und zehn Schritte wichtig sind.
Die drei Kernprinzipien
Um sich der Bedeutung von Design Thinking zu nähern, hilft der Begriff selbst zunächst nur bedingt weiter. Design Thinking hat nämlich in erster Linie nichts mit Denken und Theoretisieren zu tun. Und es geht dabei auch nicht um Design in der landläufigen Bedeutung als Aussehen oder Stil eines Objektes. Das Gegenteil ist vielmehr der Fall: Design Thinking fokussiert das Tun und die schnelle Verwandlung von abstrakten Konzepten in anfassbare Artefakte. Es geht auch nicht um das »Verpacken« einer bereits vorhandenen Idee. Auch hier ist wieder das Gegenteil der Fall: Design Thinking schafft die Voraussetzungen, damit Menschen erfolgreiche Ideen auf Basis relevanter Nutzerbedürfnisse entwickeln können.
Design Thinking ist also nicht Dekorieren und Theoretisieren, sondern Neu-Erfinden und Machen. Es geht nicht um das äußere Design eines Objektes. Es dreht sich alles um die Gestaltung von kreativen Freiräumen für die gemeinsame Entwicklung von nutzerzentrierten Lösungen.
Die drei historisch gewachsenen Kernprinzipien des Design Thinking sind
1.Nutzerzentriertheit
2.Multiperspektivität
3.Lernend nach vorne gehen
Wie alles begann
Ein Blick auf die historische Entwicklung hilft, die wachsende Bedeutung von Design Thinking zu verstehen. Denn die Kernprinzipien sind keine neue Erfindung, sondern haben ihre Wurzeln in den wichtigsten Innovationen des letzten Jahrhunderts. Bereits in den 1920er-Jahren wurde im Design-, Kunst- und Architekturbereich der Leitsatz »Form follows Function« populär. Das Credo kann heute als Vorstufe zum Design-Thinking-Prinzip der Nutzerzentriertheit interpretiert werden. Nicht mehr das ästhetische Regelwerk der Epoche, sondern die Funktion eines Gebrauchsgegenstandes für den Nutzer stand im Vordergrund der innovativen Produkte und Architekturkonzepte.
Kernprinzip Nr. 1: Nutzerzentriertheit
Die Nutzerzentriertheit ist auch heute der Startpunkt, wenn Sie im Sinne des Design Thinking an die Lösung einer Fragestellung gehen möchten: Sie beschäftigen sich nicht etwa zuerst mit der technischen Machbarkeit oder dem wirtschaftlichen Aspekt eines Themas, sondern beginnen Ihre Arbeit bei der Exploration des Nutzerbedürfnisses.
Erst Nutzerbedürfnis, dann technische Machbarkeit und Wirtschaftlichkeit
Kernprinzip Nr. 2: Multiperspektivität
»Mulitdisziplinarität anstelle von isoliertem Spezialistentum!« So lautete die revolutionäre Forderung der ersten Design-Thinking-Pioniere in den 1970er- und 1980er-Jahren an der Stanford Universität in Kalifornien und in der Innovationsagentur IDEO. Der Gedanke dahinter war und ist logisch und klingt heute fast banal: Eine Innovation ist umso erfolgreicher, je besser sie die verschiedenen Bedürfnis- und Problemfacetten der Nutzer berücksichtigt. Und erst die Kombination der unterschiedlichen Expertisen und Perspektiven der Innovatoren bringt tragfähige Lösungen hervor.
Design Thinking ist heute nicht nur eine strukturierte Methode, um erfolgreiche Innovationen zu produzieren, sondern auch eine grundsätzliche Haltung, um komplexe Probleme aus allen Bereichen strukturiert und strategisch zu bearbeiten. Produkte, Prozesse, Services und Businessmodelle werden mithilfe von Design Thinking neu gestaltet.
Mulitdisziplinarität schafft 360°-Perspektive
Globalisierung, Digitalisierung und die Notwendigkeit, schneller, innovativer, flexibler und effizienter zu sein als je zuvor, stellen Unternehmen vor zunehmende Herausforderungen.
Kernprinzip Nr. 3: Lernend nach vorne gehen
Das dritte Design-Thinking-Kernprinzip fußt auf der aus der Informatik stammenden iterativen Vorgehensweise: Lernend nach vorne gehen. Unternehmen, die ihr Evolutionspotenzial freisetzen und eine Kultur des Lernens verankern möchten, finden in diesem Prinzip eine gute Leitlinie: Frühes und häufiges Scheitern wird nicht mehr als Fehlverhalten, sondern als wichtigste Regel von kostensparenden Innovationsprozessen bewertet. In Situationen, die von Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität geprägt sind, hilft diese iterative Vorgehensweise dabei, handlungsfähig und erfolgreich zu sein.
Lernend nach vorne gehen
Methode – Haltung – Kultur: wie man Design Thinking lernt
»Design Thinking ist wie zum ersten Mal Vater zu werden. Man weiß erst, was es bedeutet, wenn man es erlebt«, stellte kürzlich einer unserer Seminarteilnehmer, ein Abteilungsleiter aus der Automobilbranche, fest.
Methodisches Wissen ist, wie so oft, auch beim Design Thinking wichtig. Es bildet eine Handlungsrichtlinie. Die Fertigkeit es anzuwenden, wächst jedoch erst mit zunehmender Praxis.
1.Wir lernen zunächst, die Werkzeuge des Design Thinking als Methode zu nutzen.
2.Über die praktische Anwendung entwickelt sich – wie z. B. auch beim Kochen – nach und nach das Verständnis der Prinzipien hinter den Werkzeugen. Ist das Prinzip erst einmal verstanden, fällt es leicht, die Instrumente und Prozesse des Design Thinking für die Anwendungsfelder im eigenen Kontext zu adaptieren. So entsteht nach und nach ein neuer Blick auf Probleme und ihre Lösungsoptionen.
3.Die Haltung, sich komplexen Problemen jedweder Natur zu nähern, indem man sich gemeinsam und nutzerorientiert lernend nach vorne bewegt, lässt eine neue Kultur entstehen. Der Mensch und seine angeborene Fähigkeit sich zu entwickeln werden in das Zentrum der Organisation gestellt. So lassen sich Veränderungsprozesse als natürliche Evolution steuern, die die Anpassung an eine immer schneller und komplexer werdende Welt möglich macht.
Methode – Haltung – Kultur
»Wie lange braucht man, um Design Thinking zu lernen und sicher anwenden zu können?« Diese Frage gehört zu den häufigsten Fragen, die wir in unseren Trainings gestellt bekommen. Erfahrene Praktiker berichten, dass sie nach ca. 100 Stunden Training und Anwendung die ersten Ergebnisse produzieren konnten, deren Qualität in einem positiven Verhältnis zum Aufwand stand. Nach ca. zwei Wochen Design Thinking Training kann es bereits sein, dass Sie feststellen: »Oh, hier ist etwas Neues entstanden, das nützlich ist und das ich mit meiner herkömmlichen Herangehensweise nicht gefunden hätte.«
Im Grunde ist Design Thinking ein Handwerk. So wie ein Lehrling drei Jahre lernt, bis er sich zur Meisterprüfung anmelden kann, so sollten echte Experten des Design Thinking entsprechende Praxiszeiten nachweisen können. Als Indikator für die Entwicklung von Anwendungssicherheit können die folgenden Erfahrungswerte dienen.
Design-Thinking-Anwender
Pionier
Der Aufwand, Design Thinking anzuwenden, steht in einem positiven Verhältnis zum Wert des Ergebnisses.
Ca. 100 Praxisstunden
Experte
Die Anwendung fällt leicht und wird immer flexibler, geschieht aber noch nicht automatisch.
Ca. 4.800 Praxisstunden
Master
Design Thinking entwickelt sich zum Prinzip und wird intuitiv und selbstverständlich angewendet.
Ca. 10.000 Praxisstunden
Komplexe Probleme lösen mit Design Thinking
Design Thinking ist ein Werkzeugkasten, der unzählige Tools für die Lösung komplexer Probleme enthält. Mehr und mehr Anwender sehen daher auch einen ganz konkreten Nutzen in den drei Design-Thinking-Kernprinzipien für ihre täglich komplexer werdenden Herausforderungen.
1.Das Prinzip »Multiperspektivität« sorgt für eine ganzheitliche, differenzierte Sicht und vermeidet Betriebsblindheit.
2.Das Prinzip »Nutzerzentriertheit« definiert einen sinnvollen und logischen Startpunkt für Problemdefinition und Lösungssuche.
3.Das Prinzip »Lernend nach vorne gehen« entspricht der sog. PER-Strategie »Probieren – Erkennen – Reagieren«, die laut Erkenntnissen aus der Komplexitätsforschung genau die richtige Strategie in komplexen Situationen ist, um deren Faktoren Rechnung zu tragen.
Faktoren komplexer Situationen
•Viele ungleichförmige Elemente und Teilsysteme, die sich gegenseitig beeinflussen
•Beziehungen zwischen den Elementen sind dynamisch
•Kausalitäten sind nicht vorhersagbar; sie können nur rückblickend erkannt werden
Das Rückgrat im Design Thinking: ein Prozess in zehn Schritten
Es haben sich im Design Thinking seit den 1970er-Jahren bis heute verschiedene Prozessdarstellungen mit einer unterschiedlichen Anzahl von Phasen und Gestaltungsformen entwickelt. Allen gemeinsam ist
1.die Fokussierung auf den Nutzer als Inspiration für die Entwicklung von Lösungsoptionen,
2.das Testen von Prototypen sowie
3.das Prinzip der Iteration, um sich lernend auf die richtige Lösung hinzubewegen.
Neuere Darstellungen des sog. Complete Design Thinking (siehe hierzu näher das Kapitel »Wie die Implementierung gelingt« und das Glossar) beziehen immer auch die Dimensionen des Teamaufbaus und der Lösungsimplementierung mit ein. Der Ansatz des Complete Design Thinking liegt den Ausführungen dieses Buches zugrunde.
Die Stärke des Design-Thinking-Prozesses liegt in der klaren Abgrenzung der verschiedenen Phasen in Bezug auf ihre Funktionen und Denkmodi. Er dient als Strukturierungswerkzeug. Analyse und Kreativität, Exploration und Synthese erfolgen nie gleichzeitig, sondern immer in klar festgelegten Zeitabschnitten. So kann sich das Gehirn mit seiner ganzen Kapazität auf einen Denkmodus konzentrieren: entweder auf das divergente Denken – hier wird möglichst breit in Optionen gedacht – oder auf das konvergente Denken – hier werden die Möglichkeiten bewertet und konzentriert. Die disziplinierte Befolgung dieser Denkmodi ist der Grund dafür, dass ein erfahrener Design Thinking Coach guten Gewissens das Versprechen machen kann:
»Trust the process« (Vertraue dem Prozess) – am Ende entsteht immer ein Ergebnis.
Der Prozess des Design Thinking folgt den drei Kernprinzipien, die wiederum jeder für sich in Schritten vollzogen werden.
Die zehn Schritte im Überblick
Multiperspektivität
1.Die Möglichkeit entdecken und starten
2.Das Ziel formulieren
3.Die Regeln aufstellen
Nutzerzentriertheit
4.Herausforderung verstehen
5.Empathie aufbauen
6.Nutzerstandpunkt definieren
Lernend nach vorne gehen
7.Ideen entwickeln
8.Prototypen umsetzen
9.Testen und Iterieren
10.Die Wertschöpfung planen
Tool für alle Schritte: der Time Timer
Einer der wichtigsten Helfer im Design Thinking ist der visuelle Zeitmesser, der sog. Time Timer, und das nicht ohne Grund: Wenn wir vor jeder Arbeitseinheit selbst im Vorfeld genau definieren, wie viel Zeit wir in sie investieren wollen, dann ist effizientes Arbeiten leichter. Wenn wir darüber hinaus den Verbrauch unserer wichtigsten Ressource »Zeit« visuell in Echtzeit überprüfen können, hilft das der Disziplinierung. Es wird weniger Zeit mit Diskussionen verschwendet, nicht so lange darüber nachgedacht, ob die Idee nun gut oder schwach ist. Man fokussiert sich auf das wesentliche Ergebnisziel der jeweiligen Phase.
Ursprünglich erfunden, um Kindern den Begriff der Zeit nahezubringen, ist der Time Timer eine rückwärts laufende Uhr. Nicht die Uhrzeit, sondern die verbleibende Zeitressource wird angezeigt. Man stellt ihn z. B. auf 15 Minuten Brainstorming ein und jedes Teammitglied sieht, wie die Zeitressource im Verlauf der Übung abnimmt. Ein Time Timer ist meistens das erste Werkzeug, das Design-Thinking-Praktiker in ihr Arbeitsumfeld integrieren. So ist vor allem in Meetings der zeitsparende Nutzwert für alle Beteiligten oft vom ersten Einsatz an erlebbar.
Time Timer
Das Prinzip »Multiperspektivität«
In diesem Kapitel lernen Sie das erste Kernprinzip des Design Thinking kennen: das Prinzip der Multiperspektivität. Hier dreht sich alles darum, wie man vom Silodenken zu einer 360°-Perspektive gelangt. Dabei helfen folgende Design-Thinking-Schritte:
1.Die Möglichkeit entdecken und starten
2.Das Ziel formulieren
3.Die Regeln aufstellen
Vom Silodenken zur 360°-Perspektive
In der Schule lernen wir vor allem eines: Die Einzelleistung wird belohnt, nicht das Arbeiten im Team. Im Studium und Job wird diese Haltung weiter gefestigt. So ist es klar, dass wir kein gutes Gefühl dabei haben, uns Hilfe zu holen, wenn eine Fragestellung zu komplex für uns allein ist. Buzzwörter wie »Schwarmintelligenz« oder »Unternehmensgehirn« sind zwar schon seit längerem auf der Agenda der Entscheider in großen Unternehmen. Wie man aber im Arbeitsalltag konkret kollektive Intelligenz freisetzt und organisiert, ist eine der schwierigsten Managementaufgaben.
Dabei klingt die Sache eigentlich logisch: Je komplexer ein Problem, desto wichtiger ist es, sich einen möglichst vollständigen 360°-Überblick zu verschaffen. Das gelingt umso besser, je mehr Augen auf die Herausforderung schauen und je mehr Experten ihr Wissen in das Gesamtbild einbringen. Und genau hier kommt die Multiperspektivität ins Spiel. Sie anzuwenden bedeutet, eine Haltung einzunehmen, die grundsätzlich unterschiedliche Sichtweisen auf ein Thema willkommen heißt, anstatt diese abzuwehren. Dies überwindet Betriebsblindheit und Silodenken.
Multiperspektivität ist eine große Stärke des Arbeitens im Design-Thinking-Modus – und zugleich auch die größte Herausforderung. Je mehr Menschen an einer Fragestellung arbeiten, desto größer ist das Diskussions- und Konfliktpotenzial.
Der Design-Thinking-Werkzeugkasten bietet wirksame Instrumente, um einem Team zu helfen, sich selbst zu organisieren und auch über einen längeren Zeitraum in seiner Arbeit an einem Strang zu ziehen.
Schritt 1: Die Möglichkeit entdecken und starten
Sobald wir uns auf unseren Bildungsweg machen, lernen wir in Lösungen zu denken. Wir haben verinnerlicht, dass derjenige am besten abschneidet, der am schnellsten die einzig richtige Lösung zu einer Aufgabe produziert. In komplexen Fragestellungen gibt es jedoch in der Regel nicht die einzig wahre Lösung, die von vornherein definiert ist. Wo fängt man aber an, wenn man nicht genau weiß, wo das Ziel ist?
Beispiel
Wie soll man eine verlässliche Ergebnisplanung machen, wenn es um Fragen geht wie »Erhöhung der Unabhängigkeit von Menschen im Alter« oder »Verbesserung des Austauschs zwischen Patienten und Ärzten« oder »Optimierung der Meetingkultur im Unternehmen«? Dies sind alles komplexe Fragen mit offenem Ergebnis.
Der Design Thinker beginnt immer mit den folgenden einfachen Fragestellungen.
Fragestellung
To-do
Was ist das Problem- bzw. Möglichkeitsfeld und welche Hürden habe ich bei der Bearbeitung zu erwarten? Was messen wir, um die Qualität der Lösung zu beurteilen?
Einen Projektplan visualisieren
Wer bildet das Team? Wer kann bei den identifizierten Hürden helfen? Und wer ist schlichtweg verfügbar und hat ein Interesse daran mitzuarbeiten?
Das Team aufstellen
Wo wollen wir als Team arbeiten?
Einen Kreativraum schaffen
Ricardos Brause – der Schritt 1
Das Fallbeispiel »Ricardos Brause«, das Sie hier kennenlernen, ist angelehnt an ein Design-Thinking-Projekt, das 2012 gestartet ist. Das reale Produkt heißt Guaraná Brause und wird von der MOONSHOTS GmbH produziert, die uns freundlicherweise die Nutzung der nachfolgenden Inhalte erlaubt. Mittlerweile ist aus dem kleinen Start-up ein Unternehmen mit wachsendem Produktsortiment, mehreren Marken und verschiedenen Services in unterschiedlichen Marktsegmenten geworden. »Ricardos Brause« wird Sie in diesem TaschenGuide begleiten, um das Design-Thinking-Vorgehen zu veranschaulichen.
Die Möglichkeit entdecken
Im August 2012 trafen sich Ricardo, Martin und Hannes zum Campus Hackathon auf dem Tempelhofer Feld in Berlin – einem der vielen Events, die Technik-Festival, LAN-Party, Hackathon und Konferenz in einem sind. Der Informatik-Ingenieur, der Betriebswirtschaftler und der Sozialwissenschaftler wollten netzwerken, sich inspirieren lassen und einfach schauen, wie sich die Tech-Szene weiterentwickelt. »Unglaublich, was hier an Club-Mate getrunken wird. Was haben die Leute bloß früher in sich hineingeschüttet, um wach zu bleiben?« Ricardo fiel gleich auf, wie das Getränk das Konferenzbild dominierte.
»Das Problem ist nur: Wenn du zu viel von einer Sache trinkst, wird es irgendwie langweilig. Ja, und schau dir den ganzen Müll an, die ganzen Flaschen und To-go-Becher.« Auch Hannes und Martin fanden das Thema spannend. Eigentlich müsste es doch irgendetwas geben, das sich von dem Mate-to-go-Coke Einerlei abhebt … womit die Idee geboren war, selbst etwas zu erfinden.
... und starten
Klar war von Beginn an eines: Alle drei Freunde hatten ihre Jobs und waren ausgelastet – als Softwareentwickler, als Doktorand und als Lehrer. Die drei waren zwar voller Enthusiasmus für ihr Projekt, hatten aber wenig Zeit für die Projektarbeit. »Lasst uns planen, was wir entscheiden können« – das Problemfeld und die Herangehensweise waren klar. Ricardo sagte: »Wir haben keine Zeit und kein Geld für lange Experimente. Lasst uns schnell was bauen, was wir auf den Markt werfen, schauen, wie die Nutzer reagieren, und super-schnell iterieren – das Lean-Start-up-Prinzip.« Ricardos Vorschlag fanden seine Freunde gut. »Okay, aber nicht ohne Nutzer-Recherche. Lass uns nicht irgendetwas bauen, sondern erst mal sehen, was die Jungs und Mädels hier so machen, wenn es um das Wachsein geht.« Das war die sozialwissenschaftliche Perspektive von Hannes, die den Menschen ins Zentrum rückt. »Ja, und es muss auch finanziell Sinn machen, sonst hab ich persönlich, ehrlich gesagt, nicht so viel Antrieb« – das war die Sicht von Martin, dem Betriebswirtschaftler. Damit hatten die drei Freunde alle Wertebereiche einer erfolgreichen Innovation abgebildet:
1.Nutzerwert,
2.technologischer Umsetzungswert und
3.wirtschaftlicher Wert.
Sie einigten sich: Der Design-Thinking-Prozess sollte das Rückgrat ihres visuellen Projektplans bilden, der folgende Fragen beantwortete:
▪Was wollen wir wann erreicht haben?
▪Wann treffen wir uns?
▪Wer macht was zu welchem Zeitpunkt?
▪Mit welchen Problemen und Fragen müssen wir rechnen?
▪Wer kann uns dabei helfen, die Probleme zu lösen und die Fragen zu beantworten?
▪Der Plan fixierte das Möglichkeits- bzw. Problemfeld, alle zehn Design-Thinking-Schritte und die wichtigsten zu erwartenden Hürden:
▪Wer steht für die Nutzerforschung zur Verfügung?
▪Wen brauchen wir bei der Ideenumsetzung?
▪Wer kann uns rechtlich beraten?
▪Wer kennt sich in der Hacker-Szene gut aus?
▪Wie und wo testen wir das Ganze?
▪Wann und wie treffen wir Entscheidungen?
▪Und: wie wollen wir die Qualität unserer Projektentwicklung messen?
Ricardo und seine Freunde legten die Kennzahlen für ihr Projekt fest:
1.Investierte Arbeitszeiten: 10 bis 20 % ihrer Zeit, also die Wochenenden.
2.»Return on Investment (ROI)«-Zeitpunkt: 12 Monate nach dem ersten Prototyp sollte dieser erreicht sein.
3.Alle weiteren Ziele wurden von Etappe zu Etappe durch das Team definiert und kontinuierlich evaluiert. Als wichtigsten Key Performance Indicator formulierte das Team den »Spaßfaktor«.
Was jetzt noch fehlte, war der Raum, in dem die Projektarbeit stattfinden konnte. »Wo sind wir am liebsten?«, und »Was ist wichtig für die Außenwirkung?« waren als die Kernkritierien für den Raum definiert. Die Lösung für die Außendarstellung wurde zurückgestellt: »Keine unnötigen Kosten verursachen, bevor es nicht etwas Konkretes gibt«, war die Devise. Die Recherche und das Testen des optimalen Arbeitsplatzes ergaben nach einigen Versuchen: eine Alt-Berliner Kneipe, ein Co-Working Space und die Dachterrasse des Sportclubs von Ricardo, außerdem die privaten Wohnungen der drei, ein Biergarten an der Spree sowie die Uni-Mensa und drei Büros von befreundeten Start-ups, die temporär nicht belegt waren.
Das Projekt konnte losgehen.
Tool für Schritt 1: Kreativraum schaffen