Diagnose Epilepsie - Günter Krämer - E-Book

Diagnose Epilepsie E-Book

Günter Krämer

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  • Herausgeber: TRIAS
  • Kategorie: Ratgeber
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2021
Beschreibung

Erkrankung mit vielen Gesichtern Epilepsien sind weit verbreitet: Über 800 000 Menschen sind im deutschsprachigen Raum betroffen. Die Diagnose trifft viele unvorbereitet. Schon kurze "Aussetzer" können Anzeichen einer Epilepsie sein, nur bei manchen tritt ein "großer" Krampfanfall auf. Verstehen, wovon der Arzt spricht Dieser Ratgeber informiert über Ursachen, unterschiedliche Anfallsformen, den Verlauf der Krankheit und die Aussicht auf Anfallsfreiheit. Der Autor erklärt, welche Untersuchungen sinnvoll sind und beschreibt die aktuellsten und wirksamsten Behandlungen. So meistern Sie Ihr Leben selbstbewusst und stark Mit einer Epilepsie lässt es sich meist gut leben. Viele Tipps zu Sport, Freizeitgestaltung, Führerschein, Fernsehen, Alkohol usw. geben Ihnen Sicherheit und Zuversicht im Alltag. Auch Fragen zur Lebensplanung wie Berufswahl und Familiengründung kommen nicht zu kurz.

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Seitenzahl: 174

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Diagnose Epilepsie

· Die Krankheit verstehen · Die besten Therapien nutzen · Den Alltag gestalten

Dr. med. Günter Krämer

3. Auflage 2021

Vorwort

Fast zehn Jahre nach Erscheinen der »Diagnose Epilepsie« halten Sie nun eine aktualisierte Auflage in Händen. Sie ist aus dem Bedürfnis heraus entstanden, eine kurzgefasste Darstellung der wichtigsten Aspekte von Epilepsien zur Verfügung zu stellen. Mein inzwischen in vierter Auflage vorliegendes Buch »Das große TRIAS-Handbuch Epilepsie« (TRIAS Verlag 2013, im Druck) ist im Vergleich zu dem vorliegenden Titel mehr als doppelt so umfangreich. Viele Leserinnen und Leser haben auf mein Nachfragen zwar verneint, dass dieses Buch für den an schnell verfügbaren Fakten interessierten »Durchschnittsleser« zu umfassend und mit zu viel Hintergrundwissen vollgepackt sei. Ich vermute jedoch, dass diese Einschätzung in erster Linie darauf beruht, dass die von mir Befragten meist überdurchschnittlich interessierte Mitglieder von Epilepsie-Selbsthilfegruppen waren. So passten ein bei mir selbst gewachsenes Bedürfnis und eine Anregung des Verlages zueinander, ein ergänzendes, sowohl kompakteres als auch vermehrt grafisch aufbereitetes Epilepsiebuch vorzulegen.

Ziel dieses Buches ist nicht, ein »Lehrbuch für Laien« vorzulegen. Es soll vielmehr unter Verzicht auf Selteneres eine knappe Orientierung zu den wichtigsten Fragen ermöglichen. Bei den häufigsten Anfalls- und Epilepsieformen erfolgt jeweils eine Besprechung aller wichtigen Aspekte ohne Notwendigkeit, beispielsweise zu den Ursachen, den erforderlichen Untersuchungen und zur Behandlung, an drei verschiedenen Stellen des Buches nachschlagen zu müssen. Beim Schreiben habe ich der Einfachheit halber in der Regel von »dem« Arzt gesprochen. Damit soll natürlich keinerlei Geschlechtsbevorzugung zum Ausdruck gebracht werden. Ergänzend zu den beiden genannten Titeln habe ich ebenfalls im TRIAS Verlag »Der erste epileptische Anfall« (TRIAS Verlag, 2006) herausgebracht. Dieses Buch wendet sich in erster Linie an Betroffene nach dem erstmaligen Auftreten eines Anfalls.

Mein Dank geht wie immer an meine Frau Doris, unsere Tochter Judith und unseren Sohn Dirk. Ohne sie hätte vieles in meinem Leben keinen Sinn.

Zürich, im Juni 2012 Günter Krämer

Inhaltsverzeichnis

Titelei

Vorwort

Was Sie wissen sollten

Warum gerade ich?

Die wichtigsten Begriffe

Unterschiedliche Anfallsformen

Zeichen epileptischer Anfälle

Wie ein epileptischer Anfall abläuft

Die Folgen eines epileptischen Anfalls

Häufigkeit und Alter beim Beginn

Der erste Anfall

Der erste Anfall ist nicht unbedingt der Beginn einer Epilepsie

Erster Anfall oder erster beobachteter Anfall?

Beim Arzt

Behandlung beginnen oder abwarten

Ursachen und Auslöser

Die häufigsten Ursachen von Anfällen und Epilepsien

Genetische Anfälle und Epilepsien

Strukturelle und metabolische Epilepsien und Epilepsien unbekannter Ursache

Gelegenheitsanfälle

Was einen Gelegenheitsanfall auslöst

Fiebergebundene epileptische Anfälle (»Fieberkrämpfe«)

Komplizierte fiebergebundene Anfälle

So untersucht der Arzt

Behandlung und Vorsorgemaßnahmen

Vorsorgliche medikamentöse Dauerbehandlung selten erforderlich

Der Verlauf

Ist Epilepsie eine Erbkrankheit?

Wie hoch ist das Epilepsierisiko für Kinder von Eltern mit Epilepsie?

Wie hoch ist das Epilepsierisiko für die Geschwister?

Kopfverletzungen und Epilepsie

Das Risiko einer Epilepsie nach einer Kopfverletzung

Risikofaktoren für posttraumatische Anfälle

Die Behandlung mit Medikamenten

Hirntumoren und Epilepsie

Hirntumoren als Ursache von epileptischen Anfällen und Epilepsien

Die Rolle des Lebensalters

Verschiedene Tumorarten

Behandlung und Verlauf

Entzündungen des Gehirns und Epilepsie

Durchblutungsstörungen des Gehirns und Epilepsie

Altersepilepsien

Der zeitliche Zusammenhang zwischen Durchblutungsstörung und Epilepsie

Medikamentöse Behandlung

Häufige Anfallsformen

Absencen

So verlaufen die Anfälle

Meist lässt sich keine Ursache finden

Alter beim erstmaligen Auftreten

Absencen beginnen meistens im Schulalter

Absencen können auch erstmals bei Jugendlichen oder Erwachsenen auftreten

Fokale Anfälle ohne Bewusstseinsstörung

Jackson-Anfälle

Sensible fokale Anfälle ohne Bewusstseinsstörung (»sensible Herdanfälle«)

Sensorische fokale Anfälle ohne Bewusstseinsstörung

Vegetative oder autonome fokale Anfälle ohne Bewusstseinsstörung

Fokale Anfälle ohne Bewusstseinsstörung mit psychischen Symptomen

Fokale Anfälle mit Bewusstseinsstörung

So verläuft der Anfall

Störung des Bewusstseins

Automatismen

Anfallsdauer

Wie beginnt ein Anfall?

Anfallsursprung und Ursachen

Beteiligte Abschnitte des Gehirns

Kombination mit anderen Anfallsformen

Ursachen

Generalisierte tonisch-klonische (»Grand-mal«-) Anfälle

So verläuft der Anfall

Tonische Phase

Klonische Phase

Nachphase

Ursachen

Primär generalisierte tonisch-klonische Anfälle

Sekundär generalisierte tonisch-klonische Anfälle

Untersuchungen

Behandlung und Verlauf

Status epilepticus

Formen von Status epileptici

Konvulsiver Status generalisierter tonisch-klonischer Anfälle (Grand-mal-Status)

Nichtkonvulsiver generalisierter Status epilepticus (Absencenstatus [Petit-mal-Status, Spike-wave-Stupor])

Status fokaler Anfälle ohne Bewusstseinsstörung

Epilepsia partialis continua

Status nichtkonvulsiver fokaler Anfälle ohne Bewusstseinsstörung

Status fokaler Anfälle mit Bewusstseinsstörung (komplex-fokaler Status, psychomotorischer Status)

Ursachen

Alter beim erstmaligen Auftreten

Wichtige Epilepsieformen

West-Syndrom

So können die Anfälle verlaufen

Häufigere Ursachen

Strukturell/metabolisches West-Syndrom

West-Syndrom unbekannter Ursache

Genetisches West-Syndrom

Alter beim erstmaligen Auftreten

Untersuchungen

Gibt es weitere Menschen mit Epilepsien in der Familie?

Der körperliche Untersuchungsbefund ist meist auffällig

Das EEG zeigt immer typische Veränderungen

Blut- und Urinuntersuchungen

Bildgebende Untersuchungen des Gehirns

Behandlung und Verlauf

Lennox-Gastaut-Syndrom

Häufige Anfallsformen beim LGS

Häufigere Ursachen

Strukturelles oder metabolisches Lennox-Gastaut-Syndrom

Untersuchungen

Der körperliche Untersuchungsbefund ist meist auffällig

Das EEG zeigt immer typische Veränderungen

Weitere Untersuchungen sind meist nötig

Behandlung und Verlauf

Rolando-Epilepsie

So verlaufen die Anfälle

Alter beim erstmaligen Auftreten

Untersuchungen

Sehr häufig gibt es Angehörige mit Epilepsien

Meist normale Untersuchungsbefunde

Eindrucksvolle EEG-Veränderungen

Behandlungserfolg und Verlauf

Absencenepilepsien

Kindliche Absencenepilepsie

Juvenile Absencenepilepsie

Juvenile myoklonische Epilepsie

So verlaufen die Anfälle

Meist lässt sich keine Ursache finden

Alter beim erstmaligen Auftreten

Untersuchungen

Häufig gibt es weitere Menschen mit Epilepsien in der Familie

Der körperliche Untersuchungsbefund ist normal

Das EEG zeigt meist typische Veränderungen

Weitere Untersuchungen sind nur ausnahmsweise nötig

Behandlung und Verlauf

Temporallappenepilepsie

Anfallsformen

Häufigkeit

Ursachen

Anfallsformen

Behandlung und Verlauf

Möglichkeit einer chirurgischen Behandlung früh prüfen!

Untersuchungen

Die Vorgeschichte

Die Eigenanamnese

Die Fremdanamnese

Das Elektroenzephalogramm (EEG)

Die Aufzeichnung der Messungen

Ein EEG ist völlig harmlos und schmerzfrei

Maßnahmen zur Erhöhung der Aussagekraft

Was kann man im EEG sehen?

Wann sollte ein EEG abgeleitet werden?

Bildgebende Untersuchungen

Magnetresonanztomographie

So verläuft die Untersuchung

Blutspiegelbestimmung

Wovon hängt der Blutspiegel ab?

Der Referenzbereich

Die neuropsychologische Untersuchung

Was prüfen die Tests?

Die Untersuchung psychischer Störungen

Psychische Störungen zwischen den Anfällen

Depressionen

Ängstlichkeit

Aufmerksamkeitsstörungs- und Hyperaktivitätssyndrom

Reizbarkeit und Aggressivität

Behandlung

Grundlagen der medikamentösen Behandlung

Das Für und Wider von Medikamenten

Das Ziel einer medikamentösen Behandlung

Die Wahl des richtigen Medikaments

Jedes Medikament sollte »ausdosiert« werden!

Mono- und Kombinationstherapie

Die unbeliebten Medikamente

Was kann man tun, wenn man die Medikamente einmal vergessen hat?

Das Wichtigste über Medikamente gegen Anfälle

Antiepileptika

So werden Antiepileptika angewendet

Wichtige Hinweise zur Dosierung von Antiepileptika

Die Einnahme zusammen mit anderen Medikamenten

Das Absetzen von Antiepileptika

Die wichtigsten Nebenwirkungen von Medikamenten gegen Anfälle

Nebenwirkungen und die Dosis

Möglichkeiten der Epilepsiechirurgie

Für wen kommt die Epilepsiechirurgie infrage?

Die Therapie mit Medikamenten ist allein nicht ausreichend wirksam

Alle Anfälle gehen von einer Stelle aus

Möglichst früh operieren!

Erforderliche Untersuchungen

Chancen der Behandlung

Nichtmedikamentöse und »komplementäre« Behandlungsmethoden

Selbstkontrolle bei Epilepsie

Biofeedback

Ketogene Diät

Leben mit Epilepsie

Sexualität

Kann eine Epilepsie Einfluss auf die Sexualität haben?

Kann Geschlechtsverkehr epileptische Anfälle auslösen und wann sollte man den Partner über seine Epilepsie informieren?

Kann eine Epilepsie das sexuelle Verlangen verringern?

Haben die Antiepileptika Auswirkungen auf die Sexualität?

Was kann bei entsprechenden Nebenwirkungen getan werden?

Wo findet man Hilfe bei Problemen mit der Sexualität?

Hat die Periode Einfluss auf die Anfälle?

Hat die Antibabypille einen Einfluss auf die Anfälle?

Haben die Antiepileptika Einfluss auf die Antibabypille?

Kinderwunsch

Wie hoch ist das Vererbungrisiko?

Gibt es vermehrt Anfälle in der Schwangerschaft?

Besteht das Risiko einer Fehlbildung des Kindes durch Antiepileptika?

Was müssen Mütter bei der Geburt beachten?

Ist Stillen trotz einer Epilepsie möglich?

Schule

Vorurteile gegenüber Kindern mit Epilepsie

Auch Kinder mit Epilepsie sollten an gemeinsamen Aktivitäten teilnehmen

Beruf

Leistungsfähigkeit, Fehlzeiten und Unfälle

Epilepsiemerkmale und Berufstätigkeit

Was soll man den Kollegen erzählen?

Was tun bei Problemen am Arbeitsplatz?

Urlaubsreisen

Vor der Reise

Reisezeit und Buchung

Reiseziel und Unterkunft

Alleine oder in Begleitung?

Essen und Trinken

Zusätzliche Versicherung erforderlich?

Flugreisen und Zeitverschiebung

Medikamente

Immer ausreichend Vorrat mitnehmen!

Aktivitäten am Urlaubsort

Alkohol

Was kann Alkohol bewirken?

Trinken großer Flüssigkeitsmengen

Alkoholentzugsanfälle

»Alkoholepilepsie«

Fernsehen und Videospiele

Flickerndes Licht und »Fotosensibilität«

Lichtreize im Alltag

Vermehrte Lichtempfindlichkeit in der Kindheit und Jugend

Fernsehen

Videospiele

Sport

Folgen körperlicher Anstrengung

Schul- und Vereinssport

Eine mögliche Gefährdung einschätzen

Geeignete und ungeeignete Sportarten

Wettkämpfe und Leistungssport

Besonderheiten des Wassersports

Kraftfahrtauglichkeit

Die rechtliche Situation

Empfehlungen von Dr. med. Günter Krämer

Deutschland

Österreich

Schweiz

Autorenvorstellung

Sachverzeichnis

Impressum

Was Sie wissen sollten

Wird die Diagnose Epilepsie gestellt, tauchen viele Fragen auf. Dabei ist die Kenntnis einiger medizinischer Grundlagen hilfreich, um sich mit der Krankheit zurechtzufinden.

Der erste epileptische Anfall

Warum gerade ich?

Warum gerade ich? »Warum unser Angehöriger?« »Warum gerade mein/unser Kind?« Solche Fragen nach der Ursache drängen sich auf, wenn die Diagnose »Epilepsie« gestellt wird. Allerdings ist der genaue Grund für die meisten Epilepsien noch immer unbekannt, und trotz allen Fortschritts mit immer exakter werdenden Untersuchungsmöglichkeiten kommt es nach wie vor häufiger vor, dass der Arzt am Ende der Untersuchungen keine eigentliche Ursache gefunden hat. Selbst wenn diese Auskunft zunächst frustrierend sein kann, so bedeutet sie doch zumindest, dass am Gehirn keine Schäden zu erkennen sind, die für seine zeitweisen »Aussetzer« verantwortlich sind.

Hingegen finden sich häufiger bestimmte Hinweise, wie etwa »Zeichen einer erhöhten zerebralen Erregbarkeit« oder sogar »epilepsietypische Potenziale« im Elektroenzephalogramm (EEG; siehe S. ▶ 50 ), die je nach Lebensalter auch schon eine Antwort auf die Frage nach der zugrunde liegenden Ursache geben können. Besonders bei Kindern sind bestimmte EEG-Muster verlässliche Hinweise darauf, dass es sich um eine erbliche bzw. »genetische« Epilepsie handelt. Dies muss aber keineswegs bedeuten, dass die Eltern eine Epilepsie haben oder gehabt haben müssen, obwohl sich bei sorgfältiger Nachforschung in der weiteren Familie häufiger andere Betroffene finden. Erfreulicherweise sind diese »erblichen« Epilepsien fast ausnahmslos medikamentös leicht behandelbar und haben darüber hinaus eine starke Tendenz, spätestens bis zum Erreichen des Erwachsenenalters von alleine auszuheilen (»sich auszuwachsen«).

Wissen

Auch mit der derzeit empfindlichsten Untersuchungsmethode zur Abklärung der Ursache einer Epilepsie, der sogenannten Magnetresonanztomographie, lässt sich nur bei etwa 30–40 % der Menschen, bei denen eine Epilepsie festgestellt wird, die Ursache herausfinden.

In jedem Lebensalter können Hirntumoren oder die Folgen von Schlaganfällen oder Kopfverletzungen Ursachen sein. Daneben kommen auch entzündliche Krankheiten des Gehirns oder Folgezustände von schon von Geburt an vorhandenen Fehlbildungen in Frage (siehe folgende Abbildung).

Geht man bei einem durchschnittlichen Risiko an Epilepsie zu erkranken von einem angenommenen Wert 1 aus, so zeigt sich in einer Übersicht, dass bestimmte Faktoren, wie etwa eine Kopfverletzung oder Hirnhautentzündung das Erkrankungsrisiko deutlich steigern. Am auffälligsten ist dies bei einer Steigerung fast um den Faktor 600 für Schussverletzungen des Gehirns, die ja aber Gott sei Dank sehr selten sind.

Mögliche Ursachen von Epilepsien.

(Zeichnung: Heike Hübner, Berlin)

wichtig

In jedem Fall sollten Betroffene sich so früh wie irgend möglich von dem Gedanken befreien, dass sie selbst für ihre Epilepsie, für die ihres Angehörigen oder für die ihres Kindes verantwortlich sind. Derartige Schuldgefühle sind bis auf ganz seltene Ausnahmen – wenn jemand sich z. B. im Rahmen eines Alkoholrausches eine schwere Kopfverletzung zugezogen hat – völlig unbegründet und stellen eine überflüssige Belastung dar.

Eine häufige Ursache von epileptischen Anfällen ist bei Kindern bis zum fünften Lebensjahr hohes Fieber. Diese »Fieberkrämpfe« sind jedoch in aller Regel nur auf das Kleinkindalter beschränkte sogenannte Gelegenheitsanfälle (siehe S. ▶ 10 ), und nur bei etwa 2–3 % dieser Kinder kommt es später auch zu einer Epilepsie. Bei Jugendlichen und Erwachsenen gilt Ähnliches für die im Zusammenhang mit Schlafentzug und Alkoholmissbrauch auftretenden Anfälle.

Risikofaktoren für das Auftreten einer Epilepsie.

Darüber hinaus hängt die Frage nach der (wahrscheinlichsten) Ursache einer Epilepsie sehr von individuellen Faktoren ab, in erster Linie vom Lebensalter, der Anfallsart und dem Erdteil, in dem man lebt:

Alter bei Beginn

Neugeborene: oft Sauerstoffmangel des Gehirns unter der Geburt oder Stoffwechselstörungen

Klein- und Schulkinder: am häufigsten genetisch bzw. erblich (mit-)bedingt

Erwachsene: zahlreiche verschiedene Ursachen möglich

höheres Lebensalter: Durchblutungsstörungen des Gehirns

Anfallsart

generalisierte, von Anfang an beide Großhirnhälften beteiligende Anfälle: eher keine umschriebene Hirnschädigung

fokale, nur einen umschriebenen Teil des Gehirns beteiligende Anfälle: wahrscheinlich umschriebene Hirnschädigung

Wohnort/Land:

Während dies in Mitteleuropa eine absolute Rarität ist, stellt die häufigste Ursache von Epilepsien in manchen afrikanischen Ländern eine Malaria mit Beteiligung des Gehirns dar, und in manchen südamerikanischen Ländern gilt dies – aufgrund schlechter hygienischer Verhältnisse – für einen Befall des Gehirns mit Larven des Schweinebandwurms!

Die wichtigsten Begriffe

Es gibt mehr als zehn verschiedene Formen epileptischer Anfälle und noch weitaus mehr Formen von Epilepsien, auch weil diese mit einer Kombination mehrerer verschiedener Anfallsformen einhergehen können. Jeder betroffene Mensch hat in der Regel nur eine Epilepsieform mit einer bis drei Anfallsformen. Die Abstände zwischen den einzelnen Anfällen können zwischen Sekunden, Jahren und sogar Jahrzehnten schwanken.

Wissen

Epileptische Anfälle sind Ausdruck kurz andauernder, verstärkter und sich gegenseitig aufschaukelnder Entladungen von Nervenzellen im Gehirn und kommen rund hundertmal häufiger vor als Epilepsien. Von einer Epilepsie spricht man erst bei einer Neigung zu wiederholten epileptischen Anfällen (entweder einem Anfall mit erkennbarem hohen Wiederholungsrisiko oder mindestens zwei Anfällen im Abstand von mehr als 24 Stunden) ohne erkennbare Erklärung für den Zeitpunkt ihres Auftretens.

Unterschiedliche Anfallsformen

Epileptische Anfälle können sehr unterschiedlich aussehen. Sie können ohne Schrei und Bewusstlosigkeit einhergehen, ohne Steifwerden, Zungenbiss und Umfallen, ohne Blauwerden und »Krampfen«. Sie können so harmlos sein, dass weder die Betroffenen selbst irgendetwas davon mitbekommen noch anderen Menschen etwas auffällt, wenn sie bei einem Anfall anwesend sind. Einziges Zeichen eines epileptischen Anfalls kann beispielsweise eine eigenartige Geschmacksempfindung, eine Unaufmerksamkeit von wenigen Sekunden oder ein kurzes Kribbeln in einem Arm sein.

wichtig

Epileptische Anfälle können ganz verschieden aussehen und auch ablaufen, ohne dass der Betroffene oder seine Umgebung etwas davon merken.

Zeichen epileptischer Anfälle

Jede Nervenzelle und jeder Nervenzellverband im Gehirn kann »epileptisch« werden, was dazu führt, dass sie in ihrer normalen Tätigkeit gestört oder unterbrochen werden. Wenn die Zellen etwa für Wahrnehmungen im Bauch zuständig sind, kann es zu einem eigenartigen Gefühl in der Magengrube kommen, das sich typischerweise von dort über die Speiseröhre nach oben bis hin zum Kopf ausbreitet. Sind die Nervenzellen für die Geruchsempfindung verantwortlich, kommt es zu einer Riechstörung; sind sie für das Sehen verantwortlich, kann es beispielsweise zu Wahrnehmungen von Blitzen oder anderen Lichtreizen kommen. Sind die Nervenzellen am Gedächtnis beteiligt, drückt sich dies in einer Störung des Lernens und gegebenenfalls auch in einer Unterbrechung des Bewusstseins mit hinterher bestehender Erinnerungslücke aus.

Wissen

Einfach gesagt sind epileptische Anfälle Ausdruck einer vorübergehenden Funktionsstörung von Nervenzellen, wobei die Auswirkungen des Anfalls davon abhängen, welche Aufgaben die beteiligten Nervenzellen normalerweise haben. Jedes Lebewesen, das ein Gehirn hat, kann epileptische Anfälle bekommen.

Wie ein epileptischer Anfall abläuft

Was genau im Gehirn zu Beginn eines epileptischen Anfalls passiert bzw. was als unmittelbare Ursache des Anfalls angesehen werden kann, ist größtenteils noch unbekannt. Die meisten Nervenzellen entladen oder »feuern« normalerweise relativ langsam oder auch längere Zeit überhaupt nicht. Eine »epileptisch« gewordene Nervenzelle feuert entweder andauernd schnell hintereinander oder in Salven beziehungsweise Impulsserien.

Eine Störung einer einzelnen Nervenzelle würde jedoch niemals ausreichen, um bei einem Menschen einen Anfall auszulösen. Dazu kommt es erst, wenn sehr viele, normalerweise in ihrer Tätigkeit aufeinander abgestimmte Zellen gleichzeitig diese Störung haben und sich gegenseitig »aufschaukeln«. Erst dann lässt sich ein beginnender Anfall auch durch Veränderungen an der Kopfoberfläche erkennen – sichtbar im Elektroenzephalogramm (EEG) .

Bei epileptischen Anfällen kommt es also zu einem Zusammenwirken eines ganzen Netzwerks vorübergehend übermäßig aktiver Nervenzellen, die gewissermaßen außer Kontrolle geraten. Der Ort und das Ausmaß der epileptischen Entladungen bestimmen die Anfallsform und deren Auswirkungen. Bei sogenannten primär generalisierten Anfällen, wie beispielsweise Absencen (siehe S. ▶ 19 ), sind von Beginn an beide Großhirnhälften beteiligt, was auch erklärt, warum die Betroffenen nichts vom Beginn der Anfälle wissen. Im Gegensatz dazu sind die epileptischen Entladungen bei fokalen Anfällen zunächst auf einen Teil einer Gehirnhälfte beschränkt, können sich von dort aber weiter ausbreiten und unter Umständen schließlich ebenfalls das ganze Gehirn beteiligen.

Wissen

Das Großhirn besteht aus zwei Hälften, die sich wie die beiden Hälften einer Walnuss spiegelbildlich entsprechen. Sie stehen durch in der Mitte liegende Verbindungsabschnitte und über den Hirnstamm miteinander in Kontakt. Die Tätigkeit der Nervenzellen ist für unser Denken, Fühlen und Handeln verantwortlich. Kommt es zu einer Störung, kann eine der möglichen Folgen das Auftreten epileptischer Anfälle sein.

Die Folgen eines epileptischen Anfalls

Die abnormen Erregungen von Nervenzellen führen dazu, dass die vom Gehirn über das Rückenmark und die Nerven in die verschiedenen Körperabschnitte bzw. von dort zurück zum Gehirn laufenden elektrischen Impulse gestört oder unterbrochen werden, weshalb es zu vielfältigen unwillkürlichen und oft nicht bewusst erlebten Abläufen kommen kann.

Während beispielsweise im normalen Wachzustand die unter anderem mit den Augen und Ohren aufgenommenen Informationen über die Umwelt vom Gehirn laufend verarbeitet werden, um bei Bedarf darauf reagieren zu können, kann es bei einem Anfall zur Unterbrechung dieser Bahnen kommen. Das führt dann dazu, dass die Betroffenen zwar mit offenen Augen schauen, aber gleichzeitig »abwesend« wirken und nicht reagieren. Ein anderes Beispiel ist das vermehrte Anspannen oder auch Entspannen der Muskulatur in den Beinen, was zu Störungen des Gleichgewichts und Stürzen führen kann. Auch eine Erinnerungslosigkeit beruht auf derartigen Störungen.

Wichtig zu wissen ist, dass bei einer Epilepsie das Gehirn, beziehungsweise Teile des Gehirns, nur in der kurzen Zeit eines Anfalls gestört sind; zwischen Anfällen, also in 99,9 % der Zeit, funktioniert es normal.

Häufigkeit und Alter beim Beginn

Epilepsien sind verbreiteter, als die meisten Menschen glauben. Knapp 1 % aller Menschen leidet an einer Epilepsie; weltweit wird mit mindestens 50 Millionen Betroffenen gerechnet.

Epileptische Anfälle können im Prinzip bei jedem Menschen auftreten, dessen Gehirn plötzlich geschädigt oder durch eine akute Erkrankung in Mitleidenschaft gezogen wird. Im Verlauf des Lebens kommt es bei etwa 3–4 % der Bevölkerung ohne erkennbaren Grund oder Anlass zu wiederholt auftretenden epileptischen Anfällen und damit zu einer Epilepsie, die zum Teil aber nur vorübergehend aktiv ist. In Deutschland wird geschätzt, dass mindestens sechs bis sieben Betroffene pro 1 000 Einwohner, also insgesamt etwa 500 000 Personen mindestens einen Anfall in den letzten fünf Jahren hatten oder medikamentös behandelt werden.

Epilepsien treten bei Kindern und älteren Menschen häufiger auf.

Die Zahl der Neuerkrankungen an Epilepsie pro Jahr wird auf 30–50 pro 100 000 Menschen geschätzt. Dies bedeutet in Deutschland rund 30 000 neu erkrankte Menschen pro Jahr. So wie die allgemeine Krankheitshäufigkeit ist auch die Häufigkeit an Neuerkrankungen altersabhängig. Sie zeigt bezogen auf das Lebensalter einen J-förmigen Verlauf mit den höchsten Werten in den ersten beiden Lebensjahren und jenseits des 60. und 70. Lebensjahrs.

So häufig treten Epilepsien mit fokalen und generalisierten Anfällen in Abhängigkeit vom Lebensalter auf.

(Zeichnung: Heike Hübner, Berlin)

Etwa ein Viertel der Epilepsien tritt in den ersten beiden Lebensjahrzehnten auf. In den folgenden vier Jahrzehnten bis zum 60. Lebensjahr beginnen dann vergleichsweise wenige Epilepsien, während es danach wieder zu einem deutlichen Anstieg kommt. Epilepsien entwickeln sich also immer mehr von einer Kinderkrankheit zu einer Krankheit des höheren Lebensalters!

Der erste Anfall

Der erste bewusst erlebte oder beobachtete epileptische Anfall bleibt vielen Menschen mit Epilepsie und auch den Angehörigen oder Augenzeugen oft besonders dramatisch in Erinnerung. Wenn es sich um einen »großen« (generalisierten tonisch-klonischen oder »Grand-mal-«Anfall, siehe S. ▶ 25