Dialekt und Standardsprache in der Deutschdidaktik - Frank Janle - E-Book

Dialekt und Standardsprache in der Deutschdidaktik E-Book

Frank Janle

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Beschreibung

Dialekte sind in den letzten Jahren wieder in das Blickfeld von Politik, Medien und Werbung gerückt. So steht auch die Schule vor der Aufgabe, die Rolle der Dialekte als Teil der Alltagskultur und nicht zuletzt vor dem Hintergrund des "mehrsprachigen Klassenzimmers" zur Kenntnis zu nehmen und Dialekte sinnvoll in den Unterricht zu integrieren. Die vorliegende Einführung bietet Unterrichtenden Hilfestellung, um das Thema "Dialekt" auf dem neuesten Forschungsstand didaktisch angemessen zu vermitteln. Dabei dürfen Dialekt und Standardsprache nicht gegeneinander ausgespielt werden, sondern sind vielmehr daraufhin zu befragen, welche unterschiedlichen Funktionen sie im Sprachalltag erfüllen. Die Darstellung setzt sich kritisch mit den aktuellen Schulbüchern und Bildungsplänen auseinander und schließt mit zahlreichen Zusatzmaterialien und Aufgaben mit ausführlichen Lösungshinweisen.

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Frank Janle / Hubert Klausmann

Dialekt und Standardsprache in der Deutschdidaktik

Eine Einführung

Narr Francke Attempto Verlag Tübingen

Coverabbildung: eigene Abbildung nach Eichhoff 1977–2000, Band 1, Karte 13

 

 

© 2020 • Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 • D-72070 Tübingen www.narr.de • [email protected]

 

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

 

E-Book-Produktion: pagina GmbH, Tübingen

 

Print-ISBN 978-3-8233-8415-1

ePub-ISBN 978-3-8233-0248-3

Inhalt

Vorwort1. Einführung1.1 Problemstellung1.2 Aufbau des Buchs2. Grundlagen: Linguistische Aspekte und Voraussetzungen2.1 Die innere Mehrsprachigkeit des Deutschen2.2 Das Phänomen des Sprachwandels2.3 Konzeptionelle Mündlichkeit und konzeptionelle Schriftlichkeit bzw. Literalität2.4 Zusammenfassung: Die Begriffe Standardsprache, Dialekt und Umgangssprache3. Herkunft und Gliederung der deutschen Dialekte und der Standardsprache3.1 Herkunft und Gliederung der Dialekte3.1.1 Die Herkunft der Dialekte3.1.2 Die Gliederung der Dialekte3.1.3 Die Entstehung von Dialektgrenzen3.2 Die Entstehung der Standardsprache3.3 Die Verteilung von Dialekt, Regionalsprache und Standardsprache im süddeutschen Raum3.4 Die Zukunft der Dialekte3.5 Regionale Varianten in der mündlichen Standardsprache3.6 Regionale Varianten in der schriftlichen Standardsprache3.7 Zwischenbilanz4. Problemkreise und Perspektiven4.1 Begriff und soziokulturelle Bedeutung sprachlicher Ideologien und die Problematik sprachlicher Diskriminierung4.2 Sprachliche Ideologien in anderen europäischen Ländern (Beispiele)4.3 Dialekt und Standardsprache aus soziologischer und lernpsychologischer Perspektive4.4 Linguistische Sprachkritik und ein dialektfreundliches Konzept sprachlicher Kompetenz5. Dialekt und Standardsprache in der sprachlichen Praxis: Beispiele aus dem (schulischen) Sprachalltag5.1 Bildungspläne5.2 Sprachbücher5.3 Ergebnisse einer Befragung im schulischen Umfeld5.4 Dialekt und Standardsprache in den Medien und in der Werbung6. Zusammenfassung: Konsequenzen und Schlussfolgerungen für den (Deutsch-)Unterricht6.1 (Deutsch-)Unterricht6.2 DaF/DaZ-Unterricht7. Arbeitsteil7.1 Aufgaben für das Selbststudium7.2 Hinweise zur Lösung7.3 Arbeitsmaterialien und Hinweise für das weiterführende Selbststudium7.3.1 Internetseiten7.3.2 Kommentierte Auswahl wissenschaftlicher Fachartikel7.3.3 Wissenschaftliche Beiträge in AusschnittenAnhangGlossarLiteraturAbbildungsverzeichnisPersonenregisterSachregister

Vorwort

In den vergangenen Jahren hat das Interesse am Thema Dialekt stark zugenommen. Zahlreiche Zeitungen widmeten sich dem Thema, Fachzeitschriften wie „Praxis Deutsch“ gaben ein ganzes Heft zum Dialekt heraus, die Werbung setzte verstärkt einzelne Dialektwörter oder sogar leicht verständliche Sätze in Mundart ein, und Politiker griffen das Thema auf. So hat der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann im Dezember 2018 sogar eine Dialekttagung nach Stuttgart einberufen, um alle Institutionen und Vereine, die sich mit den baden-württembergischen Dialekten beschäftigen, zu versammeln und zu überprüfen, wie es um den Dialekt im Land bestellt ist und was man für ihn tun könne.

Nun kann man beim Dialekt verschiedenen Fragen nachgehen: Woher kommen die Dialekte? Wie entstehen unterschiedliche Dialekträume? Wer spricht überhaupt noch Dialekt? Geht der Dialekt verloren? usw. Auch wenn wir in den hierfür vorgesehenen Kapiteln versuchen, auf diese Fragen eine Antwort zu finden, so stehen sie dennoch nicht im Zentrum dieses Buchs. Es geht uns vielmehr darum, das Spannungsfeld zwischen Dialekt und Standardsprache zu beschreiben und deutlich zu machen, dass all das, was sich in diesem Spannungsfeld abspielt, für die Schule von größter Relevanz ist. Hierbei verfolgen wir einen evidenzorientierten Ansatz, der sich an der Sprachwissenschaft orientiert und versucht, deren Erkenntnisse in die Deutschdidaktik zu integrieren.

In den Schulen und damit auch in der Deutschdidaktik ist man lange Zeit von einer einfachen Opposition ausgegangen: hier die ländlichen Dialekte mit ihren zahlreichen räumlichen Varianten, dort die homogene Standardsprache. Die Dialektologie hat nun aber schon seit langem den Nachweis erbracht, dass dies ein doppelter Irrtum ist. Einerseits gibt es nämlich zwischen den beiden Polen – zum Beispiel in Süddeutschland – mehrere Zwischenregister, andererseits ist die Standardsprache gar nicht homogen. Durch diese beiden Irrtümer kam es dann – vor allem in der Nachfolge der BernsteinschenBernstein, Basil Defizithypothese – zu der Auffassung, dass die Dialekte im Vergleich mit der Standardsprache von geringerem Wert und beim sozialen Aufstieg hinderlich seien. Hierbei wurde die Stellung der Dialekte in der Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland erst gar nicht genauer untersucht, sondern man übertrug einfach das amerikanische Modell auf die deutschen Verhältnisse. In der Schule konnten all diese Irrtümer zu einer DiskriminierungDiskriminierungsprachliche von Dialekt sprechenden Kindern führen, wobei dies oft nicht direkt, sondern indirekt geschah, etwa in Aufforderungen wie „Sag es noch einmal schöner!“

Da die Schule im Bereich der Sprache für die meisten Menschen die wichtigste normgebende Instanz ist, muss sie sich des Themas Dialekt – Standard entsprechend annehmen. Daher ist es auch in den aktuellen Bildungsplänen verankert. Mit unserem Buch geben wir eine Hilfestellung zur Umsetzung dieser Vorgaben; darüber hinaus bieten wir (angehenden) Lehrkräften die Möglichkeit, sich die wichtigsten fachlichen Grundlagen mithilfe des Buches, insbesondere mithilfe der zahlreichen Übungen und vertiefenden Texte im Arbeitsteil, selbst zu erarbeiten. Dabei haben wir stets die Sprachwirklichkeit im Auge. Nur so kann herausgefunden werden, was in unserem Sprachalltag angemessen und was unangemessen ist. Wer eine Sprachnorm ansetzt, die nicht durch die Wirklichkeit legitimiert ist, lebt nicht nur in einer Illusion, sondern er leistet auch eine Vorarbeit für all diejenigen, die diese fiktive Norm missbrauchen, um alle Sprecherinnen und Sprecher, die nicht dieser Norm entsprechen, sozial zu benachteiligen.

Umfragen haben gezeigt, dass sich Sprachklischees, sogenannte sprachliche IdeologienIdeologie, sprachliche, über Jahrzehnte halten können. So existiert zum Beispiel die Vorstellung, dass man in Hannover das beste Deutsch spricht, schon seit zwei Jahrhunderten. Diese und andere KlischeesKlischees, sprachliche, die, wie wir zeigen werden, sprachwissenschaftlich alle nicht haltbar sind, können nur mit Hilfe der Schule überwunden werden. Dabei geht es nicht darum, Dialekt und Standard gegeneinander auszuspielen, sondern sie in ihrer heutigen Funktion im Sprachalltag zu beschreiben und ihre Variabilität und Veränderlichkeit zu erkennen und dann auch anzuerkennen. Wenn die Schule dies leisten könnte, wäre schon viel gewonnen. Wer nämlich um die Heterogenität der deutschen Sprache auf allen Ebenen weiß, kann die regionalen Elemente in der Sprache der Mitmenschen besser einordnen. Er weiß dann, was in dieser und jener Situation angemessen und nicht angemessen ist. Damit wäre aber auch ein Beitrag zu mehr sprachlicher und sozialer Gerechtigkeit in der Schule und im späteren Berufsleben erreicht.

1.Einführung

1.1Problemstellung

Historische Sprachen sind keine einheitlichen Sprachsysteme; in ihnen sind zugleich die Dimension der Homogenität und die Dimension der Varietät gegeben.

 

Eugenio CoseriuCoseriu, Eugenio: Sprachkompetenz, S. 139

DialektDialekt und StandardspracheStandardsprache sind zwei Seiten einer Medaille. Bei der Auseinandersetzung mit der Frage, wie man die deutsche Sprache korrekt zu schreiben und auszusprechen habe, müssen sie daher grundsätzlich zusammen betrachtet werden: Während der Begriff Dialekt die historisch gewachsene Vielfalt des deutschen Sprachraums beschreibt, bezeichnet der Begriff HochspracheHochsprache bzw. Standardsprache das seit dem 19. Jahrhundert, vor allem seit der Gründung des deutschen Kaiserreichs 1871 anhaltende Bemühen um Normierung und Vereinheitlichung der deutschen Sprache. Daraus ergibt sich ein natürliches Spannungsverhältnis zwischen dem Bestreben nach Normierung einerseits und der hartnäckigen Weigerung der sprachlichen Wirklichkeit, sich dem ohne Weiteres zu beugen. Dies betrifft sowohl die deutsche Schriftsprache als auch das gesprochene Deutsch, das gesprochene Deutsch jedoch in einem weit höheren Maße. Daher liegt der Schwerpunkt dieser Einführung auf dem Mündlichen; die Problematik der Standardisierung der deutschen Schriftsprache wird aber mitthematisiert, nicht zuletzt deshalb, weil sich dadurch wertvolle Erkenntnisse über den (wesentlichen) Unterschied zwischen mündlichem und schriftlichem SprachgebrauchSprachgebrauch ergeben und weil z.B. im Lexikon1 mündlicher und schriftlicher Sprachgebrauch durchaus zusammenhängen.

Dass die Beschäftigung mit den Themen Dialekt und Standardsprache im deutschen Sprachraum auch und gerade in einer sich immer rascher wandelnden Welt eine besondere Virulenz besitzt, zeigt bereits ein flüchtiger Blick in die Suchmaschine Google: Ein einziger Klick zum Suchwort „Dialekt“ fördert bereits zahllose Internetlinks zu allen möglichen Aspekten und Facetten des besagten Suchworts zutage, wobei neben sehr prinzipiellen Fragen nach der Herkunft und Identität, wie sie in der großen Landesausstellung zum Mythos und zur Marke Schwaben 2016/17 in Stuttgart aufgeworfen wurden, ganz konkrete Fragen beispielsweise nach den karrierehemmenden Wirkungen einer dialektalen Aussprache oder auch dem (mehr oder weniger guten) Image der unterschiedlichen im deutschen Sprachraum gesprochenen Dialekte zu finden sind. Entsprechend groß ist – innerhalb und außerhalb von Schule und Universität – das Ausmaß an Unsicherheit und Irritation im Umgang mit der deutschen Sprache, was sich insbesondere populäre SprachpflegerSprachpflege zu Nutze machen: In oft fragwürdiger, weil fachlich verkürzter bzw. linguistisch nicht haltbarer Weise werden um den richtigen SprachgebrauchSprachgebrauch bemühten Laien und Profis (wie etwa Deutschlehrern und Journalisten) gleichermaßen Ratschläge und Hilfestellungen gegeben. So stellen beispielsweise die beiden Sprachwissenschaftler Péter MaitzMaitz, Péter und Stephan ElspaßElspaß, Stephan, die ihrerseits wesentliche Erkenntnisse zu einem reflektierten Umgang mit Dialekt und Standardsprache beigetragen haben, mit Blick auf den bekannten Sprachratgeber „Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod“ bzw. dessen Autor und linguistischen Laien Bastian SickSick, Bastian fest: Er „kann sich aber von seinem latenten Ideal der kultivierten und über allen Varietäten stehenden standardsprachlichen Norm nicht lösen“2 – obwohl nicht nur die (nicht-standardsprachliche) Alltagssprache, sondern auch die Standardsprache selbst Variation aufweist.

Weitere Brisanz gewinnt die Auseinandersetzung mit den Themen Dialekt und Standardsprache vor dem Hintergrund der seit dem sogenannten Pisa-Schock (2000) anhaltenden bildungspolitischen Diskussion über nationale BildungsstandardsBildungsstandards und deren Umsetzung auf unterschiedlichen Ebenen: in den Bildungsplänen der Länder, in zentralen Prüfungen wie etwa dem Abitur oder auch in bundesweiten Lernstandserhebungen wie z.B. Vera 3 und Vera 8.3 Denn der politisch motivierte Versuch der Vereinheitlichung von Bildungsprozessen setzt (fast) zwangsläufig ein Konzept von sprachlicher KompetenzKompetenz, sprachliche voraus, welches die – von Kultusministerkonferenz (KMK), Bildungsplanmachern usw. – definierten Standards über die Vielfalt, das National-Einheitliche über das Regional-Besondere stellt. Aus den genannten Gründen wollen wir uns unserem Thema nicht nur in beschreibender und erklärender Weise nähern; wir geben auch Hinweise zum sinnvollen Umgang mit bzw. zum sinnvollen Gebrauch von Dialekt und UmgangsspracheUmgangssprache, wobei wir unseren Fokus insbesondere auf die folgenden Schwerpunkte legen:

die Entwicklung und Fundierung der Konzepte „Dialekt“, „Standardsprache“ und „Umgangssprache“ auf der Basis sprachwissenschaftlicher Grundlagen,4

die Frage nach dem „richtigen“ Umgang mit diesen Konzepten im sprachlichen Alltag, insbesondere in Schule und Universität,

die Formulierung eines (dialektfreundlichen) Konzepts sprachlicher KompetenzKompetenz, sprachliche, in dem die genannten Teilaspekte in sinnvoller Weise berücksichtigt werden.

Unser eigener sprachwissenschaftlicher und didaktischer Standpunkt (Point of view), den wir am Ende des Kapitels „Grundlagen“ weiter ausführen und mit Blick auf die Fragen nach einem sinnvollen Umgang mit den Themen Dialekt und Standardsprache konkretisieren werden, ist dabei die linguistisch fundierte SprachkritikSprachkritiklinguistische, wie sie Jürgen SchieweSchiewe, Jürgen, Martin WenglerWengler, Martin, Jörg KilianKilian, Jörg u.a. in den letzten Jahren in diversen Publikationen differenziert begründet und überzeugend ausformuliert haben (vgl. Kap. 4.4).5 Darüber hinaus teilen wir die Sicht des Kulturwissenschaftlers Thomas BauerBauer, Thomas, nach der es die Vielfalt nicht nur in der Natur, sondern auch in kultureller und sprachlicher Hinsicht zu erhalten gilt. In seinem Essay „Die Vereindeutigung der Welt – Über den Verlust an Mehrdeutigkeit und Vielfalt“ kritisiert Bauer neben dem Artensterben in der Natur „in nie dagewesenem Umfang“ auch das Aussterben bedrohter Sprachen und Dialekte.6 Wenn man wie dieser Kulturwissenschaftler der Ansicht ist, dass auch das Verschwinden von sprachlicher Vielfalt einen Verlust darstellt – und wir sind dieser Ansicht –, dann gilt es, zum einen, zumindest mit Blick auf Deutschland bzw. die deutsche Sprache, nach den Faktoren für dieses Verschwinden und geeigneten Gegenstrategien zu fragen (vgl. Kap. 3); zum anderen ist bei der Bestimmung dessen, was aus deutschdidaktischer Perspektive unter sprachlicher KompetenzKompetenz, sprachliche zu verstehen ist, auf diese Herausforderung angemessen zu reagieren. Dazu, wie dies geschehen kann, werden wir gegen Ende des theoretischen Teils (in Kap. 4) einen Vorschlag unterbreiten.

Auch wenn unser Schwerpunkt auf der Situation in Deutschland liegt, kann dieses Arbeitsbuch für Interessierte anderer deutschsprachiger Länder ebenfalls von Nutzen sein, da grundsätzliche Aussagen über Konzepte und Strategien verallgemeinerbar und auf unterschiedliche Sprachsituationen anwendbar sind. Es richtet sich in erster Linie an Deutschlehrerinnen und Deutschlehrer, Studierende des Faches Germanistik sowie Referendarinnen und Referendare des Faches Deutsch, aber auch Personengruppen, die außerhalb des Fachbereichs Deutsch professionellen Umgang mit der Sprache haben, wie z. B. Zeitungsredakteure, Journalisten und Verantwortliche in Radio und Fernsehen.

1.2Aufbau des Buchs

Da es unser Bestreben ist, das Spannungsfeld zwischen Dialekt und Standardsprache zu beschreiben und nach Strategien zu suchen, mit denen eine Kommunikation innerhalb dieses Spannungsfeldes ohne DiskriminierungDiskriminierungsprachliche gelingen kann, müssen wir zunächst einmal die Grundlagen für die folgende Diskussion schaffen. Dies ist die Aufgabe von Kapitel 2. Hier wollen wir Begriffe wie Dialekt, Standardsprache, UmgangsspracheUmgangssprache klären, auf das für jede Sprachbetrachtung fundamentale Phänomen des SprachwandelsSprachwandel eingehen, den ebenso wichtigen Unterschied zwischen SchriftlichkeitSchriftlichkeit, konzeptionelle und MündlichkeitMündlichkeit, konzeptionelle herausstellen und die regionale Varietät in das Konzept der inneren MehrsprachigkeitMehrsprachigkeitinnere einbetten. In Kapitel 3 gehen wir dann einen Schritt weiter und zeigen auf, wie die Dialekte entstanden sind, wie man sie gliedert, wie es zu Dialektgrenzen kommen und was man über ihre Zukunft sagen kann. Ebenso wird hier die Entstehung der Standardsprache genauer beschrieben, um abschließend Dialekt und Standardsprache in Beziehung zu setzen: Wann und wie werden sie im Alltag verwendet? Und inwiefern zeigt auch die Standardsprache regionale Varianz? Nachdem somit die Sprachwirklichkeit im süddeutschen Raum beschrieben ist, steht in Kapitel 4 der Umgang in der Gesellschaft mit regionaler Varietät im Zentrum. Hierbei müssen zunächst verschiedene sprachliche IdeologienIdeologie, sprachliche vorgestellt werden, da sie bei der DiskriminierungDiskriminierungsprachliche von Sprecherinnen und Sprechern mit regionaler Varietät eine zentrale Rolle spielen. Ein Blick in die Schweiz und nach Norwegen macht kontrastiv deutlich, dass eine sprachliche Varietät auch in einer modernen, wirtschaftlich erfolgreichen Gesellschaft akzeptiert, gefördert und gelebt werden kann. Da wir bei allen unseren Betrachtungen und Analysen von einer linguistisch fundierten SprachkritikSprachkritiklinguistische ausgehen, die nach einer Bestandsaufnahme auch Lösungsvorschläge macht, stellen wir am Ende des Kapitels unser dialektfreundliches Konzept sprachlicher KompetenzKompetenz, sprachliche vor. In Kapitel 5 soll dieses Konzept schließlich mit der schulischen Praxis in Verbindung gebracht werden: Was sagen die Bildungspläne zum Thema Dialekt-Standardsprache und wie setzen die Sprachbücher diese Vorgaben um? Was wissen gerade aus dem Studium kommende Referendarinnen und Referendare des Faches Deutsch über Dialekt und Standardsprache und wie gehen sie bei der Beurteilung von regionalen Varianten in der Standardsprache vor? Aber nicht nur in der schulischen Praxis spielen sprachliche IdeologienIdeologie, sprachliche und DiskriminierungDiskriminierungsprachliche eine Rolle. Auch in den MedienMedien wird ein falsches Bild von der Standardsprache gepflegt und verbreitet, was am Ende des Kapitels anhand einiger Beispiele aufgezeigt wird. Nachdem der Nachweis erbracht wurde, dass sprachliche Ideologien und damit automatisch Diskriminierungen von Sprecherinnen und Sprechern einer regionalen Varietät im schulischen Alltag eine Rolle spielen, fordern wir in Kapitel 6 Konsequenzen sowohl für den Umgang mit Schülerinnen und Schülern, die Dialekt oder eine RegionalspracheRegionalsprache sprechen, als auch für den Unterricht Deutsch als Zweitsprache/Fremdsprache, wo die deutsche Standardsprache nach wie vor als ein homogenes Gebilde vorgestellt wird, das es in der Wirklichkeit nicht gibt. Um allen Lehrenden die Arbeit an diesem für uns wichtigen Thema zu erleichtern, haben wir im Arbeitsteil (Kapitel 7) schließlich zahlreiche Aufgaben, Arbeitsmaterialien, Internetseiten und Aufsätze zusammengestellt.

2.Grundlagen: Linguistische Aspekte und Voraussetzungen

Die im folgenden Kapitel erläuterten linguistischen Grundlagen (Kap. 2) sind für ein vertieftes Verständnis der Phänomene Dialekt und Standardsprache von zentraler Bedeutung. Sie sollen daher soweit – und nur soweit – dargestellt werden, dass der wissenschaftliche Problemhorizont und die für unser Thema maßgeblichen linguistischen Theorieansätze und Fragestellungen sichtbar werden.

2.1Die innere Mehrsprachigkeit des Deutschen

Wenn wir von „der“ deutschen Sprache sprechen, sprechen wir nicht von einer Sprache, sondern von vielen. Die deutsche Sprache ist also kein monolithischer Block, sondern gekennzeichnet durch verschiedene Varietäten.

Neben den dialektalen Varietäten unterscheidet die Sprachwissenschaft auch soziolektale Varietäten. Während die dialektalen Varietäten die geografischen Verbreitungsformen der deutschen Sprache bezeichnen, nennt man eine soziolektale Varietät die Sprache einer bestimmten sozialen Gruppe.1 Zu den dialektalen Varietäten des Deutschen zählen z.B. das SchwäbischeSchwäbisch, das BairischeBairisch und das FränkischeFränkisch – ein detaillierter Überblick über die verschiedenen Dialekte der deutschen Sprache erfolgt weiter unten (Kap. 3); zu den soziolektalen Varietäten werden alters- und schichtenspezifische Sprachvarietäten wie beispielsweise die Jugendsprache bzw. das Gastarbeiterdeutsch, aber auch Fach- und Spezialsprachen „von Fachleuten für Fachleute“ gezählt.2 Darüber hinaus gibt es eine situative Varianz – sie bezeichnet die Fähigkeit eines Individuums, eine bestimmte sprachliche Varietät in Abhängigkeit von der jeweiligen Situation zu realisieren. In jedem Fall ist es aus linguistischer Sicht nur dann sinnvoll, von einer sprachlichen Varietät zu sprechen, wenn sie sich auf mindestens einer sprachlichen Ebene (z. B. Lexikon, Morphologie, Phonologie, Semantik, Syntax) von einer anderen sprachlichen Varietät unterscheiden lässt.

Die erste sprachwissenschaftlich fundierte Beschreibung des breiten Varietätenspektrums der deutschen Sprache legt Mario WandruszkaWandruszka, Mario in seiner wegweisenden Publikation „Die MehrsprachigkeitMehrsprachigkeitinnere des Menschen“ (1979) vor. Wandruszka kommt darin nicht nur zu dem Schluss, dass sich der Lehrer „als Erzieher zur Mehrsprachigkeit begreifen“ müsse, da sowohl die Standard- bzw. HochspracheHochsprache als auch der Dialekt und der Regiolekt ihren eigenen Wert und ihre eigene Berechtigung haben;3 er unterscheidet außerdem zwischen tätiger und verstehenderMehrsprachigkeit und nimmt damit eine Unterscheidung vor, die für unsere eigenen Überlegungen ebenfalls von zentraler Bedeutung ist: Während tätige Mehrsprachigkeit die persönliche Verwendung bestimmter sprachlicher Varietäten in bestimmten kommunikativen Kontexten meint, ist mit verstehender MehrsprachigkeitMehrsprachigkeitverstehende die menschliche Fähigkeit gemeint, weit mehr sprachliche Varietäten zu verstehen als zu verwenden. So sind z.B. auch Sprecher der deutschen Sprache, die nicht aus Österreich stammen, i.d.R. in der Lage, das in Österreich gesprochene Deutsch zu verstehen. Zurecht stellt Wandruszka pointiert fest: „Sprachliche Kommunikation ist weit über das Verwenden hinaus ein gegenseitiges Verstehen.“4

Laut Helmut HenneHenne, Helmut, auf den das bis in die Gegenwart wirksame (und damit wohl wichtigste) linguistische Konzept der inneren MehrsprachigkeitMehrsprachigkeitinnere des Deutschen zurückgeht, gehört auch die deutsche Standardsprache zu den Varietäten der deutschen Sprache.5 Dabei sieht Henne die deutsche Standardsprache keinesfalls als unteilbare Einheit, sondern differenziert sie vielmehr weiter in die „Stilschichten bzw. Funktionalstile“ des alltäglichen, des arbeitspraktischen, des wissenschaftlichen und des literarisch-künstlerischen Verkehrs aus.6 Dennoch kommt der deutschen Standardsprache nach Henne eine Sonderstellung zu: Da sie „diejenige sprachliche Existenzform“ ist, „welche die kulturelle und politische Geschichte und Existenz der Deutschen trägt“,7 geht sein Konzept der inneren MehrsprachigkeitMehrsprachigkeitinnere des Deutschen nämlich vom Primat der Standardsprache aus.8 Dabei wird das Konzept keinesfalls von der Vorstellung getragen, die Standardsprache sei ein statisches Gebilde; er sieht die Standardsprache vielmehr in beständiger Wechselwirkung mit anderen Varietäten, auf die sie einwirkt, von denen sie aber ebenso beeinflusst wird. Insofern bezieht sich der Begriff Standardsprache, wie bereits in der einleitenden Problemstellung angedeutet, in wissenschaftlich-beschreibender Weise auf die deutsche Sprache, während der Begriff der HochspracheHochsprache der in der Alltagskommunikation gebräuchliche Begriff für die Standardsprache ist; dem Begriff der HochspracheHochsprache wohnt außerdem ein pädagogisch-didaktisches Moment inne, denn er weist, wie Jakob OssnerOssner, Jakob betont, „auf die Notwendigkeit der Pflege und Bildung“ der deutschen Sprache hin.9

HennesHenne, Helmut Konzept der inneren Mehrsprachigkeit des Deutschen ist somit einerseits wegweisend für eine differenzierte, linguistisch fundierte und zugleich didaktisch reflektierte Sicht auf die Vielgestaltigkeit der deutschen Sprache, andererseits macht es deutlich, dass auch der sprachwissenschaftliche Blick darauf nicht ideologisch neutral bzw. vollkommen wertfrei ist bzw. sein kann – entscheidend ist vielmehr, sich entsprechender sprachlicher IdeologienIdeologie, sprachliche (wie etwa der Aufwertung des sprachlichen Standards gegenüber anderen Varietäten) und der damit verbundenen Implikationen für die sprachliche Praxis, die wissenschaftliche Theoriebildung und die Sprachdidaktik möglichst bewusst zu sein. Dazu wird es deshalb einige weiterführende Überlegungen in Kapitel 4 geben.

2.2Das Phänomen des Sprachwandels1

Als gesprochene Sprache befindet sich die deutsche Sprache – im Unterschied zu nicht (mehr) bzw. nur noch von wenigen Liebhabern gesprochenen Sprachen wie z.B. Latein oder Altgriechisch – in permanentem Wandel. Nach Gerhart WolffWolff, Gerhard ist dabei der Begriff SprachwandelSprachwandel den Begriffen Veränderung und Entwicklung vorzuziehen.2 Denn der Begriff Veränderung beziehe sich lediglich auf „beobachtbare Oberflächenphänomene“, sei also eine quantitative Kategorie, „die dem dynamischen Charakter von Sprache nicht gerecht werden“ könne; der Begriff Entwicklung werde dagegen mit der „Vorstellung von einem kontinuierlichen, zielgerichteten Ablauf“ verbunden und sei damit eine teleologische Kategorie, die „ganz bestimmte Regulative (Entwicklungsgesetze), Einteilungen (Entwicklungsstufen) und Deutungen (z.B. fortschreitende Vervollkommnung, Sprachdifferenzierung oder auch Sprachzerfall)“ impliziere. Lediglich der Begriff Sprachwandel werde dem „dynamisch-veränderbaren Charakter der Sprache“ gerecht, nicht zuletzt deshalb, weil es „die Interpretationsoffenheit einzelner Phänomene gebe“ und Veränderungen funktionell erklärt würden, also die Frage nach den dahinterstehenden kommunikativen Bedürfnissen das wissenschaftliche Interesse leite. Wolff nennt den Begriff Sprachwandel deshalb treffend eine pragmatische Kategorie.

Was damit gemeint ist, zeigt Uwe HinrichsHinrichs, Uwe eindrücklich am Beispiel des sogenannten Gastarbeiterdeutsch auf, sprich dem ungesteuert erworbenen Deutsch von Migranten, die zwischen den 1950er und den frühen 1970er Jahren nach Deutschland kamen.3 Da sie lediglich für einen „begrenzten Zeitraum“ und „ohne Perspektive auf Integration“ nach Deutschland eingereist seien, sei ihre Motivation, die deutsche Sprache zu erlernen, nur gering gewesen; auch hätten die meisten Gastarbeiter keinen Fremdsprachen- bzw. Deutschunterricht besucht. Hinrichs geht dabei von der Annahme aus, dass typische Züge des Gastarbeiterdeutsch „unabhängig von der Herkunftssprache auftreten“, wozu z. B. „fehlende Artikel, Präpositionen und Pronomen; falsche Präpositionen, falsches Genus, andere Wortfolge etc.“ zählen. Für die Frage nach dem SprachwandelSprachwandel entscheidend ist jedoch ein anderer Befund, nämlich die Tatsache, dass diese Merkmale und Besonderheiten des Gastarbeiterdeutsch „auch im Zusammenhang mit aktuellen Veränderungen in der deutschen Standard-UmgangsspracheUmgangssprache“ auftauchen. So werden in dieser beispielsweise zunehmend alte Kasus durch Präpositionen ersetzt, was laut Hinrichs auf den intensiven Sprachkontakt zwischen Muttersprachlern und Migranten zurückzuführen ist. Denn diese „geben Präpositionen den Vorzug“, weil sich ihre eigene Muttersprache – so z.B. das Türkische und das Arabische – weit „von dem alten Kasusmodell“ entfernt hat.4 Im Kern handelt es sich bei all diesen Veränderungen durch Sprachkontakt also um „kommunikativ bedingte Vereinfachungen der Grammatik“ und damit um ein pragmatisch bedingtes Sprachwandelphänomen in dem von Gerhart WolffWolff, Gerhard beschriebenen Sinn.

Neben den durch Sprachkontakt bedingten Formen des SprachwandelsSprachwandel lässt sich nach HinrichsHinrichs, Uwe eine zweite große Gruppe von Veränderungen ausmachen, die für die deutsche Sprache gegenwärtig kennzeichnend sind. Dazu gehören zum einen Veränderungen „die aus dem Englischen herüberkommen („Denglisch“)“ und zum anderen Veränderungen, die „aus den Dialekten stammen (Ich bin gerade die Uhr am Reparieren).“5 Bei (noch) genauerer Betrachtung ist das Verhältnis zwischen Dialekt und mündlicher „Standard-UmgangsspracheUmgangssprache“ tatsächlich noch etwas komplizierter, als es die Unterscheidung von Hinrichs suggeriert, denn es beruht auf Gegenseitigkeit: Die deutschen Dialekte wirken auf die am schriftlichen Standard orientierte Umgangssprache ein, weswegen nicht von der einen deutschen Standard-Umgangssprache gesprochen werden kann, sondern von verschiedenen regionalen (mündlichen) GebrauchsstandardsGebrauchsstandard gesprochen werden muss; diese wirken ihrerseits auf den Gebrauch der Dialekte zurück. So ist das dialektale Sprechen in Deutschland zwar immer noch weit verbreitet, aber es findet in erster Linie im privaten und kommunalen Bereich statt, z.B. in der Familie, im Freundeskreis und im Sportverein, während im öffentlichen Raum zunehmend Formen und Varianten eines „abgemilderten“, an der regionalen Umgangssprache orientierten dialektalen Sprechens anzutreffen sind.6 Schließlich ist noch zu unterscheiden zwischen einem gelenkten und einem nicht gelenkten SprachwandelSprachwandel: Während Hinrichs (in erster Linie) nicht gelenkte Formen der Einflussnahme meint, sind politisch bzw. pädagogisch motivierte Formen der Einflussnahme auf Bildungsprozesse im Sinne von HennesHenne, Helmut Primat der Standardsprache mehr oder weniger gelenkt.

2.3Konzeptionelle MündlichkeitMündlichkeit, konzeptionelle und konzeptionelle SchriftlichkeitSchriftlichkeit, konzeptionelle bzw. Literalität

Die bisherigen Überlegungen zeigen, dass die auf Forschungen von Peter KochKoch, Peter und Wulf Oesterreicher zurückgehende Unterscheidung zwischen konzeptioneller MündlichkeitMündlichkeit, konzeptionelle und konzeptioneller SchriftlichkeitSchriftlichkeit, konzeptionelle1 für ein vertieftes Verständnis der Problematik von Dialekt und Standardsprache unerlässlich ist. Nach Helmuth FeilkeFeilke, Helmuth kennzeichnen schriftlich-konzeptuale Fähigkeiten „Graphie und Orthographie ebenso wie die Fähigkeit, schriftliche Texte zu verfassen“;2 das zentrale Ziel konzeptionell-schriftlicher Kommunikation ist „die maximal kontextentbundene Verständigung“.3 Nach Fix ist Schriftlichkeit deshalb ein „eigenständiges kognitives Konzept“, ein eigener „Denkstil“ und „nicht nur ein Anhängsel des Sprechens“.4 So setzt das kompetente Verfassen eines konzeptionell schriftlichen Textes nicht nur korrekte Rechtschreibung, sondern z.B. auch Textsortenkenntnis und die Fähigkeit voraus, die Perspektive potentieller Adressaten einzunehmen. Aber auch Prozesse der Planung, Überarbeitung und Revision sind kennzeichnend für konzeptionell schriftliche Texte. Daneben gibt es freilich Texte, die dem konzeptionell Mündlichen nahestehen, etwa die Chat-Kommunikation oder die E-Mail: Diese kann zwar ebenfalls sehr förmlich verfasst sein, beispielsweise wenn sie an Vorgesetzte oder Behörden gerichtet ist und damit durchaus in den Bereich konzeptioneller Schriftlichkeit gehört; unter Bekannten und im privaten Schriftverkehr weist die E-Mail jedoch typischerweise Merkmale konzeptioneller Mündlichkeit auf. Jörg KilianKilian, Jörg spricht deshalb treffend von „geschriebener UmgangsspracheUmgangssprache“ bzw. „geschriebener Mündlichkeit“.5 Die Frage ist nun, welche Konsequenzen damit für Dialekt und Standardsprache verbunden sind.

Zunächst einmal ist festzuhalten, dass es sich beim Thema Dialekt in erster Linie – aber nicht ausschließlich – um ein Phänomen handelt, das im Bereich konzeptioneller MündlichkeitMündlichkeit, konzeptionelle angesiedelt ist. Dialektales Sprechen ist für die mündliche Alltagskommunikation kennzeichnend, hier jedoch in verschiedenen Nuancierungen und Abstufungen: Während im Süden des deutschen Sprachraums in der Familie, im Freundeskreis und im heimatlichen bzw. dörflichen Kontext bis heute das dialektale Sprechen üblich ist (und u.U. sogar bewusst gepflegt wird), greifen dieselben Sprecherinnen und Sprecher im beruflichen Umfeld oder anderen weiteren Handlungskontexten (wie etwa Schule oder Studium) – im Sinne des Code-SwitchingCode-Switching – auf die in ihrer Region gebräuchliche UmgangsspracheUmgangssprache zurück. Diese ist zwar ebenfalls noch dialektal gefärbt, jedoch insgesamt näher an der (typischerweise in Radio und Fernsehen gesprochenen) mündlichen Standardaussprache angesiedelt als der heimische Dialekt.

Zwischen den zahlreichen (mehr oder weniger) dialektal gefärbten mündlichen Aussprachevarianten des Deutschen gibt es außerdem Abweichungen auf allen sprachlichen Ebenen (Beispiele aus dem OberfränkischenFränkisch):

Lexikon (Bsp. Babbelwasser für ein alkoholisches Getränk, nach dessen Genuss man redselig wird),

Morphologie (Bsp. gwen für „gewesen“),

Semantik (Bsp. Fähnla für „ein minderwertiges Kleid“),

Syntax (Bsp. machsd-es Laab auf an Haufm für die Aufforderung „mach das Laub auf einen Haufen“).6

In der schriftlichen Standardsprache – und damit im Bereich konzeptioneller SchriftlichkeitSchriftlichkeit, konzeptionelle – finden sich regionale Varianten hingegen lediglich innerhalb des Wortschatzes. Drei Beispiele hierfür aus der von Hubert KlausmannKlausmann, Hubert durchgeführten Studie zu „RegionalismenRegionalismen in der schriftlichen Standardsprache“:7

daheim (im süddeutschen Sprachraum gebräuchliche Variante zu norddt. zu Hause),

Blaukraut (im süddeutschen Sprachraum gebräuchliche Variante zu norddt. Rotkohl)

Radler (im süddeutschen Sprachraum gebräuchliche Variante zu norddt. Alsterwasser).

Das von Ulrich AmmonAmmon, Ulrich u.a. (2004) herausgegebene „Variantenwörterbuch des Deutschen“ mit ca. 12000 standardsprachlichen Wörtern und Wendungen, die eine national oder regional eingeschränkte Verbreitung aufweisen, macht eindrucksvoll deutlich, dass Varianten auch innerhalb des schriftlichen Standarddeutschen sehr viel weiter verbreitet sind, als es der Begriff „Standardsprache“ suggeriert.

2.4Zusammenfassung: Die Begriffe Standardsprache, Dialekt und UmgangsspracheUmgangssprache

Mit Blick auf die folgenden, einzelne Aspekte weiter vertiefenden Überlegungen werden an dieser Stelle die wesentlichen Unterschiede zwischen den Begriffen Standardsprache, Dialekt und Umgangssprache noch einmal kurz und prägnant zusammengefasst. Dies geschieht jeweils durch kurze Begriffserklärungen.

Zunächst einmal ist festzuhalten, dass es sich in allen drei Fällen um linguistische Konzepte und damit um den Versuch handelt, aus einer Fülle sprachlicher Phänomene jeweils solche in einem Begriff zusammenzufassen, die eine Reihe ähnlicher – nach linguistischen Kriterien beschreibbarer – Merkmale aufweisen. Dabei muss zwischen sprachwissenschaftlich motivierten und fundierten einerseits und populären bzw. alltagssprachlichen Konzepten andererseits unterschieden werden: Der Begriff „Dialekt“ ist sowohl ein linguistisches als auch ein alltagssprachliches Konzept – auch Menschen, die nicht Sprachwissenschaftler sind, haben i.d.R. eine (mehr oder weniger konkrete) Vorstellung davon, was man unter einem „Dialekt“ versteht; der Begriff „Hochdeutsch“ wiederum ist ein alltagssprachliches Konzept, dem der sprachwissenschaftliche Begriff der (deutschen) Standardsprache entspricht, unter der im Wesentlichen Folgendes zu verstehen ist:

Standardsprache: Bei der (deutschen) Standardsprache handelt es sich um ein Phänomen der deutschen Sprache, das sowohl im Schriftlichen (schriftlicher Standard) als auch im Mündlichen (mündlicher Standard) auftritt; von Standard bzw. Standardisierung ist deshalb die Rede, weil die (mündliche wie schriftliche) Standardsprache der Normierung unterliegt. Normierende Instanz für die mündliche Standardsprache ist das „Aussprachewörterbuch“ des DudenDuden; daneben existiert bis heute die von dem deutschen Germanisten Theodor SiebsSiebs, Theodor um 1900 entwickelte „Bühnenaussprache“ als normierende Instanz.1 Beide Standard-Lautvarianten wurden bzw. werden – trotz einiger Unterschiede – auf der Basis norddeutscher Dialekte entwickelt. Der Duden nimmt für sich allerdings in Anspruch, „der Sprechwirklichkeit“ näher zu kommen als die „Bühnenaussprache“, da diese „ideale Norm“ nur noch im Kunstgesang üblich sei.2 Wie Werner KönigKönig, Werner für den mündlichen Standard nachgewiesen hat, meint der Duden mit „der Sprechwirklichkeit“ die Aussprache im norddeutschen Raum.3 Das zeigt zum einen, dass hinter seinen Entscheidungen Sprachwissenschaftler stehen, die ihre Entscheidungen nicht auf der Basis empirischer Untersuchungen, sondern eigener Normurteile fällen; zum anderen macht es deutlich, dass auch die Entscheidungen eines Wörterbuchs – so unumstößlich sie erscheinen mögen – auf einer schwankenden, veränderlichen Basis stehen („Was ist die Sprechwirklichkeit im norddeutschen Raum?“).4 Der im kulturellen Gedächtnis der deutschsprachigen, insbesondere der bundesrepublikanischen Bevölkerung tief verwurzelte Nexus „Norddeutsch gleich Standardsprache“ hat in diesen richtungweisenden Entscheidungen seinen Ursprung, obwohl – das sei hier ausdrücklich betont – die einzelnen deutschen Aussprachevarianten bzw. Dialekte aus sprachwissenschaftlicher Perspektive prinzipiell gleichwertig sind.5 Ein „Primat der Standardsprache“ (vgl. Kap. 2), wie es in Helmut HennesHenne, Helmut Konzept der inneren MehrsprachigkeitMehrsprachigkeitinnere des Deutschen zum Ausdruck kommt, lässt sich jedenfalls nicht aus der konkreten Sprachwirklichkeit ableiten, sondern allenfalls normativ begründen. Den geografisch neutralen mündlichen Standard gibt es nach Königs Untersuchungen im Grunde lediglich bei den Nachrichtensprecherinnen und Nachrichtensprechern in Radio und Fernsehen in mehr oder weniger „reiner“ Form.6 Normierende Instanz für den schriftlichen Standard sind ebenfalls die deutschen Wörterbücher, allen voran der Duden und das Wörterbuch von WahrigWahrig. Dabei gilt es zu bedenken, dass es nicht nur zwischen den einzelnen Wörterbüchern, also mit Blick auf die Frage, was der schriftliche Standard sei, z. T. erhebliche Diskrepanzen gibt.7 Neben dem deutschen Deutsch sind darüber hinaus weitere nationale Standardvarietäten zu unterscheiden, nämlich das „österreichische Deutsch“ und das „schweizerische Deutsch“.8

Dialekt: Zu den dialektalen Phänomenen gehören die verschiedenen regionalen Varianten der deutschen Sprache. Dies gilt sowohl für das Schriftliche als auch für das Mündliche, wobei jedoch ein wesentlicher Unterschied besteht: Während die (regionale) Variation im Schriftlichen – ungeachtet aller Normierungsbestrebungen von DudenDuden und WahrigWahrig – im Bereich Wortschatz bzw. Lexik auftritt, differieren die mündlichen Variationen der deutschen Sprache auf sämtlichen linguistischen Ebenen (Lexikon, Morphologie, Phonologie usw.). Dabei ist, wenn von Dialekt die Rede ist, im süddeutschen Raum grundsätzlich von einer gleitenden Skala auszugehen: Sie reicht von „stark ausgeprägt“, wie in bestimmten ländlichen Kontexten durchaus heute noch üblich und vor allem in früheren Jahrhunderten der Normalfall, bis hin zu „schwach ausgeprägt“, d. h. nahe am mündlichen Standard und lediglich dialektal bzw. regional gefärbt.

UmgangsspracheUmgangssprache: Im Unterschied zu den beiden Begriffen „Standardsprache“ und „Dialekt“ bezieht sich der Begriff „Umgangssprache“ ausschließlich auf den Bereich des konzeptionell Mündlichen, also den Bereich der gesprochenen Sprache. Dabei ist zunächst einmal festzuhalten, dass es „die“ Umgangssprache nicht gibt;9 vielmehr existieren zahlreiche Varianten der Umgangssprache nebeneinander, wobei Dialektgrenzen überschritten werden und die Grenzen zwischen diesen Varianten fließend sind. Ihr Hauptkennzeichen besteht darin, dass sie einerseits mehr oder weniger stark dialektal gefärbt und andererseits – zum Zwecke überregionaler Verständigung – am (mündlichen) Standard orientiert sind. Deshalb kann bei regionalen Varianten, die dem (mündlichen) Standard sehr nahe stehen, auch von „Standardvarianten“ gesprochen werden.10 Die Verwendung der Umgangssprache wird somit von der impliziten Annahme getragen, dialektales Sprechen sei per se eine Verständigungsbarriere und müsste deshalb durch die (mehr oder weniger starke) Ausrichtung am (mündlichen) Standard verbessert werden.

3.Herkunft und Gliederung der deutschen Dialekte und der Standardsprache

3.1Herkunft und Gliederung der Dialekte

3.1.1Die Herkunft der Dialekte

Wer in der Öffentlichkeit Dialekt spricht, wird immer wieder mit dem Vorwurf konfrontiert, kein richtiges Hochdeutsch zu sprechen. Allerdings machen es sich diese Gegner der Dialekte zu einfach, denn im deutschen Sprachraum ist die Situation komplizierter, als mancher glaubt. Zunächst muss festgehalten werden, dass die Dialekte gar kein falsches Hochdeutsch sein können, weil sie nicht vom Hochdeutschen, also der Standardsprache, abstammen. Um die Herkunft der Dialekte zu klären, müssen wir einen Blick auf die deutsche Sprachgeschichte werfen.

Die deutsche Sprache gehört zur Familie der germanischen Sprachen, die ihrerseits zur Großfamilie der indogermanischen Sprachen gehört. Entscheidend für die Abtrennung des Deutschen von den übrigen germanischen Sprachen wie Dänisch, Holländisch, Schwedisch, Englisch usw. war eine Lautveränderung, die sogenannte Zweite LautverschiebungZweite Lautverschiebung, bei der zwischen dem 5./6. und 8./9. Jahrhundert n. Chr. unter anderem die Laute p, t, k zu pf/ff, ts/ss und ch/kch verändert wurden. Da eine solche Veränderung in Hunderten von Wörtern auftritt, verändert sie das Gesicht einer Sprache massiv. Ein Vergleich von deutschen und englischen Wörtern macht den Unterschied sofort deutlich. Es stehen sich dann beispielsweise gegenüber: englisch water – deutsch Wasser, englisch apple – deutsch Apfel. Diese Zweite LautverschiebungZweite Lautverschiebung wird traditionell in der Dialektforschung auch als Kriterium für die Einteilung der deutschen Dialekte verwendet. Entsprechend der Teilnahme an dieser Lautverschiebung werden die deutschen Dialekte in drei Gebiete eingeteilt (Abb. 1):

(a) das niederdeutscheNiederdeutsch Gebiet: Hier wurde wie in den übrigen germanischen Sprachen diese Lautverschiebung überhaupt nicht durchgeführt, so dass man zum Beispiel im Niederdeutschen heute noch ik für „ich“, maken für „machen“, Dorp für „Dorf“, Appel für „Apfel“ und Pund für „Pfund“ sagt.

(b) das mitteldeutscheMitteldeutsch Gebiet: Diesen Raum kann man als Übergangsgebiet bezeichnen. Zwar hat man hier an der Zweiten LautverschiebungZweite Lautverschiebung teilgenommen, doch wurden nicht alle Konsonanten verändert: So sagt man im Kölner Raum zum Beispiel ich, aber dat und Pund, während man im Süden des deutschsprachigen Raums das und Pfund spricht. Die Besonderheit im östlichen Teil des Mitteldeutschen besteht dagegen in der Aussprache von Pfund als Fund. Appel bleibt aber auch hier unverändert.

(c) das oberdeutscheOberdeutsch Gebiet: In diesem Raum wurde die Zweite LautverschiebungZweite Lautverschiebung bis auf k- im Anlaut komplett durchgeführt. Die Verschiebung von k- zu kch- und Ch- fand nur im südlichen Teil des BairischenBairisch und AlemannischenAlemannisch statt, wo man die Aussprachen Kchind/Chind für Kind noch heute hören kann.

Abb. 1:

Die räumliche Gliederung der deutschen Dialekte nach der Zweiten Lautverschiebung.

Die Sprachstufe, in der diese Veränderungen zum ersten Mal auftreten, nennt man „Althochdeutsch“. Hierbei ist „hochdeutsch“ ein geografischer Begriff, der – vom Meer aus gesehen – den Gegensatz zum NiederdeutschenNiederdeutsch („Plattdeutschen“) deutlich machen soll. Dieses „Althochdeutsch“ hat sich ebenfalls über die Jahrhunderte in seiner lautlichen und grammatikalischen Struktur verändert, so dass man spätestens für das 12. Jahrhundert von „Mittelhochdeutsch“ spricht. Die Dialekte des hochdeutschen Raumes, also die mitteldeutschenMitteldeutsch und oberdeutschenOberdeutsch Dialekte, bilden dann die natürliche Fortsetzung dieser mittelhochdeutschen Sprache.

Da sich, wie wir gesehen haben, die Dialekte aus dem Mittelhochdeutschen ableiten lassen, ist es auch nicht möglich, Dialekte nachzumachen, indem man sie von der standarddeutschen Lautung ableitet. Wer also in einem Ort Wörter wie „breit“ und „Geiß“ als broit und Goiß hört und glaubt, dass er nur die standarddeutsche Lautung -ai- durch -oi- ersetzen muss, um den Ortsdialekt zu sprechen, würde dann mit Lautungen wie Zoit „Zeit“ und woiß „weiß“ falsch liegen, da diese beiden Wörter in mittelhochdeutscher Zeit mit einem langen i-Laut gesprochen wurden, geschrieben -î- (mhd. zît „Zeit“, mhd. wîʒ „weiß“), während die Wörter „breit“ und „Geiß“ einen Diphthong -ei- besaßen (mhd. breit „breit“, mhd. geiʒ „Geiß“). Tabelle 1 zeigt dies nochmals für verschiedene Dialekte, wobei es sich beim FränkischenFränkisch um den ostfränkischen, beim SchwäbischenSchwäbisch um den ostschwäbischen Dialekt handelt. Im Standard werden alle vier Wörter mit -ai- gesprochen!

Mhd.

Bairisch

Fränkisch

Alemannisch

Schwäbisch

Standard

zît

Zait

Zait

Ziit

Zeit

Ais

wîß

waiß

waiß

wiiß

weiß

waiß

breit

broat

braat

brait

broit

brait

geiʒ

Goaß

Gaaß

Gaiß

Goiß

Gaiß

Tab. 1: Die Herleitung der Dialekte aus dem Mittelhochdeutschen

Im Gegensatz zum Germanischen, wofür wir praktisch keine Texte haben, ist die mittelhochdeutsche Sprache gut überliefert. Die großen Dichter des Mittelalters wie Walther von der Vogelweide und Wolfram von Eschenbach haben in dieser Sprache ihre Werke geschrieben. Darüber hinaus liegt uns das Mittelhochdeutsche auch in zahlreichen Urkunden vor. Die Aufspaltung dieser ursprünglich relativ einheitlichen Sprache in die heutigen Großdialekte Bairisch (man schreibt den Dialekt mit einem -i-, das Land Bayern dagegen mit -y-), AlemannischAlemannisch und FränkischFränkisch ist erst nach dem Mittelalter erfolgt. Um nun die Entwicklung der einzelnen Dialekte zu beschreiben, fragt sich die Mundartforschung, was aus den einzelnen mittelalterlichen Lauten in den jeweiligen Dialekten geworden ist: Was wurde zum Beispiel aus einem mittelhochdeutschen langen u-Laut, den man damals als û notierte, in einem Wort wie hûs „Haus“? Man stellt dann fest: Im Alemannischen ist dieses û als langer u-Laut erhalten geblieben und man sagt dort auch heute noch Huus wie im Mittelalter, während dieses û im SchwäbischenSchwäbisch zu einem -ou- wurde, so dass man dort Hous sagt. Im FränkischenFränkisch und BairischenBairisch ist dieses û dagegen zu einem au geworden. Man sagt wie im Standarddeutschen Haus. Und was wurde aus einem mittelhochdeutschen ei in einem Wort wie breit im Dialekt des Ortes A, was im Ort B? In manchen Gebieten, so etwa im Ostschwäbischen, wurde dieses -ei- zu einem -oi-, so dass man das Wort jetzt als broit ausspricht, in anderen Gegenden wie etwa dem Westschwäbischen oder dem Bairischen, wurde es zu -oa-, so dass man dort broat sagt.

Abb. 2:

Beispiel für eine Sprachatlaskarte, hier aus dem „Sprachatlas von Nord Baden-Württemberg“, Band 2, Karte I, 21.1.

Wenn man alle Laute nach diesem Verfahren durcharbeitet, erhält man das sprachliche Profil eines Ortes und kann für diesen eine Lautlehre erstellen. Dasselbe gilt auch für andere Teilbereiche wie die Grammatik, so dass am Schluss eine umfangreiche Beschreibung einer Ortsmundart entsteht.

Für die Einteilung von Sprachlandschaften nimmt man immer lautliche Veränderungen als Ausgangspunkt, weil sie – wie oben erwähnt – stets in mehreren Wörtern auftreten. Wer für breit heute broit sagt, sagt auch hoiß für heiß, Goiß für Geiß, Loitere für Leiter usw. Dagegen betreffen Unterschiede im Wortschatz in der Regel immer nur ein Wort. Wenn zwei Ortschaften für ein und dieselbe Sache zwei verschiedene Benennungen haben, so muss dies bei der nächsten Sache nicht auch so sein. Es gibt allerdings auch den Fall, dass dort, wo sich besonders viele lautliche Gegensätze gegenüberstehen, auch Unterschiede im Wortschatz festzuhalten sind. Wir werden bei der Beschreibung von Dialektgrenzen solche Sprachgrenzen mit Laut- und Wortgegensätzen noch kennenlernen.

3.1.2Die Gliederung der Dialekte

Es wurde bereits erwähnt, dass sich die oberdeutschenOberdeutsch Dialekte (AlemannischAlemannisch, Bairisch, Fränkisch