Dialoge im Geiste Hutten's - Oskar Panizza - E-Book

Dialoge im Geiste Hutten's E-Book

Oskar Panizza

0,0

Beschreibung

In 'Dialoge im Geiste Hutten's' von Oskar Panizza werden verschiedene philosophische und politische Themen in Form von Dialogen präsentiert. Der literarische Stil des Buches ist dialogorientiert und erinnert an die klassischen Dialoge der Antike. Panizza nutzt geschickt die Form des Dialogs, um unterschiedliche Standpunkte zu präsentieren und den Leser zum Nachdenken anzuregen. Das Werk reflektiert die politischen und gesellschaftlichen Debatten seiner Zeit und zeigt Panizzas kritisches Denken und sein Engagement für soziale Gerechtigkeit. Mit scharfem Witz und einer klaren Sprache bringt Panizza komplexe Ideen auf den Punkt und regt zur Diskussion an. 'Dialoge im Geiste Hutten's' ist somit nicht nur ein literarisches Werk, sondern auch eine kritische Auseinandersetzung mit den gesellschaftlichen Verhältnissen seiner Zeit. Oskar Panizza, ein deutscher Arzt und Schriftsteller, war eine kontroverse Figur seiner Zeit. Bekannt für sein rebellisches und provokatives Schreiben, wurde er oft zensiert und verfolgt. Sein Engagement für soziale Gerechtigkeit spiegelt sich in seinen Werken wider, darunter 'Dialoge im Geiste Hutten's'. Panizza setzt sich in seinen Dialogen kritisch mit politischen und gesellschaftlichen Themen auseinander und fordert seine Leser zum Nachdenken heraus. 'Dialoge im Geiste Hutten's' ist ein wichtiges Werk für all diejenigen, die sich für literarische und politische Diskussionen interessieren und die herausfordernde Ideen schätzen.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 84

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Oskar Panizza

Dialoge im Geiste Hutten's

Über die Deutschen, Über das Unsichtbare, Über die Stadt München, Über die Dreieinigkeit, Ein Liebesdialog
            Books

Inhaltsverzeichnis

Vorwort
Zueignung
Erster Dialog. Ueber die Deutschen
Zweiter Dialog. Ueber das Unsichtbare
Dritter Dialog. Ueber die Stadt München
Vierter Dialog. Ueber die Dreieinigkeit
Fünfter Dialog. Ein Liebes-Dialog

Vorwort

Inhaltsverzeichnis

Auch dies ist ein Gefängnisbüchlein1. Und auch hier will ich, wiewol ich jezt vielleicht Manches zu ändern geneigt wäre, nichts ändern, damit man einmal sehe, wie sich unser herliches Deutschland, in dem sich gerade jezt die unglaublichsten Bewegungen gegenseitig konterminiren, vom Gefängnis aus ausnimt, und in den Augen eines Deutschen, der gerade seines Deutschtums halber – seiner Ideen wegen – in's Gefängnis kam.

Zürich, 27ten April 1897. Oskar Panizza.

Fußnoten

1 Siehe: Vorrede zu »Ein Jahr Gefängnis«. Zürich, J. Schabelitz, 1897.

Zueignung

Inhaltsverzeichnis

Nimm Deutschland diese wen'gen Blätter – ich rufe Dich als Muse an, denn Gott und alle andern Götter sind heute für uns abgetan. Ein Hutten konte seinem Kaiser noch offenbar'n sein Herzeleid; kein Dichter würd' es heut', kein Weiser, kein Deutscher sich's getrauen heut': Wir sind verwundet bis zur Fiber – getrieben hat man es zu bunt – Ergriffen sind wir All' vom Fieber, getreten Alle wie ein Hund ... Nimm's nicht als Unglük, als Verhängnis, wenn Dich beleidigt dies und das, ich komme grad' aus dem Gefängnis,

Erster Dialog. Ueber die Deutschen

Inhaltsverzeichnis

zwischen einem Optimisten und Peßimisten.

OPTIMIST: ... Doch dürfen Sie nicht leugnen, daß die Deutschen im Aufsteigen begriffen sind!

PESSIMIST: Ich weiß nicht – ich weiß nicht! – Es ist die Geschichte wie zwischen den Medern und Persern. Die Perser besiegten die Meder, und dann sagten die Meder, sie seien auch Perser, und die Perser sagten, sie seien auch Meder, und so schmolzen sie zusammen. Faktisch aber waren es Meder und Perser.

OPTIMIST: Item – wenn sie nur vorwärts kommen.

PESSIMIST: Ob sie vorwärts kommen, – ich weiß nicht. Ich meine, es ist zu spät.

OPTIMIST: Wie so: zu spät?

PESSIMIST: Meinen Sie, daß ein Volk, welches Jahrhunderte lang gefrondet wurde, und in der Fron sich wol befand, jemals aus eigenem Antrieb den Blik zum Himmel erheben werde, jemals den Kopf aufrecht tragen lernen werde? Daß aus Aegiptern jemals Römer werden?

PESSIMIST: Was hilft es jezt noch, posteriore Betrachtungen anzustellen! Unsere Vergangenheit ist wahrhaftig nicht rühmenswert. Erfreuen wir uns des Errungenen und bliken nach Vorwärts. Haben wir nicht die Franzosen niedergeschlagen?

PESSIMIST: Ja, in der Fron.

OPTIMIST: In der Fron haben die Römer auch ihre Schlachten geschlagen.

PESSIMIST: Ja, aber wenn sie nach Hause kamen, zogen sie auf den mons sacer, stürzten den Senat oder senkten ihre Dolche in die Brust Cäsars und kämpften für die Freiheit.

OPTIMIST: Freiheit ist ein sehr abstrakter Begriff. Nicht für jede Nazion paßt sie, und nicht für jede Nazion in gleichem Maase. Deutschland, dieses trefliche Volk, dieses in der Sittigkeit den Anderen voranleuchtende Volk, begnügte sich immer mit einem bescheidenen Maas und gedieh.

PESSIMIST: Davon red' ich ja: Deutschland befand sich immer wol in der Fron.

OPTIMIST: Sind die Deutschen je ärger geknechtet worden, als die Franzosen unter Ludwig dem Vierzehnten?

PESSIMIST: Ja, aber als es ihnen zu stark wurde, drehten sie den Spies um, köpften den König und errangen sich die Freiheit – – – und ...

OPTIMIST: Und?

PESSIMIST: Der nächste war dann vorsichtiger.

OPTIMIST: Sie geben also implicite die Woltätigkeit einer monarchischen Regirungsform zu?

PESSIMIST: Ich gebe implicite die Woltätigkeit einer monarchischen Regirungsform zu – wenn hinter dem Volk der Scharfrichter steht.

OPTIMIST: Würde in einem solchen Fall – würde in diesem äußersten Fall – würde in einem solchen verzweiflungsvollen Fall – ich meine: käme es dazu, daß der Monarch, von allen guten Geistern verlaßen, frevelhaft in den Eingeweiden des Volkes wühlte – das heißt: geschähe es, ohne daß die Annahme eines göttlichen Strafgerichts das ganze Vorgehen in einem anderen Lichte erscheinen ließe – würde unter solchen exzepzionellen Umständen – die Gott verhüte – und wobei auch noch die Annahme einer Geistesstörung in dem erlauchten Haupte ausgeschloßen sein müßte – würde bei dem Zusammentreffen solcher ganz verzweifelter Bedingungen ...

Wagt den Saz nicht zu Ende zu führen, schaut sich ängstlich um.

PESSIMIST: Haben Sie keine Furcht! – Hier hört Sie Niemand! – Auch brächte aus Ihrem Perjoden- Bandwurm kein Henker auch nur den Schwanz eines dolus eventualis zusammen ... Hier liegt der einzige Wert der deutschen Sintax ...

OPTIMIST vollendet: ... würde sich nicht auch hier ein deutscher Danton finden?

PESSIMIST: Bis jezt haben die Deutschen vom Köpfen leider immer nur die paßive Form: das Geköpft-Werden kennen gelernt.

OPTIMIST: Aber kam es auch hier zu solchen Ausbrüchen frevelhaften Uebermutes wie unter den französischen Ludwigen?

PESSIMIST: Was? Soll ich Ihnen einen Exkurs aus der deutschen Geschichte geben? Kennen Sie nicht die schönen Studien »Versailles in Deutschland?« Nicht die lieblichen Fürstenhengste August der Starke, Herzog Carl von Würtemberg, Markgraf Alexander von Ansbach, und wie sie alle heißen? Kennen Sie nicht die Jagdgebiete der Aurora von Königsmark, der Franziska von Hohenheim, Lady Craven und anderer, wo die aufgestöberten, im Nez hängen gebliebenen deutschen Bürger froh sein mußten, wenn nicht den Kopf zu verlieren, auf ewige Zeiten in finstere Kerker zu wandern? Wußten Sie, daß damals auf Gedanken Totesstrafe stand? Und die Bürgerinnen, – wißen Sie nicht, daß sie sich glücklich schäzen mußten, in das Hof-Bordell des Durchlauchtigsten aufgenommen zu werden, und es sich zur Ehre rechneten, öffentlich die Bordell-Farbe des Fürsten – in Württemberg war's himmelblau – tragen zu dürfen? Nein: daß dieser zum Gottes-Begriff der Geilheit emporgeschraubte Carl, der Würtemberger, nicht zufrieden, die jungen Frauen seiner Untertanen heimlich zu Mätreßen zu haben, sich an der Schande, an der ohnmächtigen Scham, an der knirschenden Wut der respektive Ehegatten in deren Beisein sich weidete, ja, zulezt, nur deswegen entehrte, um diesen Kizel zu haben? – Was? – Was? – War das nicht sublimirte Geilheit, fürstliche Transzendentalität? – Und von Schubart wißen Sie nichts? – Und von Schiller, der in seiner »Kabale und Liebe« das eitrige Gehirn dieser deutschen Fürsten zum Stinken brachte, – der knapp der Erdroßelung entging? – Wie? – Was sagen Sie? – Wär's da nicht Zeit gewesen, das Köpfchen dem Herrn abzunehmen? ...

OPTIMIST: Um Gottes Willen hören Sie auf! – Unser herliches deutsches Volk! – Die Mätreßen- Wirtschaft, sie war ja nur eine französische Erfindung, nichts entfernt Deutsches, – ich bitte Sie, unser herliches, deutsches Gemüt, unser herliches, deutsches, monogames Gemüt!

PESSIMIST: Gewiß, sie war nur eine Mode, eine Krinolin- oder Hut-Form. Und ich glaube, weil sie den Deutschen nicht stand, meinten sie durch Utriren, durch Pestiferiren und Stänkern die Sache ihren Untertanen begreiflich zu machen. Aber, daß Diese die Sache gutirten, schmakhaft fanden, einer ihnen von Haus aus ganz heterogenen Sache bei sich Zugang gewährten, sie bewunderten, hier liegt es – woher kommt das? ...

OPTIMIST: Ja, woher mag das kommen?

PESSIMIST: Ich weiß nicht. Einmal muß das anders gewesen sein. Tazitus kent die Deutschen von der Seite nicht. Zwischen Tazitus und Gregor VII muß etwas über sie gekommen sein, ein Einfluß, ein verschleimendes Gift, welches die harten, kantigen Teutoburger zu Feiglingen, zu Sentimentalen machte. Am Ende das Christentum, He? –

OPTIMIST: Um Gotteswillen! Damals lehrte sie ein Papst, dieser Gregor, daß die Ehe etwas Schimpfliches, und das Konkubinat, wenn man es durch das Mönchsglas des Christentums betrachte, etwas Anständiges sei. Vielleicht komt es daher. Wenigstens schlugen damals die Deutschen ca. 11000 ihrer geistlichen Mitbürger tot, weil sie verheiratet waren. Damals muß doch ihr »monogames Gemüt«, wie Sie sagen, ziemlich konkubinatorisch geworden sein.

OPTIMIST: Es war die deutsche Seele, die der Idee unterlag.

PESSIMIST: Ja, leider haben die Deutschen nur eine Seele, statt zwei, wie die Franzosen und Italjener. Als die Deutschen die christliche Idee aufnahmen, wurde die ganze Seele christlich, feig, zerknirscht, hündisch, erbärmlich. Die französische Seele wurde auch christlich, aber dahinter kicherte der gallische Rest, der französische Dämon; und bei den Italjenern blökte die erotische Bestie, ihr Boccaccio. Deshalb wurden die Italjener und Franzosen außer Christen auch Nazionen; die Deutschen aber wurden nur Christen, und das war für die großen Welt-Entscheidungen zu wenig.

OPTIMIST: Und doch haben sie eingeholt, was einzuholen war, und sind, nach Allem, wie es scheint, eine Nazion geworden.

PESSIMIST: Ja, unter der Fron. Unter den Fürsten. Unter der Sugestion der Knute. Nehmen Sie die Fürsten weg und es bleibt eine hülflose Maße, hülfloser wie ein Kind.

OPTIMIST: Sind sie nicht glücklich?

PESSIMIST: Eminent glücklich. Hier liegt's ja eben. Das Kindische. Das Tölpelhafte. Sie sind in der Fron glücklich und merken's nicht. Wie der Nigger auf den Reisfeldern beugen sie den breiten Rücken unter der Peitsche des Aufsehers und fletschen noch humoristisch den Paßanten an, der an ihnen vorbeigeht ... Sehen Sie, das dike Kinn, die vorgewölbte Kinnlade des Negers, das Tierische, finde ich bei den Deutschen unsichtbar so mächtig entwikelt, und daneben eine Porzion Gutmütigkeit und Humor, die ihnen hinten im Naken sizt und die Haare zu der kurzen Stirn hereinkräuselt.

OPTIMIST: Kann man denn mehr wie glücklich sein auf dieser Welt, sei's unter Bedingungen, unter welchen nur immer?

PESSIMIST: Kann man mehr wie glücklich sein?! ... Wo wollen Sie denn, daß dieses ewig Kinder-gebärende, lümmelhafte Hausknechtsvolk hinaus soll? – Sehen Sie sich doch die geografische Lage dieser zusammengekeilten Raße an! Wenn Die sich hätten Plaz machen können, sich Rückenfrei machen, sich Seitenfrei machen, wenn Die die Idee des Sich- Plazmachens auf dem Lande so zu faßen im Stande gewesen wären, wie die Engländer zur See, die wären längst an's Meer vorgerükt, wenn Deren Geist so helle gewesen wäre, wie ihre Muskeln dik, die hätten sich längst das Abendland erobert, das feste Land – aber was wollen Sie von Hausknechten? Mit Hausknechten hält man den eigenen Hof sauber. Aber den Hof selbst erringt der Hausknecht nie!

OPTIMIST: Wer sind die Hausknechte?